So ungefähr, ja. Ich find den deutschen Wikipedia-Artikel mit den Beispielen eigentlich sehr treffend und konzis formuliertEs geht um die Akzeptanz von menschenähnlichen, aber künstlichen Figuren als menschlich. Man sollte annehmen, dass der Grad dieser Akzeptanz sich mit zunehmender Detailfülle und entsprechend anatomisch mehr oder weniger korrekten Proportionen stets erhöht, aber genau das ist nicht der Fall. In der Akzeptanzkurve gibt es einen tiefen Knick, das "unheimliche Tal". Woran das liegt, ist nicht genau erforscht, aber die Theorien dazu erscheinen mir plausibel.
Unter anderem wird davon ausgegangen, dass wir einer Figur, die zwar menschlich sein soll, aber in hohem Maße abstrahiert ist - etwa Cartoonfiguren - als klar nicht wirklich menschlich erkennen, aber menschliche Aspekte auf sie projizieren, das heißt, ihnen die Ähnlichkeit zu uns selbst gutschreiben und positiv anrechnen. Genauso bzw. noch intensiver ist es bei umso abstrakteren Charakteren. Nimm Pixars WALL-E. Eine Maschine, klar als solche erkennbar, aber bewusst mit menschlichen Zügen ausgestattet. Wir finden so etwas tendenziell automatisch süß. Wir erkennen uns darin wieder. Fast so, als würden sie uns nacheifern. Überhaupt ist das Gehirn darauf programmiert, Menschen und insbesondere Gesichter zu erkennen, selbst in unbelebten Objekten.
Doch je ähnlicher uns die künstlichen Figuren sind, desto eher findet eine Art Umkehrung der Vorzeichen statt. Wir rechnen ihnen ab einem bestimmten Punkt nicht mehr ihre Menschenähnlichkeit an, sondern nehmen ihnen die kleinen verbleibenden Unstimmigkeiten, die sie von uns unterscheiden, übel. Oder wir empfinden sie als unheimlich, irritierend, seltsam, irgendwie falsch. Sie kommen uns zu nahe. Jemand will unserem Gehirn einen Streich spielen. Wir sehen etwas größtenteils menschliches, das wir aber doch so grade noch als nicht-menschlich erkennen, oft ohne genau sagen zu können, woran es liegt. Das verunsichert. Erst bei einem extrem hohen Grad an Menschenähnlichkeit, wenn die Charaktere auf den ersten Blick kaum noch von uns zu unterscheiden sind, steigt die Kurve wieder an. Das "uncanny valley" ist also sozusagen der Bereich, der dazwischen liegt. Die Figuren sind nicht stilisiert genug, um als harmlose Kreationen durchzugehen, aber nicht realistisch genug, um als Menschen akzeptiert zu werden. Da haben wir anscheinend oft höhere oder andere Ansprüche und achten selbst auf Kleinigkeiten.
Was mich in den Diskussionen, die ich in einigen Kommentarspalten zu Alita geführt habe, ziemlich nervt, sind die Leute, die behaupten, dass das mit uncanny Valley nichts zu tun hätte, weil sie ja bewusst so gestaltet worden ist, um künstlich zu wirken. Das ist totaler Unsinn. Der Effekt ist etwas unbewusstes, gefühlsmäßiges, wobei die Intention der Macher keine Rolle spielt. Man muss verstehen, dass uncanny Valley einen Eindruck des Betrachters umfasst. Ob etwas innerhalb des Kontexts einer fiktiven Handlung irgendwie Sinn macht ist nicht ausschlaggebend. Das heißt, es kommt nicht darauf an, ob Alita ein Roboter sein soll oder nicht, sondern darauf, als was wir sie wahrnehmen. Dass sie sehr menschliche Züge hat, sollte ja wohl außer Zweifel stehen.
Zwei Dinge treiben den Uncanny-Valley-Faktor hier meiner Meinung nach extrem in die Höhe. Das sind einmal die Augen bzw. generell ihre Gesichtsproportionen an einem ansonsten beinahe photorealistischen Modell mit entsprechend realistischen Texturen. Sie haben hier versucht, eine ziemlich oberflächliche Interpretation von Anime-Ästhetik auf die reale Welt zu übertragen, was generell niemals eine gute Idee ist. Der eigentliche Knackpunkt besteht jedoch darin, dass Alita im Wesentlichen ein real gedrehter Spielfilm bzw. ein Hybrid mit CGI-Elementen wird, wodurch die komplett animierte Hauptfigur direkt neben echten menschlichen Schauspielern zu sehen ist. Das potenziert die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wahrnehmung. Sähen alle Figuren so aus wie Alita und wäre es ein reiner CG-Animationsfilm mit relativ realistischen Charakteren, hätte sich wahrscheinlich kaum jemand beschwert. Wir erkennen sie ja immer noch sofort als künstlich.
Aber sie neben echte Menschen zu stellen beinhaltet den Anspruch der Filmemacher, dass wir sie als Teil der real gedrehten Filmwelt akzeptieren, gleichwertig mit anderen Darstellern. Genau das funktioniert für viele nicht, da sie als digitales aber recht menschenähnliches Konstrukt so krass deutlich hervorsticht. Die meisten anderen Realfilme mit Charakteren aus dem Computer umgehen die Problematik, indem sie stets auf allzu menschliches Design verzichten und stattdessen die Unterschiede betonen (vgl. Star Wars Aliens, Avatar, Gollum etc.). Wenn bei Alita hauptsächlich die übergroßen Augen "nicht stimmen", aber wir in diversen Einstellungen mit Leuten wie Christoph Waltz sogar noch Vergleichsmaterial direkt dazu geliefert bekommen, dann kann das für manch einen schonmal recht abstoßend oder mindestens merkwürdig werden.
Für mich zerstört es die Immersion vollkommen. Ich kann mich nicht in die Geschichte und Filmwelt hineindenken und der Handlung aufmerksam folgen, wenn ich ununterbrochen daran erinnert werde, dass die Hauptfigur nicht echt ist. Und damit meine ich nicht "nicht echt" innerhalb des Filmgeschehens (schon klar, sie soll ein Cyborg sein), sondern "nicht echt" auf künstlerischer Ebene in diesem Medium. Das ist der feine aber essentielle Unterschied, den einige überhebliche Kommentatoren, die das im Trailer Gezeigte in den Himmel loben und jede berechtigte Kritik als idiotisch oder kindisch abstempeln, nicht zu begreifen scheinen. Es klingt vielleicht etwas übertrieben, aber für mich führt das ungefähr zu dem selben Ergebnis, als hätten sie Alita mit Wachsmalstiften als Strichmännchen gezeichnet und animiert. Sie soll für die menschlichen Charaktere innerhalb des Films real existieren, aber das kaufe ich ihnen nicht ab. Es sieht zu sehr nach Computerkreation aus und ragt erheblich aus dem größtenteils realen Umfeld hervor.
Naja okay, da ist das eine Ausnahme. Gibt ein paar Genrevertreter, die bewusst und erfolgreich mit diesem Konzept spielen. Ich denke schon, dass man damit prinzipiell das Publikum verstören kann, bloß wird in dem Bereich oft weniger intensiv mit Animation gearbeitet, geht daher künstlerisch in eine etwas andere Richtung. Bin persönlich grundsätzlich schon kein Fan von unglaubwürdigem CGI, das macht den vorliegenden Fall mit Alita imho umso unangenehmer. Insbesondere, da man mit ihr als Protagonistin ja eigentlich sympathisieren soll. Das fällt bei den meisten Horror-Figuren komplett weg.Zitat
Zum Abschluss noch eines meiner Lieblingsbeispiele aus dem uncanny Valley, das den Effekt für den einen oder anderen vielleicht noch ein wenig verdeutlichen kann...