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Thema: Wie würde ein Spiel aussehen, das sich hauptsächlich an Frauen richtet?

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  1. #11
    Zitat Zitat von Kelven Beitrag anzeigen
    @Mordechaj
    Ich find Geralt aber gut.
    Weil du ein suprematistischer Anti-Feminist bist!!

    Ich kenne übrigens einige Leute, auch Frauen, die Geralt für nen guten Charakter halten. Und ich will auch gar nicht abstreiten, dass er das sein kann; selbst die alte Lara Croft und selbst nuttenaschlachtende Testosteron-Berge können das sein. Sie unterscheiden sich aber in entscheidendem Maße von angereicherten und diversifzierten Charakteren genauso wie von leeren Avatars.

    Zitat Zitat
    Dass hinter solchen Figuren "Übermenschphantasien" stecken, will ich nicht abstreiten, aber die sind doch nicht per se mit patriarchalen Denkmustern verbunden [...]
    Doch doch, das ist genau der Punkt. Da werden Bemächtigungsphantasien propagiert, die eine ganz spezifisch westlich-patriarchale Ausprägung besitzen. Ich finde diese Ausprägung übrigens unglaublich spannend, ich habe Qualifkationsarbeiten dazu geschrieben und dabei nicht wenig Spaß daran, diese Phantasien auszuagieren. Aber sie tragen eine sehr spezifische Prägung und die ist mindestens immer rein patriarchalen Denkmustern verpflichtet, eigentlich aber eben, wie gesagt, ganz spezifisch westlich-patriarchal.

    Zitat Zitat
    [...] und mit der Hautfarbe erst recht nicht (auch dunkelhäutige Männer haben sicher "maskuline" Vorbilder).
    Das streitet keiner ab! Der Wealthy White Male ist nicht ein weißer, wohlhabender Mann, sondern eine privilegierte Strukturposition, an deren Spitze "der" weiße wohlhabende Mann steht. Alle drunter sind in einer Hierarchie angeordnet, die Weiße, Wohlhabende und Männer in unterschiedlichem Maße und in unterschiedlichen Bereichen privilegiert und ihnen bestimmte Rollenattribute aufzwingt bzw. zugesteht. Die in diesen Strukturen verankerten Imaginate sind immer patriarchalisch, weil das Trägersystem das Patriarchat ist, und sie richten sich dezidiert an alle Gesellschaftsteilnehmer, auch die Unterdrückten oder die Nichtbemächtigten, die an diesen Strukturen partizipieren. Wenn etwas "patriarchalisch" ist, heißt das nicht, dass es dabei immer um die Bemächtigung von u.a. Männern und Unterdrückung von u.a. Frauen geht, sondern es geht erst einmal um den Erhalt der Strukturen, die beides möglich machen.

    Und in diesem Zusammenhang eben stehen bestimmte Figur- und Rollentypen, die teilweise als Identifikationsziele gesetzt sind.

    Zitat Zitat
    Ich kenn nur The Witcher 3 und in dem Spiel hatte ich nie das Gefühl, dass Geralt sich gegenüber Frauen oder Schwarzen (die es im Spiel zugegebenermaßen kaum gibt) besonders herablassend verhält.
    Absolut nicht, das muss er auch nicht. Er entspricht ganz simpel einem Figurentyp, der auf Bemächtigungsphantasien eines Wealthy White Male zugeschnitten ist und damit einem Strukturotroyat Vorschub leistet. Geralt ist rollentypisch MANN durch und durch, die Art und Weise, wie er seine Außenseiterrolle lebt, ist spezifisch nicht die eines ethnischen Außenseiters, seine Handlungsdispositive (also die Art und Weise etwa, wie er Probleme löst) sind spezifisch gewaltvoll, er wird andauernd in einer Richter-Henker-Rolle legitimiert und und und und ...

    Wie gesagt, ich will überhaupt nicht sagen, dass das komplett schrecklich und verwerflich ist und man das Zeug deshalb nicht spielen sollte. Aber Geralt ist als Charakter (das wird mir jetzt gerade erst so richtig vollends bewusst!) durch und durch eine patriarchale Figur. Und als solche richtet sich sein Figurentyp wie gesagt nicht ausschließlich an den Wealthy White Male, aber er ist eine Projektion seines Weltbildes. Und in einem solchen haben Menschen, deren Handlungsdispositive etwa im Bereich des Diplomatischen und der emotionalen Intelligenz liegen, so gut wie keinen Platz. Die spezifischen Erfahrungswelten, die vorwiegend Frauen offenliegen, haben in diesem Weltbild kein Platz. Also finden sie auch keine Repräsentation. Und das ist eigentlich alles, worauf ich hinauswill: Es geht um die Repräsentation von Erfahrungswirklichkeit in annähernder Gänze. Indem man die Wirklichkeit auf Ausschnitte begrenzt, schließt man eben all jene aus, die an eben diesen Ausschnitten nicht oder nicht ausreichend partizipieren (können). Und da eben Männer nicht nur Männer und Frauen nicht nur Frauen sind ...

    Zitat Zitat von Lord of Riva Beitrag anzeigen
    Ich kann dir nur mal empfehlen die Bücher zu lesen sie sind interessant.
    Gewiss. Aber Bücher sind eben ein völlig anderes Darstellungsmedium. Es gibt einen Grund, warum die Theoriebildung der Literaturwissenschaft mit der Beforschung der neuen populären Medienformate kaum mehr kompatibel ist.

    Zitat Zitat von Kelven
    Die neue Lara Croft ist aber immer noch ein Übermensch, genauso wie z. B. die beiden Protagonisten von The Last of Us. Sonst könnten solche action-orientieren Spiele ja gar nicht funktionieren, die Spielfiguren müssen immer Ein-Mann-Armeen sein. Die Szenen lassen die Figuren sicherlich menschlicher erscheinen, aber eigentlich sind sie nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
    Definitiv. Aber die Diskrepanz zwischen dem Genre und der neuen Lara Croft ist enorm und als solche enorm auffällig. Es geht ja auch gar nicht darum, völlig aus der Fiktion auszubrechen und jetzt auf einmal völlig zergangene Figuren vorgesetzt zu bekommen. Das haben Kunst und Unterhaltung noch nie gemacht und das können sie auch nie machen und es würde uns als Kulturwesen ganz und gar nichts bringen, eher enorm schaden. Aber die neue Lara Croft hat eben diversifizierte Erlebensmodi, sie ist kein Spielobjekt, sondern eine echte Spielfigur, die mehr macht als nur rumklettern, One-Liner produzieren, und auf Gegner schießen. Das allein (und das machen Spiele ja auch mit rein-männlichen rollentypischen Charakteren seit vielen Jahren schon) ist schon viel wert. Weil wir es nicht mit weniger eingeschränkten Erfahrungshorizonten zu tun haben, mit diverseren Lebenswelten, die repräsentiert und projiziert werden können.

    Zitat Zitat
    Bist du dir sicher? Kann sich eine signifikante Menge der Männer, die als Spieler infrage kämen, mit "männlichen" Denkmustern nicht identifizieren? Damit meine ich jetzt nicht unbedingt patriarchale oder allgemein diskriminierende Denkmuster.
    Ich persönlich beispielsweise kann mich mit enorm vielen Aspekten von rollentypisch "männlichen" Attributionen und Denkmustern wenig identifizieren. Wissen, Beobachtungsgabe, komplexes Denken und Einfühlungsvermogen -- um nur ein paar Dinge zu nennen, die ich mir jetzt gar nicht als modus operandi auf die Fahnen schreiben möchte -- etwa werden aus rollentypisch "männlichen" Attributionen kategorisch ausgeschlossen. Mit dem Martian haben wir 2015 (soweit ich weiß!) eigentlich den ersten als rollentypisch "männlich" und als Protagonist eingesetzten Figuren, die von halt vor allem Gewaltdispositiven abweichen und Probleme lösen "by sciencing the shit out of them." Übrigens auch eine Figur, mit der ich mich schlecht identifizieren kann. Aber er muss -- und das erfrischt allein schon so unheimlich -- nicht irgendwelchen Aliens die Köpfe einballern, um männlich zu sein.

    Wie gesagt, diversifizierte Erfahrungen. Ein kleiner Anteil von mir ist sicherlich auch Actionheld mit Bazooka, und wahrscheinlich gibt es genug Frauen, bei denen dieser Anteil noch größer ist. Aber wenn er eben auf rollentypisch rein-"männliche" Erfahrungshorizonte limitiert ist, geht viel verloren.

    Zitat Zitat von Lord of Riva Beitrag anzeigen
    auch wenn der Protaginist in Hellblade bei mir den wierdesten und stärksten uncanny valley effekt auslöst, ich weiß noch nicht ob ich das gut oder schlecht finden soll wir bewegen uns technisch da in ein interessantes gebiet.
    Ernsthaft, dieses Spiel (das ja selbst eigentlich nur die Figur ist, das ist ja das Geniale!) geht so unheimlich gut mit narrativen Prozeduren um, dass es so gut wie keine ökonomisierenden Stereotypen (also die Beschränkung des Darstellungsrepertoires auf bewährte, eingespielte Muster) gibt, weil ohnehin alles in schematischen Ansichten (also in unzusammenhängenden und unvollständigen, dadurch aber für die Auffüllung mit Bewusstseinsinhalten offenen Erzählelementen) vorgeführt und damit die Charakterwelt als undurchsichtiger Raum entworfen wird.

    Es gibt in diesem Spiel nichts außer der Erfahrungswelt eines undurchsichtigen und unvollständigen Charakters. Nichts. Keine Moral, keine Wertungsinstanzen, nur eine opake Erfahrungswelt. Ich könnte jedes Mal platzen vor Faszination, wenn ich darüber nachdenke.

    Geändert von Mordechaj (15.08.2017 um 13:13 Uhr)

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