Wie schön, dass du gegen die aktuell grassierende Schreibflaute im MMX ankämpfst
This! Und das heißt ja nicht, dass man diverse bekannte Tropes und Stilelemente aufgeben müsste. Aber es muss wirklich nicht ständig der selbe Standard-Fantasy-Einheitsbrei sein. Final Fantasy versucht hier wenigstens noch ab und zu was Neues, selbst wenn das nicht immer nach jedermanns Geschmack ist. Ich mag Serien, die sich bei den Spielwelten auch in den Fortsetzungen nicht bloß auf eine Fortführung beschränken, sondern dem jedes Mal einen eigenen Spin geben. Selbst Wild Arms, das immer was von staubigem Sand und Western hatte, hat einige deutliche Änderungen zu bieten, etwa wenn man sich den vierten Teil mit den Vorgängern vergleicht. Die absolute Niete diesbezüglich ist imho Tales of. Total mies und langweilig geworden, kaum Abwechslung, kaum originelle Ideen.
Ich fand es genial, wie konsequent Wild Arms 3 und Breath of Fire IV die Sache mit dem Wüsten-Setting durchgezogen haben: Nichtmal die Ozeane waren aus Wasser!Zitat
Apropos Rundumschlag: Ich habe in den vergangenen Jahren das Gefühl bekommen, dass auch das ziemlich eingegangen ist. Damals gab es irgendwie mehr Spiele, die innerhalb einer Spielwelt möglichst viel abwechslungsreiche Orte geboten haben. Heute bestehen die Spielwelten meist nur noch aus einem kleinen Ausschnitt der fiktiven Welt, und gezeigt wird nur noch eine weitgehend homogene Kultur und Umgebung, weil das dann angeblich "realistischer" wirken soll. Also ich kann nur nochmal betonen, was für eine angenehme Überraschung das war, als ich in Final Fantasy VII mit seinen Steam- und Cyberpunk-Anleihen plötzlich in das ostasiatisch anmutende Dorf Wutai kam. Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet. Das sollten sich mal wieder mehr Entwickler trauen, auch auf die Gefahr hin, dass es ein kleines bisschen unrealistisch wirken könnte, dass sich völlig unterschiedliche Kulturen auf engem Raum entwickelt haben. Ich vermisse die Zeit, wo man ein oder zwei Städte mit Umgebung als "Land" auffassen durfte, wenn du verstehst was ich meine.Zitat
In Final Fantasy VII möchte ich hinzufügen, dass gerade im Zusammenhang mit Shinra (vor allem Midgar) auch unheimlich viel mit Cyberpunk-Ikonographie gearbeitet wurde (auch in Bezug auf die Gegner und Story-Themen). Eine sehr gute Mischung aus Fantasy, Steampunk und Cyberpunk. Viel klarer waren pure Steampunk-Aspekte dagegen in Final Fantasy VI vertreten, dort hat man passend sogar jede Menge kulturell-thematische Bezüge zur Moderne des 19. Jahrhunderts bzw. zum viktorianischen Zeitalter drin (die Oper alleine war schon ein Geniestreich in Sachen Stil). FFVIII war zwar wie du richtig anmerkst moderner, sauberer, heller und ab und zu im späteren Verlauf auch etwas futuristischer, aber ich denke dass oft übersehen wird, dass das Spiel auch recht realistisch und bei einigen Orten nahe an unserer heutigen Zeit designt wurde (Dollet, Deling, Timber, Winhill, Züge, Autos usw.). Das, was wir aktuell in XV gesehen haben, hatte seinen Vorläufer in Ansätzen schon in VIII, was ich damals sehr ansprechend und interessant fand. Final Fantasy IX wiederum war nicht nur klassisches Mittelalter-Fantasy-Setting, sondern spielte auch mit ein paar Steampunk-Elementen, gerade was Lindblum und die Luftschiffe angeht. FFX fand ich gut, weil das südostasiatische Inselfeeling wirklich mal was anderes für die Serie war und mit einer ganz eigenen Kultur versehen wurde. Für XII gilt ähnliches, eine tolle Mischung mit trockenen Umgebungen, bei denen sich die Entwickler von den Mittelmeer-Anrainern haben inspirieren lassen.Zitat
Hier muss ich mal losranten, wie unkreativ das Genre inzwischen geworden ist. Gerade mit fortschreitender Technik wären der Darstellung zumindest theoretisch keine Grenzen mehr gesetzt, und trotzdem werden immer wieder Variationen der gleichen Umgebungen durchgekaut. Das sollen Phantasiewelten sein, aber die Phantasie finde ich oft irgendwie kaum noch. Die sollten sich viel öfter eigene umfassende Konzepte mit eigenen Spielregeln ausdenken. Selbst unsere reale Natur ist zum Teil faszinierender als das, was wir in RPGs vorgesetzt bekommen. Da draußen gibt es Planeten, wo es Metall oder Glas horizontal seitwärts regnet, oder wo eine Seite in Dunkelheit gehüllt ist und die andere stets von der Sonne verbrannt wird, vielleicht mit nur einem schmalen habitablen Streifen zwischen den beiden Hemisphären. Warum müssen Bäume grün und Wasser blau sein? Es wären Welten denkbar, auf denen die Photosynthese anders funktioniert oder die Atmosphäre anders zusammengesetzt ist. Der Boden könnte überwiegend rot sein, das ist nichtmal weit hergeholt, gibts auch bei uns. Oder was ist mit der Schwerkraft? Wäre das nicht unheimlich interessant, ein RPG zu designen, in dem man viel weniger wiegt und sich daher anders bewegt, ja beinahe schon fliegen kann? Was man sich alleine zu dieser letzteren Idee alles für Kulturen ausdenken könnte, die drum herum aufgebaut wurden. Für eine Zivilisation, die mit einem Sprung diverse Meter zurücklegen kann, sähe die Architektur bestimmt völlig anders aus.Zitat
Okay, Ähnliches Vorschläge habe ich anderswo auch schon zu Science Fiction-Filmen geschrieben. Der Punkt ist, ich vermisse dieses charakteristische Sense of Wonder Gefühl. Imho reicht es nicht mehr, immer nur bekannte Versatzstücke neu zusammenzusetzen, es muss auch mal was Neues und aufregend Fremdartiges her. Sie müssen nicht gleich übertreiben, aber tatsächlich ist oft das Gegenteil der Fall und die Welten kommen aus dem langweiligen Standard-Zeug gar nicht mehr heraus.
Wenn es um einigermaßen bekannte Konzepte geht, dann favorisiere ich Steampunk. Es gibt eine Handvoll RPGs, die sich damit schon beschäftigt haben (FFVI, Lost Odyssey, Resonance of Fate etc.), aber das ist noch lange nicht so ausgelutscht wie klassische High-Fantasy-Designs mit Rittern, Burgen und Drachen, und ich habe noch nie eines gesehen, das mit großem Budget die meisten typischen Elemente des Subgenres aufgegriffen und verarbeitet hat. Soll heißen, inklusive Outfits, politische Strukturen, Architektur und vor allem Transportmittel, bis hin zu Details wie analogen Computern usw.
Was die Final Fantasy Reihe angeht: Das, was FFX mit Wasser gemacht hat, das hat FFXII mit der Wüste gemacht. Als Basis für eine Spielwelt fände ich daher einen neuen Teil interessant, der die selbe Maxime in Bezug auf den Wald verfolgt. Das hatten wir noch nie, nur in minimalen Ansätzen in FFV und zum Teil in Seiken Densetsu, aber gerade da letztgenannte Serie nicht mehr wirklich aktiv ist und schon seit zig Jahren keinen großen neuen Teil mehr bekam und wahrscheinlich nie wieder bekommen wird, wäre das umso relevanter. Mit Wald meine ich eine Welt, die wirklich zu einem großen Teil (wie zwei Drittel oder so) bewaldet ist. Was sich im Unterholz für Geheimnisse verbergen mögen? Und wie das wohl sein wird, wenn man irgendwann einen Berg hinaufsteigt und eine Aussicht auf das grüne (oder violette?) Meer aus Blättern unter sich hat? In der Ferne vielleicht Pyramiden erkennt? Bei dem Gedanken daran gerate ich ins schwelgen.
Um so etwas aufzupeppen, spricht übrigens nichts dagegen, trotzdem eine Steampunk-Stadt irgendwo darin unterzubringen. Für das gewisse Etwas sorgt dann noch die Tatsache, dass überdurchschnittlich viele Gegnerarten in der Wildnis Dinosaurier sind (den T-Rex hatten wir schon mehrfach, warum also nicht einen Schritt weitergehen mit Triceratops, Stegosaurus usw.?).
Bei den Storygrundsätzen gäbe es auch noch viel brachliegendes Potential im Genre. Das was Hexen für FFVIII waren, warum versucht man so etwas nicht mal mit Vampiren und/oder Werwölfen und der dazu passenden Mythologie? Die Settings könnten sich daran orientieren mit schaurig schönen Schlössern. (Und Dinos als Gegner xD)
Und dann sind da natürlich noch die Piraten. Ich liebe Piraten und Abenteuer auf hoher See! Mit Schiffen und einsamen Inseln und vergrabenen Schätzen. Das ist ebenfalls ein Thema, das nur unheimlich selten verwendet wurde. Ab und zu gibt es Rollenspiele, die Umgebungen in Meeresnähe haben und oft Strände etc. beinhalten, aber das meine ich damit nicht (zumindest nicht nur). Ich meine wirklich Seeräuber im engeren Sinne, arr, mit allem was dazugehört. Also eine Welt, die im Wesentlichen unser 18. Jahrhundert als Vorbild nimmt und mit ein paar mehr Phantasiewesen (und Dinos als Gegner xD) bevölkert. Das darf auch gerne auf die ganze Frühe Neuzeit an Land ausgedehnt werden, vgl. Die Drei Musketiere usw.
Wo ich gerade schon dabei bin, und wie im Eröffnungspost bereits erwähnt, ist die menschliche Geschichte als Inspirationsquelle noch lange nicht erschöpft. Warum nicht eine Welt, die sich am alten Ägypten orientiert? Oder an untergegangenen, mesoamerikanischen Hochkulturen? Oder an Mesopotamien und der dazugehörigen Mythologie? Den Aborigines in Australien? Wikinger? Kelten? Oder einfach das antike Rom? Auch die frühen Anfänge in der Steinzeit können interessant sein. Neulich habe ich erst den Film One Million Years B.C. geschaut, und was da noch ziemlich clunky rüberkommt, könnte als Teil eines RPG-Abenteuer-Mixes wunderbar funktionieren. Ich erinnere mich immer gerne daran, wie viel Spaß der Abschnitt von Pogo in Squares Live A Live gemacht hat. Die Höhlenmenschen sind nicht zu unterschätzen, vor allem, wenn man dank Fantasy-Setting freie Bahn hat, das beliebig mit spannenden Ideen zu erweitern (und wisst ihr, welche Gegner sich dann auch super machen würden, wenn man nicht auf historisch-evolutionäre Korrektheit achten muss? Richtig, Dinosaurier xD !).
Vielleicht haltet ihr mich verrückt. Vielleicht findet ihr einiges davon übertrieben. Aber bitte bedenkt, dass das alles nur Aspekte sind, die völlig frei und in unterschiedlicher Intensität zusammengesetzt werden können. Ich schätze auch, dass eine Dino-infested Vampirpiraten-Pyramidenwaldwelt mit Dampfantrieb, Blauem Laub, orangenem Himmel, Ozeanen aus Milch und Glasregen bei niedriger Schwerkraft etwas zu weit gehen würde (Obwohl...). Aber Hauptsache, die Entwickler versuchen sich endlich mal an etwas Originellem und wirklich Überraschendem, an etwas, das wir in der Form noch nie hatten. Das würde ich mir von dem Genre als Setting wünschen.