Eerie hob die Augenbrauen und sah sich um.
Sie war alleine in der Mensa und wusste, dass die Anderen wohl kaum dafür Gedanken hatten, die Leute aufzunehmen, die letzten Endes mit verantwortlich waren, dass sie hier unten überhaupt erst eingesperrt worden waren. Sie hatte nicht vergessen, dass die Reaktionen aus dem erzkatholischen Mexikoteil der NATION auch recht heftig ihr gegenüber gewesen waren.
Trotzdem handelte es sich hier um Menschen.
Vielleicht würde es Sinn machen, nur die Nützlichen aufzunehmen und mit ihnen einen Garten Eden zu schaffen - komplett ohne Unkraut?
Oder nur die hübschen Blumen einzulassen?
Konnten sie es verantworten, hier alles verwildern zu lassen und jeden aufzunehmen?
Sie wusste, dass es eine mehr als schwere Entscheidung war - eine, die sie durchaus treffen würde, sollte sich Niemand von den Anderen dazu bereit erklären.
Doch sie merkte audch die angespannte Stimmung - Niemand würde hier unten die Furcht überwinden können, das gegenseitige Misstrauen, wenn kein Wunder geschah.
Und vielleicht konnte sie für das Wunder sorgen?
"KILA - ich brauche deine technische Hilfe und das duldet keinen Aufschub.", sprach sie mit der festen, befehlsgewohnten Stimme, die sie auch gegenüber ihres Personals an den Tag zu legen gewohnt war.
"Hier unten sind alle irre vor Furcht - und ich weiß, wovon ich spreche, denn so erging es mir heute morgen. Wir müssen etwas bunkerweit senden und übertragen. Um Jemanden zu retten, der mir viel bedeutet."
Mit den Daten, die ihr einst zugesteckt worden waren und von denen sie hoffte, dass sie wirklich funktionierten, ging sie in den Raum, in dem die Bewegungsüberwacher installiert waren.
Hier befand sich auch ein großes Mikrofon, das sie nutzen wollte, die deutlich wichtigere Sache in Schwung zu bringen - die simple Rettung von 2000 Menschen.
"Liebe Bunkerbewohner, hier spricht die alte, fette, giftmischende Hexe eures Vertrauens."
Sie gluckste - immerhin hatte sie einen Ruf als Wahnsinnige zu verteidigen.
"Wie ihr bereits wisst, nähert sich die Suche nach den Mördern langsam einem kritischen Punkt. An die unter uns, die hier gerne einmal mit Gift spielen: Mein lieber und treuer Freund Robert lebt. Der gute junge Matt lebt. Die sanfte unschuldige Lilie lebt. Was soll ich dazu sagen? Alle, die mir lieb und teuer sind, sind am Leben. Ich habe selbst gemordet und eine Leiche mehr oder weniger kümmert mich nicht. Mein erster Ehemann, Harry W. von Waldharrington hat durch einen Fehler meinerseits über Monate hinweg den schlimmsten Todeskampf gehabt, den ein Mensch haben kann. Kümmerte mich nicht - aber wehe, einer seiner Bediensteten trat ein Stiefmütterchen in meinem Garten um."
Sie seufzte laut und vernehmlich in das Mikro.
"Sicherlich fragt ihr euch was dieser Monolog soll." Sie konnte das Nicken und Augenrollen direkt spüren.
"Es ist ganz einfach - ich weiß was ich gesehen habe, Leigh. Du bist eine Mörderin. Aber du hast Niemanden umgebracht den ich mag. Also kann ich weiter an deiner Seite leben. Wir müssen uns nicht mögen - wir müssen nur funktionieren. Denn das Schlimmste, was uns je passiert ist, ist unser größter Segen.
Das Leid, die Ungerechtigkeit, all die Verluste und Schmerzen und die Demütigungen, die wir hier unten haben erleiden müssen, sind nun zu unserer Stärke geworden.
Jared Trump hat uns hier unten eingesperrt, doch nun kratzen seine Höflinge an unseren Toren und erbitten Einlass in unser Königreich, unseren Garten, unser Paradies."
Sie lächelte in sich hinein.
"Das Blatt hat sich gewendet. Wir sind alle bestimmt aus gutem Grund hier unten. Einige mehr, andere Weniger. Aber das ist egal. JETZT ist es egal. Denn in wenigen Stunden wird der Tyrann, der uns eingesperrt hat, die Welt in eine Wüste verwandeln und die Millionen Toten hier oben lassen mich die paar hundert Toten hier unten vergessen. Ich bin Französin - mir liegt Opportunismus im Blut. Hier geht es nicht um Gift oder Mord - es geht um den Erhalt der menschlichen Zivilisation, um Leben über die WIR verfügen. Die in unserer Waagschale liegen."
In ihrer Stimme klag eindeutig ein Schwung Größenwahn und Marie Antoinette mit.
"Was auch immer wir getan haben - wir können es nun besser machen. Ungeschehen machen."
Sie holte tief Luft.
"Die Daten, die ich gestern Nacht habe sehen können, Leigh, sind für mich eindeutig. Aber man könnte mir Lügen vorwerfen und dafür haben wir nun keine Zeit.
Wenn du wirklich unschuldig bist, liebe Rose, und ich bitte dich nun, in Leonas feuchte, verstörte, Kaninchenaugen zu blicken und nachzudenken, dann würde ich mit deiner Erlaubnis gerne deine Bewegungsdaten aufrufen. Wenn ich es mache, ist es anzuzweifeln. Wenn du es jedoch tust und wirklich unschuldig bist, dann lade ich euch kleine Blümlein ein, hier hoch zu kommen und Leona deine Daten zu zeigen. Ich hinterlasse dir den Key den man mir einst gab."
Sie nickte. "Mister Boyle - sicher haben Sie sich schon gewundert, wo Sie in dieser Auflistung sind, richtig? Nun - ich habe Grund zur Annahme, dass auch Sie ein bisschen mehr Unkraut sind als Sie zugeben wollen. Ich mag sie. Und ich mag Ihren Geschmack. Wenn die Batterien wieder aufgeladen sind, würde ich heute Nacht Ihre Daten verfolgen. Natürlich nur, wenn Sie mich bis dahin nicht niedergestreckt haben sollten - aber lassen Sie sich gesagt sein: Das ist nicht einfach, wahrhaftig nicht. Dieser dicke Tempel der Lust ist weder einfach zu vergiften, noch einfach zu vergasen, so viel sei Ihnen allen gesagt. Sollten Sie unschuldig sein, können Sie dies auch gerne durch eine Stimme für eine wahre Schuldige aufzeigen."
Es schien still im Bunker zu sein, als würde man eine Stecknadel fallen hören können.
"Angesichts der Vernichtung von gut 2000 Menschen die wir entweder zulassen oder verhindern, schlage ich jedoch vor, dass wir nicht das tun, warum wir hier unten gelandet sind. Ich schlage vor, dass wir reinen Tisch schaffen und KILA alleine unter der Bedingung zustimmen, wenn sie uns glaubhaft versichert, dass die Chips deaktiviert sind. Einfach deswegen, weil ich Leigh und Sie, Mister Boyle, zwar für falsche Salatschnecken halte, jedoch an eurem Tod nicht das geringste Interesse habe - so wie ihr Beide an meinem Tod, augenscheinlich. Und dies WILL was heißen."
Nun war der letzte Gong zu schlagen.
"Um zu beweisen, wie ernst ich es meine, Lilie, Rose, Robert, Matt und Mister Boyle, werde ich nach KILAs Versprechen meine Stimme zurückziehen und damit zum zweiten Mal NICHT abgestimmt haben. Nach den Protokollen von Düsterburg würde mein Chip dann explodieren. Das tu ich für uns, die alte, grantige Grande Madame. Garten oder Wüste - es liegt an euch. Lasst uns endlich einmal das Richtige tun."
Sie wusste nicht, dass das Mikro noch an war, als sie nach dieser erhebenden Ansprache knatternd furzte und darob mehr als befreit aufatmete.
Geändert von Daen vom Clan (15.03.2017 um 15:13 Uhr)