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Ritter
Es passierte zu viel, und das zu schnell, als dass Leona es in der kurzen Zeit hätte verarbeiten können.
Linn tot und unschuldig.
Leroy tot und unschuldig.
Theo tot und schuldig.
Und dann die bevorstehende Entscheidung hinsichtlich der zukünftigen Bunkerbewohner. Wenn es diese denn jemals schaffen würden, herein zu gelangen und die Mörder nicht die einzigen blieben, die dieses Gefängnis noch bevölkern sollen, waren die Floristin und andere erst mal aus dem Weg geräumt.
Doch das war alles nichts im Vergleich zu dem, wie die inzwischen 22-Jährige an ihrem Geburtstag aus dem Bett geweckt wurde.
Unweit von ihr krachte und schepperte es nur laut, als Mademoiselle Laureanne das Interieur des Damenschlafraums zerstörte und einen Mordanschlag auf Leigh verübte. Nicht lange danach - Leona war sicher noch nie so schnell aus dem Bett gekommen - brach fast sowas wie ein kleiner Kampf aus. Es war wohl von Glück zu sprechen, dass Erie der wesentlich jüngeren Frau unterlegen war und die Rebellin fliehen konnte. Als die alte, dickleibige Frau ihrer neu gewonnenen Freundin hinterher lief, musste auch die junge Frau folgen. Die Gleichaltrige hatte der Blondine vielleicht das Leben gerettet. Obwohl sie so ungleich waren, war sie doch die Einzige, in dessen Nähe Leona sich zuletzt gerne aufhielt. Niemals würde etwas an den Vorwürfen dran sein können. Jeder hier hätte ein Mörder sein können - aber nicht Leigh. Und trotz ihrer Schüchternheit, der Angst vor der bedrohlichen Französin würde sie zu ihr stehen, wenn es darauf ankam.
In der Mensa hatte sich glücklicherweise schon ein kleiner Schutzkreis um die Mitinsassin gebildet. Doch weiterhin stand Erie kreischend und vor Wut bebend davor, warf mit Beschuldigungen um sich und hätte in diesem Moment wohl einen Mord begangen, wären sie und Leigh alleine gewesen und hätte sich Letztere nicht gewehrt. Die Schuldzuweisungen waren haltlos, sie dachte offenbar nicht klar. Vielleicht war sie einfach vollkommen verrückt geworden, weit davon entfernt schien sie sicherlich nie - zwar scharfsinnig, doch immer schon irgendwie brodelnd. So hatte Leona sie schon vor über einem halben Jahr kennen gelernt, als sie das erste und letzte Mal Fuß in die Düsterburg setzte. Und so setzte es sich jetzt in einem Ausbruch fort.
Vielleicht hatte sie auch der Tod ihres ersten Komplizen so sehr getroffen, dass sie nun zu dieser Verzweiflungstat ansetzte? Das schien der einzige Grund zu sein, der übrig blieb, wenn man ausschloss, dass die Furie nicht mehr bei Trost war. Sie sagte, sie hätte Leigh gesehen. Also musste sie entweder lügen oder war von allen guten Geistern verlassen. Als die Halbgreisin gerade damit beschäftigt war, offenbar Luft für den nächsten, gebrüllten Satz zu sammeln, wandte das Geburtstagskind sich aus ihrer Schockstarre und erhob das Wort, zum ersten Mal mutig genug, um der Französin zu widersprechen.
"Hören Sie auf, bitte, Mademoiselle Laureanne!" warf sie ein. Ihre Stimme überschlug sich fast, so nervös war sie, so sehr machte ihr das alles Angst. "Ich weiß nicht, was Sie da reden. Sie..." - sie wollte die Frau weder der Lüge bezichtigen, noch wollte sie ihr vorwerfen, sie wäre verrückt. Es war dementsprechend nicht so leicht in Worte zu fassen, dass sie eigentlich doch genau das dachte.
"Leigh ist nicht böse. Ich weiß, dass sie nicht böse ist. Sie ist ein guter Mensch. Jemand, der anderen so etwas nicht antun könnte." Jeder andere war verdächtiger. Jeder. Dass die Verbrechen, wegen denen Erie selbst, aber auch ein Mr. Silver, hier waren, ein schlimmeres Ausmaß angenommen hatten als bei der Rebellin oder ihr selbst... darüber war sie sich sicher. Auch, wenn sie noch immer nicht erfahren hatte, was die Taten der einzelnen Insassen gewesen sind.
"Sie haben uns immer nur herumkommandiert! Alle schwierigen und gefährlichen Aufgaben geben Sie an uns ab. Es interessiert Sie gar nicht, in welcher Verfassung wir sind. Ich wäre fast im Dreck von Behälter IIV versackt und genau so geendet wie Señor Estaga, wenn Leigh mich nicht gerettet hätte. Und Sie haben nicht nur mein Leben riskiert, sondern wollten mich auch zur Mörderin machen, als Sie mir die Giftnadel gaben." Mehr als ein halbes Jahr brachen gerade aus der jungen Frau heraus.
"Wenn jemand hier also daran interessiert scheint, andere sterben zu sehen, dann... d-dann müssen das Sie sein!"
Geändert von MeTa (13.03.2017 um 16:44 Uhr)
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