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Ritter
Leona wirkte so ernsthaft, so bemüht und kämpfte so offensichtlich gegen die Verzweiflung, dass Leigh bitter lächeln musste. Es war schmerzhaft, ihr das jetzt nehmen zu und durch mehr Unsicherheit zu ersetzen. "Nein", sagte Leigh und schüttelte entschieden mit dem Kopf. "Das ist leider keine Option, schön wär's. Erstens habe ich keine Ahnung, ob ich das überhaupt schaffe und nicht verrecke wie Estaga. Zweitens, selbst wenn ich es schaffe, gibt es immer noch diesen tollen Chip, der in die Luft geht, wenn die Mehrheit für mich stimmt - und danach sieht es ganz aus. Drittens, warum sollte KILA mir helfen - sie hat keinen Grund mich für unschuldig zu halten, erst recht wenn ihr Freund mich schon zur Mörderin erklärt hat. Vielleicht werde ich da oben noch schneller gelyncht als hier unten. Und viertens..." Nun zögerte sie und schaute in das enttäuschte, sorgenvolle Gesicht ihrer Freundin. Dann holte sie Luft und fuhr mit klaren, betonten Worten fort: "Viertens kann und will ich dich nicht alleine hier lassen, mit der alten Hexe und dem Rest." Wieder hielt sie inne und studierte Leonas Gesicht. Sie sah so verloren aus. Trotzdem sprach Leigh weiter: "Also gibt es nur zwei Dinge, die ich tun kann, wenn ich weiterleben will - und das würde ich verfickt nochmal sehr gerne. Entweder, du, Boyle und ich stimmen für einen von den dreien ab oder ich tu, was sie von mir wollen. Und wenn wir mal beide ganz ehrlich sind, das erste von beidem wird nicht passieren."
Langes Schweigen. Als Leona die unbequeme Stille offenbar nicht mehr ertrug und ansetzte, etwas zu sagen, kam Leigh ihr zuvor, mit einem Thema, das scheinbar gar keinen Bezug hatte. "Weißt du, wie ich hier gelandet bin, Leona?" Das erntete ihr einen verwunderten Blick und ein Kopfschütteln. "Okay, dann erzähl ich es dir jetzt: ich hatte beschissene Eltern, beschissene Freunde und eine ganze Menge beschissenes Pech. Oh, und mein Anwalt, der war auch ziemlich beschissen. Nicht so ein gerissener ••••••• wie Jennifers." Sie lachte trocken, doch Leona stimmte nicht ein. Sie schien eher noch verunsicherter und nervöser zu sein. Also erzählte Leigh weiter: "Jennifer war übrigens meine sogenannte beste Freundin. Ihr Freund war ein Arschloch, hat mit ihr Schluss gemacht, sie war sauer, hat sich was nettes überlegt, ums ihm heimzuzahlen... und naja, ich war blöd genug, mitzumachen. Wir sind bei ihm eingebrochen, haben ihm ein paar Sachen geklaut. Hätte er eh nicht vermisst, seine Eltern haben ihm das Geld nur so in den Arsch geschoben. Das dumme war nur, er hat uns erwischt und Jennis Anwalt hat alles auf mich abgewälzt, damit sie nicht in den Knast muss." Noch nie hatte sie jemandem davon erzählt, sie hatte es für sich behalten wollen. Aber jetzt, da sie das Schweigen gebrochen hatte, strömten die Worte nur so aus ihrem Mund. Wie ein Wasserfall, der sich durch nichts bändigen ließ. "Hat alles rausgekramt, was er gegen mich benutzen konnte. Ich hätte sie genötigt, ich hätte ihr gedroht. Alles Lügen, natürlich. Sogar mit Sittenwidrigkeit ist er angekommen, weil ich nett zu ihr war. Nicht 'nett nett', einfach nur nett, freundlich. Wir waren nicht mal im Ansatz sowas wie ein Paar. Zumindest noch nicht-" Jetzt stockte sie doch. Das letzte hatte sie eigentlich nicht aussprechen wollen. Auch wenn sie sonst in jeder Hinsicht schamlos war, war ihr das noch immer unangenehm. "Egal. Was ich sagen wollte... ich bin es gewohnt, Schuld auf mich zu nehmen. Sowohl meine eigene, als auch fremde. Es kann kaum schlimmer werden, wenn ich es jetzt auch wieder mache, oder?"
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