Ergebnis 1 bis 20 von 51

Thema: [Verbrecher von Düsterburg] Tag 3

Hybrid-Darstellung

Vorheriger Beitrag Vorheriger Beitrag   Nächster Beitrag Nächster Beitrag
  1. #1
    "WARUM VERSTEHST DU ES NICHT!", schallte eine Männerstimme durch die Flure.

    Es war laut im Haus. Das Kind wurde unsanft aus seinem ohnehin leichten Schlaf geweckt, als seine Eltern plötzlich anfingen, sich lauthals anzugröhlen. Es stand klammheimlich an der Kante der Tür zur Küche, die gleichzeitig das Esszimmer war.

    "Ich... ich kann nicht", sagte die Frau, "noch ein Kind geht nicht mehr."
    "Ich verspreche dir", fing der Mann an, "es wird alles gut! Wir können das schon schaffen, wir sind nicht so arm."
    "Es wird schon klappen mit Lin-"
    "HÖR AUF, DIESEN NAMEN ZU NENNEN!", unterbrach der Vater sie abrupt, "Dieses Kind existiert nicht mehr!!"

    Wie sollte Vater auch schon reagieren. Diese Verlobung war ihre einzige Chance auf ein besseres Leben. Und sie war geplatzt, mit einem lauten Knall, der immer noch zu hören war.



    "Mutter", sprach das Kind, doch es kam nicht zu einem weiteren Wort.
    "Geh mir aus den Augen. Weißt du eigentlich, was du deiner Mutter antust? Weißt du eigentlich, dass wir alle umliegenden Nachbarn nicht mehr unter die Augen treten können? Wir sind vom Manne verlassen, Kind! Diese Schande ist nicht mehr von unserer Geschichte zu reinigen! Und nun sie dich nur an! Sag mir Kind, was habe ich falsch gemacht??"

    Das Kind schwieg.



    "Die Marions aben uns für den Winter einen Korb Kartoffeln
    überreicht, Mutter."
    "Und wie gedenkst du, sollen wir damit überleben, Kind? Man kann es ihnen nicht nachtragen, so wenig, wir ihnen allen selbst gaben."
    "Gibst du wieder mir die Schuld?", fragte das Kind, die Antwort scheinbar schon wissend.
    "Ich gebe dir die Schuld, dass uns dein Vater verließ! Denkst du eigentlich, dieses Feld sei leicht für zwei unserer Sorte zu pflegen? Es wäre leichter, wenn du dich auf der Arbeit blicken lassen könntest, aber du tust ja alles dafür, dass es nicht gehen wird."
    "Nein, Mutter, aber ich-"
    "Kein Wort mehr!", würgte die Mutter ihr Kind ab, "ich weiß, dass du dir keine Wahl lässt, also lass uns dieses sinnlose Gespräch bitte beenden. Wenn du dich doch bloß an den Herrn wenden würdest, um um Heilung zu beten..."

    Das Kind verließ die Küche, die Mutter schluchzend am Küchentisch zurücklassend. Der Winter brach ein.



    Das Kind stand in der Küche und rührte die Kartoffelsuppe um. Beim Anblick war bereits der fade Geschmack zu vernehmen, den sie versprach. Es zitterte und die Hände waren fast taub. Es wusste nur nicht, ob vor Nervösität, Angst oder der tiefen Kälte, die der Winter ihnen überbrach. Heute sollte es vorbei sein. Das Kind portionierte die Suppe in zwei tiefe Teller, in eins streute es das Pulver hinein.

    "Bist du fertig?", sagte die Mutter, das Kind erschreckte sich.
    "J-ja, Mutter."
    "Gut"; stieß seine Mutter reflexartig aus und nahm sich einen Teller, "dann lass uns essen."

    ...

    "Mutter-"
    "Was ist?", drehte sie sich um und fragte schroff.

    Das Kind schwieg die Mutter an. Mit keiner sinnvollen Antwort mehr rechnend, drehte sich die Mutter wieder um und verließ das Zimmer. Sie aßen über den Winter im Wohnzimmer, um vor dem Kamin essen zu können.



    "Mutter."

    Das Kind fing an zu schluchzen, seine Mutter hatte schon so viele Bissen genommen.

    "Mach dich nicht lächerlich", entgegnete sie ihrem Kind kalt, "so furchtbar es auch schmecken mag, es ist essbar."

    Das Weinen war nicht mehr zu stoppen, die Warterei qualvoll und grausam. Die Mutter ließ auf halbem Weg ihren Löffel plötzlich fallen. Was sich anfühlte wie langes Warten, war mit einem Augenzwinkern ruckartig vorbei. Sie krachte beide ihrer Fäuste auf dem Tisch und senkte verzweifelt den Kopf. Das Kind schaute sie nur mit einem hundeelenden Gesicht an, völlig kraftlos und all seiner Möglichkeiten beraubt. Die Mutter hob ihren Kopf und blickte das Kind mit einem Lächeln an, das nicht zu erkennen war.

    "Linus."

    Ihr Köprer rollte völlig natürlich vom Stuhl zur Seite auf dem Boden. Ihre Speichel trat in sekundenschnelle aus und breitete sich auf den Holzdielen aus. Der Anblick war grausam. Doch endlich war das Kind frei, für immer frei.




    "Pah, von wegen frei", grunzte Linn und spuckte zur Seite, "so endet es also. Es ist einfach so traurig."

    Eine einzelne, letzte Träne rollte die Wange hinunter. Es war wirklich vorbei. Endgültig. Es gab keinen Ausweg mehr.

    "Matt", beide blickten sich an, "ich hoffe, du kannst nachts noch schlafen. Du brachtest diesen Stein ins Rollen. Merkst du das?"

    Linn konnte die Tage als freier Mensch nicht lange genießen, bevor die Verfrachtung ins Gefängnis anstand. Auch dazwischen konnte man nicht von Freiheit sprechen. Eigentlich war Linn von Tag der Geburt an ein gefangner Mensch. Gefangen in der Welt, in der sie alle lebten. Gefangen von Strukturen, Regeln, Normen, aber auch Emotionen, dem eigenen Willen unterlegen. Niemand hatte sich das ausgesucht, auch Linn sich selbst nicht. Und nun war es vorbei, bevor die Fesseln sich endgültig lösen konnten. Einfach so traurig.



    "Linn", machte er auf sich aufmerksam, "warum kleidest du dich eigentlich so?"
    "Du meinst die Frisur und die weite Kleidung? Das mache ich nur, um zu rebellieren. Ein Zeichen zu setzen, dass ich mich meinem Schicksal nicht beuge. Also verstehe mich nicht falsch, ich laufe viel lieber normal rum, wie die Leute von mir erwarten, dass ich mich so in Erscheinung begebe. Aber dann erreiche ich ja nichts damit."




    "Zumindest habe ich das versucht. Schade, dass ich trotzdem nichts erreicht habe."

    Denn Linn starb eines sinnlosen Todes in Düsterburg, obwohl er nur ein friedlebender, normaler Bewohner war.

  2. #2
    "Ich... ich... es tut mir Leid... Aber Linn war ebenfalls keiner unserer Mörder."

    KILA klang ernsthaft resigniert. Es war kurz still. Dann raschelte es kurz, und eine andere Stimme übernahm die Lautsprecher. Sie klang etwas älter, hatte definitiv einen spanischen Einschlag.

    "Leute... bitte, wir müssen zu euch kommen, aber das geht nicht, solange ihr da unten noch.... noch... MÖRDER habt, die auf der Seite der Regierung stehen!"
    "Oh, müssen wir das?"

    Eine amüsierte Männerstimme strömte plötzlich aus den Lautsprechern.

    "Mrs. Estaga, denken Sie wirklich, Sie und ihre kleine Armee haben hier irgendeine Chance? Der Bunker gehört uns. Und unsere Agenten werden dafür sorgen, dass wir ihn auch nutzen können.
    "Öhm... sorry, wenn ich störe und so, aber war der Plan nicht eher, dass ihr uns hier raus holt?"
    "Nein, Matt. Der Plan ist, dass wir da runter kommen. Und dann bleiben wir da, bis der Krieg vorbei ist."

    Eine weitere Explosion erschütterte das Kommnikationsbüro.

    "Wir müssen da runter. Und zwar schnell."

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •