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Thema: [Verbrecher von Düsterburg] Tag 3

Hybrid-Darstellung

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  1. #1
    Auch, wenn mit Doktor Tod gestern ein weiterer Unschuldiger von ihnen gegangen war und sie das vermeintliche Schicksal KILAs erschrak, war die 'zarte Pflanze' doch erfreut, an diesem Morgen niemanden sonst verloren zu haben. Fast kurios, war ihr doch kaum jemand nah. Vor den meisten hatte sie - unabhängig davon ob Mörder oder nicht - Angst, und doch wollte sie keinen vermissen.

    In 21 Jahren hatte Leona sich keine Gedanken über die Rebellion gemacht. Irgendwie war das immer so weit weg. Für ihre Eltern hätte es auch nicht weit genug weg sein können, so viel war sicher, doch sie hatte einfach keine Meinung dazu, wusste zu wenig. Vielleicht hat die Nation bewusst dafür gesorgt, dass man in den Gegenden, in denen es den Menschen gut ging, nicht zu viel von den Rebellen wahr nahm. Spätestens in der Düsterburg hatte sie aber erfahren, dass es da draußen nicht allen Menschen so gut ging wie ihr. Nicht jeder so behütet aufwachsen durfte. Dass sie nicht die Einzige war, die das Leben letztlich unfair behandelt hat und andere noch weniger Chancen bekommen hatten als sie.

    Doch sie war jetzt hier und hatte noch etwas vor sich, bevor sie anfangen konnte, sich über die Welt, das große und ganze, Gedanken zu machen. Für den Augenblick war ihr Leben noch auf den Bunker beschränkt. Darauf, die Mörder ausfindig zu machen und vielleicht sogar hier heraus zu kommen.

    ***

    Leigh hatte ihr den gut gemeinten Rat gegeben, sich von Erie fern zu halten. Die Floristin versuchte durchaus so gut, wie sie konnte, sich daran zu halten. Doch da sie nun mal alle in der Mensa waren, ließ sich der Kontakt kaum vermeiden. Neben ihrer engsten Vertrauten stehend, wurde Leona dann auch schnell von Mademoiselle Laureanne angesprochen. Gut - alle wurden angesprochen, doch wieder mal kam es ihr vor, als läge das Augenmerk der alten Frau besonders auf den beiden 21-Jährigen, bekamen sie doch auch eine separate Erwähnung in der Bitte der Französin.

    Sie hatte noch immer keine Ahnung, was sie von dieser halten sollte. Sie stand offen zu etwas Bösem, das hatte sie eben gesagt. Was genau sie allerdings getan hatte, um den Aufenthalt in der Düsterburg zu verdienen, wusste Leona noch immer nicht. Streng genommen reichten ihr auch die Vermutungen, die sich ihr Kopf ausmalen konnte. Die waren schlimm genug.
    Auf der anderen Seite war da das Gefühl, dass irgendetwas Gutes in der Dame steckte. Sicherlich verborgen hinter einem unansehnlichen Äußeren, einer unangenehmen Strenge und ein paar Schichten Bösartigkeit. Doch da war doch auch noch dieses seltsame, kurze Zusammentreffen am gestrigen Tag. Spielte die gefühlte Chefin der Hydroponik nur ein Spiel mit ihr oder lag ihr wirklich etwas an Leona?

    Gerade als die Blondine wieder unter dem Blick der Frau einzubrechen drohte und Gefahr lief, sich nicht an den Tipp Leighs zu halten, schien ihr Anführer sich freiwillig zu melden. Okay - wenn man ihm ins Gesicht sah, schaute er nicht sonderlich freiwillig drein - eher als hätte er nicht gewusst, auf was er sich gerade eingelassen hatte. Als wäre er mehr zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Sie kannte das Gefühl nur zu gut. Und auch, wenn Mr. Boyle ihr ein bisschen Leid tat, konnte er sich wahrscheinlich besser gegen den seltsamen Charme der Mutter dieses Zitronenbäumchens wehren.

    Etwas beruhigt wandte sie sich also an die neben ihr Stehende.

    "Leigh?", machte die Tochter der berüchtigten Pettys auf sich aufmerksam. "Hättest du vielleicht... Lust, mit mir die Mensa zu schmücken?" Wahrscheinlich dachte die Gleichaltrige sich gerade, ob Leona spinnen würde. Hier drinnen wurde man nicht gerade zu einem Freund von Patriotismus erzogen und es schien auf Anhieb viele wichtigere Dinge zu geben, die man hätte angehen können. Doch ihr selbst gefiel der Gedanke, zur Abwechslung etwas zu tun, worin sie gut war. Und dazu zählte das Schmücken und Verzieren definitiv. Zudem war es eine Anweisung der neuen KILA. Und die junge Frau hatte die Ahnung, dass diese - oder besser: Dieser - nicht so sehr auf ihrer Seite kämpfen würde, wie es die Vorgängerin getan hat. Die arme Vorgängerin, die nun ebenfalls ihrem Tod entgegen blicken musste. Und das nur, weil sie ihnen half?

    Wer auch immer sie jetzt überwachte, würde es bestimmt gerne sehen, wenn sie den Präsidententag angemessen ehrten. Und vor diesem jemand gut dar zu stehen, brachte vielleicht das Vertrauen ein, das man den Verwaltern dieses Gefängnisses vorgaukeln musste, wenn man weiter in Ruhe an einer Lösung des Problems arbeiten wollte.

    Leona kam sich schon viel zu verschwörerisch für ihren eigenen Geschmack vor. Ihre Eltern hätten ihr gesagt, dass sie sich mit den falschen Leuten umgab. Leigh zum Beispiel. Doch vielleicht wusste sie auch gerade deswegen, dass es das Richtige war.

    "Wenn du etwas Besseres zu tun hast, will ich dich davon nicht abhalten. Aber zu zweit geht die Arbeit schneller und... ich fühle mich besser, wenn du in der Nähe bist."

    Geändert von MeTa (06.03.2017 um 19:56 Uhr)

  2. #2
    Robert hatte in der letzten Nacht sehr unruhig geschlafen.
    Wenigstens musste er heute, bis zur abendlichen Abstimmung, kein schlechtes Gewissen haben. Dieses Mal war durch sein Handeln niemand gestorben.
    Trotzdem blieb am heutigen Tag erst einmal keine Ruhe für eine Duschen oder die, für viele Häftlinge überflüssige, Morgenpflege. Sein Gesicht hatte schon eine leichte Gräue durch die Bartstoppeln angenommen. In einer normalen Situation wäre dieses Auftreten undenkbar gewesen. Aber was war schon noch normal. Er begab sich also in die Mensa wo Eerie ein wundervolles und zugleich einfach zu durchschauendes Schauspiel vorführte. Er schmunzelte in sich hinein.
    Sie würde schon wissen, was sie tat. Robert hatte eigentlich gedacht, er würde jede Facette dieser Frau kennen, doch warum genau sie gestern den Doktor nominiert hatte war ihm schleierhaft.

    Den morgendlichen Trubel umgehend und auf der Suche nach etwas Essbarem, er hatte am vorigen Tag kein Abendessen gegessen, begab Robert sich in die große Küche die jetzt still da lag.
    Normalerweise wäre Matt Foster hier anzutreffen gewesen und er hatte auch insgeheim gehofft auf ihn zu stoßen, doch die Küche war leer. Fast leer.
    Den Boden nicht beachtend rutschte Robert auf dem nassen, blutigen Boden aus und landete, zum Glück, nur mit seinen Schuhen in der roten Flüssigkeit.
    Sein Hintern schmerzte und seine Arme hatten den Sturz auch nicht besonders sanft abgefangen.
    Vor ihm, mit weit offenen, wahnsinnigen Augen lag Doktor Edward Tod.
    Das Messer, welches er wohl benutzt hatte um sich selbst zu richten bevor es KILA hatte tun können steckte noch immer in seinem Hals.
    Er sah lächerlich aus und Robert konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
    Hatte ihn der Doktor doch noch in die Knie gezwungen. Mit etwas Anstrengung erhob er sich wieder. Beim inspizieren seiner Kleidung wurde klar, dass auch sein Jacket an den Ärmeln mit altem Blut beschmiert waren. Wundervoll.
    Er zog das Kleidungsstück aus und beschloss es gleich mit in die Verbrennungsanlage zu schmeißen.


    Robert lief einmal großräumig um die Blutlache herum und zog den ehemaligen Doktor, wenn er denn wirklich einer gewesen war, aus seiner Blutlache.
    Er war in den letzten Tagen zum Leichenfledderer geworden. Sonst hatten immer andere für ihn diese Arbeit übernommen.

    Etwas ruppiger als sonst untersuchte er Edwards auf interessante Gegenstände. Zu irgendetwas musste doch eine dieser Leichen gut sein und wenn sie nur als Dünger für Eeries Garten herhalten würden.

    Geändert von Kaia (06.03.2017 um 19:46 Uhr)

  3. #3
    Leigh lauschte Leonas Bitte mit hochgezogener Braue, zuckte aber schließlich mit den Schultern und meinte: "Klar, wieso nicht." Sie verabscheute den Präsidententag eigentlich. Schon vor ihrer Verurteilung hatte sie mit diesem Feiertag nichts anfangen können und seit sie in der Düsterburg war, hatte sie einen erheblichen Hass auf die Nation und ihren Führer entwickelt. Andererseits war dieser übertriebene, von oben aufgedrängte Patriotismus nichts, wogegen sie etwas unternehmen konnte und es wurde nun einmal von den Insassen erwartet, dass sie mitspielten. Das Schmücken war von persönlichen Abneigungen abgesehen keine unangenehme Aufgabe... außerdem konnten sie beide so Erie aus dem Weg gehen, die den Retter für ihr Bäumchen anscheinend ausgerechnet in Boyle gefunden hatte.
    "Zeigen wir der... dem neuen KILA, wie lieb wir unseren lieben Präsidenten haben", fügte Leigh trocken hinzu. Seit Präsidentenbeleidigung mit der Todesstrafe geahntet werden konnte, war sie dankbar, dass Sarkasmus existierte. Wobei sie sich eingestehen musste, dass sie sich zumindest ein bisschen über die Abwechslung freute. Und darüber, dass sie sich die Aufgabe mit Leona teilte. Sie fühlte sich ebenfalls wohl in deren Gegenwart. Fast schon fröhlich - für ihre Verhältnisse - warf Leigh gemeinsam mit Leona einen Blick auf die Dekogegenstände, die sie verteilen sollten.

  4. #4
    Eerie war nicht unbedingt überrascht, als sich die Leute nicht sofort darum stritten, ihr zu helfen - immerhin und schließlich war gutes Personal wirklich schwer zu finden.
    Außerdem konnten sie ja nicht wissen und wie sie spüren, wie dieser Baum durch die mörderische Behandlung des Doktor Pflanzentods gelitten hatte.

    Umso erfreuter war sie als der Anführer selbst - Mister Boyle - sich freiwillig meldete - offensichtlich wusste er, was mit den Zitronen auf dem Spiel stand.

    "Mr. Boyle! Ich wusste nicht, dass Sie ein Pflanzenfreund sind.", lächelte sie fröhlich und war durchaus froh, ihn an ihrer Seite zu haben.
    Sie hatte sich schon immer gern mit wichtigen Personen umgeben, reichen Männern, starken Männern, Männern mit dickem Bankkonto, hübschen Assistentinnen und einer Schar von Untergebenen - und in dem klitzekleinen Mikrokosmos, in den Cesare Trump sie verbannt hatte, kam Lionel Boyle dem schon ganz nah.

    "Dann auf zur Hydroponik...?", murmelte Mister Bolye ein wenig sauertöpfisch und Eerie nickte aufgeräumt.
    Sie nahm den Zettel unter den Ästen weg, damit er nicht versehentlich von Kameras eingefangen wurde und marschierte los, den massigen Leib in Bewegung setzend.

    Leona und Leigh waren gerade in ein Gespräch vertieft und schienen die Dekorationsmittel zum "Präsidententag" durchzusehen. Sie selbst wollte sich wohl wie jedes Jahr nur eine Anstecknadel der NATION an den Kragen heften und ansonsten die elegante, schwarze Armbinde mit dem weißen Kreis und dem roten "T" - wie Trump - um den Oberarm tragen, aber die beiden jungen Pflänzchen schienen ernst machen zu wollen.
    Leona, die sanfte Lilie, sacht duftend wie ein Frühling, zuckte zu heftig zusammen, dass sie noch bleicher als sonst wurde, als Eerie ihr die fleischigen Hände auf die Schultern legte und sie erbarmungslos, einer Python gleich, die ein Häschen verschlang, umdrehte und sie zu sich näher zog.
    Die Metapher schien zu passen, denn die Lilie blickte sie fassungslos mit großen Augen an, während sie sich näher waren als dem jungen Mädchen Recht sein konnte.
    Und weniger nah als Eerie es für angemessen hielt, wenn man bedachte, wie wichtig sie hier unten war und das in ihren Augen die Schönheit ruhig gehorchen durfte.

    "Leona, Liebes. Würdest du mir den Gefallen tun und die Reste von Clementine wegräumen, Ja? Sei ein braves Mädchen."
    Die Angesprochene nickte stumm und mit Augen, so leblos wie Glas.
    Leigh schnaubte und machte eine eindeutige Geste in Richtung der duftenden Zierpflanze, gab ihr mit Gesten zu verstehen, sich Dornen wachsen zu lassen, doch Leona nickte nur weiterhin.
    "Mach es doch selbst...", zischte Leigh und Eerie hob eine Augenbraue, strafend in Richtung Leigh, die nur noch wütender die Hände vor der Brust verschränkte.
    "An die Arbeit. Sofort.", sprach Eerie mit kalter, gruselig entschlossener Stimme in Richtung Leona und blickte dabei Leigh fest in die Augen, der wehrhaften, wunderschönen Rose, die ihren Blick mit Wut und Leidenschaft erwiderte und keine Sekunde blinzelte.

    Schließlich war es Mister Boyle, der dazwischen ging und sich genau zwischen die Beiden stellte.
    "Leona, würdest du bitte das Geäst da drüben einfach wegwerfen, wenn ihr den Saal schmückt?" Er lächelte aufmunternd und wand sich dann Eerie zu.
    "Mademoiselle Laureanne, wir BEIDE werden uns jetzt in die Hydroponik begeben und den... Baum retten.", sprach er entschlossen und ging einen Schritt auf die dicke Französin zu, die wie automatisch zurück wich, als wolle sie nicht unbedingt berührt werden und dann schlug sie die Augen nieder. "Aber ja, Mister Boyle, Teuerster.", murrte sie und zusammen machten sie sich auf.

    Die wütenden Blicke der jungen Rebellin fühlte sie im Rücken und wieder brach sich kalte Wut ihren Bann, sie war sich sicher, sie würde ihr bald schon ihren Platz zeigen - früher oder später...!


    Endlich in der Hydroponik angekommen, gab sich Mister Boyle alle Mühe, die vor Wut bebende Französin auf andere Gedanken zu bringen und stutzte, als er das nur wenig mehr als einen Meter in der Höhe messende Bäumchen sah.
    "Den hatte ich mir größer vorgestellt...", murmelte er und Eerie antwortete missmutig: "Das habe ich früher auch oft gesagt."
    Mister Boyle legte die Stirn in Falten und lachte dann amüsiert auf.
    Dann flüsterte er: "In Ordnung, warum also sind wir hier?"
    Eerie beugte sich zu ihm: "Wir sollten wirklich den Baum retten, vorerst. Das sind wir Clementine schuldig, die unsere Zähne hier unten gerettet hat. Aber das ist nicht alles. Für das, was ich vorhabe, brauchen wir zwei Personen. Wir müssen ein wenig Ablenkung schaffen für die Anderen und ich weiß schon genau, wie...!"

    Lionel stutzte und hätte am liebsten sofort mehr Abstand erhofft, als er merkte, wie wirklich selten die gute Frau die Duschen hier unten benutzte.

    Als Beide dann schließlich dort knieten und sich zusammen an die Arbeit machten, zuerst ein neues Loch für den Baum zu graben, wisperte Boyle: "Woher der Sinneswandel? Sie werden doch nicht nostalgisch werden, nur weil der Präsidententag sich jährt?"


    Eerie schnaubte. "Auf keinen Fall. Ich war damals auch nicht feiern als bei uns in Europa Erdogan zum "Minister der Menschenrechte" in Brüssel ernannt wurde. Ich war damals dort, in der Menge, zusammen mit meinem zweiten Mann." Sie rümpfte die Nase. "Ich bin Französin, Mister Boyle, ich kann einen Faschisten auf 100 Kilometer..." Sie korrigierte sich schnell in dem Wissen, dass die NATION mittlerweile eindeutig geltende, sinnvolle Maßeinheiten verabschiedet hatte, die für die gesamte Welt galten und die alten Einheiten abgelöst hatten. "...ich meine, ich kann einen Faschisten auf 83,4 Ivankas riechen. Es liegt uns als Nachbarn Deutschlands einfach im Blut, Gefahr zu wittern. Aber wir sind gut darin, still zu halten. Ruhig zu sein. Bis Dinge sich ändern."
    "Und Dinge haben sich geändert?"
    "Für mich schon. Für mich schon. Ich wusste es nicht einmal, aber ich bin schon seit ein paar Tagen in der Résistance."

    Boyle hob nur die Augenbraue und grub schweigend weiter ein Loch in die Erde, bis er schließlich auf den metallernen Boden stieß...

    Geändert von Daen vom Clan (07.03.2017 um 08:56 Uhr)

  5. #5
    Robert drehte und wendete die Leiche hin- und her, aber anscheinend hatte der gute Doktor hier unten nichts dabei, was auch nur im Ansatz nützlich gewesen wäre.

    Aber dafür fiel dem stilvollen Mann auf, dass auf dem Boden eine große Menge an Elektroschrott herumlag - es sah aus, wie die Überreste eines Handys. War das das Handy, von dem der Doktor die letzten zwei Tage erzählt hatte? Silver hatte bisher noch keinen Blick darauf werfen können - und jetzt schien es zu spät, das nachzuholen. Der Bildschirm war gesplittert, die Antenne abgebrochen und das Tastenfeld zertreten. Dieses Handy war nicht mehr zu retten. Er hob das größte Bruchstück auf, drehte es in seinen Händen umher, fasste mit den Fingerspitzen über das kühle Metall - und steckte das Handy schließlich ein, einem ungewissen Impuls folgend.

    Zitat Zitat
    1 Ressource Elektroteile erhalten.
    Und dann machte er sich daran, den blutigen Körper des ehrwürdigen Doktoren zur Verbrennungsanlage zu bringen...

    -------

    "Wir können die Äste... Wir können Clementine doch nicht einfach so hier liegen lassen! Und wenn Ms Laurenne das gesagt hat..."
    "...dann bleiben diese Zweige ganz genau hier auf dem Tisch liegen!"

    Leigh stieß einmal wütend Luft aus, bevor sie Leona in den hinteren Bereich der Mensa zog

    "Soll sie es doch selber machen!"

    Durch den absolut überdimensionierten Maßstab der Mensahalle wurde gut ein Viertel der Fläche nur als Stauraum für Dinge genutzt, die man nicht alltäglich benötigte. Natürlich gab es immer wieder Leute, die sich einbildeten, von hier hinten klauen zu können - aber was sollten sie mit einer riesigen Malerleiter von 3 Metern anfangen, oder mit einer Kiste voller kitschiger Girlanden und Luftballons? Außerdem gab es immer den einen oder anderen Präsidententreuen, der penibel darauf achtete, dass mit den Girlanden kein Schindluder getrieben wurde, weil er sich davon eine bessere Behandlung nach der Haft versprach.

    Ansonsten wurde die "Rumpelkammer" nur von übermütigen, jungen Insassen genutzt, um sich das Leben in der Düsterburg ein bisschen angenehmer zu machen. Zumindest kündete eine improvisierte Schlafstatt aus Kissen und Decken darauf hin, die Leona und Leigh hinter einem der großen Schränke fanden. Wenn man nur still genug war, ging in der Düsterburg alles... Bald schon hatten sie den Großen Spind gefunden, der an der Seite mit "SAISONAL" beschriftet war. Darin befanden sich, wie zu erwarten, die berühmten Blau-Weiss-Roten Girlanden, die man in den Gängen aufhängen konnte, große Luftballons, die schon seit Jahren verwendet wurden und bei denen man lieber nicht daran denken wollte, wer da alles schon seine Lippen dran gehabt hatte. Außerdem hab es kleine Partyhüte, die in der Düsterburg ABSOLUT deplatziert wirkten und nur von den Industriearbeitern getragen wurden, die dazu gezwungen wurden.

    Glanzstück der Sammlung war ein großes Banner mit dem Konterfei des ewigen Präsidenten, strahlend frisch und aufgenommen an seinem 110. Geburtstag, kurz vor dem Attentat auf sein Leben. Gerüchte besagten, dass er sich mit Bluttransfusionen von jüngeren Latinos so frisch und gesund erhalten hatte. Vor allem Leigh war überrascht davon, dass in all den Jahren niemand auf die Idee gekommen war, ihm auch nur einen Schnurrbart zu verpassen... Sie bräuchte nur etwas, um ihre künstlerische Ader ausleben zu können - das würde den Aufpasser sicher beschäftigt halten, sollte er es sehen.

    Aber während Leigh das große Banner in den Händen hielt, das über den Essbereich der Mensa gehangen werden sollte, hatte Leona, einmal wieder, einen Zettel gefunden. Anscheinend hatte irgendjemand diesen weit hinten versteckten Schrank als Briefkasten genutzt...

    Zitat Zitat
    Hey, wer auch immer das liest,

    ich habe endlich einen Ausweg gefunden! Denke ich jedenfalls. Ich habe echt viel zu länge in diesem dämlichen Kanalsystem unter der Hydroponik verbracht, aber ich denke, ich weiß, wo all diese Wege hinführen. Wenn unsere Kacke irgendwie hier raus kommt, dann komme ich das auch! Ich muss nur Behälter IIV durchqueren und mich an der anderen Seite hochziehen, das Abpumpen abwarten und dann schnell zu den Rohren sprinten. Das wird zwar nicht schön, und auch nicht einfach, aber das ist die Revolution auch nicht!

    Ich kann es kaum erwarten, frische Luft zu atmen, und vor allem, meine zauberhafte Amira wiederzusehen. Ich bin so stolz auf sie, dass sie noch nicht hier aufgetaucht ist - das heißt, sie ist immer noch frei und kämpft den guten Kampf! Und bald kann ich endlich wieder als Rebellenkönig an ihrer Seite stehen und für eine bessere Welt kämpfen! Und dann hole ich euch hier alle raus (außer vielleicht die echten Mörder, die sollten vielleicht im Gefängnis bleiben)

    Bis dahin,
    Ramirez Estaga

  6. #6
    Der auf dem Zettel stehende Text konnte einen nur wehmütig machen. Leona ging es jedenfalls so.

    Irgendwie hatte sie bei Estaga bisher nur an einen schmierigen Kerl gedacht. Einen Ausbrecher eben. Dass es gute Gründe gab, auszubrechen - gerade wenn man vielleicht zu Unrecht hier saß oder etwas getan hatte, mit dem man sich den Aufenthalt in der Düsterburg nicht wirklich verdiente -, war ihr noch nicht in den Sinn gekommen. Langsam dämmerte da aber eben etwas, langsam wurde ein anfängliches Bewusstsein dafür geschaffen, wofür Ramirez und seine Frau kämpften. Oder gekämpft hatten.

    Er hatte wahrscheinlich ehrenhafte Ziele und Ideale. Um Sinnbild einer Rebellion zu sein, musste man mehr als nur sich selbst im Sinn haben. Er wollte die Welt verbessern. Nicht nur für sich und seine Amira, sondern für alle.

    Und am Ende war er in einem Haufen Fäkalien ums Leben gekommen.

    Es blieb die Frage nach dem Wieso. Der Zettel, den sie gerade womöglich als erste zufällige Empfängerin in die Hände bekam, klang so zuversichtlich. Estaga musste sicher an seinen Ausbruch geglaubt haben. Nach all dem was sie hörte, war es ja nicht sein erster gewesen. Er hatte Erfahrung. Und dennoch war er nicht weit gekommen. Als diejenige, die ihn geborgen hat, wusste sie aber mehr. Es war vielleicht der glücklichste Zufall, dass gerade sie den Zettel gefunden hat. Denn sie konnte herausfinden, woran sein Plan letztlich gescheitert war.

    Schon für die erste, stichhaltige Vermutung musste die 21-Jährige die Notiz nicht mehr als zwei Mal lesen. Abpumpen. An diesem Wort blieb sie hängen. Er schrieb, dass er das Abpumpen abwarten würde und es im Anschluss weiter ging. Doch was, wenn gar nichts abgepumpt wurde und genau dieser Umstand dann seine Todesfalle darstellte? Vielleicht war er in den ekligen Sud eingesunken und kam dann nicht mehr raus. Da er keine auffälligen Hilfsmittel mitnehmen konnte und durfte, hatte er nicht die Möglichkeit, sich aus seiner misslichen Lage befreien. Es brauchte erst ein naives Mädchen ohne Plan, das Monate später zu seiner Leichenstätte kommt und mit einem langen Stock im Abfluss herum fuchtelte, bis der Scheiß... - Ah, schon wieder! - ... bis die Fäkalien endlich weg gespült wurden.

    Ihre Augen weiteten sich. In ihrem Blick lag etwas, das darin schon länger nicht mehr gelegen hatte. War es Hoffnung? Wenn sie Recht hatte, wäre eine Flucht jetzt vielleicht möglich. Sie hatte keine Ahnung, wie schwierig und anstrengend das war, wenn selbst ein Profi wie Estaga es als nicht einfach bezeichnete. Aber ein Vielleicht war doch besser als ein Nein, oder?

    "Ist das ein Liebesbrief oder warum guckst du so?" Leighs Stimme klang als würde sie ferne Worte aufsagen, die gar nicht für die Floristin bestimmt waren. Das änderte sich jedoch. "Hallo? Leona!"

    Die junge Frau sah auf, blicke vom Zettel zu ihrer Begleiterin und zurück. Natürlich würde sie das Wissen mit ihr teilen. Und so reichte sie Leigh wortlos Estagas letzte Notiz.

  7. #7
    So ein Dreck. Überall war Dreck - auf Boyles Hose, unter seinen Fingernägeln und auf Eeries Zähnen. Gut, Letzteres war schon vorher da gewesen, aber das machte es nicht wirklich besser. Zitronen alleine halfen dann doch nicht gegen alles.
    "Das müsste wohl genügen.", legte er dann einfach mal fest, nachdem er den Metallboden an seinen Fingerkuppen spürte. "Was jetzt?"
    "Wir müssen Clementine in den Waschbereich bringen."
    "In den Waschbereich?", wiederholte Lionel ungläubig. "Den ganzen Weg...", aber er brach ab als er sah, dass die Köchin ihn mit schmalen Lippen ansah. Das reichte, um sich geschlagen zu geben.
    Mit "wir" hatte sie außerdem natürlich nur ihn gemeint, der den blöden Strauch tragen sollte, aber das machte auch nicht mehr viel Unterschied. Jetzt war er definitiv froh, dass er sich den Baum nur größer vorgestellt hatte.

    "Und wenn wir dort sind?", fragte Boyle Erie, als er Clementine recht ruckartig an der flachen Erdschale anhob.
    "Vorsicht!", ermahnte die Giftmischerin ihn sofort und machte eine Geste als würde sie entweder bereit stehen, um das Bäumchen im Fall einer Katastrophe aufzufangen, oder Lionel alternativ ins Gesicht boxen. Vermutlich eher Ersteres.
    Nachdem Boyle einen guten Griff gefunden hatte und das gefährliche Schwanken nachließ, entspannte sich seine Begleiterin wieder.
    "Dort topfen wir Clementine erst einmal um."
    "Und dann?"
    Doch die Frage blieb unbeantwortet, weil die Köchin einen kurzen Abstecher machte, um eine neue Schale zu holen. Dabei war das doch wirklich der einzig interessante Teil an der ganzen Sache hier. Zumindest klang "eine Ablenkung schaffen" erst mal weniger anstrengend als dieser ganze Baumknutscher Mist hier.

    Als Boyle schließlich mit Clementine an der Mensa vorbeischritt, konnte er von draußen ziemlich deutlich erkennen, dass die verkackten Äste immer noch da lagen, wo sie vorhin gewesen waren. Die Mädchen konnte er aus dem Winkel nicht sehen, aber es war ziemlich offensichtlich, dass niemand sich berufen fühlte, den Müll wegzuräumen.
    Das schmerzte ein bisschen. Betrogen! Ausgerechnet von der 21! Dabei hatte er sogar ein falsches "Bitte" dazwischengequetscht. Trotzdem tat er gut daran, Erie irgendwie davon abzulenken, nicht auch ihren Blick in die Mensa zu richten - sonst würden sie hier nicht so schnell weiterkommen - also musste er sie in irgendein Gespräch verwickeln.
    "Wussten Sie eigentlich, dass ich einen wirklich erstklassigen Whiskey im Anführerzimmer gefunden habe?", sagte er also leise, damit ihn einerseits Man-KILA nicht hören konnte und andererseits die "Schwarze Witwe" etwas näher kommen und sich darauf konzentrieren musste, ihn zu verstehen. Zum Glück hatte der kaputte Zitronenbaum noch nicht all seinen Duft verloren und übertünchte den ein oder anderen unguten Mief.
    "Der alte Don Leone hatte wohl eine einzige Flasche für besondere Anlässe aufbewahrt. Sehr, sehr edles Zeug, selbst für "oben" eher kostspielig. Wenn wir... Clementine gerettet haben und... naja, alles andere erledigt haben, könnten wir darauf anstoßen." Erie sah ihn aus klaren Augen an. Er hoffte, irgendwie an die Luxusliebhaberin in ihr zu appellieren, obwohl sie nun die Mensa bereits hinter sich gelassen hatten, und dann fiel ihm auf, dass das irgendwie nach einer Anmache klang. Oh Gott.
    "Wir könnten auch alle darauf anstoßen.", fügte er schnell hinzu und hätte sich am liebsten in die Zunge gebissen. Auch wenn er mit der Menge an Whiskey deutlich gelogen hatte, wollte er ihn doch im Leben nicht mit der ganzen Meute teilen.
    So. ein. Dreck.

    Nun war das ungleiche Paar aber immerhin im Waschbereich angekommen, so dass Boyle wenigstens eine Last losgeworden war - er stellte das Bäumchen diesmal doch mit Bedacht ab und hoffte das Umtopfen, das natürlich Erie übernehmen musste, würde nicht zu lange dauern. Er war eigentlich doch ziemlich gespannt auf ihren Plan.

  8. #8
    Matt saß immer noch schweigend in seiner Koje.
    Gestern hatte er...

    Seine Gedanken kreisten und waren schwierig zuzuordnen. Sein Magen zog sich bei dem gestrig erlebten immer wieder zusammen, denn er wusste, dass er daran Schuld war. Er hatte dafür gesorgt... sich selbst in diese Misere gebracht.
    Es war mit keinem Gefühl auf der Welt vergleichbar, denn es verdeckte alle seine Sinne und nahm ihm gänzlich die sonstige Lust und Freude daran aufzustehen und einfach... zu sein.
    Was hatte er nur getan?

    Allein der Gedanke daran, mit KILA zu flirten und sich Hoffnung zu machen hier rauszukommen. Das alles war anscheinend nun dahin.
    Wenn er nicht diesen Vorschlag in den Raum geworfen hätte, dann würde er jetzt nicht hier sitzen und sich fragen was hätte sein können. Denn auch wenn nichts war, tat es trotzdem weh.

    "Und sie hatte mich noch gewarnt..."

    Für Matt war eine Sache sicher... er musste hier raus.

    Schlurfen zog er durch die Gänge. Die Hände in den Hosentaschen versteckt, der Rücken leicht gekrümmt gab er ein Trauerbild sondergleichen ab.
    In der Mensa schenkte er den Anwesenden kaum Beachtung. Er saß einfach auf einer Bank, den Kopf in den Händen vergraben während er alte Lieder in seinem Kopf abspielte die natürlich nicht auf dem iPod waren.

    "It's late and I'm awake
    Staring at the wall
    Open up my window
    Head falls out the door"


    Der Vorschlag von Leroy und die Ansprache von Eerie bekam er zwar mit, doch waren seine Gedanken woanders.
    Als sich die Reste der Verbliebenden anfing zu zerstreuen, atmete Matt tief ein und aus.

    Er musste hier raus.

    Sein Weg führte ihn zur Industriestation, er würde Leroys Vorschlag folgen.
    Die Versorgungsgänge klangen zumindest nach einer Möglichkeit. Vor allem weil niemals jemand von Ihnen diese Gänge erkundet hatte.
    Matt sah noch wie Leroy vor einer Türe stand sonst verschlossen war. Noch vor einem Tag hielt jeder der Anwesenden das hier für die Grenze Ihrer restlichen Lebenserwartung.
    Doch sie öffnete sich und Leroy war der erste von Ihnen der hindurchschritt.

    Matt folgte ihm mit ein paar schnellen Schritten.

    "Yo! Leroy. Also... gestern ne... gute Arbeit mit dem Computer. Hab gehört, dass du das im Alleingang gelöst hast. Ich dachte mir, hey, wir waren bei dem Gift Stuff schon so ein geiles Team. Also könnten wir uns ja auch die Versorgungsgänge vornehmen."

    Geändert von Gendrek (07.03.2017 um 18:36 Uhr)

  9. #9
    Leroy besah sich das Eingabefeld. Einer plötzlichen Intuition folgend woillte er KILA fragen, welche Gefangenennummer Smithee gehabt hatte, aber ihm fiel gerade nocg rechtzeitig wieder ein, dass der neue KILA sie ihm wohl erstens nicht sagen würde, und zweitens am besten überhaupt nicht wissen sollte, wo er sich gerade befand...
    'Hm, anscheinend haben wir den Doktor doch zu früh abgemurkst. Hätten wir ihm erzählt, dass sich hinter der Tür KILAs Kontrollraum befindet, hätte er mit Sicherheit freudig alle 999.999 Kombinationen durchprobiert...'
    Plötzlich wurden seine Gedanken unterbrochen, als ihn jemand von hinten ansprach.
    "Yo! Leroy. Also... gestern ne... gute Arbeit mit dem Computer. Hab gehört, dass du das im Alleingang gelöst hast. Ich dachte mir, hey, wir waren bei dem Gift Stuff schon so ein geiles Team. Also könnten wir uns ja auch die Versorgungsgänge vornehmen."
    Er drehte sich um. Eigentlich war er eher Einzelgänger, und allgemein war jemand wie Matt auch nicht so seine bevorzugte Gesellschaft. Nach dem Doktor war er unter den wenigen Überlebenden noch der... "Lebhafteste", wenn man es positiv formulieren wollte. Aber nun war er schonmal hier, vier Augen sahen mehr als zwei, eine Hand wusch die andere und so weiter und so fort... Wenn er ganz ehrlich war, musste Leroy zugeben, dass sein ursprünglicher Plan, die Gänge ganz allein zu erkunden, vielleicht doch etwas waghalsig gewesen war, und inzwischen gruselte es ihn auch ein bisschen vor den leeren Gängen, und vor dem, was er darin finden (und vor allem herausfinden) mochte.
    Daher antwortete er:
    "Klar, warum nicht. Wie wär's, schauen wir mal, ob jemand versehentlich die Haupttür offen stehen lassen hat?"
    Vielleicht war es eine ganz gute Idee, erstmal zu schauen, wie weit sie überhaupt kamen, bevor sie auf verschlossene Türen oder Selbstschussanlagen (oder ähnlich unangenehme Dinge) trafen, und sich auf dem Rückweg mit irgendwelchen (wahrscheinlich ebenfalls verschlossenen) Türen zu beschäftigen. Schließlich hatten sie nicht ewig Zeit, und da war es wohl sinnvoll, sich erstmal einen Überblick zu verschaffen, was es hier überhaupt alles zu untersuchen gab.

  10. #10


    Leroy und Matt wanderten langsam die breiten Gänge entlang. Es war schrecklich still. Aber nicht die Art von Stille, an die sich mittlerweile gewöhnt hatten. Jeder Schritt, den sie auf dem kalten Steinboden taten, hallte tausendfach an den Metallwänden wider, und doch war es ... still. Die Gänge waren sehr breit, bestimmt vier oder fünf Meter, und beide fragten sich stumm, warum hier so verflucht viel Platz war..

    Was Leroy schon vorher aufgefallen war - die Schienen, von denen er eigentlich dachte, dass sie nach draußen führen, machten direkt nach der Tür eine scharfe Biegung und führten direkt in den Fahrstuhl. Was auch immer seine Kollegen aus der Industriestation hergestellt hatten, es gign nicht nach draußen, sondern weiter nach UNTEN.

    Der Boden hier in den Gängen war völlig glatt und eben. War ja auch klar, schließlich gab es hier keinen Fußverkehr, der den Boden hätte abnutzen können. Im Vergleich zu dem geraden Boden hier hinten waren die Steinböden im öffentlichen Teil übersäht mit in den Jahrzehnten hineingelaufenen Spuren.

    "Hallo? Echo?"
    "Sei lieber still, Wir wissen nicht, ob der halbgare KILA-Ersatz uns hören kann."

    Konnte er anscheinend nicht. Denn niemand antwortete ihnen.

    Die Gang ging vor ihnen eine Biegung ein.

    "Kein Wunder, dass niemand je weggerannt ist, diese Gänge fühlen sich unendlich an."

    Leroy lachte kurz bitter auf.

    "Ja, und siehst du diese Düsen an der Wand? Jeder, der es versucht hätte, wäre nicht weiter als hier hin gekommen."

    Die Wände waren von oben bis unten mit kleinen Düsen gesäumt, wie es sie auch in jeder einzelnen Koje und verteilt durch den Bunker gab. Aber so konzentriert wie hier hatten weder Matt noch Leroy sie nie gesehen. Die Konzentration an Mittel musste so schwer sein, dass man sofort ausgeknockt wurde, wenn man hier entlang kam. Aber KILA schien alle Sensoren in diesem Bereich lahm gelegt zu haben. Aber.,.

    "Hey, Leroy, siehst du das?"

    An der linken Wand war ein Panel etwas dunkeler als die Wand drum herum. Es sah aus wie ein typischer Eingang in einen Versorgungstunnel - so einer, wie er auch zu Behälter IIV führte. Als Matt die Wandverkleidung vorsichtig zur Seite schob, konnte er dahinter nur Dunkelheit erkennen. KILA hatte wohl auch großzügigerweise die Notbeleuchtung in diesem Abschnitt deaktiviert.

    "Lass uns erstmal weitergehen."

    Sie gingen zur nächsten Biegung. Alles hier fühlte sich so unendlich weit an. Aber kaum, dass sie die Kurve durchquert hatten, waren die endlosen Gänge endlich vorbei. Der Weg verengte sich, und Matt, der schließlich noch nicht allzu lange hier war, erkannte den Bereich wieder.

    "Ey, das ist die Aservatenkammer! Da musste ich all meinen Scheiss abgeben - Klamotten, Koffer, Handy, all den Scheiss."

    "Mh, ich auch... aber von hier außen sieht sie so klein aus?"
    "Ja, habe ich mich auch gefragt... Ich meine, hey, da müssten ja die Sachen von uns allen drin sein, aber das war nur so ein kleines Kabuff mit ein paar Regalen. Wie solln das funktionieren?"

    Matt drückte die Klinke nach unten - und tatsächlich, die Kammer war unverschlossen. Aber bevor er einen Blick hineinwerfen konnte, wurde er von Leroy auch schon weitergezogen.

    "Wir haben genug Zeit, wir sollten erst einmal den Haupteingang suchen."

    Diesen zu finden war nicht schwer. Von der Tür aus mussten sie sich einfach nur umdrehen und schon blickten sie auf die imposanten Metallschiebetüren, die diesen Bereich versiegelten. Es ging vorbei an einem kleinen Wärterhäuschen, vorbei an einer kleinen Kreuzung, an die vier Räume angeschlossen waren, bis hin zu dem Metalltor. Leroy wusste, dass es dahinter noch weiterging. Er war sich sogar ganz sicher, dass man aus dem Aufzug heraustrat, dann warten mussten, bei sich diese riesigen Stahltüren geöffnet hatten, und dann erst weitergeführt wurde. aber so wie es schien, gab es keinen Weg, von innen die Türen zu öffnen. Natürlich. Das wäre ja auch zu einfach gewesen. Aber dafür kannten sie jetzt den gesamten Bereich hier hinten und konnten sich genauer umsehen. Wer weiß, was sich hier alles finden ließ?

    Zitat Zitat
    Das pure Vergnügen
    Bereich B1 - B4
    Vier kleine Räume, die an den Hauptgang angeschlossen waren und deren Türen offen standen. Jeder Raum kann einzeln untersucht werden.
    Zitat Zitat
    Der einsamste Job der Welt
    Bereich F
    Das kleine Wärterhäuschen war früher mit einer Person besetzt gewesen - dem "einzigen Mitarbeiter" der Düsterburg, wie die Werbebroschüre stolz verkündet hatte. Was war eigentlich mit dem passiert?
    Zitat Zitat
    Eine Sammlung für die Jahrhunderte
    Aservatenkammer C
    Die Kammer, in der ihr alle eure Habseligkeiten abgeben musstet. Viel zu klein für alle Insassen - hier musste es irgendwelche Antworten geben!
    Zitat Zitat
    Der Duft der Freiheit?
    Versorgungsgang D
    Personenanzahl: 2
    Der Weg durch den neu gefundenen Versorgungsgang ist dunkel. Ihr solltet euch hier nur zu zweit hineinwagen!
    --------

    Gerade, als Erie zur Tat schreiten wollte, um die Erde zu reinigen und aufzufrischen - ein Prozess, bei dem Wasser von größter Wichtigkeit war - rauschte es in den Lautsprechern. Er und Boyle schauten sich an, und dann nach oben. Aber ein paar Sekunden lang rauschte es nur, bevor sie eine ganz leise Stimme hören konnten.

    "Haha, ja, der Job ist voll geil. Nur hier sitzen und den Idioten da unten beim Verrecken zuschauen. ... Haha, ja, die haben alle keinen Plan. Ein bisschen wie Sims 25, voll geil... Ja, Daddy hat mir den Job versorgt, nachdem die alte Tussi rausgeflogen ist. Einen besseren Entry-Level-Job, um in der NATION-Verwaltung durchzustarten gibt's eigentlich gar nicht. Aber irgendwie hatte die wohl 'n schlechtes Gewissen und hat die ganzen Kameras beschädigt oder so'n Scheiss. Ich sitz also nur hier und kann eh nichts sehen. Und von dem, was ich hören kann, machen die gerade eh nichts. Kein Plan warum die Tussi so gesnapt ist. Sind da unten ja eh nicht mehr viele, wegen..... "

    Ein bisschen weiteres Rauschen machte es unmöglich, mehr von dem Gespräch zu hören, was der neue KILA anscheinend am Telefon führte. Es gab ein leises Klackern, dass verdächtig nach einer Bierflasche klang, die auf einem Schreibtisch landete.

    "Hast du das gehört mit dem Aufstand im Süden? Hammer, wie die Nation da durchgreift. Richtig so! Diese scheiss Vergewaltiger aus Neu-Mexico sollten alle wie Vieh hingerichtet werden. Aber hey, gut genug, um meine Scheisse aufzuwischen sind sie ja noch. Haha, ja, morgen zum Präsidententag gönne ich mir glaube ich so eine dunkle ••••••••."
    "Unser neuer Aufpasser ist ja ein richtiges Herzchen."

    Boyle nickte nur, während Erie sich schon an die Arbeit gemacht hatte. Mit erstaunlich geschickten Händen und einem wutroten Kopf - ob von der Arbeit oder dem Ärger, den sie empfand vermochte Boyle nicht zu sagen - siebte sie die Erde durch, fischte Scherben vom Porzellan aus dem Boden und duschte schließlich die Blätter ab.

    "Ne, du ich muss aufhören. Hab zu arbeiten."

    Es klackerte noch ein paar Mal, und dann hörten sie ein leises "Oh Shit." und die Verbindung brach ab.

    "Naja, wenigstens wissen wir jetzt, dass KILA-3 nicht allzu gut aufpasst und auch gar nichts sehen kann."
    "Mh."

    Erie schnaubte nur, als sie die mitgebrachte Muttererde aus der Hydroponik und die alte Erde vorsichtig vermischte und sanft um jede kleine Wurzel des Bäumchens legte. Es war noch ein wenig Arbeit nötig, aber sicher war die bisherige Arbeit schon ausreichend, um zu sagen, dass Clementine nun eine Chance hatte.

    Zitat Zitat
    Ab morgen stehen der Küche Zitronen zur Verfügung.

    Geändert von Caro (07.03.2017 um 22:04 Uhr)

  11. #11
    "Meine Fresse... Da hat der Doc sich aber nochmal was richtig nettes einfallen lassen."

    Die Hände in die Hüften gestemmt stand Theo in der Küche. Gott sei Dank hatte jemand anders offenbar die Überreste des Mannes beiseite geräumt und, so gut es ging, die... Rückstände... beseitigt. Aber eine Sache war da noch. Theo stiefelte zum Kühlschrank, öffnete ihn und nickte.

    "Jep, Ratte immer noch da. Lecker. Wo haben wir denn... Ah da, Handschuhe. Sorry kleiner, aber dich pack' ich nicht so an... Dann komm mal her."

    Theo hob die Ratte mit spitzen fingern hoch und begutachtete sie. Vielleicht gab es ja irgendeinen Hinweis darauf, wo sie hergekommen war? Irgendwelche Auffälligkeiten, Gerüche, Matschspritzer?

    Geändert von BDraw (08.03.2017 um 00:53 Uhr)

  12. #12
    "Well... nice and tight. Ich glaub nicht das wir hier so schnell durchkommen. Also... jedenfalls nicht mehr Hilfe von der Arschnase die jetzt hinter den scheiß Lautsprechern sitzt."

    Autsch. Das tat weh. Matt hoffte irgendwo tief in sich drinnen, dass er dem Kerl der jetzt das Mikro in der Hand hatte mal genau so weh tun könnte.

    "Ja, die sind fest verschlossen. Aber vielleicht finden wir ja eine Möglichkeit Sie zu öffnen. Auch wenn das eher unwahrscheinlich ist."

    Matt schaute sich noch einmal um. Hinter den beiden befand sich das Wartehäuschen. Ja, an diesem kleinen Teil kam Matt auch vorbei und drinnen saß ein ziemlich gelangweilt ausschauender Vertreter der Nation.
    Er konnte sich noch genau erinnern. Blondiertes Haar, langweilige Frisur. Sein Gesicht hatte einen ungesunden Stich ins Orangene. Sein Hals sah normal aus. Ein typischer Vertreter der Nation halt.
    Aber vielleicht gab es ja etwas in dem Häuschen.

    "Yo L to the eroy, Leroy. Ich schau mir mal die Bude da an, vielleicht gibts da ja irgendwelchen Shit der uns irgendwie hilft. Oder ein Mikro. Dann übernehme ich die Lautsprecherdurchsagen, schlag hier mein Zelt auf und mach das zu nem nicen Radiosender oder so."

    Matt strich sich über den Kopf und tat kurz zu, so als würde er an den Schirm seiner nonexistenten Basecap greifen und sie richten. Leroy schaute ihn nur entgeistert an.
    Komischer Kerl.

    Der einsamste Job der Welt, würde jetzt auf den Kopf gestellt werden. Denn Matt übernahm diesen Posten nun.

    Geändert von Gendrek (08.03.2017 um 01:43 Uhr)

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