Die junge Frau blickte verwirrt auf den Zettel in ihren Fingern. Ware? Einheiten? Und dann ihr Name. Welche Ware hatte sie zu bieten, die jemanden da draußen interessieren könnte. Fast alles, mit dem sie sich hier täglich auseinandersetzte, war nicht in ihrem Besitz. Wollte man einen ihrer persönlichen Gegenstände für diesen Senatoren?

Da war der Kugelschreiber, der irgendwann mal Mrs. Kieslowski gehörte, einer der freundlichsten Seelen, denen Leona je begegnet war. Sie hatte beim obligatorischen Besuch im Krankenhaus etwas zum Schreiben gebraucht und bekam von der alten Dame diesen Stift, den sie im Anschluss auch behalten durfte. Sie musste der Frau, die einige Monate später verstorben ist, nur versprechen, dass sie ihn immer bei sich tragen würde, um nie wieder in die Verlegenheit zu kommen, etwas nicht aufschreiben zu können. Inzwischen war keine Tinte mehr im Reservoir enthalten, da sie ihn seither bei jeder Gelegenheit benutzt hatte. Doch noch immer wollte die Blondine das Schreibgerät stets in ihrer Nähe wissen und der an Krebs verendeten Seniorin so die Ehre erweisen, die sie verdient hatte.

Dann gab es das Set an kleinen Erdbeer-Haarspangen. Es war wohl der größten Güte der Verantwortlichen gleich gekommen, ein solches Set überhaupt als nur einen Gegenstand zu akzeptieren, doch jemand musste dort wohl einen guten Tag gehabt haben. Dabei hatte die 21-Jährige noch stark daran gezweifelt, ob sie eben jene Spangen überhaupt mitnehmen sollte. Für sich genommen fand sie die Clips nicht nur schön, sondern verband auch durchaus positive Erinnerungen damit. In jüngeren Jahren - das wusste Leona noch ganz genau - hatte sie ihre Eltern dazu überreden können, diese in einem Garagenverkauf zu ersteigern. Das war nicht die Art und Weise, wie die Pettys für gewöhnlich eingekauft haben, doch mit etwas flehendem Nachdruck hatte sie die entsprechende Überzeugungsarbeit leisten können und war seitdem eben stolze Besitzerin dieses nützlichen Schmucks, der - zusammen mit einer hier unten improvisierten Haarbürste - wirklich Gold wert war. Mit ihren Eltern hatte die junge Frau zuletzt aber nicht die schönsten Erinnerungen verbunden, weswegen es die Clips auch nur knapp in die Düsterburg geschafft hatten.

Zu guter Letzt gehörte eine Rolle mit breitem Geschenkband aus hellvioletter Organsinseide zu ihren persönlichen Besitztümern. Der halb transparente Stoff war einer ihrer Lieblinge in der Floristik gewesen. Zu gerne hatte sie die Bindung von Sträußen damit verfeinert oder andere Applikationen mit dem schönen Stoff gesetzt. Sie hatte ihren Beruf geliebt und hoffte kurz vor ihrer Unterbringung hier, dass sie dieses wertvolle Stück sicher gebrauchen könnte. Doch dann wiederum war es eigentlich keine Überraschung gewesen als Leona realisierte: Hier unten würde sich wohl kaum jemand über einen schönen Strauß Blumen ehrlich freuen. Mal abgesehen davon, dass die Hydroponik zwar funktionierte, doch einfach nichts so schön und natürlich blühte, wie sie das gewohnt war. Das Röllchen mit dem Band war also mehr eine Erinnerung an die bessere Zeit - an etwas, das sie gern gehabt hatte.

Keiner dieser Gegenstände jedoch qualifizierte sich dafür, als Ware an einen Senatoren gegeben zu werden. Da oben hatte man doch genug und auch wenn die Seide durchaus zu den feineren Verzierungen gehörte, mit denen in der Floristik so gearbeitet wurde, war sie weder so teuer, noch so schwer zu bekommen, dass man es von hier exportieren müsste.

"Hey! Wow, hast du den Zettel da aus der Tastatur geklaubt oder so? Steht was interessantes drin?"

Die Blondine wurde etwas aus ihren Gedanken gehoben als der junge Mann zu ihr sprach. Kein großes Problem, hatten sie ihre Überlegungen ja ohnehin nicht weiter geführt. Das Gesicht dieser Person hatte sie doch schon öfter gesehen. Das lag vornehmlich auch daran, dass es eines der wenigen war, deren Blicken sie nicht ständig auswich, aus Angst. Er versprühte etwas, was hier unten selten war. Und auch die Art, wie er zu ihr sprach, war angenehm... fröhlich. Es war nicht schlecht, sich in ausweglosen Situationen wie dieser hin und wieder mal von so jemandem anstecken zu lassen. Auch, wenn gerade ihr das schwer fiel und sie im Augenblick noch immer verwirrt von dem war, was auf dem Zettel stand.

"Ich... weiß nicht, ob es interessant ist. Ich verstehe es nicht mal genau", erwiderte sie Theo und besah sich das Stück Papier dabei noch mal, überflog es mehr, als würde sie erneut versuchen, einen Sinn daraus zu ziehen. Mit einem leichten Kopfschütteln beantwortete sie sich die Frage nach dem Erfolg selbst. So hielt sie ihrem Gegenüber den Zettel hin, um ihn nicht vorlesen zu müssen. "P-Petty ist mein Nachname", erklärte sie ihm dazu.