Eerie war überrascht, als plötzlich die rebellisch wirkende Leigh vor ihr stand.
Sie hatte damit gerechnet, dass die "wilde Rose", wie sie im Geiste ihre bisherigen kleinen "Blümlein" aufgereiht und gelistet hatte, sich drücken würde.
Umso mehr kräuselten sich ihre Lippen nun zu einem Grinsen.
"Du kommst gerade Recht, Liebes.", sagte gurrend und klopfte leicht gegen das Metall des Schachtes. "Leona ist tatsächlich da unten und ich denke, du wärst ihr eine liebe Freundin, wenn du ihr zur Hand gehen könntest."
"Zudem...", sie schnalzte mit der Zunge, als hätte sie gerade einen feinen Wein aus ihrem früheren Leben an der Oberfläche verkostet, "...soll es sich auch für dich lohnen. Dass du vergessen hast, mir von der Leiche zu berichten, nun ja, das wollen wir vergessen..." Die beiden ungleichen Frauen fixierten sich mit Blicken beiderseitigen Misstrauens und Wut und Eerie kam nicht umhin, ihren Mut zu bewundern, der jedoch einen riesigen Groll in ihrem Bauch erzeugte.
Hätte es eines ihrer Bediensteten gewagt, sie so lange anzustarren, eine Ohrfeige wäre schon lange angebracht gewesen. Doch sie kämpfte den Impuls nieder, der jungen Göre Respekt einzubläuen, wusste sie doch, dass sie die wilde Rose brauchen würde.
Also lächelte sie stattdessen und kam einen Schritt näher.
"Nun, liebe Leigh... den Mann, den du gestern gefunden hast, könnte für uns Drei noch einmal wichtig werden. Oh ja, ich rede von uns Dreien, denn auch wenn es zu glauben schwerfällt, ich sehe mich in dir, in jungen Jahren. So wild, so leidenschaftlich und eine Wut, die wie Glut lodert. Vielleicht ein Gefühl Hass auf die Ungerechtigkeit der Welt?" Sie lachte leise in sich hinein, ein gruseliges Glucksen, obschon sie keine Ahnung hatte, warum dieses wilde Gewächs hier unten war. Vielleicht war es die störrische Wut eines jungen Pferdes, vielleicht hatte sie einen Politiker geohrfeigt? Eerie wusste es nicht.
"Unser Ausbrecherkönig ist mit gutem Werkzeug unterwegs gewesen, dies zu bergen, nun ja...", sie lehnte sich gegen den Schacht und kam noch einen Schritt auf Leigh zu, die wusste, dass ein Zurückweichen vor der massigen Französin als Zeichen der Schwäche ausgelegt werden würde und diesen Triumph wollte sie ihr nicht gönnen - auch wenn es bedeutete, ihre schmierige Nähe zu ertragen, die sich wie fettige Abdrücke auf ein Brillenglas legten und erst nach einer Dusche wieder weggehen würden.
"...wird uns sicher durch die Nacht bringen. Wenn wir einander vertrauen und aufeinander aufpassen." Wie selbstvergessen hatte die massige Frau nach dem schwarzen Haar von Leigh gegriffen und wickelte es sich um den eigenen Finger.
"Die Ausrüstung von Señor Estaga kann hier unten über Leben und Tod entscheiden."
Das Lächen Eeries war so kalt wie das eines Haies und doch... vielleicht schwang durch, in Nuancen nur, dass sie es auf ihre Art ernst meinen könnte, sie beschützen zu wollen.
Schnaubend wandte Leigh sich ab, griff nach ihrem Haar, das sich seidig vom Finger der Mademoiselle wob und stützte sich auf dem Eingang des Schachtes ab.
"Also? WAS soll ich mit nach unten nehmen?", blaffte die rebellische junge Frau zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und blickte die Französin nochmal an - eine genussvolle und delikate Mischung aus Wut und Mut.
Lächelnd reichte Eerie ihr zwei der von Leona ausgeschlagenen Dinge, den Gartenschlauch und die Netzgitter, die früher vor allem die Ratten davon abgehalten hatten, sich an den jungen Setzlingen zu vergreifen.
"Mit den Gittern kannst du über den Schlamm waten, meine wilde Rose." Sie reichte ihr die Gitter zusammen mit einigen Kabelbindern von der Tomatenzucht. "Zum..." "...Festmachen an den Schuhen. Ich WEIß.", blaffte Leigh abermals und Eeries Finger zuckten, sie zu züchtigen, doch noch hatte sie sich unter Konrolle.
"Benutzt das Seil und ich werde euch Beide hochziehen, wenn ihr in Not seid." Leigh nickte und machte sich abermals auf, geschickt in den Schacht zu klettern. "Vorausgesetzt, ihr habt die Leiche...", schloss die dicke Französin triumphierend, als der Kopf der jungen Frau in der Dunkelheit verschwand...







