"Danke für deine Hilfe, Leigh! Ohne dich wäre mir da drinnen bestimmt etwas Schreckliches passiert."
Leigh winkte ab. "Das war das mindeste. Immerhin bin ich Schuld, dass die Hexe dich überhaupt da runter geschickt hat. Ich war so bescheuert, ihr von dem Skelett zu erzählen." Sie ärgerte sich immer noch, dass sie in jenem Moment Schwäche gezeigt und sich von Erie einschüchtern lassen hatte. Das Biest hatte es genossen. "Außerdem", fuhr Leigh fort und warf Leona ein seltenes Lächeln zu - flüchtig, um sie nicht in Verlegenheit zu bringen, "wäre es schade gewesen, wenn du da unten den Löffel abgegeben hättest." In letzter Zeit hatte es so viele Tote gegeben und es waren viele dabei gewesen, die es am wenigsten verdient hatten. Übrig geblieben waren Scheusale wie Erie, schmierige Typen wie der neue Anführer oder gruselige Gestalten wie dieser Doktor. Sie war froh über jeden Mitinsassen, der einigermaßen vertrauenswürdig wirkte. Und sie war davon überzeugt, dass Leona vertrauenswürdig war - das Mädchen wirkte nicht einmal, als könnte sie ein unfreundliches Wort von sich geben. Sie besaß ja sogar noch Schamgefühl. Ihr einen kaltblütigen Mord oder etwas ähnliches zuzutrauen wäre absurd.
Allerdings rückten die heutigen Wahlen mit jeder Minute näher und es blieben zehn andere übrig. Linn, das andere Mädchen, schien ihr auch nicht besonders wahrscheinlich. Zu scheu, zu zerbrechlich. Was war mit den anderen? Erie, die hatte das Potential zur Mörderin, dadurch war sie schließlich hier gelandet. Aber ob sie auch ein Interesse daran hatte, alle Insassen zu ermorden? Immerhin hätte sie dann niemanden mehr, den sie rumkommandieren konnte. Boyle, der neue Anführer... er hatte sich gestern ganz offensichtlich Mühe gegeben, Stimmen zu sammeln. Für einen Mörder war es ziemlich vorteilhaft, die Abstimmungen beeinflussen zu können, während ein "Unschuldiger" immer noch nur raten konnte und sich selbst außerdem zur Zielscheibe machte, wie man an dem letzten Anführer gesehen hatte. Andererseits war es sicher auch nicht klug, sich als Mörder so ins Rampenlicht zu stellen...
Leigh stieß einen frustrierten Seufzer aus. Das brachte doch alles nichts! Alle Gedanken führten zum Ausgangspunkt zurück und keiner brachte sie ein Stück weiter.
Als sie Leonas schüchternen, fragenden Blick spürte, schüttelte Leigh nur den Kopf. "Sorry, ich habe nur überlegt..." Ein letztes Mal rieb sie sich über die Arme, dann stellte sie ihre Dusche ab. Sie griff nach ihrem Handtuch und trocknete sich unsanft ab. Ohne das andere Mädchen direkt anzusehen, fragte sie trocken: "Was glaubst du? Wer wird heute Abend gewinnen?" Sie hasste die Abstimmungen noch immer, auch nach all der Zeit. Man stocherte im Dunkeln, meistens wurde irgendein armes Würstchen hingerichtet und die Morde hörten trotzdem nicht auf. Es war ein Alptraum, der weiterging, selbst wenn man glaubte, man sei schon aufgewacht. Es war furchteinflößend und über alle Maßen frustrierend.