Ich versuche mich mal an einer Art Ferndiagnose. Ich hoffe ihr findet das nicht schräg Da ich nich das Geld für eine PS4 habe und ich vermutlich an der Controller-Steuerung, selbst wenn ich es hätte, verzweifeln würde, habe ich mir jetzt doch mal ein Lets Play reingezogen, da ich nicht glaube, dass das Spiel jemals portiert werden wird, hab ich mir damit auch nichts weggenommen. Also bei der sonstigen "Ich versteh nicht, wie man sich das anschauen kann"-Unkenrufen hier durchaus mal ein Zugewinn für mich. Habs bei Gronkh geschaut, der das sehr ausführlich gespielt hat, weshalb ich mir dann dochmal ein Urteil erlauben will. Auch wenn ich sein Gameplay niemanden empfehlen will, insbesondere nicht jemandem der an der Story interessiert ist, weil man sich über soviel Dummheit nur die Haare raufen kann.

Kampfsystem würde ich auch wie hier die Leute als großen Pluspunkt sehen. Die Trefferzonen, Schwächen, die vielen Waffen und möglichen Herangehensweisen in Verbindung mit den unterschiedlichen Gegnertypen bringen da eine Menge Abwechslung und Spaß ins Spiel. Das Handling kann ich natürlich vom Selbstspielen her nicht beurteilen, aber ich denke mit Maus, hätte ich vermutlich mit dem Anvisieren der Trefferzonen auch kein größeres Problem gehabt. Aber das macht allein vom Anschauen einen sehr guten Eindruck.

Grafik ist Klasse und das Worlddesign sehr überzeugend. Am besten hat mir diese Kombination aus nordamerikanischer Mesa mit grünem Djungel und meso-amerikanisch angehauchter Kultur gefallen. Also das Sonnenreich war ein echter Hingucker. Aber generell waren die Landschaften sehr abwechslungsreich ohne arbiträr zusammengesetzt zu wirken. Die Gebirge mit dem vereisten wasser und die entsprechende Lichtstimmung und Lichtfilter erzeugten gerade auch mit dem Wetterwechsel super Stimmung. Wünschte der Vorspieler hätte sich mal ein bisschen mehr Zeit genommen das ebenso zu würdigen.
Zwei sehr persönliche Dinge, die ich wieder einmal und immer wieder bei Rollenspielen dieser Art kritisieren muss: Ich verabscheue Alibi-Gebäude und nicht-interaktive Standardobjekte. Ich finde es ehrlich gesagt schade, dass viele Gebäude sei es bei den Nora oder in Meridian nur aus Texturtapeten bestehen und kein echtes Innenleben aufweisen ebenso mag ich es ehrlich gesagt schon seit Gothic nicht mehr, wenn man nicht wenigstens ein bisschen mit der Umgebung ideln kann, also sich mal auf eine Bank oder einen Stuhl setzen.

Musik ist mir weder positiv nochh negativ aufgefallen.

Kommen wir zur Ubisoft-Formel. Da muss ich sagen, gehört das Spiel meiner Ansicht nach zu einem der besseren, was die Sammelobjekte angeht, nämlich bis auf die Tassen, enthielt jedes Set von Sammlungsitems noch irgendeinen Text oder irgendeine kleine Geschichte und hat die Welt plastischer gemacht. Gut über die Erbauung durch die Gedichte kann man sich sicher streiten, aber ich fand auch das eine sehr nette Idee.
Die Tassen wiederum fand ich ein nettes Weltdetail auch im Bezug zu ihrem Wert in der spielwelt selbst, weil sie so ein bisschen an die Römer erinnerten, die sich ebenfalls schon mit für sie antiken etruskischen Vasen ihre Häuser schmückten und das ein nettes skurriles Detail ist.

Zu Dialogen und Charakteren komme ich gleich nochmal.

Zum Spielablauf. Die größte Schwäche des Spiel auch hier muss ich zustimmen, ist die Repetivität. Das Questdesign als mittelmäßig zu bezeichnen, wäre angesichts von Standards in RPGs der letzten Jahre, fast noch zu gut, wenn man bedenkt, dass es wirklich fast hauptsächlich aus Töte- und Sammle-Quests besteht und sich eigentlich nur Momente ruhiger Erkundung mit immer längeren Kämpfen abwechseln, während auch so die Umgebung nur von Gelegenheiten so wimmelt, ständig in Kämpfe verstrickt zu werden.
Positiv ist angesichts auch bei mir bezüglich einer gewissen Open World Müdigkeit anzumerken, dass das Volumen an Nebenaufgaben sich tatsächlich in Grenzen hält, also nicht völlig absurd ausufernd wird und dann wenigstens nette Geschichten bei rumkommen, die z.T. auch was zur Welt beitragen. Auch sonstige Nebentätigkeiten wie Außenposten oder Brutstätten werden in ihrer Zahl nicht in einem Maß übertrieben, wie es Ubisoft bspw. in einem Far Cry getan hat.
Aber in den Questen selbst passiert eben wirklich wenig Originelles und viel Serielles. Das hat man schon besser und Unterhaltsamer verpackt gesehen.
Es gibt kaum alternative Arten Questen zu lösen, selbst bei Aufgaben wo diese Linse oder dieses Herz gesammelt werden soll, ist man gezwungen die entsprechende Kreatur zu erledigen, obwohl man den Gegenstand vielleicht schon hat. Andererseits weil die Quests eben hauptsächlich auf einen Kampf zulaufen, gibt es auch gar nicht die Gelegenheit großartig irgendwelche Dialoge zu führen und Leute zu überzeugen etc. Also es ist defintiv ein RPG mit einem starken Action-Fokus. Die Möglichkeiten Aloys verschiedentlich zu antworten (Herz, Hirn, Faust) sind glaube ich fast ausschließlich auf die HQ beschränkt und selbst da kommt es selten vor, weil sich in den Nebenquests kaum längere Dialoge auftun und die Auswirkungen marginal. Man könnte meinen da sei mehr geplant gewesen und es hätte es einfach nichts ins Spiel geschafft. ein anderer Grund fällt mir nicht ein, warum man das an der Stelle überhaupt so großartig systemisch eingebaut hat.

Und nun zum Elefant der im Raum steht: Plot und Lore. Und in der Hinsicht könnte Horizon wohl das Spiel des Jahres sein. Zumindest auf die Lore bezogen. Beim Plot kann ich mich der Kritik nicht vollumfänglich anschließen. Wo ich zustimmen muss die Charaktere bleiben bis auf wenige Ausnahmen blass oder zumindest sehr grobschnittig charakterisiert, auch wenn man immer mal wieder zu ihnen auch in unterschiedlichen Konstellationen zurückgeleitet wird, aber da wäre wirklich mehr gegangen, wobei man den Versuch anerkennen muss, dass die Leute zu unterschiedlichen Zeitpunkten auch auf unterschiedliche Dinge, die du bereits getan hast, aber gar nicht hättest tun müssen reagieren und das miteinbeziehen. Ich kann mir schon vorstellen das da ein in Ansätzen komplexeres Dialogsystem möglich gewesen wäre, aber auch das vielleicht aus Zeitgründen dann gelassen wurde.
Ein weiterer Hinweis darauf ist, dass einige Schauplätze, obwohl sich da noch sehr viel mehr Narration, Darstellung damit verbundene Questen angeboten hätten, brachliegen gelassen wurden. Insbesondere der Schatten-Carja-Hof hätte da nochmal eine gute Möglichkeit geboten ein Gegen-Meridian in politischer Hinsicht darzustellen mit den offenkundig auch politischen Intrigen, stattdessen wird das relativ antiklimatisch schnell abgefunden so als wäre man beim Sex zu früh gekommen.
Zu dem Plot an sich muss ich aber sagen, dass Horizon da sehr gut mit arbeitet. Gerade wenn man Bethesda als Open-World-RPG-Standard gewohnt ist bzw. es als einen Archetyp für die üblichen Hauptplot-Probleme bei Open World Spielen herannimmt, löst Horizon das große Standard-Problem das die Hauptquest schnell in den Hintergrund tritt, weil die Welt eigentlich interessanter ist, wirklich gut und elegant damit auf, in dem es die Hauptquest mit der Geschichte der Welt an sich verknüpft, man also die spannende Geschichte der Welt im Verlaufe der Hauptquest aufdeckt und enthüllt und wie bei einem Puzzle zusammensetzt, wo man nach jedem weiteren Teilchen geiert. Ähnlich wie die Dwemer-Quest in Morrowind. Der Trägerplot funktioniert auf diese Art und Weise sehr gut, auch weil die auslösende Rachegeschichte anders als in Fallout 4 auch besser eingeführt wird, weil wir mit einem Geheimnis unseres Spielavatars beginnen, die Beziehung zu einem Charakter aufbauen und uns das Schicksal unseres Charakters sowie dieses NPCs kümmert, weshalb es durchaus als motivator gut funktioniert, in dem es klassische in medias res-Fehler vermeidet, in dem es sich die Zeit zur Exposition nimmt.
Die Handlung ist an sich auch soweit stringent, jede Handlung wird logisch und nachvollziehbar erklärt, keine Lösung ist jetzt ursächlich eine deus ex machina sondern wird organisch aufgebaut und da wechseln sich angenehm Infiltration, Kampf und einfache Erkundung sehr gut ab.

Das ganze muss man aber mit einer kleinen Prise Salz nehmen. Der Plot gewinnt den Großteil seines Spins aus der wirklich spannenden Lore. Die Lore gewinnt, um es mal spoilerfrei zu halten, seine Faszination aus einer eigentlich schon plumpen emotionalen Geiselnahme des Spielers. Das Motiv der Endgültigkeit und das eigentlich schon in die Sphären des Wahnsinns gesteigerte Ausmaß des eigentlichen Lore-Siedepunkts rühren einfach motivlich an einer Urangst des sich selbst bewussten Menschen, nämlich der eigenen Vergänglichkeit und das auf einer Basis einer eigentlich hoffnungslosen Endgültigkeit. Man könnte zynischerweise von Jumping the Shark sprechen, allerdings ist es in der Wirkung einfach zu großartig gewesen, gerade weil es einem häppchenweise serviert wurde bzw. man der entsprechenden schrecklichen Wahrheit peu a peu selbst auf die Spur kommt. Fast schon ein bisschen Lovecraft: auf der Suche nach Wissen, von dem man im Nachhinein vielleicht froh wäre, wenn man es nicht enthüllt hätte.
Aber ich glaube das funktioniert bei Horizon so gut ach vor allem deshalb, weil es anders als zum Beispiel ein reines Fantasy-Spiel eben auf technische Ingame-Möglichkeiten der Narration zurückgreifen kann, die die ganze Erzählung plastischer machen, als sich durch Textdateien zu wühlen. Ich denke diese Möglichkeit des scannens, von Audio-Botschaften und holographischen Projektionen haben die Narration in einem Maß unterstützt, dass wichtig gewesen ist, um das wirklich rüber zu bringen.

Insgesamt muss man sagen ist Horizon ein mittel bis gutes Rollenspiel das gerade eben im Gameplay an wichtiger Abwechslungs krankt, das wird aber von der Atmosphäre einer großartigen Lore und einem ganz guten Plot, der sich mit der Lore und der Welt verbindet und spannend genug erzählt ist, um sie wirklich als den Roten Faden der Geschichte zu erkennen, ausgeglichen. Wenn man Spiele nicht rein wegen der Mechanik spielt und Wiederholung abkann, dafür aber von einer Weltnarration gepackt werden will, der ist hier richtig. Ich denke mir hätte das Spiel Spaß gemacht. Wirklich schade