Erie war mit ihrer bisherigen Arbeit an der hydroponischen Farm gut vorwärts gekommen und erlaubte sich nun den Luxus, sich einmal ächzend zu strecken.
Früher, so vor 20 Jahren, wäre die Arbeit hier wohl keinerlei Problem gewesen, wie sie sich eingestehen musste, hatte sie damals doch bedeutend weniger gewogen, jetzt tat ihr der Rücken weh vom Herunterbeugen beim Hegen der Pflanzen und ihre Arme schmerzten durch das nach oben greifen beim Wechsel der UV-Lampen, die das Tageslicht hier unten simulierten und dafür sorgten, dass die Pflanzen trotzdem wachsen konnten.

Sie schloss die Augen und genoss den zurückweichenden Schmerz im unteren Rücken, als sie sich wieder in den Rosengarten ihres letzten Ehemannes zurücksehnte, wo sie sich den ganzen Tag einzig und alleine um die Pflanzen und den Garten hatte kümmern dürfen. Der Geruch der frischen Erde, der Duft feuchter Blüten und Knospen, das war ihr Paradies in dieser kleinen Hölle.

Als sie so da stand, den massigen Leib nach links und rechts drehend, fielen ihr dei beiden Küken auf, Leigh und Leona, die eine im Gehen begriffen, die Andere im Kommen und sie lächelte den Beiden freundlich zu. Auf das eher stille Gebrumme Leighs antwortete sie mit warmer und sanfter Stimme
"Guten Morgen, Kinderchen. Ich hoffe, ihr habt gut geschlafen?"

Ihr war klar, dass durch die ausschweifende Berichterstattung sie und vor allem ihre recht heimtückische Vergangenheit durchaus bekannt waren, also wollte sie - vielleicht einem Mutterinstinkt folgend - die Beiden nicht erschrecken, auch wenn sie keinen blassen Schimmer hatte, warum sie eigentlich hier waren. Vor allem die Blonde sah sehr unschuldig aus, während die Dunkelhaarige einen fast schon rebellischen Eindruck machte.
Wie dem auch sei, sicherlich hatte Keine von Beiden das kriminelle Kaliber eines Mr. Silvers oder - wie sie sich schmunzelnd eingestehen musse - sie selbst.

Die beiden Mädchen blickten sie abwartend an, sie wirkten misstrauisch, was man ihnen nicht verdenken konnte, wollten wohl aber auch nicht unfreundlich wirken.

"Wisst ihr, ich könnte eure Hilfe gebrauchen.", sagte die Französin sanft und streckte noch einmal den Rücken durch - wohldosiert und gut geschauspielert, denn so wirkte sie noch einmal eine Spur gebrechlicher und der Schmerz ließ tatsächlich nach.
"Ich kann mir vorstellen, dass ihr Beide es sehr schlimm findet, hier unten eingesperrt zu sein.", sprach sie leise und legte großes Mitgefühl in ihre Stimme, zwang sie durch das leise Sprechen aber auch näher zu rücken, womit sie Nähe schaffen konnte. "Junge Dinger wie ihr sollten eigentlich draußen sein, tanzen, Spaß haben und Jungs den Kopf verdrehen." Sie lachte leise, fast so als würde sie selbst in Erinnerungen schwelgen.

"Aber was wir nicht ändern können, müssen wir ertragen lernen.", sagte sie dann und fuhr etwas aufgeräumter fort: "Ihr habt großes Glück, wisst ihr? Früher, so vor 7 Jahren, waren die Sitten hier sehr viel schlimmer. Vor allem für junge Mädchen." Sie lächelte schmerzvoll - und dies war nicht einmal gespielt. "Jetzt herrscht hier eine wunderbare Ruhe des gegenseitig in Ruhe lassens. Und wir haben Essen, richtig gutes Essen sogar." Sie pflückte eine der Tomaten von einem der Sträucher und rieb mit dem schwieligen Daumen über die rosige, rote Fläche. "In Neo-Paris, im Sektor 1, zahlt man für so eine Tomate mittlerweile fast 120 N-euro. Und wir zahlen lediglich den Preis von Freiheit dafür."
Plötzlich wurde sie ernst, die Nachdenklichkeit verflog und sie blickte die beiden direkt an, nicht eindringlich, aber wie eine strenge Lehrerin oder Gouvernante, die eine Antwort forderte. "Schmeckt euch das Essen denn?"
Die beiden Mädchen blickten sich kurz an, dann nickten sie vorsichtig, eine sanft, die Andere, die Rebellische mehr mit einem Schulterzucken.
"Das ist gut.", sprach Erie wieder sanfter, unbemerkt zwischen den Emotionen wechselnd.

"Damit dies so bleibt und wir weiterhin etwas zu essen haben, brauche ich eure Hilfe. Nicht nur beim Hegen der Pflanzen, was ihr ganz und gar großartig macht." Dabei lächelte sie vor allem Leigh an. "Sondern auch bei so wichtigen Dingen wie dem Kompost. Gerade unsere Kartoffeln brauchen eine gewisse Art von Nährstoff. Und dem Kompost, das könnt ihr vielleicht sogar riechen, fehlt es an Mikroorganismen. Worum ich euch bitte, ist ein Dienst an der gesamten Bevölkerung hier."

Die beiden jungen Mädchen blickten sie vorsichtig an, misstrauisch, sicherlich nicht zu verdenken.
"Eine von euch Beiden muss in den Abwasserschacht kriechen und mir einen Kübel des Inhaltes von Behälter IIV bringen."
Sie lächelte nachsichtig. "Ich weiß, keine angenehme Aufgabe, aber Paloma, die es früher gemacht hat, ist ja nun nicht mehr unter uns. Und ich, nun ja... ich würde es tun, aber ich passe nicht in den Schacht."

Sie hob entschuldigend die Arme, die Geste wirkte echt...