Insgesamt auf jeden Fall ein ziemlich rundes Game, das deutlich mehr bietet, als nur ein Nostalgieblick auf die Retrogeneration zu sein. Die Möglichkeiten sind relativ umfassend: Es gibt Verstecke, Secrets und Quests an allen Ecken und Enden sowie die einzelnen Fähigkeiten der acht Protagonisten, die sich zwar durchaus wiederholen, aber anders funktionieren - so hat man je nach Spielweise eben die Wahl, ob man z.B. jemanden führen oder verführen möchte. Einige Fähigkeiten, speziell die, die an eine Wahrscheinlichkeit gebunden sind, können dabei für etwas Frust sorgen, aber man muss ja eben auch nicht die ganzen NPCs bestehlen, so wie ich.

Cyrus' Studieren-Befehl ist irgendwie auch vergleichsweise oft danebengegangen. Schön ist auch durchaus, dass es nach einiger Zeit neue Sachen in den Städten zu entdecken gibt - meistens sind das Quests oder NPCs, an denen man seine Fähigkeiten ausprobieren kann. Außerdem, wo ich gerade bei den Quests bin - viele Questgeber begeben sich, nachdem man ihnen geholfen hat, selbst auf die Reise und werden woanders wieder mit einer neuen Quest angetroffen, was sich auch perfekt in den zentralen Aspekt des Spiels miteinbindet.
Die Kämpfe gestalten sich insgesamt interessant, wobei ich mir nicht sicher bin, ob das Bruch-System gerade in Bosskämpfen nicht kontraproduktiv war. Dazu eine Erklärung - später waren die Bosse (die z.T. eine Rüstung von 3 oder 4 hatten, sprich, 4 Treffer auf die Schwäche, damit die Rüstung bricht) primär damit beschäftigt, nach einem Bruch, ihre Rüstung zu erhöhen von z.B. 4 => 6 oder 7, was im Kern keinen großen Unterschied gemacht hat - später hatten die Nahkampfklassen und gerade der
Erzmagier/Zauberer Fähigkeiten, die ziemlich oft treffen konnten, sodass der Boss eigentlich permanent im Bruch war. Zwar war ein Boss nach dem Kampf auch als Erster dran, hat aber dann eben meist eine Aktion weniger ausgeführt, da er, wie schon erwähnt, seine Rüstung erhöht hat. Erst ab einer Rüstung von 10 - 12 tauchten die ersten "Probleme" auf, nämlich dass der Boss mehr als einen Zug in der Runde machen konnte. Unter 25% HP bekamen die meisten Bosse auch noch absurde und unschöne Mechaniken, sodass man ab diesem Zeitpunkt unmöglich auf Zeit spielen konnte. Als Beispiel ziehe ich mal
Miguel heran, der unter 25% seiner Rage verfällt und fünf anstatt von zwei Aktionen pro Runde ausführen konnte. Es sollte klar sein, dass man das definitiv nicht auf Dauer übersteht, wobei ich auch sagen muss, dass H'aanits Kriegerjob in den meisten Bosskämpfen tatsächlich nur Deko war. Ich hab erst viel später (nach dem Maingame!) herausgefunden, wie übel es wirklich ist, wenn die ganzen Mehrfachtrefferangriffe nicht die komplette Party treffen.
Die Bosskämpfe hingen auch stark davon ab, ob man eine Fähigkeit hatte, die mehr Rüstung auf einmal abnehmen konnte, ohne BP zu verbrauchen. BP waren neben Mehrfachtreffer-Fähigkeiten und Ausnutzen der Bruch-Mechanik die Essenz des erfolgreichen Bosskampfs - ohne BP kein Schaden. Hatte man so eine Fähigkeit, gestaltete sich der Bosskampf so oder so relativ einfach, da man den Boss von Bruch zu Bruch prügeln konnte. Einige Bosse konnten das zwar umgehen,
indem die entsprechende Schwäche nicht angreifbar war, gegen die konnte man aber andere Möglichkeiten und Kniffe finden, um sie in den Bruch zu bekommen. Schwierigkeiten hatte ich, wenn ich mich recht erinnere, bei einigen wenigen optionalen Bossen (
Leviathan, Menschenfresser, Schlangenrufer + Python, Runenklinge sind so die, an die ich mich erinnere), alles andere lag relativ gut beim ersten Versuch, wobei die Maingame-Bosse schon auch ihre Tricks und Kniffe hatten, sodass stumpf draufprügeln in den wenigsten Fällen zum Erfolg führte.
Kommen wir mal zum Negativen, beginnend mit dem Einschneidendsten: Einige haben es schon genannt - die Partyinteraktion.
Ab Kapitel 2 findet diese tatsächlich statt, wenn auch leicht dürftig, vorher lässt sich das Ganze auf "Wie, ihr wollt mir helfen? Eigentlich ist das ja meine Sache, aber okay - willkommen in der Party!" zusammendampfen, wobei das schon auch ein zentraler Aspekt des Spiels ist - "auf diesem Weg braucht Protagonist X Verbündete". Ein bisschen mehr Motivation hinter den Charakteren, warum sie joinen, wäre schon nicht verkehrt gewesen. Bei Konversationen mit
Therion fällt das auch sehr auf - eigentlich findet jeder die Herangehensweise scheiße, die er bevorzugt (und manche sagen ihm das auch so), aber wollen auch nicht unbedingt besonders viel mit seiner Sache zu tun haben (und er will's eigentlich auch nicht). Die Support-Konversationen, die es gibt, hellen das Ganze nur bedingt auf, zeigen die Charaktere auch oftmals aus einer anderen Perspektive und geben ihnen ein wenig mehr Tiefe - aber dafür, dass das alles an Konversationen ist, findet oft einfach auch keine oder nur eine geringfügige Charakterentwicklung statt. Als Letztes sind in punkto Story die Bosse inklusive Motivation gerade in
Kapitel 2, oftmals enttäuschend - einige lassen sich darauf reduzieren, dass man ins entsprechende Gebiet eingedrungen ist, bei anderen wirkt die Story, die um das entsprechende Kapitel gebaut wurde, schwer konstruiert und in den extremsten Fällen hätte man den Boss genausogut weglassen können, sprich, der Boss war nur da, weil da ein Boss sein musste. Nicht schön.
Das Nächste: Die Dungeons und Pfade. Während die gerade am Anfang linear bis zum Gehtnichtmehr außer einer Abzweigung hier und da für irgendwelche Schätze sind (und ich das gerade am Anfang ziemlich besch... eiden fand), legt sich das zumindest später ein bisschen, wo es Flächen und Dungeons gibt, die mehr als einen Schatz innerhalb einer Abzweigung beherrbergen. Widerstände innerhalb der Dungeons? Nix, nada, außer einem speziellen Fall, und was mich besonders stört - das Potenzial sowohl die Charaktere regelrecht einzigartig zu machen (was einen dann natürlich aber in der Auswahl einschränkt, das muss man dazu sagen) als auch das, um die Dungeons interessanter zu machen - und mehr als nur das 0815-Durchlaufdungeon, war vorhanden, zumindest bei Alfyns, Olberics und gerade bei H'aanits Fähigkeiten. Ist fast ein wenig schade. Positiv sollte man aber an dieser Stelle anmerken, dass die wertvolleren Schätze oftmals versteckt waren und man ein wenig grübeln musste, wie man daran kommt. Außerdem hatte wirklich fast jeder Dungeon einen Sinn, auch wenn der oft mal nur darin bestand, dass H'aanit ein neues Viech mit Stärke 10 bekommt, das mit einer Chance von immerhin 1-4% eingefangen werden konnte. Happy Birthday!
Zum Schluss noch ein wenig Kleinscheiß - ich hab's schon mindestens einmal erwähnt, und während das primär persönliche Präferenz ist, wäre es praktisch gewesen, hätte man ein Bestiarium eingebaut, mit Completionist-Abteilungen für Stehlen, Sammeln, Loot und was-weiß-ich-noch -alles. Liegt daran, dass ich oftmals nachgucken musste, wo man welches Vieh für H'aanit einfangen konnte (irgendwann hab ich mich dann auf diese Seevogelflieger und die Eisvögel beschränkt) und welche Stärke das entsprechende Teil hat. Dann, um mal gleich bei den Monstern zu bleiben - oftmals tauchten dieselben Monster in DL (Danger Level) 20-, 25-, 35-, 45- und zum Schluss sogar 50-Dungeons auf. In irgendwelchen Anwesen gab es grundsätzlich immer diese Sentinels, die Ritter und die Kuratoren, während andere Monster nur in den entsprechenden Story-Gebieten aufkreuzten, die man ein- oder zweimal und dann nie wieder betreten hat. Fürs Postgame bin ich gespannt, ob es in den zugehörigen Dungeons (drei gibt's da ja schon, einen DL48, einen DL55 und einen DL58 Dungeon) wenigstens neue Monster gibt, die Hoffnungen diesbezüglich sind allerdings gering. Als Allerletztes noch die Sache mit den Zweitjobs - einige waren als Mainjob samt Charakterfähigkeit wesentlich nützlicher als wenn man denselben Job als Zweitjob nimmt. Ein Beispiel dafür - H'aanits große Stärke war die Vielseitigkeit ihrer Monster, die sie einfangen und herbeirufen konnte, ein Zweitjob-Jäger konnte das nicht und wurde auf Pfeilregen und Tellereisen beschränkt. Dasselbe gilt z.B. auch für Alfyn mit seiner Mischen-Fähigkeit.
Fazit: Viel von der Kritik, die man liest, gilt vorallem dem zentralen Aspekt des Spiels, dem, was das Spiel ausmacht - ein Spiel von acht Geschichten und acht Protagonisten, die nach und nach zusammengeführt werden - und aufgrund dessen der einzelne Charakter samt seiner Individualität ein wenig flöten geht. Wie schon gesagt, zehrt das Spiel an der Partyinteraktion so ziemlich am Miminum, außer Support-Konversationen und Tavernen-Talk (was beides optional ist), passiert da nicht viel. Insgesamt wirkt Octopath Traveller in der Umgebung auch noch ein wenig roh und wäre ein wenig verbesserungswürdig.
Positiv dagegen ist so ziemlich alles andere. Das Kampfsystem an sich ist großartig, die Bosskämpfe sind im Kern auf dem empfohlenen Level anspruchsvoll, aber auch nicht brutal, erfordern Taktik und Verständnis des Bruch-Systems, was elementar ist, um Bosse im Staub liegen zu sehen und werden oftmals schwieriger, wenn ein Boss in Bedrängnis ist, die Optik ist für das was das Spiel sein möchte, extrem gut eingefangen, und in den Städten kann man nach mehrfachen Besuchen immernoch ordentlich Neues entdecken. Letzten Endes ist auch die Schnellreise, die am Anfang vereinzelt im Schussfeld negativer Kritik stand oft Gold wert und vereinfacht vieles erheblich.
Ich für meinen Teil kann jedem, der mit dem Spiel geliebäugelt hat, das Spiel nur empfehlen, wenn einen die mangelhafte Partyinteraktion und auch die Leere der Dungeons nicht so stören.