Spiel 1: Terranigma (SNES)
Gestartet: 31.12.2016
Beendet: 4.1.2017




Warum gerade dieses Spiel?
Terranigma ist eines der letzten "großen" SNES-Spiele, denen ich als Kind (oder Jugendlicher, immerhin war ich damals schon 14!) entgegengefiebert habe. Obwohl mich das Spiel nicht auf Anhieb packen konnte, mochte ich es doch genug, um zu wissen, dass ich es irgendwann mal durchspielen werde. Ich kaufte es mir damals sogar mit meinem Weihnachtsgeld zum zweiten Mal(!), da mir der Spieleberater abhanden gekommen war, und ich den unbedingt wiederhaben wollte. Das zweite Spielmodul habe ich, wenn ich mich recht entsinne, ein paar Jahre später einem Klassenkameraden verkauft. Die Version, die ich jetzt durchgespielt habe, war allerdings die englischsprachige PAL-Fassung mit NTSC-Patch und Fonthack.




Worum gehts?
In einem Dorf in Untergrund lebt ein jugendlicher Tunichtgut namens Ark. Als er eines Tages eine verbotene Tür öffnet, das Siegel einer mysteriösen Schatulle bricht und dadurch unbeabsichtigt alle Bewohner seines Dorfes zu Eis erstarren lässt, schickt ihn der Dorfälteste in fünf Türme, um den Fluch von den Dorfbewohnern zu nehmen und die fünf Kontinente der Erde wiederauferstehen zu lassen. Doch das ist erst der Anfang, und so wird Ark schließlich an die Erdoberfläche geschickt um die Welt zu retten...




Gameplay
In jedem der insgesamt vier Kapitel des Spiels lässt man einen Aspekt der Erde wieder auferstehen: Kontinente, Lebewesen, technologische Entwicklung, und die Hoffnung. Kapitel 3 ist dabei eindeutig das längste, und das ist auch gut so, denn auf andere Menschen trifft man erst hier, und Kapitel 1 und 2 ziehen sich doch arg, weil man dort in erster Linie nur von Dungeon zu Dungeon rennt. Überhaupt wirkt dieser Teil des Spiels sehr einsam, und ein verstärktes Einbinden von Yomi (der im ganzen Spiel nur wenige Zeilen Dialog hat) hätte sicher Abhilfe geschaffen. Jedoch entschädigt Terranigmas tolle Bildsprache in diesen Kapiteln enorm.

Terranigmas Geschichte ist nicht fröhlich oder glücklich, ganz im Gegenteil. Themen wie Kannibalismus, Folter, Alkoholismus, Seitensprünge, Religion und religiöser Fanatismus, grausamste Unfälle und, insbesondere, Mord, werden offen behandelt und sind völlig unzensiert, und das, obwohl die Übersetzung der englischen PAL-Version seinerzeit in Amerika(!) angefertigt wurde (wo das Spiel allerdings nie erschien).

Es gibt nur wenige Videospiele, die so eine emotionale, rührende und melancholische Atmosphäre haben wie Terranigma, und der Soundtrack - von zwei No-Names, wohlgemerkt! - tut sein übriges dazu, die fantastische aber oft niedergeschlagene Stimmung des Spiels zu fördern. Die größten Schwächen der Story basieren allerdings darauf, dass Ark, dem Spielprinzip geschuldet, die meiste Zeit allein unterwegs ist.

In Terranigmas Action-Kampfsystem steuert man nur Ark, der über vier Werte (HP, Angriff, Verteidigung, Glück) verfügt und mit Speer und Rüstung ausgestattet loszieht. Der Speer ist Arks Hauptangriffwaffe; mit ihm kann man zustechen und vier Spezialmanöver ausführen: Amoklauf, Sprungangriff, Blitzstich und Fungenpflug.. Die Gegner sind meist gegen einige dieser Angriffsvarianten besonders empfindlich, sei es auf natürlichem Wege (ein fliegendes Monster kann durch Bodenangriffe nicht getroffen werden, und langsame Gegner können dem Amoklauf nicht entkommen, da dieser die gegnerische Unverwundbarkeitsphase überbrückt), oder über reine Schwächen. Letzteres scheint aber, nach kurzen Tests anhand des Spieleberaters, nicht richtig in das Spiel implementiert worden zu sein, anders als die regulären Elementarschwächen wie Eis und Feuer, die man durch Waffen- und Rüstungswechsel anwenden kann.

Arks Steuerung ist leider sehr hakelig: Um zu rennen muss man entweder 2x in eine Richtung drücken oder die Renntaste einmal antippen, wodurch Ark mit hoher Geschwindigkeit unterwegs ist bis er stehen bleibt, auf ein Hindernis trifft, oder man versucht um 180° zu wenden. Letztendlich führt das dazu, dass man die Renntaste die ganze Zeit gedrückt halten muss, um den teilweise sehr schnellen Gegnern auszuweichen, was aber die Bedienung der anderen Manöver erschwert oder sogar unmöglich macht - Krampf im Daumen und in der Hand vorprogrammiert! Ein absolutes No-Go bei einem Spiel, dessen Kampfsystem framegenaue Inputs erfordert und beinahe keine Mercy Invincibility hat.

Als Menü dient die Truhe; Yomi fungiert dort als Cursor. Hier kann man die Ausrüstung wechseln und Gegenstände betrachten. Einige davon, wie z.B. Heilgegenstände, können auf den X-Knopf gelegt werden um sie im Kampf zu verwenden. Allerdings laufen dabei die Gegner-Animationen zum Teil weiter, weshalb es stets sinnvoller ist, diese Dinge aus dem Menü heraus zu benutzen.

Zauber kann man auch aus dem Menü heraus verwenden, oder indem man die Juwelenbox ausrüstet und X drückt. Ark besitzt ein Kontingent an Magiekristallen, von denen er auf seiner Reise bis zu 96 Stück (97 in der japanischen Version des Spiels) finden kann. Jeder Zauber, die in Form von Ringen und Ansteckern daher kommen, muss gekauft werden, und kostet dabei nicht nur Geld sondern verbraucht auch eine gewisse Anzahl an Magiekristallen. Wurde der Ring benutzt erhält man die Kristalle (aber nicht das Geld!) zurück. Man kann also immer nur ein gewisses Kontingent an Magie mit sich führen, durch die bereits gesammelten Kristalle (sowie der Geldbeutel) begrenzt.

Ärgerlich ist dabei, dass man viele dieser Kristalle permanent verpassen kann. Noch ärgerlicher ist, dass etwa die Hälfte der ohnehin nur ca. 10 Bosskämpfe den Einsatz von Magie komplett verbietet - und das ohne echte Begründung. Das macht zwar den Einsatz von Zaubersprüchen innerhalb der Dungeons attraktiver - und viele der Zaubersprüche sind sehr, SEHR gut - allerdings vermiest es mir das Spielvergnügen, wenn man bei den Bossen ohne guten Grund gehandicapt wird! Bosse in Videospielen stellen schließlich eine Art Abschlussprüfung da, bei der man alles aufbieten soll, was man gelernt hat - und in Terranigma ist es besonders schade, sind doch die Bosse oft spektakulär in Szene gesetzt, wenn auch keine große Herausforderung.

Überhaupt kann sich Terranigma oftmals nicht entscheiden, ob es ein Action-RPG wie Secret of Mana sein will, oder ob es Zelda emuliert. Viele Dungeons haben eine Art Mindestlevel; wer sich darunter befindet wird den meisten Gegnern mit jedem Angriff nur einen HP Schaden machen, aber man bekommt nur so wenig EXP, dass es sich lange nicht lohnt, großartig zu grinden. Einige Bossgegner haben sogar überhaupt keine Hitpoints, sondern müssen nur 3 mal getroffen werden, ganz so wie in Zelda, und obwohl das Spiel extrem linear ist beinhalten manche Dungeons Zelda-artige Gegenstände wie Schwimmflossen und Kletterkrallen, die man finden muss, um weiter zu kommen.

Apropos, die Dungeons im Spiel sind allesamt fantastisch - aber auch viel zu lang. Sie strotzen gerade nur so vor Ideen und nicht-linearem Design, dafür verbringt man aber gut und gerne eine halbe Stunde darin, ohne, dass man speichern kann. Zum Glück kann man vor dem Boss meist einen Shortcut zur nächsten Speichermöglichkeit freischalten. Der Stealth-Dungeon, der komplett ohne Gegner oder andere Fallen, die Schaden verursachen, auskommt, war allerdings eher ein Griff ins Klo.

Eines der am meisten angepriesenen Features von Terranigma war die Stadtentwicklung. Durch das Erledigen von kleineren Sidequests vergrößern sich die Städte und bieten nicht nur ihren Bewohnern bessere Lebensqualität, sondern dem Spieler auch bessere Shops. Zu Schade, dass die meisten Gegenstände dort eher in die Kategorie "Hab schon was Besseres, danke" fallen. Auch sind die genauen Konditionen für eine Expansion oftmals unklar - erst seit ein paar Jahren weiß man, dass eine der Bedingungen dafür, dass eine Stadt expandiert, ist, dass man das Spiel speichert.




Erlebnisse beim Spielen
Terranigma war ein tolles Spiel. Einerseits lässt die Kohärenz der Story oft zu wünschen übrig, gerade Ark hat so gut wie keine Persönlichkeit, außer, "dass er ein Tunichtgut ist", was aber später nur noch durch einzelne Formulierungen in Dialogen zu Tragen kommt. Andererseits sind gerade die NPCs extrem gut in Szene gesetzt, besonders die vielen benannten Charaktere sind meist besser ausgearbeitet als Ark selbst, der verbal oft nur wenig beiträgt. Außerdem hat Terranigma etwas geschafft, dass noch kein anderes JRPG bei mir geschafft hat: Dass mich das Schicksal von 08/15 Dorf-NPCs ohne eigenes Charaktermodell gerührt hat.

Ich musste oft mit der Steuerung kämpfen, aber kurz vor Kapitel 4 kann man seinen Charakter auf ein Level grinden, welches jegliches weitere Training überflüssig macht und den Rest des Spiels trivial werden lässt. Die Bosse sind fast immer sehr schnell down, sogar die berüchtigte Bloody Mary ("Hadeshexe" in der deutschen Version) war kein Problem für mich, da ich im Gegensatz zu anderen Spielern regelmäßig Magie benutzt habe . Game Over bin ich nie gegangen, aber gerade im Mittelteil musste ich die Dungeons öfter mal zwischendurch verlassen um aufzustocken und mich zu heilen, bis ich schließlich ein, zwei Grind-Sessions eingelegt habe. Nach der letzten dieser Sessions war das Spiel wie erwähnt kein Problem, und auch der letzte Boss wurde von mit besiegt ohne, dass ich mich mehr als einmal heilen musste.

Eine emotionale Geschichte, die leider, ebenso wie das Gameplay (z.B. auch die vielen wertlosen Waffen), einige Schwächen hat - ein Klassiker mit Makel eben. Leider, wenn man alles gemacht hat, ohne jeglichen Wiederspielwert.




Wie durchgespielt?
28h, 100%, das entspricht allen Stadtexpansionen. Am Schluss ist mir wegen des furchtbar fehlerhaften FAQs ein Magirock durch die Lappen gegangen, da ich zum Spielende nur 95 im meinem Inventar hatte, aber drauf Geschissen, da man in der PAL-Version eh nicht alle bekommen kann.