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Thema: Alles eine Frage der Sympathie

  1. #21
    Wie seht ihr das denn? Ist jemand ganz anderer Meinung, auch in Hinblick auf die Konsequenz, die sich aus meiner These ergibt?

    Ich fass nochmal zusammen: Oft kann man beobachten, dass Menschen ganz gegensätzliche Meinungen über eine Story haben. Während der eine sie bewegend findet, liegt der andere lachend auf dem Boden. Für den einen ist eine Geschichte anspruchsvoll, für den anderen der größte Unsinn, den er jemals gelesen hat. Die krassen Unterschiede legen mMn nahe, dass Menschen Geschichten unterschiedlich wahrnehmen und zwar abhängig davon, wie gut sie unterhalten wurden. Der Unterhaltungswert wiederum wird maßgeblich von unserer Einstellung gegenüber den Charakteren beeinflusst. Je stärker wir die Charaktere (auf die es ankommt) mögen bzw. nicht mögen, desto größer ist der Einfluss. Ich will damit z. B. sagen, dass wir eine Figur nicht nur deswegen glaubwürdiger als eine andere finden, weil sie tatsächlich besser geschrieben ist, sondern auch, weil wir sie mehr mögen. Ganz unabhängig davon stört es uns auch weniger, wenn eine Figur, die wir mögen, unglaubwürdig ist (was übrigens total in Ordnung ist, denn viele Geschichten - besonders die leichtherzigen - brauchen mMn keine sonderlich glaubwürdigen Figuren).

    Inwiefern betrifft das nun uns Maker-Entwickler? Naja, bei uns ist das nicht anders als bei jedem anderen Medium auch. Wenn die Spieler unsere Figuren nicht mögen, dann unterhält sie die Story nicht. Ein Spiel mit langweiliger Story macht weniger (oder sogar gar keinen) Spaß. Das Gameplay kann eine schwache Handlung natürlich kompensieren, aber das ist ein anderes Thema. Wie gesagt, man kann die beste und anspruchsvollste Story schreiben: Wenn der Spieler die Figuren nicht mag, wird er auch die Handlung schlecht finden, weil ihm das Schicksal der Charaktere egal ist. Es ist also wichtig, dass möglichst viele Spieler die wichtigen Figuren mögen.

    Es gibt einerseits kein Patentrezept, wie man sympathische Charaktere schreibt, aber andererseits bin ich mir auch sicher, dass Sympathie nicht nur vom Geschmack abhängt. Vielleicht sollte man nicht fragen "Wie schreibt man sympathische Charaktere?", sondern eher "Wie mache ich den Charakter, den ich hab, sympathischer?" Es wird ja oft gesagt, dass man Charakteren Schwächen geben soll. Perfekte Charaktere sind auch tatsächlich irgendwie unsympathisch, zumindest bei einigen Geschichten. Bei anderen nicht. Kenshiro (Fist of the North Star) ist toll und die Mary Sues aus den Kinderbüchern auch. Aber ich schweif ab. Ich glaub, es geht gar nicht so sehr darum, dass Schwächen die Figuren interessanter machen, sondern sympathischer. Man kann sich mit ihnen besser identifizieren. Wichtig ist aber, dass die Schwächen die Charaktere nicht unsympathisch machen und hier kommt dann wirklich das Handwerk ins Spiel. Entscheidend ist, wie die Schwächen dargestellt werden. Von Mackwitz - ja eine sehr beliebte Figur bei uns - ist auf eine liebenswerte Art trottelig. Das ist sympathisch. Ein richtig dummer Charakter ist es eher nicht. Einen Charakter, der Probleme mit dem Selbstbewusstsein hat (aber doch nicht wirklich schwach ist) und im Laufe der Geschichte über sich hinauswächst, schließen viele schnell ins Herz. Doch eine weinerliche Figur, die im Selbstmitleid versinkt, können viele nicht ausstehen. Aber so viel dazu, ich möchte jetzt nicht weiter ins Detail gehen. Mit den positiven Eigenarten ist es natürlich genauso, auch die dürfen die Figuren nicht unsympathisch machen. Eine gewisse (vielleicht nur gespielte) Arroganz kann ja ganz lustig sein, ein arrogantes Arschloch mögen nur die wenigsten. Bevor man sich allerdings Gedanken über die Darstellung der Eigenarten machen kann, müssen die Figuren erst mal welche haben. Ich sprach das Problem mit den blassen Charakteren ja oben schon an. Unsere Community hat schon einen gewissen Nachholbedarf. Oder seid ihr anderer Meinung?

  2. #22
    Ich würde dem Wort Sympathie noch gerne das Wort Empathie hinzufügen. Ich muss einen Charakter nicht mögen, aber ich muss ihn verstehen, mich in seine Handlungsweisen hineinversetzen können. Empathie läuft darauf hinaus den Charakter zu verstehen und wenn ich das tue, dann gefällt mir die Handlung in der Regel. Die Standard-Tat die ein Held eigentlich macht und wir in der Regel einfach drüber hinwegschauen ist der Mord. Es wird so viel gemordet in Geschichten, aber wir lassen uns davon nicht beirren, weil wir verstehen warum es geschehen musste und wir es als OK absegnen. Empathie eben.

    Ich denke auch das Empathie wichtiger ist als Sympathie. Wenn ein Hauptcharakter durch sein Wesenszug eigentlich unsympathisch ist, aber wir durch die Geschichte auf empathische Weise nähergebracht werden, so entwickeln wir automatisch eine Sympathie für ihn. Beispiele: Dexter aus der Serie Dexter. Eigentlich ein Psychopath, ein Serienkiller, aber wir erhalten Einblick in seine Kindheit, verstehen was mit ihm passierte, sehen ebenfalls das er nicht willkürlich mordet, sondern immer öfter moralische Wege geht...schwupps ist er uns sympathisch.

    Da ist noch das Wort "Held". Wir beschreiben viele unserer Hauptakteure mit dem Wort Held. Hängt wohl damit zusammen, das unsere Charaktere nach einer höheren Moral streben, nach einer Art Perfektion um die Ungerechtigkeit dieser Welt zu bekämpfen. Etwas zu dem wir aufblicken. Das sind für uns Helden, sympathisch eben.

    Bei Makerspielen speziell fehlt oft eine Charakterentwicklung oder eine glaubwürdige Charakterzeichnung. Viele Charaktere sind einfach platt, keine Tiefe, kein Charakter erkennbar. Sie verhalten sich mal doof, mal belanglos, mal gut und überwiegend "standard". Zudem wird das garniert mit überdrehten NPCs a la "Hallo! Ihr seht so traurig aus! Hier ein Heiltrank!" oder unsympathischen Antagonisten a ala "Muhahahaha...Ich werde die Welt vernichten! Einfach nur so! Muhahahaha".
    Wenn es gut gemacht ist, d.h. bewusst überdreht und mit Klischees bestückt, dann kann auch das unterhalten, aber wenn der Macher das ernst mit diesen Charakteren meint, dann kommt sowas ganz schnell in den Papierkorb.

    Und Spiele im allgemeinen: Ja, Gameplay kann alles wettmachen. Ich nehme mal Super Mario als Besipiel (wie immer ). Selbst wenn die beiden Klempnerbrüder rülpsende, furzende, aufs Spielfeld scheissende Klempner wären die fluchend durch die Gegend hüpfen, wären die Spiele Kult geworden (vielleicht sogar noch mehr ), weil das Gameplay einfach alles raushaut.

  3. #23
    In den wenigsten Spielen, die ich kenne, morden die Helden. Mord ist Töten aus niederen Motiven. Meistens haben die Helden legitime Gründe: Notwehr oder die Feinde sind Kombattanten oder Lebensformen, bei denen man auch in der Realität nicht von Mord sprechen würde. Außerdem sind die Kämpfe natürlich nur eine Abstraktion, in Wirklichkeit gilt für alle Gegner: "Es kommt direkt auf mich zu" und die Handlungen des Spielers sind sein Rollenspiel und nicht die Handlungen der Spielfiguren. Aber das nur am Rande.

    Empathie - unter der ich das Mitfühlen verstehe - kommt für mich nach der Sympathie. Nur wenn ich eine Figur (ausreichend) mag, empfinde ich Empathie für sie. Das bloße Verstehen einer Handlung ist für mich keine Empathie und würde eine Figur auch nicht sympathisch/interessant machen. Ich kenne Dexter nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass die Drehbuchschreiber die Figur so geschrieben haben, dass man sie sympathisch finden kann. Das klappt ja auch bei Leon, dem Profi. Er mordet für Geld, aber er kümmert sich nett um sein Ziehkind, also ist er sympathisch. Oder Jamie von A Song of Ice and Fire. Am Anfang ist er ein Arschloch (weil er von Martin auch so dargestellt wird), aber später ist er sympathisch, weil positive Eigenschaften zum Vorschein kommen und man ihn mit einem gewissen "Bären" verkuppeln kann. Den Blagen (ich verzichte mal auf Spoiler) mag sowieso niemand.

    Zitat Zitat
    Viele Charaktere sind einfach platt, keine Tiefe, kein Charakter erkennbar.
    Ich kenne viele einfach gehaltene Charaktere, die sehr sympathisch sind. Man kann einer Figur eine umfangreiche Hintergrundgeschichte geben, eine facettenreiche Persönlichkeit, Stärken und Schwächen und trotzdem kann es passieren, dass nur wenige sie mögen. Es ist sicher so, dass es Menschen gibt, die "gehaltvollere" Figuren vorziehen (zumindest sagen sie das), aber selbst bei denen gehe ich davon aus, dass die Eigenarten der Charaktere passen müssen. Und andersherum betrachtet wissen wir - man kann unzählige Beispiele finden - dass vielen Menschen der "Anspruch" der Figuren ziemlich egal ist. Oder mehr noch: Sie neigen sogar dazu, die Figuren, die sie mögen, für anspruchsvoller zu halten als die, die sie nicht mögen.

    Ich seh das eher so: Die Charaktere wirken oft deswegen so platt, weil die Entwickler sich nicht trauen, ihnen herausstechende Eigenschaften zu geben, wie man sie z. B. aus JRPGs kennt (wobei auch die Charaktere aus westlichen Spielen überzeichnet sind). Vielleicht steckt dahinter der Irrglaube, dass Charaktere flach und unglaubwürdig erscheinen, wenn sie nicht "normal" sind. Dabei ist diese Form der Glaubwürdigkeit - die Normalität, die gerne mit Konsistenz verwechselt wird - in vielen Geschichten gar nicht notwendig. Die Figuren können absurd sein (s. JRPGs) - das macht überhaupt nichts.

    Geändert von Kelven (31.08.2016 um 10:21 Uhr)

  4. #24
    Zitat Zitat von Kelven Beitrag anzeigen
    In den wenigsten Spielen, die ich kenne, morden die Helden. Mord ist Töten aus niederen Motiven. Meistens haben die Helden legitime Gründe: Notwehr oder die Feinde sind Kombattanten oder Lebensformen, bei denen man auch in der Realität nicht von Mord sprechen würde. Außerdem sind die Kämpfe natürlich nur eine Abstraktion, in Wirklichkeit gilt für alle Gegner: "Es kommt direkt auf mich zu" und die Handlungen des Spielers sind sein Rollenspiel und nicht die Handlungen der Spielfiguren. Aber das nur am Rande.
    Bei jedem Spiel, welches ein Kampfsystem habe, trifft dein erster Satz bei mir auf das komplette Gegenteil. Mein Ziel ist es stärker zu werden, und dabei ist es mir vollkommen egal, was ich dabei aus dem Weg räume. Sei es der kleine Wolf im Wald, der Drache in einer Höhle oder die Stadtwache aus einer Stadt. Solange es Erfahrung gibt bringe ich es um, sprich ich morde aus reiner Gier. Dann sprichst du auch noch legitime Gründe an.
    "Notwehr" - in den meisten Fällen bin ich der Aggressor. Ich suche den Kampf, nicht die Gegner. Wenn die zufällig auch kämpfen wollen - Stichwort Aggrozone - ist mir das nur genehm.
    "in der Realität nicht von Mord sprechen" - wenn ich gezielt Lebewesen oder Menschen aufsuche, um diese zu eliminieren, dann denke ich kann schon von Mord gesprochen werden. Und irgendwelche Waldbewohner sind mir glaube ich nicht dauernd feindselig gesinnt.
    Also, wenn es mir gehen würde, wäre am Ende mein Held der Stärkste auf dem Planeten der alle mit einem Schlag platt macht.

    Was dann noch Sympathie und Empathie angeht. Für mich werden Charaktere dann gut, wenn diese sich in die Umwelt gut einfügen und die Charaktere nachvollziehbar sind. Mit gut meine ich jetzt nicht, dass ich die Charaktere abfeier, sondern dass diese gut dargestellt werden. Ob ich diese mag, hängt dann natürlich wieder von meinen persönlichen Neigungen ab. Was natürlich deine These stützt, Kelven. Die einen mögen einen Charakter mit Ecken und Kanten, die anderen sehen lieber den zierlichen und gutaussehenden Jungspund in der vordersten Reihe.
    Daher sehe ich es als sehr schwer, eine Geschichte zu erzählen, die jeden in jeder Hinsicht befriedigt. Es kann entweder versucht werden, dass Mittelmaß zu finden oder sich aber auf ein paar spezielle Charaktere zu versteifen, um diese möglichst gut darzustellen.

  5. #25
    @Schnorro
    Du machst das so, nicht die Spielfiguren. Das würde oft ja gar nicht zu deren Persönlichkeiten passen. Selbst Geralt tötet nur Monster, die eine Gefahr für Menschen darstellen. Die Aeriths und Yuffies töten vermutlich gar nicht, die hauen die Gegner nur kampfunfähig und sei es auch mit einer Supernova. Jetzt weißt du auch, warum die Gegner immer wieder respawnen. Solange ein Rollenspiel nicht den Gewaltgrad von eben The Witcher u. ä. hat, sehe ich dort nicht mal Mord und Totschlag. Außer in Cutscenes in unterirdischen Quellen. Das ist jetzt nicht ganz ernst gemeint, bevor jemand was sagt. Es sollte aber klar sein, worauf ich hinaus will. Niemand möchte liebenswürdige Charaktere als Schlächter darstellen, deswegen ist es unabhängig vom Spielerverhalten und der Spieldarstellung so gedacht, dass die Charaktere niemanden aus niederen Gründen töten. Alles andere wäre absurd.

    Zitat Zitat
    Daher sehe ich es als sehr schwer, eine Geschichte zu erzählen, die jeden in jeder Hinsicht befriedigt.
    Das muss man auch nicht. Ich denke aber schon, dass es nicht schadet, besonders populäre Charaktere (und Handlungen) darauf zu untersuchen, mit welchen Mitteln die Autoren dafür sorgen, dass sie sympathisch erscheinen.

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