Ich kann nur sagen, dass ich bisher noch in keinem Medium - ob Buch, Film oder Spiel - jemals einen Charakter gesehen hab, den ich realitätsnah nennen würde. Damit meine ich, dass keine Figur so komplex und kompliziert wie ein echter Mensch ist. Das ist auch in Ordnung so, denn die Figuren sollen ja unterhalten und das würden sie, wenn sie so richtig echte Menschen wären, wohl eher weniger, als etwas vereinfachte und übertriebene Figuren.
Das Genre spielt schon eine Rolle, Komödien, Action, High Fantasy, da kann man auch stark überzeichnen. Das wird ja oft und erfolgreich getan, die Werke kommen gut an. Aber selbst in Dramen sind die Charaktere mMn keine echten Menschen, sondern immer irgendwie etwas künstlich. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen Figuren, die einen sind flacher, die anderen haben mehr Facetten, aber das ist für mich etwas anderes als Realitätsnähe und darauf wollte hinaus, als ich Challanger antwortete: Figuren sind nie so richtig echte Menschen.
Da kann ich dir aber eine Menge Gegenbeispiele nennen. Das billige Dosendrama kommt ziemlich oft gut an. Es ist ja sogar so, dass das billige Dosendrama schnell nicht mehr als solches wahrgenommen wird, sobald die richtigen Bedingungen erfüllt sind. Das gilt natürlich für beide Richtungen.Zitat
Deine Beispiele sind für mich nicht per se Fallen. Kinderbücher haben z. B. öfter Mary Sues und das halte ich für keinen Fehler. Bei Kindern (und auch bei Erwachsenen, die Kinderbücher mögen) kommen solche Figuren gut an. Obwohl es sicher eine Menge Geschichten gibt, in denen eine Mary Sue unpassend sein würde, trifft das längst nicht auf alle zu. Genauso wie auf den 14-jährigen Schwertmeister, den werden die 14-Jährigen im Publikum ziemlich oft mögen. Und die Älteren, die Geschichten für Teenager mögen, wohl auch.Zitat
Es ist doch so: Ein guter Charakter ist ein Charakter, den man als gut empfindet, und die Gründe dafür unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Es spricht ja nichts dagegen, stark idealisierte Helden gut zu finden.
Was ich Challanger eigentlich sagen sollte, weil ich meine, zwischen den Zeilen etwas erkannt zu haben, was wiederum ich als Fallgrube ansehe, ist Folgendes: Gute/facettenreiche Charaktere sollte man nicht mit realitätsnahen gleichsetzen. Denn wenn man versucht, einen Charakter wie einen echten Menschen darzustellen, besteht die Gefahr, dass die Figur grau und nichtssagend wird.