Ergebnis 1 bis 20 von 166

Thema: [Gestrandet] - Episode 3 - Verlassen (Tag 2 - Tag 3)

Baum-Darstellung

Vorheriger Beitrag Vorheriger Beitrag   Nächster Beitrag Nächster Beitrag
  1. #23
    Nachdem Casey den Raum verlassen hatte blieb Sam noch ein wenig stehen. Abwarten... Das schien keine schlechte Idee zu sein. Wenn die Leute sahen, dass er eigentlich ein ganz harmloser Kerl war, mit dem man normalerweise auch gut zurecht kam, dann würden sie ihre Meinung schon ändern. Der erste Eindruck war wohl etwas.. komisch.. rübergekommen. Und den jetzt zu ändern, nunja, brauchte einfach seine Zeit.
    Dann hörte er jemandem den Gang entlang gehen und die Außentür quitschen. Kurz darauf erneut, diesmal begleitet mit einem ärgerlich klingenden Grummeln. langsam schlenderte er in den Konferenzraum hinüber. Tatsächlich war dieser nun leer, also mussten das gerade Ross und Sarah gewesen sein.
    Nachdenken. Er musste erstmal nachdenken. Gedankenverloren nahm Sam sich ein paar der Früchte vom Tisch und aß sie. Er wusste nicht, was die anderen hatten, die schmeckten doch ganz gut. Er nahm sich noch eine der seltsam geformten Gurken und ging dann in eine Ecke, wo er sich an dem Schrank zu Boden gleiten ließ.
    Sollte er wirklich nur warten und sonst nichts tun? Konnte er nicht proaktiv daran arbeiten, dass die anderen ihn mit anderen Augen sahen? Oder würde das kontraproduktiv wirken und sie würden genau in diesen Bemühungen etwas herauslesen, was nicht da war, sie misstrauischer machen, denken lassen, dass er sich in sie einschmeicheln wollte, damit sie lockerer wurden? Nun, dass wollte er zwar, aber nicht um ihnen zu schaden, sondern um.. Ja was? Freunde zu werden? Besser mit ihnen auszukommen? Oder würde es schon reichen, wenn sie ihn nicht mehr so finster ansahen?

    Mitten in seinem Gedanken wankte Zoe in den Raum, blickte ihn kurz an, watschelte ein wenig benommen zum Tisch hinüber und ließ sich mit einem klatschen einfach mit dem Kopf voran auf den Tisch fallen. Sam war so perplex, dass er im ersten Moment nicht einmal auf die Idee kam etwas zu tun. Dann drehte sie sich zum Glück um und ihre offenen Augen blickten zur Decke hinauf. Gesund sah sie dennoch nicht aus.
    Sie schien nichts dagegen zu haben, dass er hier war. Also atmete er einmal tief ein und aus proaktiv und kontraproduktiv, was? Dann wollen wir mal und fragte sie, ob mit ihr alles in Ordnung wäre. Sie antwortete relativ normal, das gab ihm Hoffnung und er fragte weiter.

    "Sieht man irgendwie. Was ist denn passiert?"

    Zu negativ. Mist. Sam biss sich imaginär auf die Zunge und einen Augenblick lang hatte er das Gefühl, dass sie ihm harsch antworten würde. Doch dann schlossen sich ihre Lider kurz und sie atmete ebenfalls einmal kurz ein und aus. Sam hatte aber das Gefühl, dass sie das aus anderen Gründen machte, als er kurz zuvor.
    Und dann kam ein Schwall an unzusammenhängenden Informationen aus ihrem Mund, die nicht mal einen negativen Unterton hatten. Und auch wenn Sam praktisch nichts verstanden hatte wirkte Zoe am Ende irgendwie erleichtert. Und dann forderte sie ihn auch noch auf bei ihr zu bleiben. Irgendwas lief gerade verkehrt. Aber zur Abwechslung mal auf positive Art verkehrt.

    Und dann kam das Lachen.

    Mit einem Mal prustete Sam lauthals los, er konnte nicht mehr an sich halten und musste laut Lachen.
    In Zoes Miene gaben sich mehrer Gefühle die Klinke in die Hand, erst Verständnislosigkeit, dann Wut und schließlich fing auch sie an zu grinsen und gluckste sogar leicht. Vielleicht hatte sie ja gerade selber erkannt, wie absurd die ganze Situation war.

    In erster Linie war das Lachen eins: Befreiend.
    Seit dem gestrigen Abend ging es Sam mental deutlich besser, aber die Sorge über die anderen Inselbewohner und wie er mit ihnen zurechtkommen sollte war weiter da gewesen. Dieses undurchsichtige Kauderwelsch von Zoe hatte seine Bedenken von ihm genommen.

    -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

    "Nur um sicher zu gehen: Warum haben wir gerade gelacht?"

    Fragte Zoe, immer noch kichernd und sich den Bauch haltend.

    "Weißt du? Ich hab mir praktisch seit ich auf dieser Insel zu mir kam sorgen gemacht. Über Vergangenes in meinem Leben und was weiter kommen wird. Über Rich und Brix, was Ross von mir hält und ob es Nova gut geht, sogar über dich und was du über mich denkst; warum Fabian mir hilft und über viele andere Dinge. Und dann kommst du hier rein, hast deine eigenen Probleme, deine eigenen Wunden, von denen ich nichts weiß und die mir wahrscheinlich nicht mal aufgefallen wären, und machst dir wahrscheinlich genauso wenig Gedanken über meine Probleme wie ich mir über deine. Ich glaube das hat mir ein wenig geholfen."

    Er war ihr Dankbar, auch wenn sie es wahrscheinlich nicht würde nachvollziehen können. Aber dass laut auszusprechen fühlte sich gerade irgendwie falsch an. Also sagte er stattdessen nur

    "Ich glaube wir würden viel besser miteinander auskommen, wenn wir mehr versuchen, unseren Gegenüber zu verstehen. Und uns weniger auf eigene Probleme konzentrieren."

    Es hatte sich nichts geändert. Die Lage war immer noch gleich, die Sorgen waren immer noch da und die Menschen um ihn hatten immer noch die gleichen Probleme - mit ihm und ganz eigene, wie Sam gerade deutlich bewusst wurde.
    Aber etwas war anders.
    Wenn auch nur ein wenig, so hatte sich seine Ansicht geändert. Sie war nicht plötzlich grandios oder überirdisch geworden, aber der Fokus hatte sich ein wenig weg von ihm und in Richtung der Anderen verschoben. Es war weit weg von seiner fast schon göttlichen Offenbarung - Sam konnte nicht glauben, dass es nicht mal zwei Tage her war -, die ihm nur noch wie ein ferner Traum vorkam. Damals, vor einer Ewigkeit war es ähnlich wie jetzt, nur um ein vielfaches stärker. Er verstand alles: Die Menschen um ihn, konnte ihre Beweggründe erstaunlich klar und detailliert vor sich sehen, wusste, wie er mit ihnen umgehen musste, wusste, was sie wollten und noch wichtiger: Was sie brauchten. Doch dann kam die Erinnerung zurück, sie, Tot. Wieder und wieder. Und alles zersprang, in tausend Scherben. Auch wenn Rich nicht Schuld war und es Brix mittlerweile wieder gut ging, so war dieser Anblick doch der Auslöser gewesen, der ihn aus seiner - wie Sam es mittlerweile nannte - "Göttlichen Phase" riss.
    Vielleicht war das auch der Grund für seine Reaktion gewesen? Vielleicht nahm er in dem Moment einfach zu schnell und zu viel auf einmal wahr und das ließ ihn so überreagierend handeln?

    Er wusste es nicht. Schon wieder etwas, dass er nicht wusste. Doch etwas wusste er diesmal: Dass er es jemandem erzählen wollte. Und irgendwie war gerade die richtige Stimmung dafür. Also fing er an und redete. Über den Absturz, wie er die Zeit danach wahrgenommen hatte, dass seine Wahrnehmung durch eine Gehirnerschütterung beeinträchtigt war. Über seine Nacht und ansatzweise, wie er den nächsten Tag erlebte, seine Klarheit. Ganz glaubte er nicht, dass er jemandem dieses Gefühl beschreiben konnte, der es nicht selbst erlebt hatte. Doch er versuchte es. Und dann erzählte er wie er beim Anblick von Brix empfand und warum es ihn zu dieser Handlung trieb und er Rich niederschlug. Sein Entsetzen darüber.
    Er hätte Zoe auch von ihr erzählen können, doch er wollte nicht an sie denken, nicht an ihre traurigen Augen, nicht an ihre Worte und am allerwenigsten daran, wo sie jetzt war. Vielleicht hätte es Zoe geholfen seine Empfindungen gegenüber der jungen Goth-Dame - er konnte sie einfach nicht "Göre" nennen, nicht mal in seinen Gedanken, obwohl der Begriff wohl passender gewesen wäre als "Lady" oder "Dame" - besser zu verstehen, doch Sam konnte nicht. Also beschrieb er es so, wie er es empfand, ohne Vergleich zu ihrem "Zwilling": Sie war die Schwester, die er nie hatte. Und daran konnte er nichts ändern, egal wie unrational es war.

    Sam kam sein Monolog wie eine Ewigkeit vor, in Wahrheit waren aber wohl nur wenige Minuten vergangen. Zoe hatte ihn die ganze Zeit reden lassen. Ob sie ihm zugehört hatte oder mittendrin eingeschlafen war konnte er nicht sagen. Sie war zwar die ganze Zeit in seinem Blickfeld gewesen, aber erst nachdem er geendet hatte, nahm sein Gehirn wieder bewusst wahr, was seine Augen aufnahmen. Sie blickte ihn an. Nachdenklich. Vielleicht auch etwas überrascht.

    "Dann sind wir ja fertig mit unseren Insel-Erlebnissen. Und, was steht so als nächstes an?"

    Versuchte er die Stimmung etwas aufzulockern und zwang ein etwas melancholisch geratenes lächeln auf sein Gesicht.
    Aber er verstand jetzt Zoes Erleichterung, nachdem sie sich von der Seele reden konnte. Befürchtete aber auch, dass sie ihn genau so wenig verstand, wie er sie zuvor. Aber das war in Ordnung. Alles war in Ordnung, solange man reden konnte.
    Ein wenig von der Melancholie verschwand aus seinem Blick.

    Geändert von Eddy131 (18.06.2016 um 23:39 Uhr)

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •