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Thema: [Gestrandet] - Episode 3 - Verlassen (Tag 2 - Tag 3)

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  1. #16
    "...weißt du, ich habe sogar wirklich mal studiert. Theater."
    Oh? Dafür lügst du aber nicht besonders gut. Der Gedanke kommt sofort, auch wenn er irgendwie fies ist.
    "Und dann bin ich von der Schule geflogen, weil ich dem Dekan einen geblasen habe. Und naja, ich hatte kein Geld und kein Leben und keine Freunde und dann habe ich angefangen mein Leben anders zu füllen. Ich hatte kein Geld, also hab ich mich in den Bars durchgeschnorrt. Auf...ähm...meine Weise. Und deswegen bin ich hier. In einer anderen Welt würde ich genau jetzt in irgendeinem 5-Sterne-Hotel hocken und einem Anwalt aus Sacramento einen...naja...blasen. Und mehr. Und ich würde dabei großartig aussehen, denn das ist ALLES, was ich kann. Ich bin ein Escort, Iker, das heißt, ich wäre es, wenn ich nicht hier wäre."
    Nach ihrem Geständnis schaut Zoe in den Himmel. Was mir nur Recht ist, denn ich glaube, Blickkontakt würde mich gerade auch massiv überfordern und das nicht nur, weil ich mir ziemlich sicher, diesmal wirklich rot geworden zu sein. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich verstehe, was ein Escort genau ist, aber der Teil mit dem Dekan und dem Anwalt war anschaulich genug, dass ich eine ungefähr - oder sogar ziemlich konkrete - Idee habe.
    Du wolltest, dass sie dich wie einen Erwachsenen behandelt. Bitte, da hast du's.
    "Und du und Rich und selbst Casey, ihr gebt mir das Gefühl, dass da mehr ist. Und deswegen...deswegen bin ich froh, hier zu sein."

    Zoes Bemerkung lässt mich immerhin den Mund wieder zumachen. "Froh hier zu sein"? Das ist so ziemlich das letzte, was mir zu unserer Situation eingefallen wäre. Und das alleine sagt eigentlich alles.
    "...ich bin mit meinen Eltern zweimal umgezogen."
    Jetzt schaue ich in den Himmel, während Zoe mich überrascht anguckt.
    "Einmal von Peru nach New York, als ich klein war. Und einmal von New York nach Düsseldorf. Das erste Mal war einfach, weil ich mit Englisch als zweiter Muttersprache aufgewachsen bin. Ich musste zwar meine Freunde zurücklassen, aber wenn man noch klein ist, ist das auch nicht viel schlimmer als ein Schulwechsel. Aber nach Deutschland..."
    Zoe kommt aus Deutschland, richtig? Komisch, dass wir uns bisher nur auf Englisch unterhalten haben. Ich wechsle, zu ihrer Überraschung, spontan ins Deutsche und merke, wie mein Akzent durchkommt.
    "Am Anfang konnte ich gar nichts. Ein paar Jungs haben mir falsche Sachen beigebracht und sich gefreut, wenn ich Leute versehentlich beleidigt habe, vor allem im Unterricht. Das gab nicht nur Ärger, ich habe auch ziemlich lange gebraucht, bis ich mich getraut habe, mit Leuten frei zu reden oder im Unterricht was zu sagen.
    Zuhause war es auch nicht besser, da mein Vater ziemlich..."
    , ich suche angestrengt nach dem passenden Wort, "...streng... sein kann. Und die Beschwerden über meine Probleme in der Schule waren nicht gut. Inzwischen verstehen wir uns zwar nur noch schlechter, aber dafür kann ich besser sprechen und habe ein paar Freunde im Track Team gefunden."
    Zoe guckt mich trotzdem an, als spräche ich Spanisch.

    "Was ich sagen will... Ich meine, ich weiß dass das nicht vergleichbar ist, aber ich glaube, dass es irgendwann meistens bergauf geht. Nicht komplett, aber hier und da. Wenn man es lange genug versucht und den richtigen Anfang findet."
    Auch wenn es schön ist, dass Zoe uns mag, aber wenn ein Flugzeugabsturz der Höhepunkt ihres Lebens ist, ist das vor allem traurig.
    "Hör mal... Es ist lieb, dass du das sagst, aber das ist alles nicht so einfach."
    Ich gucke Zoe direkt an und versuche, möglichst unbeeindruckt zu gucken. Vielleicht sind Zoes Theaterkünste ja übertragbar, wenn sie sie schon selbst nicht nutzen kann.
    "Du hast in den letzten 48 Stunden einen Flugzeugabsturz überlebt, einen Brand gelöscht, 'ne geheime Höhle inmitten von einem Haufen Psychos erforscht und bist ohne richtige Ausrüstung oder Training eine Klippe hochgeklettert. Was klingt für dich schwieriger?"

    Zoe guckt mich eine Weile an - und muss dann selbst leise lachen.
    "Wenn das hier vorbei ist, lässt du Casey deine Story verkaufen und heuerst mit mir bei Rossie an. Der hat doch angeblich so viel Geld."
    "Und Bree und Brix kommen in den Vorstand und gehen allen mit Vorträgen über Pazifismus und erneuerbare Energien auf den Sack."
    "Klingt nach nem Plan, oder?"
    "Aber sowas von."
    "Dann kannst du den Anwalt zu dir kommen lassen."
    "Und dir kann's egal sein, wenn du Leute zur Begrüßung als ••••••• bezeichnest."
    "Du würdest nicht drüber lachen, wenn du wüsstest, dass das wirklich passiert ist."
    "Du hast...?"
    "Zweiter Schultag. Mathelehrer. Dachte es sei 'ne Begrüßung."
    "Pfffrt!", prustet Zoe damenhaft los. Immerhin du kannst drüber lachen. Und ich mittlerweile. Ein bisschen.

    Ich richte mich mit einem unfreiwilligen Grinsen auf und reiche Zoe eine Hand.
    "Pass einfach auf, ja? Heute sind so viele Leute fast durchgedreht, dass ich mir überlegen würde, mit wem ich alleine bin."
    Mit dem 15-jährigen, offensichtlich doch pubertierenden, fremden Jungen, zum Beispiel. Oder der wildfremden Frau, die nach eigener Angabe ihr Studium gegen Oralsex eingetauscht hat. Ja, das gibt definitiv Punkte auf der Inkonsequenzskala.
    Zoe nimmt meine Hand und zieht sich ebenfalls hoch.
    "Mache ich. Versprochen."
    Mit meiner Erkenntis von eben setze ich mich lieber erst einmal selbst auseinander. Während ich das für mich beschließe, gibt Zoe mit neugewonnenem Elan den Weg aus dem schmalen Weg heraus an.
    "Also, auf geht's in die 1A. Mal schauen, ob die Bude als Schlafplatz taugt."

    Geändert von BDraw (29.05.2016 um 15:24 Uhr)

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