Dinge gesehen und Schüsse gehört... "Die Stimmung drücken" war damit wieder so eine Untertreibung, die der Schwedin über die Lippen gekommen war.
"Ich...", setzte Ross an und merkte, wie seine Hand sich selbstständig machte und sich irgendwohin auf dem Weg zu Nova befand.
Aber nein. Nein. Er war gut darin, so zu tun als wäre alles egal oder eben nicht so schlimm. Das war quasi sein Markenzeichen, so irgendwie. Und es half nun wirklich niemandem - am allerwenigsten der Frau - wenn er nun zeigte, wie er sich fühlte.
"Ich habe nie über unseren Absturz nachgedacht, aber wer weiß...", sagte er deshalb und steckte seine Hand stattdessen in seine Hosentasche.
"Es ist zumindest seltsam, dass unsere Leichen offenbar ziemlich gut organisiert abtransportiert wurden. Das waren ja nicht wenige, und selbst mit dem Boot müsste das eine Weile gedauert haben. Die letzte Person, die laut Sarah hier auf der Insel verschwunden ist, was ein gewisser Bill vor einem Jahr... vielleicht war es langsam tatsächlich Zeit für Nachschub? Und dann die Sache mit der abgeknipsten Antenne..."
Kurz musste der Geschäftsmann an Brix denken, die ihn für verrückt halten würde, so eine Verschwörung zumindest für halbwegs möglich zu halten. Aber eigentlich beschäftigte ihn diese Sache im Moment weniger als es den Anschein erweckte, er wollte einfach nur über etwas anderes reden als...

Während Nova und er nun so zwischen den beiden Häusern standen fiel ihm auf, dass die Schwedin zwar definitiv beunruhigt wirkte, aber nicht auf eine nervöse Art und Weise. Vielleicht konnte sie es nur gut kaschieren - ungefähr so gut wie er -, aber zumindest schien sie einen Weg zu suchen, mit der ganzen Sache umzugehen. Vielleicht sollte er doch darüber sprechen. Womöglich war es sogar unhöflich, es nicht zu tun?
Ross seufzte. Er hatte sich Abwechslung und Überraschungen gewünscht, und das hatte er nun davon. Was gab es überraschenderes, als Leute, die ohne Vorwarnung durchdrehen konnten weil unbekannte Einflüsse auf sie einwirkten? Irgendwann würde er Casey fragen müssen, ob er auch mit Halluzinationen zu kämpfen hatte. Der war womöglich auch eine tickende Zeitbombe. Und Fabian, der jemanden aus seiner Vergangenheit gesehen hatte, wusste noch nicht einmal etwas von irgendwelchen Halluzinogenen.
Das musste alles nachgeholt werden... später.
"Es ist bestimmt schon mal gut zu wissen, dass... naja, dass es diese Phänomene auf dieser Insel gibt und es einen Grund dafür gibt, wenn man etwas Seltsames sieht oder hört.", sagte Ross schließlich leise zu Nova. "Sich damit auseinanderzusetzen ist vielleicht unangenehm und... 'drückt die Stimmung' " - er lächelte - "aber es ist vielleicht der beste Weg, sich dem zu stellen. Zumindest ist es sicher eher kontraproduktiv, die Hinweise zu ignorieren und es dauernd im Unterbewusstsein mit sich herumzuschleppen - da kann man ja nur verrückt werden." Sagte der Kerl, der gerade versuchte, bestimmte Informationen tief in sein Unterbewusstsein zu schieben.
"Auf jeden Fall gibt es keinen Grund zur Panik. Wir wissen halbwegs, womit wir es zu tun haben. Du kannst mit diesem Bewusstsein sicher auch besser dagegen arbeiten. Und wenn wir wirklich nicht durch Zufall hierher geraten sind, gibt es vielleicht einen nicht allzu schwierigen Weg, wieder wegzukommen. Wenn doch, finden wir trotzdem einen." ...wurde der Spähposten aufgegeben, die überlebenden Soldaten wurden zurück in die Vereinigten Staaten geflogen. Von den beeinträchtigten Soldaten kamen leider alle ums Leben... Ross schluckte und schloss kurz die Augen, aber sein Ton blieb sachlich. "Aber vermutlich sind wir sogar schneller damit, herauszufinden was genau vor sich geht und können dann Gegenmaßnahmen einleiten." Hoffentlich.

Die Straße war nun deutlich leerer geworden - vermutlich war nun so gut wie alles im Konferenzraum, was zum Essen gebraucht wurde. Irgendwie hatte der Geschäftsmann gar nicht mehr so viel Hunger. Trotzdem bewegte er sich langsam aus dem Schatten der Häuser heraus in Richtung des zweistöckigen Hauses und Nova folgte ihm. "Nach dem Essen werden wir wohl weiter nachforschen, was hier vorgefallen ist. Ich werde dir Bescheid geben, sobald sich Neuigkeiten auftun. Du kannst überhaupt jederzeit, wenn du das Bedürfnis hast, mit mir sprechen, ich kann schweigen wie ein Grab." Bevor sie nun das Hause 3A betraten, drehte Ross sich noch einmal zu der Schwedin um. Irgendetwas wollte er zu seinem letzten Satz hinzufügen. Etwas, das ihr zeigte, dass er das ernst meinte, und das nichts mit der Maske an Sorglosigkeit zu tun hatte, die er die meiste Zeit über trug.
Ich werde auf dich aufpassen. Ich lasse nicht zu, dass du verrückt wirst. Alles wird gut.
...
"Wir sollten erst mal das Essen so richtig genießen. Das hilft, die Energien wieder aufzuladen, und wer weiß wann wir das nächste Mal so ein Festmahl bekommen."
Ross Norway gab niemals ein Versprechen. Schon gar keines, bei dem er nicht sicher war, ob er es halten konnte.