Ich sitze gerade in der Bahn und poste vom Handy aus, daher keine fancy Zitate. Dennoch wollte ich jetzt mal meine 5ct beischießen weil mir das ganze Thema (oder besser: der Auslöser) leicht auf den Sack geht.
1. Ja, <ß> kann bedeutungsunterscheidend sein, was Wörter wie Masse und Maße bei schweizer Schreibung zu Homogrammen macht (Wörter, die gleich aussehen, aber verschiedene Bedeutungen haben). Und? Wenn das so ein Problem wäre wie manche hier darstellen, meint ihr nicht, die Schweizer hätten sich da inzwischen etwas Besseres überlegt? Vor allem aber: Diese Fälle machen einen wahnsinnig kleinen Teil der existierenden Homogramme aus. Unsere Sprache ist voll davon (bspw. übersetzen, Hochzeit, Bug, um nur ein paar zu nennen) die sich aus unterschiedlichsten graphematischen und grammatikalischen Eigenheiten ergeben und teils auch einfach zufällig entstanden sind. Trotzdem bereiten Sie uns im Alltag kaum bis keine Probleme. Die Beispiele hier sind sicher gut um Schülern in Deutschland den Unterschied aufzuzeigen, sind aber im Großen und Ganzen konstruiert und haben kaum Auswirkungen im Alltag, da unser Sprachgebrauch und auch das Gehirn darauf angepasst und aller Wahrscheinlichkeit nach sogar ausgelegt sind. Des weiteren denke ich, dass man davon ausgehen kann, dass auch Schweizer diese Probleme erkennen und genügend Kontext liefern können, um niemanden in die Irre zu führen. Das ist nicht Deutschen vorbehalten.
2. Stichwort "political correctness": Ein riesengroßer Kritikpunkt an vielen älteren linguistischen Theorien und auch in Teilen an präskriptivistischen Ansätzen ("Sprache hat so und so zu sein!") ist der sog. Ethnozentrismus, d.h., dass davon ausgegangen wird, dass die eigene (meist anglo-europäische) Sicht das Maß der Dinge ist. Ohne Namen nennen zu wollen: Schweizerische Konventionen den hochdeutschen gegenüber als sekundär abzustempeln, aber sich dann an jedem religiös-entlehnten Symbol aufzuhängen ist heuchlerisch hoch Drei und zeugt davon, dass da jemand dringend seine Hausaufgaben machen sollte.
Klar, mit Hochdeutsch erreicht man mehr Leute, da es global gesehen akzeptierter ist als andere Varietäten. Das ist aber eine Zielgruppenüberlegung, keine der Korrektheit - genauso, ob man in einem englischen Spiel amerikanischen, britischen oder von mir aus kanadischen Konventionen folgt.
CensedRose hat klar gestellt, an welchen Konventionen sie sich orientiert. Davon mag man halten was man will, hat es aber letztlich zu respektieren. Die Art, wie manche diese Konventionen in Frage stellen und ihren eigenen hier unterordnen - ganz offensichtlich ohne sich vorher informiert oder weitergedacht zu haben - zeugt von einem gewissen Grad von (durchaus höchstwahrscheinlich unbeabsichtigter) Respektlosigkeit und ich kann durchaus verstehen, wenn man das irgendwann persönlich nimmt.
EDIT:
Kleiner (okay, nicht ganz so kleiner) Nachtrag, um zu vermeiden, dass sich Personen vor's Schienbein getreten fühlen, die ich nicht treten will: Ich sehe jetzt erst gerade auf einem etwas... übersichtlicheren Bildschirm, dass der Kern der Diskussion scheinbar längst abgeschlossen ist und bitte darum, jetzt das Fass nicht nochmal neu aufzumachen. Dennoch glaube ich, dass es ganz hilfreich ist, bei einer Diskussion über Sprache und Sprachkonventionen mal auch ein paar sprachwissenschaftliche Begriffe und Sichtweisen beizusteuern und sei es bloß, um das Bewusstsein einiger zu steigern, wie problematisch bzw. arrogant manche Sachen in diesem Kontext sein bzw. rüberkommen können - ungeachtet der ursprünglichen Intention des jeweiligen Users, die bestimmt nicht böse gemeint ist.
Ark_X und (teilweise) Klunky haben die Kernpunkte imho eigentlich auch ganz gut auf den Punkt gebracht: Einerseits sollte das "Problem" nicht überdramatisiert werden, andererseits sollte sich der Ersteller (hier CensedRose) bewusst sein, dass sich bei der Verwendung anderer Konventionen auch die Zeilgruppe verschieben kann. Daraus resultiert aber beileibe kein Anrecht auf irgendwas seitens des Publikums. Ebenso ist selbstverständlich die Sprache auf der spielwelt-internen Ebene (Al-Bhed, die Verwendung von bestimmten realen Varietäten zur metaphorischen Darstellung fiktionaler Varietäten) von der der externen zu Unterschieden (Hochdeutsch vs. Schweizerdeutsch, BrE vs. AmE, ...), auch wenn beides naturgemäß verzahnt ist. Wirft man das durcheinander kann man auch gleich die Ansichten der Figuren mit denen des Erstellers gleichsetzen.
Ist tatsächlich eine gute Frage - weiß einer der Deutschlehrer, die hier sind, etwas dazu, wie das in der Praxis gehandhabt wird? Müsste ein schweizer Schüler befürchten, schlechtere Noten zu bekommen oder hätte er ein Anrecht darauf, dass <ss> für <ß> als korrekt anerkannt wird, sofern eben klar ist, dass die schweizer Konventionen auch in allen anderen Fällen eingehalten werden? (Oder umgekehrt: Ein deutscher Schüler in der Schweiz?) Im Englischunterricht darf man ja auch BrE oder AmE verwenden, sofern man es eben konsequent und richtig macht, was ja gewissermaßen die direkte Parallele darstellt. Andererseits sind die präskriptiven Ansätze in der Bildung ja oft ziemlich anders gelagert als die der inzwischen (glücklicherweise) oftmals eher deskriptiven Sprachwissenschaft...