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[Eure Daenigkeit]
"Hey, Dickie. Aufwachen!"
Die Sanftheit der Stimme seiner Kindheitsfreundin war eine längst vergessene Erinnerung.
Sie waren damals beide um die 8 gewesen und wollten ein riesiges Abenteuer starten, also hatten Brix' Eltern sie bei den Edenboroughs einquartiert und sie Beide in einem Zelt im Garten schlafen lassen, das wahrscheinlich gruseligste Abenteuer, dass sich Richard Senior hatte vorstellen können, ohne dass einem seiner Kinder was passieren konnte.
Der Plan war, dass sie nachts heimlich aufstanden - also genau Mitternacht - und dann um das Haus der Edenboroughs spuken wollten, um Rich' Geschwister zu erschrecken.
Er war natürlich eingeschlafen, sie nicht. Und genau so hatte sie geklungen, als sie ihn geweckt hatte. Das musste hunderte Jahre her sein.
Leider wurde aus dem Gespenstereinsatz nichts, weil der riesige Garten des Anwesens im Dunkeln dann doch zu gruselig war...
Richtig lange hatte Richard wohl nicht geruht, doch die kurze Auszeit hatte wirklich gut getan.
Als er schließlich ein kleines Rütteln an der Schulter spürte und noch immer seltsamen Gedankenfetzen einer halbnackten Zoe nachhing, schlug er die etwas rot wirkenden Augen auf.
Er lächelte, als er Bree und Brix sah, ein ehrlich Lächeln, das sofort erstarb, als er den ebenfalls blutverkrusteten Mund öffnen wollte und seine Nase dabei höllisch weh tat.
Brix nahm sofort die Hand von seiner Schulter, als er aufwachte, hoffend, dass er es nicht bemerkt hatte.
"Hey...", sagte er leise und mit müder Stimme. "Ist der Helikopter da?" Hoffnung schwang in seiner Stimme mit.
"Ja.", sagte Brix mit einem Augenrollen, während Bree genau zur gleichen Zeit niedergeschlagen "Nein." sagte.
Obschon Richard den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hatte, fuhr Brix unverdrossen fort: "Also, sie sind gekommen. Ein riesiger Heli von der kubanischen Befreiungsfront. Vorne an der Schnauze haben sie Che draufgesprüht. Sie wollen uns retten und mitnehmen, damit wir in Kuba gegen das System kämpfen."
"Cool...", sagte Richard schwach und nickte, während er sich an die Nase fasste und verärgert zusammenzuckte.
Brix' Gesicht nahm einen sehr gut geschauspielerten Ausdruck der Sorge an, als sie fortfuhr: "Leider wollen sie im Klassenkampf aber nur Leute haben, die mindestens einen IQ von 88 aufweisen. Du musst also hier bleiben."
"Lasst ihr mir eine Kiwano und einen Football da?", lächelte er gequält und schien langsam wacher zu werden.
"Das ist das zweite Mal, Brix, dass ich mir wegen dir ordentlich Backenfutter einfange. Du bringst Pech..."
"Was legst du dich auch mit Männern an, die stärker sind als du?", stichelte Brix ohne echte Schärfe in der Stimme.
"Die Anderen haben Sam ein bisschen den Kopf gewaschen.", sagte Bree schnell bevor es ausarten konnte und strahlte ihn an, ein Ausbund an Fröhlichkeit und irgendwie bekam sie es IMMER hin, dass die Sonne durch ihre Dreads schien.
"Bree, du würdest doch mit mir da bleiben, auf der Insel, oder?", kam es vollkommen überraschend wie ein 60 Yard-Pass von Richard, der Bree vollkommen überrumpelte.
"Was?", entfuhr es ihr lachend, eine Spur Unsicherheit in der Stimme.
"Na, wenn die Helikopter von Brix da sind und ich nicht mitgenommen werde. Wir könnten hier was machen. Fische jagen, nackt schwimmen gehen, du baust dir eine Unterhose aus Palmwedeln und wir bauen uns eine coole Baumhütte wie in Tarz..." Er brach blitzschnell ab und stotterte ein sehr künstliches Husten, doch Bree und Brix - warum hatten sie eigentlich so ähnliche Namen - blickten sich beide an und begannen schallend zu lachen, während Rich' Ohren und dann Gesicht immer rot wurden.
"Soso, der Herr Supersportlermachoman schaut Kinderfilme von Disney?", grinste Bree breit und Richard blickte nach unten und zupfte grummelig Grasbüschel zwischen seinen Beinen.
"Sagtest du nicht unlängst mal zu drei Schwedinnen, das wäre nur was für kleine Kinder?", sagte sie und piekte ihn mehrfach in die nackte Seite.
"Sag bloß, du möchtest einen Schneemann bauen?"
"Aber, ich..."
"Keine Sorge, ich mache noch einen Mann aus dir!"
"...musste mitschauen..."
"Zum Glück sind wir nicht unter dem Meer gelandet."
"...wegen meiner kleinen Schwester."
Die Hippie, mit der er höchstwahrscheinlich das Bett geteilt hatte - er war sich da nach wie vor unsicher - hatte es hinbekommen, jedem Satz den Anflug der Melodie des jeweiligen Disneyliedes zu geben. Rich fiel auf, wie toll ihre Singtimme klang, wenn sie Kinderlieder zum Besten gab.
Bree hatte ihn immer wieder geknufft, Richard grummelig nach unten gestarrt, während Brix sich mit einem deutlich hörbaren Seufzen und gerollten Augen wieder erhoben hatte und ironisch von der Seite einwarf:
"Kommt Kinderchen, let it go."
Dann wandte sie sich von den Beiden ab und blickte Richtung Wasserfall.
"Ob sie da drin was gefunden haben?", sprach sie, mehr zu sich selbst und wurde sofort wieder ernst.
"Sie sind jedenfalls ohne Waffen rein.", sagte Bree, die Richard gerade auf die Beine half, der danach wie automatisch den Arm um sie legte, um sich zu stützen. Obschon es aussah, als würde er fast alleine gehen können.
Brix und Richard schwiegen Beide zu diesem Thema, sehr zu Brees Erleichterung und alle drei Jugendlichen blickten in Richtung Wasserfall, für den Bruchteil einer Sekunde ohne Streit, als würde langsam durchsickern und Gewissheit werden, dass irgendetwas mit einer Tür hinter einem Wasserfall einfach nicht stimmen konnte...
Und als sich dann auch noch Amy zu ihnen gesellte, schweigsam, still, ein Stückchen links versetzt hinter Brix stehend, in ihrem Schatten, als würde alleine ihre Präsenz sie beschützen, waren sie eine Einheit.
Mit dem übermächtigen Wunsch, gerettet zu werden.
Geändert von Daen vom Clan (12.05.2016 um 21:17 Uhr)
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