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Held
"Du bist doch...Ross Norway von Norway Inc.! Einer der reichsten Männer Amerikas!”
"Naja, nicht unbedingt reichs…"
"Machst du Witze?”
Ich habe ja nie verstanden, wie manche Menschen so unglaublich viel reden können - dazu noch vor anderen Leuten. Sam aber hat damit ganz offenbar kein Problem. Ein kleines bisschen bewundere ich seinen Enthusiasmus und wie es ihm scheinbar so völlig egal ist, wie die Ader an Rossies Schläfe offenbar direkt mit seinem Geduldsfaden verbunden ist - oder ich würde ihn bewundern, wäre der Inhalt seines Ausbruchs etwas weniger peinlich. Und dabei bin ich der Jüngste hier gerade!
Rossie beginnt offenbar hinter seinem beängstigend starren Lächeln Mordgedanken zu hegen (lauf, Sam, flieh solange du kannst!), da stoppen Brix und Fabian den Redeschwall. Das nennt man wohl mit einem blauen Auge davonkommen, schätze ich. Während Sam eine Standpauke kassiert, fällt mein Blick auf den Block, auf dem unser selbsternannter (hat er das?) Planungsbeauftragter bis eben Notizen gemacht gemacht hat.
“–––!”
Die Handschrift ist gut zu lesen, aber ansonsten sind die Notizen ein totales Chaos. Wenn der mal da gleich noch durchblickt! Wobei… In Gedanken fange ich an, die einzelnen Stichpunkte zu ordnen und die Zusammenhänge wiederherzustellen, während Ross unterdessen Valentijn zum Organistor befördert.
“Hm…”
Der Punkt da unten Links will irgendwie noch nicht–––
“Hey!”
Dunkel erinnere ich mich, dass Ross empfindlich schien, wenn es um seine Privatssphäre geht. Äh… Ups?
“Sorry.”
Ross sieht ehrlich genervt aus. Ob ich ihm erklären sollte…?
“…Ist dir etwas aufgefallen?”
“Es ist nur…”
“Nicht blättern, verstanden?”
…und schon habe ich Block und Stift in der Hand. Ich überlege kurz, dann mache ich mich daran, mit ein paar Linien und Markierungen die in dem Chaos verloren gegangenen Zusammenhänge wiederherzustellen. Als ich fertig bin, sieht Ross mit ausdruckslosen Gesicht den Block an. Dann mich. Dann wieder den Block. Dann wieder mich.
Ich glaube, das ist jetzt ein guter Zeitpunkt um wegzu–
“Glückwunsch, du hast den Job.”
–––eh?
“Was?”
"Ich habe gesagt, ich übernehme die Planung, aber ich brauche offensichtlich Hilfe. Ist dir das nicht aufgefallen? Du scheinst dafür geeignet, also wäre mir deine Hilfe ganz recht. Einverstanden?”
Ich brauche ein paar Sekunden, um zu verarbeiten, dass ich statt einem Grund, schleunigst abzuhauen einen Job bekommen habe. Der Mann sieht mich an, als warte er auf eine Antwort, also nicke ich langsam. Als der Groschen endlich fällt, nicke ich eifrig.
Ich habe einen Job. Wie war das denn passiert? Für einen Moment fühle ich mich merkwürdig mit Valentijn verbunden, bevor dieser die Anwesenden anfängt zu… naja, zu organisieren halt.
* * *
Rossie und ich kommen zügig und problemlos voran und haben kurze Zeit später einen ungefähren Plan. Naja, was heißt wir: Er überlegt laut, ich schreibe mit und bringe alles in Form, damit man es hinterher auch noch verstehen kann, ohne Kopfschmerzen zu bekommen. Das kommt mir ganz gelegen: So muss ich nicht viel reden und habe weniger Gelegenheiten mich zu verplappern. Rossie. Ich beiße mir sacht auf die Zunge, um ein Grinsen zu unterdrücken. Außerdem habe ich sogar grob einen Plan gezeichnet! Also, einen Bild-Plan, keinen Plan-Plan. Oder so.
“So, jetzt müssen wir das bloß noch alles dem Trupp da erklären.”
Ross nickt in Richtung der anderen. Das Mädchen in meinem Alter und die blonde Frau, die ich vorhin hatte ansprechen wollen, als ich den Wrestler mit seinem Verband gesehen hatte, gesellen sich gerade dazu.
Ross sieht aus, als hätte er eine Idee.
“Ich habe eine Idee.”
Sag an.
“Ich gehe kurz zu Lilly und Susanne und bringe die beiden auf den neuesten Stand. Du erklärst den anderen in der Zwischenzeit mei… unseren Plan.”
Wa– ich?! So war das aber nicht gedacht! Du redest, ich gucke zu!
“Ä-Ähm…”
“Okay? Okay, auf geht’s.”
“Aber…!”
Und los ist er. Ich kann ihm nur noch unglücklich hinterherschauen, meinen Ansatz von Einwand hat er entweder nicht gehört oder (wie ich eher vermute) ignoriert.
Rossie scheint ein Händchen dafür zu entwickeln, mich kalt zu erwischen.
“…du hast ja bloß keine Lust schon wieder selber reden zu müssen!”, maule ich leise und mache mich auf.
* * *
Ein gutes Dutzend Augenpaare sehen mich verwundert an. Ross hat sich tatsächlich sofort Susanne und Lilly geschnappt (Feigling!) und mich mit dem Rest stehen lassen.
Lass das stillste Kind weit und breit der Gruppe sagen, was der Plan ist. Bitte sag mir nicht, dass du so deine Milliarden gemacht hast.
Valentijn reißt mich aus meinem internen Monolog raus.
“Und, wie sieht’s aus?”
“Ä-ähm… Also…”
Das fängt ja gut an. Punkt um, Iker, du musst da jetzt dur - warum guckt Sam denn schon wieder so genervt in meine Richtung?
“Also.”, setze ich nochmal an. “Wir haben uns überlegt, dass es wohl am Besten ist, wenn wir uns erstmal ins Trockene kommen. Der Regen wird immer stärker und es wäre schlecht, wenn einer krank wird. Auch müssen wir uns überlegen, wo wir schlafen wollen. Dazu wäre es am Besten, wenn wir einen Unterstand oder sowas bauen könnten. Wir brauchen also Leute die sowas bauen können und Leute, die das Material dafür besorgen.”
So weit, so gut. Und nur eine blöde Wiederholung bisher!
An dieser Stelle halte ich den Plan vom Unterstand hoch, den ich nach Rossies Angaben gezeichnet habe, und erkläre kurz die einzelnen Teile und was für Material dort nötig ist. Er kommt mir zwar immer noch nicht wie der Typ vor, den man auf Baustellen antreffen würde, aber vielleicht hatte er ja durch seine Firma mit Architekten zu tun. Beim Bau einer Filiale oder Zentrale oder sowas vielleicht?
“Das sollten nicht dieselben Personen sein, damit sich keiner übernimmt und vor Erschöpfung zusammenklappt. Va- Valentijn? Valentijn und… Bree? Haben glaube ich den besten Überblick im Moment, wer was machen kann. Wir brauchen auf jeden Fall drei Leute die Material holen. Weniger, und die Zeit wird zu knapp. Das Flugzeugwrack müsste genügend dafür hergeben, aber wir brauchen Sachen, die halbwegs stabil sind. Es wäre doof, wenn alles über uns zusammenbricht. Das heißt bloß auch, dass die Teile vermutlich schwer sein werden. Das wäre also eher nichts für die Verletzten.
Und für den Bau wären zwei bis drei Personen gut - für einen alleine ist das zu viel, aber zu viele, und man steht sich gegenseitig im Weg.”
Na also. Wenn ich jetzt noch wieder anfange, zu atmen, war das doch gar nicht so schlimm, denke ich und gebe mein Bestes, mir das Herzklopfen nicht anmerken zu lassen.
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Iker & Ross: Intelligenzprobe bestanden!
Geändert von BDraw (03.05.2016 um 22:06 Uhr)
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