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Thema: Spielstories sind anders

  1. #1

    Spielstories sind anders

    Ich hab das Thema in letzter Zeit zwar schon öfters angerissen, aber ich finde es so interessant, dass ich einen eigenen Thread für gerechtfertig halte. Ich möchte vor allem über zwei Fragen sprechen:

    Was unterscheidet Spielstories von denen anderer Medien? Welche Auswirkung haben diese Unterschiede?

    Zuallererst möchte ich "Spiele" etwas einschränken und die Interactive Fiction ausklammern, weil sie Büchern bzw. Filmen so nahe ist, dass vieles, was ich gleich schreiben werde, auf sie nicht mehr zutrifft.

    Der auffälligste Unterschied zwischen einem Spiel mit nennenswerter Handlung und einem Buch oder Film ist das Gameplay. Die Handlung wird immer wieder und für längere Zeit unterbrochen. Meistens machen die spielbaren Abschnitte den Löwenanteil des Spiels aus. Soweit wird mir denke ich niemand widersprechen. Die Handlung eines Spiels hat die Funktion, die Spielabschnitte miteinander zu verbinden und - wenn ihre Bedeutung für das Spiel groß genug ist - auch als Motivator und Belohnung zu dienen. Formal gesehen sind Spiele den Filmen näher als den Büchern. Die direkte Rede der Bücher findet man zwar auch in Spielen wieder, aber alles, was in Büchern von einem Erzähler beschrieben wird, stellt ein Spiel wie der Film mit Bildern dar, wobei es von Spiel zu Spiel natürlich große Unterschiede gibt. Während sich die Cutscenes moderner Spiele nicht von Filmszenen unterscheiden, unterliegen z. B. Makerspiele großen Einschränkungen. Die Gestik eines animierten Charsets ist nicht mit der einer bildschirmgroßen Figur, die per Motion Capturing animiert wurde, zu vergleichen. Ein statisches Faceset ist etwas anderes als ein bewegtes lebhaftes Gesicht. Per Text dargestellte Dialoge wirken anders als professionell gesprochene Dialoge.

    Welche Auswirkung haben diese Unterschiede nun? Die entscheidende Konsequenz ist, dass man die Handlung eines Spiels nicht mit der eines Buches oder Films vergleichen sollte, obwohl es natürlich schon einige Parallelen in Aufbau und Ablauf gibt. Ein Spiel besteht nur aus Handlungsfragmenten, was bedeutet, dass seine Handlung nicht den Zusammenhalt einer Buch- oder Filmstory haben kann. Streicht man das ganze Gameplay und hängt alle Dialoge und Cutscenes aneinander, erhält man mMn meistens keinen Film, zumindest keinen, der "funktioniert". Schon das zeigt, dass einige Kriterien, die für Bücher und Filme gelten mögen, auf Spiele nicht angewendet werden können. Die Struktur der Handlung ist einfach anders. Auf dem RPG Maker kommt noch erschwerend dazu, dass uns die inszenatorischen Mittel fehlen, um Spektakel oder Emotionen so rüberzubringen, wie es Filme oder moderne Spiele tun. Wie dem auch sei, eine Spielstory hat also abrupte Übergänge und zeigt noch mehr als andere Medien nur die Schlüsselmomente. Es gibt schon Regeln, an die sich jedes Medium halten muss, besonders die der Konsistenz. Persönlichkeiten dürfen sich nicht ohne gute Erklärung drastisch verändern und Ereignisse müssen aufeinander aufbauen. Aber man muss im Hinterkopf behalten, dass Spielstories und ihre Figuren immer etwas oberflächlich sind, weil ihre Zeit selbst in längeren RPGs recht knapp bemessen ist. Man hat ja meistens mehrere Charaktere, auf die die Zeit aufgeteilt werden muss.

    Warum ist es so, dass jemand aber trotz alledem von einer Spielstory total begeistert sein kann und sie genauso gut findet, wie die aus einem Buch oder Film? Kein Thread von mir, in dem ich nicht abschweife. Alles, was ich jetzt schreib, ist ein wenig, aber nur ein wenig, OT.

    Die Erklärung ist ganz einfach: Menschen sind immer voreingenommen - ich natürlich auch. Findet man z. B. etwas aus einem Film besonders gut, dann neigt man dazu, auch alles andere in einem besseren Licht zu sehen und umgekehrt ist es genauso. Man mag manche Genres weniger als andere, bei denen man dann genauer hinschaut. Und wenn man sich langweilt oder aus einem anderen Grund unzufrieden ist, schaut man besonders genau hin. Wir versehen Geschichten gerne mit lobenden Adjektiven, die aber, wenn man sie genauer betrachtet, wenig Aussagekraft haben. Es gibt beispielsweise keinen Konsens darüber, was "anspruchsvoll" ist. Wenn ein guter Bekannter davon spricht, dann weiß ich wohl oft, was er meint, weil ich seinen Geschmack kenn, aber bei anderen kann "anspruchsvoll" vieles bedeuten. Charakterentwicklung, die gibt es in jeder Geschichte, wenn man darunter nur ein Dazulernen versteht und nicht eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Reifung der Figur. Gesellschaftskritisch kann jeder sein, dazu reicht ein einziger Satz, aber Themen nur anzureißen ist etwas anderes, als sie ins Zentrum der Handlung zu stellen und sich tiefgehend mit gesellschaftlichen Problemen zu befassen. Manchmal reicht es aber schon, dass in einer Geschichte ein Thema flüchtig angesprochen wird, das man für interessant und wichtig hält, z. B. Mobbing, um einem das Gefühl zu geben, dass die Story anspruchsvoll ist. Noch deutlicher wird das bei Emotionen. Wir Menschen sind emotionale Wesen. Wenn uns eine Geschichte emotional berührt, dann muss das Handwerk schnell ruhen und wir sind restlos begeistert. Berechtigterweise, denn der Autor hat uns ja erreicht. Trotzdem zeigt das sehr gut, wie voreingenommen wir eigentlich sind. Ich finde diese Voreingenommenheit übrigens nicht schlimm, weil sie eben menschlich ist, aber man sollte nie vergessen, dass man nichts neutral bewertet.

    Nun seid wieder ihr an der Reihe. Stimmt ihr mir zu oder seid ihr anderer Meinung?

  2. #2
    In einem Videospiel gibts selbstverständlich durch die aktive Komponente weniger Zeitanteil in dem man einfach nur zuguckt und aufnimmt, was in Film und Fernsehen ja durchgehend der Fall ist. Ich bin der Meinung, dass eine Erzählung nicht nur in Worten ausgedrückt wird, sondern in Filmen auch durch Visuelles und Akustik. Als Konsequenz ist es für Geschichten in Spielen notwendig, denke ich, dass der spielerische Teil auch als Teil der Erzählung begriffen werden kann.

    Im besten Falle ist die Story kein Gips der die Level zusammenklebt. Im besten Falle erzählen die Level genau so die Geschichte wie es die Cutscenes tun, nur halt nicht in Worten.

    Wir kennen das Beispiel aus dem Tomb Raider Remake, in der einen Minute heult Lara weil sie einen gekillt hat, in der nächsten veranstaltet sie ein Massaker mit dem Granatwerfer.

    Anderes Beispiel wäre Spec Ops: The Line ( eines der inhaltlich besten Spiele die je gemacht wurden ).
    Ohne jetzt viel spoilen zu wollen, es ist die Geschichte dessen, was Krieg aus Menschen macht, aus uns dem Protagonisten. Während er anfangs noch schwer verletzten Feinden einen schmerzlosen Gnadenschuss in die Stirn gibt, zertrümmert er später lebenden Menschen den Schädel mit dem Gewehrkolben, und es wirkt in dem Moment nicht mal mehr sonderlich krass. Die Geschichte des Spieles ansich ist nichts aussergewöhnlich Besonderes, aber trotzdem unglaublich intensiv. In keinem Spiel sonst, auch keinem Nonlinearen mit extra eingebauten krassen Entscheidungen, hatte ich jemals so ein gefühl von "Scheisse, was hab ich da getan?" als in diesem recht kurzen, linearen Shooter. Auch im Leveldesign findet sich das Thema des Spieles wieder. Man steigt stets in Schluchten herab, von Hochhäusern nach unten. Wenn man mal drauf achtet kann es gar nicht sein, dass man so oft irgendwo runtergeht und doch nach dem nächsten Häuserblock wieder oben rauskommt und wieder runter muss. Das mag nicht logisch sein, aber es spiegelt wieder was passiert und was man tut.

    Story ist in allem, in der Art wie man spielt, was man tut und in der Umgebung.

  3. #3
    Ich wusste gar nicht, dass du so ein Romantiker bist. Es gibt sicher Spiele oder Momente, da ist das Gameplay Teil der Erzählung. Wenn man z. B. gegen einen Endgegner kämpft, über den vorher etwas erzählt wurde. Doch wenn mich gerade durch unzählige Mobs kämpfe und zwischendurch Heiltränke aufsammle, hab ich nicht das Gefühl, etwas zur Handlung beizutragen. Oder wenn ich das Commonwealth vom Kruppzeug befreie und die Leute feiern mich dafür (ich spiel gerade Fallout 4), dann hab ich auch nicht das Gefühl, einer Story zu folgen.

    Geändert von Kelven (08.04.2016 um 15:04 Uhr)

  4. #4
    Wenn die Motivation eines Protagonisten darin besteht, ganz dringend seinen Sohn zu finden und und das Gameplay daraus besteht sich mit möglichst vielen anderen Dingen die Zeit tot zu schlagen, ist das vielleicht auch nicht die günstigste Kombination.

  5. #5
    Für mich besteht der erzählerische Hauptunterschied zwischen Film/Buch und Spiel in im fehlenden festen Ablauf. Selbst ein lineares Spiel, das zumindest alle Dinge - hier noch dem Buch vergleichbar - in eine feste Reihenfolge bringt, hat keine festen zeitlichen Abstände zwischen den Einzelstationen. Der Grund ist natürlich der Spieler, dessen Erkunderneugier, Tastentalent, Abschweifungssehnsucht oder vorpreschendes Ungestüm alles über den Haufen wirft, was ich mir als Erzähler an Gedanken zu Timing, Erzählbögen, optimalen Wirkungsspannen zurechtlegen mag.

    Wer von Spielegeschichten auf dieselbe Art ergriffen werden möchte wie von den narrativen Angeboten der passiven Medien, wird als Spieler vermutlich enttäuscht. Wer als Entwickler in seinem Spielverlauf dieselben Kontrollmöglichkeiten über das Publikum nutzen möchte (Worauf ist die Aufmerksamkeit genau jetzt in Minute 80 gelenkt?), ist womöglich im falschen Medium unterwegs.

    Ich versuche der Herausforderung mit dem Konstrukt der geteilten Autorenschaft zu begegnen. Als Entwickler steuere ich eben nicht alles zur Handlung bei, der Spieler ist mindestens Kopilot und hat eine entsprechende Teilverantwortung für den Erfolg der Reise. Spielt er im Höhö-Modus gezielt gegen die mutmaßliche Absicht des Spiels an, hat er den narrativen Schaden. Der einseitige Fingerzeig auf den Entwickler verkennte dann die Eigenverantwortung des Spielers im interaktiven Erzählmodus. Hier schreibt er mit seiner Kreativität am Erfolg der Geschichte mit. Die Interaktion als Summe der mechanischen Einwirkmöglichkeiten und ihrer Reflektion ist die Kommunikationsform unseres Mediums.

  6. #6
    Ich denke diese Unterbrechungen in Spielen durch das Gameplay sind auch einer der Gründe, warum man länger Spiele spielen kann als Filme schauen.
    Ich beobachte das an mir selbst.
    Wenn ich mal Zeit habe und mir eine ganze Staffel anschauen will, dann brauche ich irgendwann ne Pause und muss was tun (aktiv) und nicht nicht nur stumpf auf den Bildschirm starren (passiv).
    Oder - was eher passiert - ich greif nach meinem Handy und Spiele nebenbei Casual Games.
    Das ist dann der große Vorteil des Unterschiedes der beiden Erzählweisen Spiel <-> Film/Buch.
    Im Spiel schaue ich mir einen kurzen Clip an/eine Zwischensequenz/lese einen Bericht/Zusatztexte/ etc (passiv) und hab dann wieder ne Zeitlang Aktion/Rätsel oder worum es im Spiel geht (aktiv).
    Das hatte ich ja schon mal erwähnt (und steht auch in dem Start-Post), man kann beide Teile jeweils auch als Belohnung sehen:
    Du hast etwas im Gameplay geschafft: hier ein Stück Story zur Belohnung.
    Du hast dir die Story erfolgreich angeschaut: Hier etwas (neues) Gameplay zur Belohnung.

    Und gerade auch das der Erfolg eines Produkts (egal welches Medium) von Kleinigkeiten abhängen kann, da gebe ich dir recht.
    Ich habe vor kurzem den 50-Episoden langen Anime "Anne mit den roten Haaren/Anne of Green Gables" von 1979 gesehen und bin völlig begeistert von ihm.
    Das liegt hauptsächlich an der genialen Emotionalen Atmosphäre, die die Entwickler geschafft haben aufzubauen.
    Wenn man's mal ganz nüchtern betrachtet, ist die ganze Sache eigentlich ziemlich "bescheuert":
    Knapp 17 Stunden uralter Kinder-Zeichentrick, der dazu noch schlecht gezeichnet ist und eine Story hat, die im Original als ungekürztes Hörbuch gerade mal die Hälfte der Zeit lang ist.
    Man hätte die gesamte Story auch locker in 12 Folgen erzählen können, ohne etwas auszulassen, es passiert ja kaum was.
    Und dennoch fand ich ihn richtig gut.
    Weil er mich emotional gepackt hat.
    Dagegen verblassten die anderen Defizite und haben mich nach kurzer Zeit garnicht mehr gestört.

    Das ist dann auch die größere Herausforderung eines Spiels; sowohl Gameplay und Story müssen so packend sein, das sie einen zum weitermachen motivieren.
    Die meisten kennen das bestimmt: Ein tolles Spiel, man will wissen, wie es weitergeht, aber weil man einer Stelle immer und immer und immer wieder verreckt, wirft man das Gamepad irgendwann in die Ecke und das war's mit dem Spiel.
    Eine "Kleinigkeit" hat das gesamte Erlebnis Zerstört und abrupt beendet.
    Oder manchmal reicht ein nerviges Element, das immer wieder stört.
    Dann will man vielleicht weiterspielen, denkt aber "och nee, dann muss ich mir wieder das und das antun. Morgen Spiel ich weiter".
    Und dabei bleibt es dann und bleibt irgendwann ganz im Regal liegen.

    Gerade Story ist ein sehr schweres Themenfeld.
    Es ist etwas künstlerisches, und zu Kunst gibt es kein richtig und falsch (aber das hatten wir ja schon zur Genüge festgestellt).
    Es gibt nur "Gefällt mir" oder "Gefällt mir nicht".
    Und wahrscheinlich gibt es da ebenso viele Begründungen, warum es das eine oder andere ist, wie es Leute mit Meinungen dau gibt.
    Man muss einfach ausprobieren und hoffen, dass der eigene Mix aus Elementen die Leute ("Zielgruppe") anspricht.
    Es gibt ja mehr als genug Beispiele, wo das theoretisch bessere Werk von der Masse verschmäht wurde und "Schund" eine breite Zustimmung erfuhr.
    - Harry Potter: von der Kritik zerrissen, von Millionen geliebt.
    - Panem: Gute Idee, mies geschrieben und hat dennoch 4 erfolgreiche Filme bekommen.
    - Catwoman(ist das einzige, was mir gerade als Gegenbeispiel einfällt^^): Ich fand ihn Super, gut geschauspielert und gute Story; dennoch hat er eine schlechte Wertung und Hally Berry die Goldene Himbeere bekommen.

    Es gibt einfach viel zu viele Elemente, die darüber entscheiden, ob etwas gut oder schlecht ist.
    Und die meisten (und wichtigsten!) haben noch nicht mal etwas mit dem Objekt selber zu tun.

    Nochmal als Fazit: Spielestorys sind anders, müssen meiner Meinung nach aber nicht weniger gehaltvoll oder Detaillreich sein als andere Medien.
    Sie haben nur noch die aktive Komponente, die Jederzeit bei der Entwicklung der Story berücksichtigt werden muss.
    Durch das Einbinden des Zuschauers in die Handlung (ich beobachte nicht, sondern bin mitten drin) kann das Erleben der Story sogar noch intensiviert werden, was bei passiven Medien erheblich schwerer zu erreichen ist.
    Und wie Corti schon erwähnte, erzählt auch das Gameplay, die Umgebung und alles was man sieht und womit man interagieren kann die Story mit.
    Gerade die ganzen Nebenhandlungen können die Story so dicht machen, wie es ein Buch oder gar ein Film nie könnten: Man quatscht hier mit einem NPC-Pärchen, das aus der Stadt ausgerissen ist um einen Neuanfang zu machen, dort findet man eine Verlassene Hütte im Wald mit einer versteckten Kiste in der ein Stumpfes Schwert ist, das wohl mal ein Räuberunterschlupf war und die Stadtwache lästert über den neuen Leutnant, der wohl ein Prolet ist und wohl nur wegen politischer Intrigen an diese Stelle gesetzt wurde.
    Als diese Details verdichten eine Story und die Welt in der man sich befindet viel Stärker als eine Lineare Geschichte, in der man keine Handlungsgewalt hat.
    höchstens ein Buch kann diesen Detaillgrad erreichen (wenn es sehr Dick ist oder gleich mehrteilig), jedoch fehlt hier dann immer noch die eigene Entscheidung: Will ich mit den Leuten reden? Die Hütte betreten? Handle ich mit dem Brückenwächter, verhaue ich ihn oder schleiche ich mich um ihn herum, was wiederum meinen Charakter verändert - wenn nicht für das Spiel so doch für mich als Zuschauer.
    Selbst mein Verhalten im Gameplay (vorpreschend, langsam und ruhig, aggressiv, passiv) ändert oft die Story des Spiels.
    Und gerade viele modernere Spiele berücksichtigen sowas im Verlauf der Story und passen entsprechende Details im weiteren Spiel entsprechend an (bestimmte Sachen sehen anders aus, Beziehungen sind anders, Fähigkeiten sind anders, ...).

    Man sieht also: Ein hochkomplexes Thema, zu dem es schwerlich eine konkrete Meinung gibt, die wirklich alles abdeckt, vor allem nicht alle Genres und selbst innerhalb eines Genres kann man das nur bedingt eingrenzen, was richtig und was falsch ist.
    Bzw. - um Bezug zur Anfangsfrage zu nehmen - was der Unterschied einer Buch-/Filmstory zu einer Gamestory ist.

  7. #7
    Ich bin nicht so der Fan von variablen Handlungssträngen und Storyfortschritt ist mir immens wichtig. Optionalitäten verwischen mMn die Konsistenz und Aussage. Dazu kommt, dass oft die Ressourcen fehlen, um größere Alternativverzweigungen zu entwickeln. Oder wo sieht man schon einmal, dass entweder Ort A oder B besucht werden kann, dort individuelle, wichtige Elemente stattfinden und das Spiel sich je nachdem anders fortsetzt? Eigentlich ist es fast immer nur eine globale Integralvariable, die Auswirkungen auf Mechanik oder die Endsequenz hat, oder aber es sind Schalter für einzelne Elemente, die sich gar nicht durchpropagieren.

    Deshalb sehe ich keinen gravierenden Unterschied in der Beschaffenheit des Plots. Spiele haben aber den Vorteil, dass man bei Bedarf abschweifen kann, mehr auf eigene Faust von der Welt erfährt, dadurch einen erhöhten Bezug herstellt. Man stellt sich vor Herausforderungen, schafft Etappenziele, hat Varianz. Bei passiven Medien ist es leicht, abzuschalten und den Inhalt auf sich zukommen zu lassen. Bei Videospielen muss man schauen, wo es weitergeht und kratzt dadurch mehr am Rand, muss den roten Faden finden und setzt sich durch Ungewissheit zwangsweise mit Theorien und Möglichkeiten auseinander. Es beflügelt die Fantasie. Kontroversen sollten aber alle Arten von Werken aufweisen, um diesen Point of Interest beanspruchen zu können. Überpoliertheit macht einen Mangel an Aussage nicht wett.

    real Trolls Beitrag gefällt mir. Ich bin nicht der Meinung, dass durch den Einfluss des Spielers bestimmte Geschichten nicht gehen oder ganz anders erzählt werden müssen, aber das Gameplay münzt sich auf jeden Fall auf das Setting und das Erlebnis. Irgendwo hatte ich letztens auch gelesen, dass ein eingeschränktes Szenario einen größeren kreativen Effekt hervorruft, als wenn man keine Vorgaben hat.

    Geändert von WaterKnight (09.04.2016 um 23:07 Uhr)

  8. #8
    Neben dem bereits erwähnten Gameplay Elementen fällt mir als Unterscheidung auch die Perspektive ein. Ein Spiel wird immer aus der Ich-Perspektive erzählt/gespielt. Lediglich Zwischenszenen können aus anderen Perspektiven erzählt werden. Ein Film wechselt ständig die Perspektiven und Blickwinkel.

  9. #9
    Nein, das ist nicht korrekt. Die Erzählperspektive in Spielen ist genauso unterschiedlich wie in jedem anderen Medium auch.

    Es gibt Spiele, in denen Erzähler und Spielfigur ein und dieselbe Person sind, dann gibt es aber auch Spiele, in denen der Erzähler eine eigene völlig losgelöste Identität ist (siehe Vampires Dawn z.B.). Dann gibt es aber auch Spiele, die nochmal eine erzählerische Trennung zum Spieler vornehmen, wodurch dieser meist als eine Art "göttliches Wesen" in Bezug auf das Spiel gilt, weil er die Handlungen der Charaktere usw. beeinflusst. Da ist man als Spieler Beobachter und Teil der Erzählung. Beispiele hierfür wären (Die Legenden von) Numina in RPG Maker Kreisen oder im Rahmen großer kommerzieller (J)RPGs: Bravely Default und Bravely Second.

    MfG Sorata

  10. #10
    Zitat Zitat von sorata08 Beitrag anzeigen
    Nein, das ist nicht korrekt. Die Erzählperspektive in Spielen ist genauso unterschiedlich wie in jedem anderen Medium auch.

    Es gibt Spiele, in denen Erzähler und Spielfigur ein und dieselbe Person sind, dann gibt es aber auch Spiele, in denen der Erzähler eine eigene völlig losgelöste Identität ist (siehe Vampires Dawn z.B.). Dann gibt es aber auch Spiele, die nochmal eine erzählerische Trennung zum Spieler vornehmen, wodurch dieser meist als eine Art "göttliches Wesen" in Bezug auf das Spiel gilt, weil er die Handlungen der Charaktere usw. beeinflusst. Da ist man als Spieler Beobachter und Teil der Erzählung. Beispiele hierfür wären (Die Legenden von) Numina in RPG Maker Kreisen oder im Rahmen großer kommerzieller (J)RPGs: Bravely Default und Bravely Second.

    MfG Sorata
    Und auch in Filmen gibt es durchaus Beispiele, die aus der Ego-Perspektive ablaufen: http://www.moviepilot.de/liste/filme...ive-rob-zombie
    Ob die dann das gleiche Erlebnis bieten wie ähnliche Spiele (Immerhin kann ich als "ich" auch entscheiden, was "ich" mache - im Rahmen der Möglichkeiten des Spiels), lass ich mal dahingestellt, aber es gibt sie.

  11. #11
    Cooles Thema. Da hab ich in letzter Zeit auch viel darüber nachgedacht.

    Zitat Zitat von Kelven Beitrag anzeigen
    Was unterscheidet Spielstories von denen anderer Medien? Welche Auswirkung haben diese Unterschiede?
    Also, der Unterschied zu einer Story in einem Buch oder in einem Film ist, dass der Spieler ihren Verlauf beeinflussen kann. Es kommt darauf an, dass der Spieler etwas macht, sonst kommt auch die Story nicht voran. Und die Geschichte kann nicht-linear sein, man kann also verschiedene Wege durch die Story nehmen, und am Schluss z. B. verschiedene Enden haben.
    So wie ich das verstehe, macht diese Nicht-Linearität die Geschichte zu etwas völlig anderem als eine Geschichte in einem Buch. Geschichten in Büchern und Filmen sind wie die Vergangenheit - ihr Verlauf ist festgeschrieben und nicht mehr veränderbar. Nicht-lineare Geschichten in Spielen sind dagegen wie die Zukunft - es steht noch nicht fest, was passieren wird, und man hat verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten.
    Und dadurch kann man dem Spieler das Gefühl geben, dass er tatsächlich was beeinflussen kann. Während er bei einem Film oder einem Buch bloß passiver Zuschauer ist. Dadurch gibt es gnaz neue Möglichkeiten, die wie ich finde noch nicht annähernd ausgeschöpft sind.

    Zitat Zitat von Kelven Beitrag anzeigen
    Der auffälligste Unterschied zwischen einem Spiel mit nennenswerter Handlung und einem Buch oder Film ist das Gameplay. Die Handlung wird immer wieder und für längere Zeit unterbrochen. Meistens machen die spielbaren Abschnitte den Löwenanteil des Spiels aus. Soweit wird mir denke ich niemand widersprechen. Die Handlung eines Spiels hat die Funktion, die Spielabschnitte miteinander zu verbinden und - wenn ihre Bedeutung für das Spiel groß genug ist - auch als Motivator und Belohnung zu dienen.
    Damit wären die Geschichte und das Gameplay quasi voneinander getrennt. Das muss aber nicht so sein. Man kann auch versuchen, die Gameplay-Elemente in die Story mit einzubeziehen. Finde ich für ein Spiel mit viel Story auf jeden Fall erstrebenswert.

    Zitat Zitat von Kelven Beitrag anzeigen
    Formal gesehen sind Spiele den Filmen näher als den Büchern. Die direkte Rede der Bücher findet man zwar auch in Spielen wieder, aber alles, was in Büchern von einem Erzähler beschrieben wird, stellt ein Spiel wie der Film mit Bildern dar, wobei es von Spiel zu Spiel natürlich große Unterschiede gibt.
    Man kann auch rein text-basierte Spiele machen - aber um die soll es glaube ich nicht gehen.
    Interessant finde ich aber, dass es auch Spiele mit grafischer Ausgabe gibt, die ihre Story trotzdem hauptsächlich über den Text rüberbringen. Da fällt mir z. B. Planescape - Torment ein. Das hat eine grafische Ausgabe, aber vieles wie z. B. Beschreibungen von Personen werden immer noch über Text vermittelt. Natürlich stammt das Spiel auch noch aus einer Zeit, in der die grafische Ausgabe auch noch nicht so toll war. Aber das erstaunliche ist, dass die Texte das zumindest teilweise ausgleichen können - die tragen echt viel zur Atmosphäre bei. Und ich glaube, dass selbst eine grafische Ausgabe nach heutigen Maßstäben noch nicht ausreicht, um z. B. Mimik und Gestik so nuanciert zu vermitteln, wie Text das kann. Kann aber gut sein, dass das in den nächsten Jahren noch kommt...

    Geändert von StorMeye (10.04.2016 um 23:41 Uhr)

  12. #12
    Spiele ignorieren oft den Faktor Zeit. Örtlich sind sie weitschweifend, aber Erzählzeit und erzählte Zeit sind weitestgehend identisch. Dadurch gibt es wenig Platz für Charakterentwicklung. Die wird an effekthascherische Wendepunkte geknüpft, statt sie graduell aufzubauen. Für graduellen Aufbau fehlt: Zeit. Wo Spiele interaktiv sind, sparen Bücher/Filme aus.
    In Final Fantasy gehe ich jede Treppe hoch und runter. Muss ich, um von A nach B zu kommen. In Final Fantasy bekämpfe ich jeden Gnom. Muss ich, um stärker zu werden.
    Bücher/Filme würden das nicht zeigen, weil es nichts zur Handlung beiträgt und uninteressant ist. Hier erweist sich Interaktivität (bisher) als Krux. Spiele müssen es schaffen, zeitlich ähnlich komprimiert zu erzählen wie Bücher/Filme, um inhaltlich ähnlich komplex sein zu können. Mir ist kein Spiel bekannt, dass das geschafft oder überhaupt versucht hätte. Wenn mich nicht alles täuscht, ist das auch einer der Hauptkritikpunkte unseres guten, alten Freundes Chris Crawford.

  13. #13
    Mir würde zu dem Beispiel von Owly direkt "The Stanley Parable" einfallen.
    Das Spiel (sorry, ich meinte der Walking-Simulator) ist an sich ein ziemlich interessanter Ansatz was Erzählstruktur betrifft, nicht nur in Spielen, sondern generell.
    Die Art und Weise wie non-linearität, vorranschreiten im Spiel und simultane "Handlung & Geschichte" mit dem "Gameplay" (Laufen und Dinge ansehen, sowie mal Knöpfe drücken) verknüpft wurden, haben mich besser unterhalten, als jedes epische Mega-RPG.
    Wenn man so eine Art des Storytelling mit einem gigantischen Budget und viel Gehirnschmalz in Sachen Gamedesign umsetzen könnte, könnte man sicher auch diese Unterschiede zwischen Spiel /Buch-Film verschwimmen lassen.

    Natürlich kann man den Handlungs- und Erzählfluss eines Buches, Filmes oder eines ähnlichen Mediums nicht mit den durch Gameplay-Passagen durchbrochenen Stellen eines Spiels gleichstellen.
    Aber möglich ist es sicher. Da gebe ich StorMeye recht, das ist längst noch nicht ausgeschöpft und da wird hoffentlich auch noch einiges auf uns zu kommen.

  14. #14
    Ein großer Unterschied zwischen aktiv- und passiv-Medien ist mir heute bewusst geworden.
    Ich hab mir den Film "die 5. Welle" angeschaut.
    Vom Bild, den Effekten und auch von der Schauspielerischen Leistung her war der recht gut, eher im oberen Bereich angesiedelt.
    Die Story jedoch hat ein paar massive Lücken und Logikfehler, weshalb er eine verdiente IMDB-Wertung von nur 5.2/10 hat.
    Ich hab mich über die Fehler geärgert und das hat mir ein Stückweit den Spaß am sonst ja guten Film genommen.
    Heute Abend hab ich dann nach einigen Monaten wieder mal meine PS3 angeschmissen und Killzone 3 gespielt.
    Ist nicht das beste Ballerspiel aber für sein Alter hat es akzeptables Gameplay.
    Aber auch hier ist die Story wenig durchdacht und massiv konstruiert ("Tomb-Raider-Problematik": Links und rechts sterben haufenweise Kameraden aber wenn einer der Hauptfiguren eine kleine Macke abbekommt geht gefühlt die Welt unter und das muss gerächt werden oder auch "Ich lasse niemanden zurück (der keine Hauptfigur ist)!") inklusive einiger Fehler.
    Dennoch kam mir das hier nicht so schlimm vor, weil es noch das Gameplay gab und ich mich weniger an der Story aufgehalten habe (hatte ja genug anderes zu tun ).
    Und auch wenn ich dem Spiel nicht so eine hohe Wertung gegeben hätte, hat er bei Metacritic 84/100 Punkten (User: 9,7/10).

    Liegt wohl auch stark am Genre, aber bei Spielen erwartet man nicht unbedingt eine gute Story, wohingegen es bei Büchern praktisch Pflicht ist und Filme dem auch nur minimal nachstehen (viele Horrorfilme funktionieren auch ohne Story und einige Filme schaut man sich nur wegen der Bildgewalt an).
    Der Schwerpunkt ist je nach Medium einfach etwas anders gelagert.
    Und auch wenn es in beiden Lagern ausnahmen in die eine oder andere Richtung gibt, so ist doch die breite Masse je nach Medium (und Genre) ganz klar an bestimmten Werten anzusiedeln.

  15. #15
    @Corti
    Das ist halb so wild. In einem Open-World-Spiel bin ich der Protagonist und mein Sohn (falls ich einen hätte) wurde ganz sicher nicht entführt. Die Geschichte eines Avatars konnte mich bisher in keinem Spiel bewegen und das muss sie mMn auch nicht. Gerade jetzt beim Spielen von Fallout 4 ist mir wieder bewusst geworden, was die Essenz so vieler Spiele ist: Das Töten und Plündern. Und das ist auch gut so.

    @real Troll
    Ja, auch ohne die Möglichkeit, jede wichtige Entscheidung selbst zu treffen, nimmt der Spieler am Storytelling teil, indem er das Tempo der Handlung steuert. Möchte der Entwickler das nicht, so hat er, da stimm ich dir zu, vielleicht das falsche Medium gewählt.

    @WaterKnight
    Zitat Zitat
    Oder wo sieht man schon einmal, dass entweder Ort A oder B besucht werden kann, dort individuelle, wichtige Elemente stattfinden und das Spiel sich je nachdem anders fortsetzt?
    Aus gutem Grund, denn eine Handlung, die zu sehr verzweigt, lässt sich irgendwann nicht mehr beherrschen. Das sehen auch manche Befürworter des Interactive Storytellings so (Chris Crawfords Meinung dazu kenn ich allerdings nicht). Sie schlagen vor, das Spiel in Abschnitte aufzuteilen, in denen die Handlung zunächst verzweigt, am Ende des Abschnitts dann aber wieder zusammenläuft.

    @StorMeye
    Zitat Zitat
    Damit wären die Geschichte und das Gameplay quasi voneinander getrennt. Das muss aber nicht so sein. Man kann auch versuchen, die Gameplay-Elemente in die Story mit einzubeziehen. Finde ich für ein Spiel mit viel Story auf jeden Fall erstrebenswert.
    Machen viele Entwickler es denn nicht genau andersherum? Je wichtiger ihnen die Handlung ist, desto stärker tritt das Gameplay in den Hintergrund und desto mehr nähert sich das Spiel einem Film an.

    @Owly
    Du meinst bestimmt seinen (mehr oder weniger) berühmten Vortrag. Da viele den Vortrag vermutlich nicht kennen, erzähl ich mal, worum es grob geht. Nur sinngemäß, weil ich mich nur noch bruchstückhaft an ihn erinnere. Wir haben folgende Situation:

    Der Held ist in seiner Wohnung und bekommt einen Anruf. Etwas Unglaubliches ist passiert und natürlich muss der Held sofort zum Ort des Geschehens. In einem Film sieht man nur, dass der Held seine Wohnung verlässt und in der nächsten Szene ist er am Ziel. In einem Spiel muss die Spielfigur erst mal die Treppe vom Hochhaus runtergehen (mindestens 10 Stockwerke) und dann 10 Minuten mit dem Auto bis zum Ziel fahren. Zwischendurch kann der Spieler natürlich auf Gegner treffen, falls er nicht sowieso vorher noch x Nebenaufgaben macht.

    Das, was auf Neudeutsch Pacing genannt wird, führt ein Spiel ad absurdum. Man kann darüber streiten, ob das schlimm ist, aber wenn der Spielentwickler primär eine Geschichte erzählen möchte, dann stehen die vielen Unterbrechungen dem Handlungsfluss schon sehr im Weg.

    Ich glaube aber, dass es Chris Crawford nicht nur um die Zeit geht, in seinem Buch (meine Erinnerung kann mich aber täuschen) vertritt er die radikale Ansicht, dass Storytelling und herkömmliches Gameplay prinzipiell nicht zusammenpassen.

    @Mr.Räbbit
    Ich kenn "The Stanley Parable" nicht, aber deine Beschreibung klingt nach Interactive Fiction und Wiki stimmt meiner Einschätzung soweit zu. Ich kann mir gut vorstellen, dass so ein "Spiel" narrativ interessanter ist als ein "herkömmliches Spiel", glaub aber nicht, dass sich beide Mechanismen jemals miteinander vereinbaren lassen. Interactive Fiction konzentriert sich - oder sollte es - auch spielerisch auf das Erzählen, ich sprach das ja schon mal an. Ein Spiel, das gleichzeitig so wie ein Buch oder Film erzählen möchte und spielerisch den Hauptaugenmerk auf das Töten und Plündern legt, kann ich mir nicht so recht vorstellen. Beides würde sich gegenseitig im Weg stehen.

  16. #16
    Zitat Zitat von Kelven Beitrag anzeigen
    Der Held ist in seiner Wohnung und bekommt einen Anruf. Etwas Unglaubliches ist passiert und natürlich muss der Held sofort zum Ort des Geschehens. In einem Film sieht man nur, dass der Held seine Wohnung verlässt und in der nächsten Szene ist er am Ziel. In einem Spiel muss die Spielfigur erst mal die Treppe vom Hochhaus runtergehen (mindestens 10 Stockwerke) und dann 10 Minuten mit dem Auto bis zum Ziel fahren. Zwischendurch kann der Spieler natürlich auf Gegner treffen, falls er nicht sowieso vorher noch x Nebenaufgaben macht
    Das machen aber die wenigsten Spiele auf diese Art und Weise.
    Klar, es gibt welche, wo man die Hauptfigur in Echtzeit steuert und selbst in Cutscenes die volle Kontrolle über den Charakter hat, aber das sind eher die Ausnahmen.
    Selbst in Open-World Spielen gibt es häufiger Schnitte und man taucht plötzlich an dem Ort auf, wo man sein soll, wenn der Weg nicht gerade auch ein Teil der Handlung ist.
    Aber innerhalb einer Story-Passage passiert es nicht selten, das größere Zeiträume und Ortswechsel übersprungen werden.
    Und oft kann man längere Wege auch weglassen (teleporter, man steigt in Taxi/Bus/Zug/Kutsch/Spaceshuttle ein und steigt direkt am Ziel wieder aus, etc.).
    Abseits der Open-World Spiele bestehen die meisten Spiele ja sowieso aus einzelnen geschlossenen Gebieten, die durch eine Storyszene miteinander verbunden sind und auch mal ziemlich weit auseinander liegen.
    Die Wege zwischen den relevanten Orten gibt es also nicht mal.

    Klar gibt es hier mehr Szenen mit Wegen, aber die werden in der Regel mit Gameplay gefüllt und man läuft selten stumpf nur zur nächsten Handlungs-Szene.

  17. #17
    Also ich finde schon, dass dieses Pacing-Problem in vielen Spielen auftaucht. Nicht konkret dieses Beispiel, aber der Spieler kann in der Regel die Handlung beliebig lang hinauszögern, selbst wenn gerade woanders etwas Dramatisches passiert. Oft ist es auch so, dass der Spieler erst eine größere Aufgabe lösen muss, bis er beispielsweise zur Rettung eines Charakters eilen kann. Er muss z. B. durch einen Kerker und solange wartet der Henker mit der Hinrichtung. Selbst wenn der Spieler Monate an Spielzeit für Nebenaufgaben aufwendet.

    Bei Open-World-RPGs ist das mMn sogar noch ausgeprägter. Das Spiel erlaubt dem Spieler so gut wie immer eine Mission beliebig lange zu unterbrechen. Selbst wenn jemand in Lebensgefahr ist oder sogar der Untergang der Welt droht. Das muss aber auch so sein, sonst geht ein Stück der Offenheit verloren und da die Handlung sowieso nur im Hintergrund herumdümpelt, schadet das auch nicht dem Unterhaltungswert.

  18. #18
    Ich geb dir ja recht, dass es das Problem in gewisser Hinsicht gibt, aber nicht so stark wie du es darstellst.
    Ich würde sogar behaupten, dass die meisten Spiele das recht gut regeln und nur bei einigen wenigen das extreme Ausmaße annimmt; hauptsächlich Open-Worlds, da aber auch längst nicht alle und dieser Kategorie gehören sowieso nur recht wenig Spiele an.
    Wenn es schnell gehen muss, dann greifen viele Spiele zu Methoden, um das zu gewährleisten, oder um die Illusion zu erschaffen, das die Zeit eng ist.
    Etwa mit Autofahrten, wo man nur lenken aber nicht bremsen oder sogar nur schießen kann.
    Oder mit einer ablaufenden Zeit bzw. man muss schneller als ein bestimmtes Objekt (Zug, Gegner, etc.) an einem Ziel ankommen.
    Oder auch das eine bestimmte Person nur einen gewissen Vorsprung haben darf und man sonst verloren hat oder die Mission neu starten muss.
    Oder oft bleibt die Story auch Vage "in einigen Stunden" "Diese Nacht" "morgen Abends" "Nächsten Monat".
    Das Spielstunden und real-Zeit nicht dasselbe sind, sollte jedem klar sein.
    Selbst in Filmen können in 10 Minuten erzählter Zeit nur 3 Sekunden in der Story vorantreiben.

    Und wie gesagt, normalerweise wird dieser Weg ja mit Gameplay gefüllt, so dass man als Spieler (wenn's gut gemacht ist) die Illusion hat, dass man sich beeilt hat bzw. dass man auch die Nebenaufgabe noch schafft und trotzdem rechtzeitig da ist.
    Mir fällt jetzt spontan auch kein Spiel ein, wo man sich wirklich beeilen muss - es also auf jede Minute oder sogar Sekunde ankommt - und der Held noch Nebenaufgaben machen konnte.
    Selbst bei Spielen, wo das Hauptziel ist, den die Erde zerstören wollenden Bösewicht aufzuhalten, selbst da ist dieses Unheil eher ein über einem schwebendes Unheil und selten wird gesagt, dass es auf jeden Tag ankommt (und wenn gehört das auch zur Story und wird mit berücksichtig).

    Ehrlich gesagt finde ich den Punkt - in den meisten Spielen! - nicht wirklich als negativ.
    Klar, man kann sich über Paradoxen lustig machen, aber wirklich negativ im Sinne von "das Spiel macht so keinen/weniger Spaß" sieht man das selten.
    Gib doch mal ein paar konkrete Beispiele, wo das wirklich negativ auffällt oder total absurd ist.
    Denn wie gesagt, mir fallen da keine zu ein

  19. #19
    Zitat Zitat von Kelven Beitrag anzeigen
    @StorMeye
    Machen viele Entwickler es denn nicht genau andersherum? Je wichtiger ihnen die Handlung ist, desto stärker tritt das Gameplay in den Hintergrund und desto mehr nähert sich das Spiel einem Film an.
    Das war nicht ganz das, was ich meinte. Ich finde, man sollte versuchen, Story und Gameplay mehr zu vereinen. Sodass man nicht entweder das eine oder das andere hat, sondern beides gleichzeitig.
    Eine Idee wäre, dass Kämpfe noch mehr story-relevant werden. Klar, oft gibt es den Endboss, und wenn man den besiegt, hat man die Welt gerettet. Aber die meisten Kämpfe spielen gar keine Rolle für die Story, obwohl sie es eigentlich sollten. Wenn ich der Anführer einer Gruppe wäre, und würde ein Gruppenmitglied ständig K. O. gehen lassen, würde ich erwarten, dass sich das Mitglied irgendwann beschwert. (Stellt euch einfach mal vor, das Spiel wäre ein MMO und das Teammitglied nicht Computer-gesteuert, sondern ein Mensch. Der würde sich doch garantiert beschweren, wenn er ständig K. O. geht).
    Das ist natürlich nur ein Beispiel. Allgemein denke ich, dass die Story mehr daraus entstehen sollte, dass die Spielwelt auf das reagiert, was der Spieler tut. Dann spielt es eine Rolle, was der Spieler macht.

    Zitat Zitat von Kelven Beitrag anzeigen
    @Owly
    Du meinst bestimmt seinen (mehr oder weniger) berühmten Vortrag. Da viele den Vortrag vermutlich nicht kennen, erzähl ich mal, worum es grob geht. Nur sinngemäß, weil ich mich nur noch bruchstückhaft an ihn erinnere. Wir haben folgende Situation:

    Der Held ist in seiner Wohnung und bekommt einen Anruf. Etwas Unglaubliches ist passiert und natürlich muss der Held sofort zum Ort des Geschehens. In einem Film sieht man nur, dass der Held seine Wohnung verlässt und in der nächsten Szene ist er am Ziel. In einem Spiel muss die Spielfigur erst mal die Treppe vom Hochhaus runtergehen (mindestens 10 Stockwerke) und dann 10 Minuten mit dem Auto bis zum Ziel fahren. Zwischendurch kann der Spieler natürlich auf Gegner treffen, falls er nicht sowieso vorher noch x Nebenaufgaben macht.

    Das, was auf Neudeutsch Pacing genannt wird, führt ein Spiel ad absurdum. Man kann darüber streiten, ob das schlimm ist, aber wenn der Spielentwickler primär eine Geschichte erzählen möchte, dann stehen die vielen Unterbrechungen dem Handlungsfluss schon sehr im Weg.

    Ich glaube aber, dass es Chris Crawford nicht nur um die Zeit geht, in seinem Buch (meine Erinnerung kann mich aber täuschen) vertritt er die radikale Ansicht, dass Storytelling und herkömmliches Gameplay prinzipiell nicht zusammenpassen.
    In einem text-basierten Spiel kann man den Teil weglassen, in dem quasi "nichts passiert". Vielleicht gibt es solche Möglichkeiten für Spiele mit graphischer Ausgabe auch...?

    Zitat Zitat von Kelven Beitrag anzeigen
    Also ich finde schon, dass dieses Pacing-Problem in vielen Spielen auftaucht. Nicht konkret dieses Beispiel, aber der Spieler kann in der Regel die Handlung beliebig lang hinauszögern, selbst wenn gerade woanders etwas Dramatisches passiert. Oft ist es auch so, dass der Spieler erst eine größere Aufgabe lösen muss, bis er beispielsweise zur Rettung eines Charakters eilen kann. Er muss z. B. durch einen Kerker und solange wartet der Henker mit der Hinrichtung. Selbst wenn der Spieler Monate an Spielzeit für Nebenaufgaben aufwendet.

    Bei Open-World-RPGs ist das mMn sogar noch ausgeprägter. Das Spiel erlaubt dem Spieler so gut wie immer eine Mission beliebig lange zu unterbrechen. Selbst wenn jemand in Lebensgefahr ist oder sogar der Untergang der Welt droht. Das muss aber auch so sein, sonst geht ein Stück der Offenheit verloren und da die Handlung sowieso nur im Hintergrund herumdümpelt, schadet das auch nicht dem Unterhaltungswert.
    Auch hier denke ich, dass es einen Unterschied machen sollte, wie der Spieler sich verhält. Wenn eine Figur an einer Klippe baumelt und vom Spieler gerettet werden soll, dann würde ich erwarten, dass sie entweder irgendwann tatsächlich runterfällt, oder zumindest ziemlich sauer auf den Spieler wäre, wenn sie erst 2 Stunden später gerettet wird. Oder sie wird dann von jemand anderem gerettet.
    Das führt natürlich alles dazu, dass die Geschichte nicht immer gleich abläuft. Aber grade dass ist finde ich das Tolle an Geschichten in Spielen. Auch wenn es dadurch viel aufwändiger wird in der Erstellung.

  20. #20
    Zitat Zitat von StorMeye Beitrag anzeigen
    Auch wenn es dadurch viel aufwändiger wird in der Erstellung.
    Und genau das ist das Hauptproblem, warum selbst Spiele mit erheblichen Auswirkungen bei verschiedenen Entscheidungen sich oft (oder eigentlich praktisch immer) dennoch nur marginal unterscheiden.
    Hier und da gibt es andere Szenen und die Enden sind anders (das ist eigentlich der Hauptsächliche Punkt, bei denen mit "Entscheidungen haben Auswirkungen" geworben wird).
    Gutes Beispiel: "Beyond: Two Souls".
    Tolles Spiel.
    Aber das einzige, was sich ändert sind die Endsequenzen, und das je nachdem welche der X Personen, die man retten kann eben rettet oder sterben lässt.
    Alle Anderen Entscheidungen haben nur innerhalb der Szene (wenn überhaupt) Bedeutungen - da können sie auch stärkere Unterschiede machen, teilweise die ganze Szene verändern.
    Aber zum Ende der Szene haben die ganzen Entscheidungen (Außer Tot/Lebendig der Personen) keinen Effekt mehr.
    Und da haben sich die Entwickler wirklich sehr viel Mühe gegeben, die Story zu variieren (Spiel ist auch sehr Storylastig und -betont).

    Wie hoch wäre dann der Aufwand, wenn jede Entscheidung gravierende Auswirkungen haben soll!
    Das kann man höchstens in Online-Spielen haben, weil da die Figuren jeweils von Menschen gesteuert werden und die natürlich alle individuell agieren.

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