Das ist ja alles richtig und anders tue ich es beim Einordnen eines Films für mich auch nicht. Aber wir sind hier im Oscar-Thread. Und es ging um die Academy Awards - darum, Filme, Darsteller und Co. nach Maßstäben einzuordnen und zu prämieren, die den persönlichen Eindruck, Sympathie und Engagement überstehen müssen. Deswegen ist/war Mel Gibson ein guter Darsteller, wenn er auch ein dummer Antisemit ist. Und deswegen ist es mir - in Bezug auf die Verleihung des Oscars(!) - egal, wie Saoirse Ronan zu Brooklyn steht, solange sie das tut, was sie getan hat; nämlich hervorragend spielen.
Das beantwortet die Frage zu Schnittfassung und Co. auch von selbst. Natürlich geht es um das Original, um die Fassung, die in den Kinos lief. Das Drehbuch und die Leistung eines Darstellers kann man in Gänze nur im Originalton beurteilen und so ist es auch gedacht. Die Academy beurteilt eine bestimmte Fassung des Films. Ich habe immer mehr das Gefühl, dass wir hier auf zwei Ebenen diskutieren. Ich bin in sämtlichen Punkten bei dir - aber nicht, wenn es um die Prämierung eines Films geht. Ich selbst finde das Director's Cut Ending von The Butterfly Effect wesentlich besser und stimmiger als die Kino-Fassung. Und das ist nur eins von zahlreichen Beispielen. Stünde ich da aber in der Pflicht, den Film zu prämieren, hätte das 'alternative' Ende keine Relevanz, sofern es nicht die Fassung ist, die berücksichtigt werden soll.
Das Ding mit dem Oktoberfest in Winter Soldier finde ich auch ganz fürchterlich. Ich meine damit gar nicht mal, dass es bescheuert ist, dass es ausgerechnet das Klischee-Oktoberfest geworden ist (obwohl es das ist): Das ist ein viel zu großer Eingriff in den Charakter und damit den Film. Soll aus “I ate his liver with some fava beans and a nice chianti” in der deutschen Synchro ein. "Ich habe seine Leber mit dicken Bohnen und einem netten Weißbier genossen" werden? Nein - weil das nicht das ist, was wirklich zum Charakter gehört. Das ist die schlimmste Art von Fan Service, die ich mir vorstellen kann. Ich wusste bis eben auch nichts davon.
Ich unterschreibe da also vollkommen, was Schattenläufer sagte. Auch, dass die Academy da keine wirklich gute Linie hat, hier mal nach Qualität auszeichnet und da mal nach Message. So gewinnt zwar die beste Darstellerin, aber nicht der beste Darsteller, sondern der, der seit Jahren auf den Sieg wartet und noch dazu am Set eine Menge gefroren hat.
Es gilt dann so auch für die Maßstäbe. Ja - jeder hat unterschiedliche Maßstäbe und achtet auf unterschiedliche Aspekte nicht gleich stark, aber genau das ist der Punkt. Weil es aus der Fan-Perspektive eben willkürlich diverse Aspekte gewichtet, sollte man meiner Meinung nach bei der Award Consideration und generell der 'objektiven' Einordnung versuchen, diese Extra-Miles (die in eine oder die andere Richtung ausschlagen können) nicht zu berücksichtigen. Als Filmfan kann ich mich darüber ja immer noch freuen.
@Oscar-Bait: Itaju hat ja explizit geschrieben, dass die Filme aus der Kategorie 'Oscar-Bait' für ihn schlechtere Drehbücher haben als die originellen Beispiele, die er nannte. Darauf bezog ich mich.