Ich hätte nicht erwartet, dass dieses Spiel, nachdem es den Anfang nicht so aussah, mich doch so in den Bann zieht. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ich diesem Spiel keine legendäre Wertung, also eine 10 von 10, in meinem JRPG-Challenge-Thread geben werde. Dafür stören mich einfach einige Dinge. Ich dachte zuerst sogar, dieses Spiel wird mir gar nicht gefallen. Ich bin auch noch nicht sonderlich weit, habe es knapp 10 Stunden gespielt. Ich bin beim PS4-Spielen Kleider an meine Playstation vor den Fernseher gekettet, weshalb ich aufgrund arbeitsaufwendiger Ostern kaum zum Spielen gekommen bin.

Glücklicherweise hat Kapitel 3 endlich den Zauber und die Magie eines Märchens spielen lassen und auch richtig gutes Story-Telling abgeliefert. Das kann man vom Anfang nicht behaupten. Gerade der Einstieg ist leider ziemlich daneben - für ein RPG. Ich finde, dass es sogar der schlechteste Einstieg seit Ewigkeiten ist. Das liegt nicht unbedingt an der Story, aber an der Art wie es erzählt wird. Hastig und schnell werden Dinge wie selbstverständlich abgehandelt und man hat als Zuschauer/ Spieler noch gar nicht begriffen, was jetzt passiert ist. Man ist noch gar nicht gelandet, noch gar nicht abgeholt. Ich bin nicht unbedingt für eine langwierige und gestreckte Passage. Aber den Angriff von NYC in 5 Sekunden abzuhandeln und Ronalds einziger Kommentar "Oh shit!" wirkt naja, befremdlich. Ronald zum US-Präsidenten zu machen ist vielleicht auch eine Anlehnung an die aktuellen Ereignisse. Momentan ist es ja ein Donald und er hat auch Beef mit einem asiatischen Land... Vielleicht ist das eine Anspielung.

Aber zurück zum Spiel: Auch die anderen Gespräche sind mega knapp. Kaum in Ding Dong Dell gelandet wird nicht mal das nötigste kommuniziert. Das Pacing ist echt merkwürdig. Als hätte man den Anfang zum Schluss programmiert und wäre dabei hinten dran gewesen. Dadurch tut man sich schwer der Geschichte zu folgen und auch in der Welt zu versinken. Glücklicherweise wird diese Dialogsituation ab dem zweiten Kapitel deutlich besser und ab Kapitel 3 kommt das Spiel endlich so weit in Fahrt. Auf einmal haben die Dialoge die richtige Länge und auch die Figuren handeln nachvollziehbar.

Das tun sie nämlich am Anfang auch nicht unbedingt. So wollen die Luftpiraten die Eindringlinge am Anfang ja exekutieren, jaaaaaaa, hinrichten. Dafür dass sie im weiteren Verlauf des Spiels so nett und witzig sind, passt das überhaupt nicht, dass sie am Anfang eiskalte Mörder sind, die ohne mit der Wimper zu zucken die Helden einfach erschossen hätten, wenn Shanty nicht eingegriffen hätte... Als Ronald hätte ich die Typen gehasst und mich nicht mit ihnen - nur zwei Stunden später - verbündet. Außerdem soll es ja ein Märchen sein. Hätte es nicht genügt, die Eindringlinge einfach festzusetzen und sie dann zum Beispiel für den Rettungstrupp zwangszurekrutieren. Das hätte viel mehr Sinn ergeben und die Narration hätte genau so gut funktioniert.

Danach wird allerdings alles um Welten besser. Und die gewohnte Qualität stellt sich ein. Das Kapitel in Goldorado ist ein absolutes Rollenspiel-Highlight. Die Figuren und Charaktere sind nun endlich richtig in Szene gesetzt und zeigen endlich Ihre Persönlichkeit: Die Geschichte ist nach wie vor abgefahren. Sie wird dann auch einfach schön erzählt und hat viele verrückte Ideen. Vom Würfelspiel gegen die Palastwache, bei der es bei einem verlorenen Spiel zwar drei Auswahlmöglichkeiten gibt, die aber auf dasselbe hinausführen (beim nächsten Mal gewinn ich jetzt aber mal) über den Krähdit, bei dem ich übrigens aus dem Lachen nicht mehr rausgekommen bin bis hin zum gezinkten Gerichtsverfahren... Man kann sich ab Kapitel 3 in Ni No Kuni 2 wirklich verlieren. Hätte ich es nach dem misslungenen Anfang nicht mehr weitergespielt, hätte ich wohl eine sehr schlechte Meinung über das Spiel.

Auch richtig toll sind die vielen kleinen Anspielungen und die Details. Das Mech-Book () ist wohl klar woher es kommt, v.a. wo der Händler schon sagt, dass es unverschämt teuer sei. Die vielen Beiträge in dem sozialen Netzwerk des Mech-Books sind auch herrlich, vor allem die Kommentare. Diese nutzen nicht nur die Umgangsformen, wie man sie von Facebook und Co. kennt, sondern die Community kommentiert auch noch so. Nach dem Motto: "Putsch in Ding Dong Dell... R.I.P. Evan" oder "den haben sie doch kalt gemacht". Und wenn Shanty sich dann das Mech-Book der Helden schnappt und selbst einen Beitrag verfasst, ist das Lesen aufgrund ihrer Rechtschreibung auch ein Abenteuer.

Aber nicht nur die Menüs und die Zusatztexte sind toll, sondern auch die vielen kleinen Details in der Spielwelt. So läuft in den Dungeons immer der ganze Hofstaat mit, was das ganze lebendig macht. Die Gnuffis stolpern mal über Steine und rappeln sich auf, Licht und Schatten sehen traumhaft aus und reagieren dynamisch und die Welt ist vollgepackt mit Anspielungen. Ein richtig immersives Spiel also.

Trüben tun den Spielspaß aber auch einige Dinge. Das harmloseste ist noch das Ruckeln. Die Weltkarte ist eine einzige Diashow und manche Kämpfe erinnern entfernt an FF XV, da man meint, Warpangriffe zu vollführen. Der Grund ist jedoch eine eingefrorene Bildwiederholrate. Ebenso stockt einfach mal das ganze Spiel und Bild und Ton hängen hin und wieder. Keine Ahnung welche Engine sie verwendet haben. Vielleicht existiert dieses Problem auch nur auf den einfach PS4-Modellen. Wie schon gesagt, auf meiner eigenen PS4 läuft's nicht mal.
Das zweite Problem ist die an Resident Evil Code Veronica erinnernde Steuerung. Sie ist mords schwerfällig und die Kamera dreht sich - wenn man nicht aufpasst - oft gleich um 180 Grad. Wenn man den Stick hingegen zu leicht bewegt, tut sich gar nichts. Auch die Figur läuft manchmal einfach geradeaus weiter und kommt nicht zum Stehen. Das Fokussieren der Gegner ist manchmal so schwerfällig, dass es gar nicht funktioniert.
Das dritte Problem ist die viel zu kleine Schrift in den Dungeons. Wenn die Truppe gemeinsam unterwegs ist und es gibt keine Cutscenes, dann erscheint die Schrift in einem Textfenster, in dem mir die Schrift zu klein ist. Ich kann da nix mehr lesen. Nach einiger Zeit habe ich aufgegeben, das lesen zu wollen. Sonst muss ich ständig aufstehen und ganz nahe an den Fernseher ran.
Und last but not least ist die sporadische Sprachausgabe wirklich ein Problem. Das ganze ist wie bei Zelda - Breath of the Wild. Es werden so 30 Sekunden-Cutscenes vertont und die eigentlichen Dialoge sind nur zum Lesen. Ich mutmaße, dass das Spiel keine Stunde Sprachausgabe zusammenbringt. Das Problem ist, dass einen das voll aus dem Spiel-Flow rausbringt. Vor allem weil die vertonten Cutscenes auch so komisch abgeschnitten wirken. Hier hat die Regie wohl gepennt. Da wurde so viel Kohle investiert in das Spiel - dass es zumindest grafisch mit AAA-Titeln mithalten kann und dann "vergisst" man die Sprachausgabe. Wirkt irgendwie unfertig.
Die Musik gefällt mir hingegen wieder sehr gut. Sie ist wunderschön - aber leider nicht immer passend. Trotzdem unglaublich geile Musik.

So viel zu Ni No Kuni 2. Werde das Spiel jetzt wahrscheinlich immer vor dem Schlafengehen täglich ein Stündchen spielen. Da ich jetzt schon in Kapitel 4 bin, befürchte ich, dass der Umfang nicht zu groß ist. Eine Höchstwertung in meinem JRPG-Thread finde ich zuweilen unmöglich. Dennoch könnte es immer noch ein hervorragendes Spiel werden.