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Auserwählter
In Silverhope herrschte normalerweise schon beständiges Treiben, aber jetzt, zu Weihnachten, waren die engen Gassen zwischen den Feldern, Hütten und Häusern auf dem ehemaligen Golfplatz vollgestopft mit Menschen. Wiedersehensfreude, wohin das Auge blickte. Hier und da schürten Vultures, die für das erstaunlich kühle Wetter vollkommen unangemessen gekleidet waren, öffentliche Lagerfeuer auf den Plätzen. Der Schnee knirschte unter ihren schweren Soldatenstiefeln, während sich Haile und Raoul durch die Menschenmenge schoben. Selbst unter der dunklen Kapuze konnte Raoul erahnen, dass seine Geliebte ganz und gar nicht glücklich über diese Massen war.
Selbstgebaute Hütten - Sheng bestand darauf, dass die Siedler nicht in den alten Häusern der Suburbs rund um den Golfplatz lebten, sondern sich ein eigenes Leben aufbauten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Raoul rümpfte die Nase und schob sich weiter durch die Menge. Hier und da meinte er, ein bekanntes Gesicht zu entdecken. Diejenigen aus "seiner" Bande, die von den Kultisten nicht verschont wurden oder mit viel Glück den Folterungen entgangen sind, versuchten sich jetzt als Farmer oder hatten sich den Scavengern angeschlossen. Gerade, als er Haile feixend auf einen ehemaligen Rivalen hinweisen wollte, der an einem Stand selbst gezogene Karotten anpries, stellte er fest, dass seine Geliebte verschwunden war. In dem allgemeinen Gewusel war sie schlicht abgetaucht. Und hatte ihn alleine zurückgelassen. Raoul zog einen Flunsch und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Hey... Auch mal wieder aus der Versenkung aufgetaucht?"
Eine bekannte Stimme. Nur erheblich sicherer und fester als früher.
Blades.
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An der Gedenkstelle für all die Opfer der Kultisten schimmerte eine kleine, rußschwarze Metallkette im Reif. Diesel hatte ihr diese Kette mitgegeben, "um die da i'gndwo hinz'legn oder so". Diesel Flamerider, stolzer Vater von Kerosa und Anführer des Flamerider-Clans, war so etwas wie ihr Chef. Er hatte in den Jahren nach der Apokalypse ein Geschäft daraus gemacht, die ehemalige Metropole New York zu plündern und war mehr als entzückt, Haile und Raoul in seine Reihen aufzunehmen. Weniger entzückt war er, natürlich, als er vom Tod seiner Tochter hörte, an dem Haile sich noch immer die Schuld gab. Aber statt sie zu verurteilen, klopfte er ihr mit seiner Bärenpranke auf die Schulter, murmelte etwas vom "Lauf d'r Dinge" und berief sie zu seiner Stellvertreterin.
Heute war New York nach wie vor als Todeszone ein wahres El Dorado für Plünderer. Auch wenn die Gefahr heute eher von einstürzenden Wolkenkratzern als von Zombies ausging. Aber aus dem kleinen Ring von Plünderern hatte sich in den Jahren seit dem Kampf um die Menschheit ein kleiner Staat gebildet. Und Diesel als dessen Präsident war heillos überfordert und heilfroh, mit Haile eine waschechte Heldin zur Verfügung zu haben. All das versuchte Haile stumm irgendwie in Richtung des Monuments für die Toten zu kommunizieren, welches auf dem Friedhof der Siedlung stand und unter vielen anderen auch Kerosas Namen trug.
Haile hörte hinter sich schwere Stiefelschritte im Schnee.
"Hey, Schwe..."
"...?"
"Mh, ich weiß gar nicht, ob "Schwester" noch der angemessene Name ist..."
"...?"
"Naja, ich meine, jetzt wo Sheng und ich...naja...sowas wie verheiratet sind. wäre ich da nicht eher deine ... Mutter?"
"..."
"..."
"Schwester."
"Definitiv, ja, Schwester."
Evi zog Haile zu einer knochenbrechenden Umarmung heran und hielt sie dann wieder eine Armlänge auf Abstand, musterte ihr schwarzes Kleid und ihr Gesicht. Es schien fast, als müsste sie sich daran gewöhnen, dass Haile nicht mehr ganz so großzügig mit dem Kohlestift agierte und irgendwann aufgehört hatte, sich die komplette Augenpartie schwarz zu schminken. Sie war in den letzten Jahren etwas älter geworden, erwachsener und schien erheblich häufiger zu lächeln.
"Sheng wird sich SO freuen, dich in einem Stück zu sehen."
"..."
"...oder willst du noch ein bisschen hier bleiben?"
Evi warf einen Blick auf die restlichen Gräber und ihr Blick blieb vor allem an einem Doppelgrab hängen, an dem ein Amulett in der Morgensonne glänzte. Auch Evi war älter geworden. Haile würde fast sagen, dass die ehemalige Schatztaucherin so etwas wie eine mütterliche Ausstrahlung bekommen hatte, schob diesen Gedanken aber schnell wieder zur Seite. Man hörte viele Geschichten über Evi. In manchen Bars wurde sie als wahrer Engel auf Erden beschrieben, die mit ihrem Lächeln ganze Bürgerkriege abwenden konnte. In anderen Bars wurde sie etwas bodenständiger als "gute Seele" von Silverhorn bezeichnet. Und in den Bars, in denen es jemand wagte "Ist doch nur 'ne Frau" zu sagen - nunja, in diesen Bars hatte Haile mittlerweile Hausverbot, nachdem sie mit dieser Meinung über ihre große Schwester aufgeräumt hatte. Sie blickte Evi an und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln.
"Sheng?"
"Sheng."
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"Jedenfalls, wusstet ihr, dass Australien von einer Hundeplage heimgesucht wird? Ellen... also, Sergeant Boyd, hat nicht schlecht gestaunt, als sie aus ihrem Haus mitten im Outback erst einmal eine ganze Horde an riesigen schwarzen Hunden befördern musste. Die sind nicht aggressiv, sogar ziemlich freundlich, Labradorabkömmlinge oder sowas..."
"Und, hast du dein Herz jetzt endgültig an Australien verloren?"
"Höre ich da neugierige Untertöne, Sheng?"
"Keinesfalls."
"Ne, also gegen das, was die Leute mit Perth gemacht haben, kommt das Outback nicht an. Auch wenn man dort in der Wildnis manchmal vergessen könnte, dass es überhaupt so etwas wie die Apokalypse gab..."
Wingman donnerte sein Schnapsglas auf den Holztisch, an dem vor so vielen Jahren der Schlachtplan ausgetüftelt wurde. Shengs Schnapsglas stand noch gefüllt vor ihm, während er mit einem breiten Lächeln seinem besten Freund bei den Geschichten von seiner Weltreise zuhörte.
"Aber ganz ehrlich, wenn das Wetter besser wird, geht meine Reise wieder los."
"Zurück zu Sergeant Boyd?"
"Was, nein, Europ..."
Die beiden Männer blickten gleichzeitig auf. Mit einem herzhaften Klopfen hatte Evi ihre Ankunft im alten Bunker angekündigt. Sie schob Haile ein bisschen vor sich her, auch wenn die junge Frau den Weg sicher auch alleine gefunden hätte. Wahrscheinlich. Sheng sprang von seinem Platz am Tisch auf und mit wenigen Schritten überquerte er die Distanz zwischen der festlich geschmückten Tafel und seiner Tochter. Er schloss sie fest in seine Arme. Sie hatten sich seit drei Jahren nicht gesehen und Sheng ertrank geradezu voller Stolz im Anblick dieser jungen Frau, die so unverkennbar seine kleine Haile war, aber doch auch eine erwachsene Frau.
"Haile! Wie geht es dir? Alles in Ordnung? Wie war..."
"..."
"Ishiro, lass sie doch erst einmal zu Atem kommen!"
"...!"
Haile drückte sich an ihren Vater und merkte zunächst gar nicht, dass er von hinten angetippt wurde. Eine Teenagerin mit roten Locken mit einem kleinen Kind auf dem Arm war an Sheng herangetreten und drückte ihm das quengelnde Kind in die Hand. Sheng lächelte breit.
"Was hat sie denn?."
"...Die kleine Madame ist wieder zu knietschig um auf dem Arm ihrer Babysitterin zu schlafen. Sie will anscheinend auf Papas Arm."
"Danke, Lily, dass du auf sie aufgepasst hast."
Dann drehte er sich wieder zu Haile um. Das kleine Mädchen auf seinen Armen öffnete müde die Äuglein und blinzelte ihre große Schwester an. Diese blinzelte ebenso verwirrt zurück und ließ ihren Blick von Sheng über Evi und wieder zurück gleiten. Das kleine Mädchen war ganz einhundertprozentig, definitiv und ohne jeden Zweifel das Kind der beiden. Sie hatte dunkle, mandelförmige Augen, einen dunkelbraunen Haarschopf und einen neugierigen Blick. Eifrig grabschte sie nach Hailes hellblonden Haaren, die sich offen über ihre Schultern ergossen. Haile zuckte ein wenig zurück und blickte ihren Adoptivvater an, der fast ein wenig entschuldigend die Schultern hob. Evi dagegen strich sich einmal über den - zu Hailes Schrecken - leicht gewölbten Bauch und strahlte in die Runde.
"Wir dachten...naja, jetzt, wo die Welt sicherer ist, da können wir vielleicht..."
"Und jemand muss die Bevölkerung..."
"Ja, also..."
"Sie... ist süß."
"Ja, und sie ist das vermutlich verwöhnteste kleine Mädchen auf diesem Kontinent."
"..."
"Hallo, meine Kleine. Ich habe gehört, du setzt die glorreiche militärische Geschichte der Shengs fort? Und wo ist eigentlich dieser..."
Wingman kam nun ebenfalls angehumpelt und klopfte der jungen Frau auf die Schultern. Haile blickte sich um, als hätte sie erst jetzt bemerkt, dass ihr Begleiter verschwunden war.
"Nicht, dass er dich verlassen hat... Ha, DU hast ihn endlich in die Wüste geschickt! Oder, oh, bist du vielleicht schwanger und dieser Nichtsnutz hat sich aus dem Staub gemacht? Das sähe ihm wohl ähnlich."
"Positiv wie immer, was, Wingman?"
Raoul war aus dem Gang in den ehemaligen Konferenzsaal getreten - und er war nicht alleine. Der Anblick seines jugendlichen Erzfeindes, noch dazu mit einer anderen Frau als Haile am Arm, sorgte bei Wingman für ein nervöses Keuchen und ein heftiges Augenzucken, und es schien fast, als müsste er den Impuls unterdrücken, eventuelle Wertgegenstände in Shengs Wohnzimmer zu taxieren und sich schützend vor sie zu werfen. Raoul dagegen rollte mit den Augen und die junge Frau löste sich von seinem Arm und strahlte Haile an.
So wie die südlichen Vultures steif und fest und unter der Androhung von lebendiger Häutung behaupteten, Leo wäre diejenige gewesen, die den Knopf gedrückt hatte, so waren die "neuen" Vultures der festen Überzeugung, dass Blades die "Retterin der Menschheit" war. Sie hatten sich von Leos Clan abgespalten und waren in den Norden gezogen, ins ehemalige Silicon Valley in Kalifornien. Blades hatte es versucht. Sich monatelang dagegen gewehrt, dass sie all den Ruhm bekam, aber Gerüchte und Legenden verbreiten sich schneller als die Wahrheit. Und so wurde Blades Vulture, die "Schande der Ahladita", landauf, landab als die Heilsbringerin verehrt. Sie legte den Kopf schief und lächelte einmal in die Runde.
"Wollen wir uns vielleicht erst einmal alle hinsetzen?"
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"Blades, hast du eigentlich etwas von Leo und Jackman gehört?"
Die Miene der jungen Frau verfinsterte sich. Sie seufzte einmal tief, blickte an die Decke, blickte Shengs und Evis Tochter an, die friedlich auf ihrem Arm schlief und blickte dann wieder in die Runde.
"Die südlichen Vultures... sie haben sich mittlerweile über ganz Mexiko ausgebreitet, manchen Berichten zufolge bauen sie sogar die ganzen alten Pyramiden auf Yucatán wieder auf. Leo... also, Seeker, sie ist immer vorne, an der Front gen Süden und kommt nur gelegentlich wieder zurück ins Herz ihres Landes, in ihre Villa an der Grenze. Dort sorgt sie dann zwei Wochen lang für schlaflose Nächte, besonders bei Jackman, und dann verschwindet sie wieder. Ich habe gehört, dass sie dort unten im Süden die ganzen wilden Stämme im Urwald versucht, zu einen. Aber mit ihren üblichen, ... charmanten ... Methoden."
"Und Jackman? Was macht der, wenn Leo nicht da ist?"
"Der hält das Land zusammen. Und züchtet Aloe."
"Aloe?"
"Aloe."
Blades widmete sich wieder dem kleinen Mädchen auf ihrem Arm, hielt ihr ihren Finger hin, grinste sie an und entlockte dem Kind hin und wieder ein glückliches Quietschen. Haile und Raoul blickten sich an. Es war für Haile einfach absolut abstrus und fühlte sich komplett surreal an, dass Evi - EVI - ein Kind hatte. Und das Sheng seiner kleinen Tochter gefühlt mehr Aufmerksamkeit schenkte, als ihr. Beide Eltern waren vollkommen vernarrt in das kleine Mädchen, und Haile saß mit verschränkten Armen am Tisch und beobachtete die Szene. Sie wippte mit dem Bein auf und ab und traf dabei immer wieder Raouls Knie mit ihrer Stiefelspitze. Raoul dagegen grinste breit, lehnte sich zu ihr herüber und flüsterte ihr ins Ohr.
"Du bist eifersüchtig."
"Bin ich nicht."
"Ohhhhh doch."
"Nein."
"Ach komm, ich weiß, wie sowas aussieht. Wenn bei mir in der Bande ein neues Kind ankam, dann waren die anderen Knirpse auch immer super eifersüchtig und haben sich noch heftiger an Blades' Rockzipfel geklammert."
"..."
Haile lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und schürzte die Lippen.
"DU bist eifersüchtig."
"Was?"
"Blades."
"Was?!"
"Du schaust sie an."
"Süße, ich bin nicht eifersüchtig, ich bin horny."
"..."
Haile bedachte ihn mit ihrem eingeübten "Raoul, das ist eine beschissene Idee"-Blick. Er ließ sich davon allerdings nicht abhalten, lehnte sich nach vorne und spannte seine Muskeln ein wenig an. Er grinste Blades an, mit seinem patentierten und erprobten Lächeln, das jede durchschnittliche Barfrau zwischen Silverhorn und New York schwach werden ließ.
Es war nicht sein Ernst. Oder, doch, genau das war es. Während Haile die Augen verdrehte, ließ Blades einmal ihren Blick über ihn schweifen und lächelte dann hintergründig und selbstzufrieden in sich hinein.
"...Jedenfalls, die Aufbauarbeiten laufen gut. Wir haben den Boden rund um die Wasserlöcher befestigt und bauen demnächst weiter an der neuen City Hall..."
"Ian, es ist Weihnachten, denkst Du nicht, dass wir auch morgen noch über unsere Pläne sprechen können?"
"Keinesfalls! Meine Enkelkinder sollen schließlich endlich einen vernünftigen Schulraum bekommen!"
"....und wir können die Räume dann auch nutzen, damit Clover singen kann..."
"....UND Sylvia kann die ganz Kleinen in einem eigenen Raum betreuen. Wir sind ja SO froh, dass sie wieder hier ist! Und Thomas ist zu so einem netten jungen Mann geworden, ich habe gehört, er hilft in der Armenküche aus, wir sollten ihm WIRKLICH ein Präsent zukommen lassen!""
Die Einwohner von Silverhorn, allen voran Dolores und Ian, waren engagiert und sorgten mit ihrer Hände Arbeit dafür, dass die Siedlung seit Jahren immer weiter expandierte. Während Clover als Lehrerin die Kinder und Jugendlichen des Dorfes betreute, waren Ian und seine Schwiegermutter in seltener Einigkeit bestrebt, die Stadtgrenzen immer mehr zu erweitern. Das Leben in Silverhorn war gut. Sauber, sicher und sozial.
Mit leichtem Schaudern dachte Haile daran, dass sie demnächst einmal wieder ein paar übereifrige Plünderer von Manhattan vertreiben musste. Vor allem Gabriel und Lexi waren unfassbar kreativ darin, ihre Sperren und Blockaden immer wieder zu umgehen... Erst letztens war Haile gerade dabei, mit ein paar Soldaten die Brooklyn Bridge zu sichern, als sie von einem unheiligen Gegröle vom anderen Ufer abgelenkt wurde. Inklusive improvisierter und leidenschaftlicher Tanzeinlage von Lexi zu "Hooked on a Feeling". Gabriel fand immer irgendeinen Weg in die Stadt, um New York auch die letzten Schätze zu entlocken und dabei vermutlich irgendwann von einem Fenster erschlagen zu werden.
"Hör auf zu grübeln."
Raoul hatte sich wieder zu ihr rübergebeugt, ein Auge immernoch auf Blades' großzügigen Ausschnitt geheftet.
"...steht dir nicht."
Gerade, als er sich zu ihr beugen und seine Lippen auf die ihren drücken wollte, riss Shengs deutliches Räuspern sie aus dem Kuss.
"Evi und ich bringen dann unsere Kleine ins Bett. Lilly, hilfst du uns bitte dann mit dem Geschirr? Deine Großmutter wird dir da sicher gerne helfen!"
Sheng war aufgestanden und war mit hochrotem Kopf und Evi an der Hand aus der Tür gestürmt. Wingman genehmigte sich noch einen Schnaps und Raoul lehnte sich zurück, wieder vollkommen auf Blades und ihre Brüste fixiert. Eine unheimliche Wut kam in Haile auf. Soll Raoul doch an Blades scheitern. Soll Wingman doch Huffen und Puffen und Schnaufen, und soll Sheng sie doch ignorieren. Sie stand so schwunghaft auf, dass Raoul, der seinen Stuhl wie ein unartiger Schuljunge nach hinten gekippt hatte und sich an ihr abstützte, fast hintenüberfiel. Ohne ihm einen Blick zu widmen, fegte Haile um die Ecke, die Treppe herunter und in den Raum, der früher einmal Ellens Stofflager gewesen war.
Aber statt einer Insel der Ruhe fand Haile einen pastellgrün gestrichenen Raum vor, in dem sich Evi und Sheng gerade über ein kleines Kinderbett beugten und ihrer Tochter etwas vorsangen. Sheng mit erstaunlich schöner Stimme, Evi nur als Unterstützung summend.
Tränen stiegen in Hailes Augen auf, und rückwärts stolperte sie aus dem Raum, hinaus, an die frische Luft. Mit ein paar geschickten Klimmzügen kletterte sie auf den alten Bunker und ließ sich im Schatten des Kamins nieder. Sie war wütend. Wütend auf sich selbst, wütend auf Raoul, wütend auf diese heile Welt hier und wütend auf Sheng. Und während sie da saß, bekam sie gar nicht mit, dass sich ein Dachfenster öffnete und ihr Vater hinter ihr aufs Dach kletterte und sich - vor Anstrengung schnaufend - neben ihr gegen die Wand lehnte.
"Ich will morgen mal zum Forschungszentrum gehen, um nach Howard zu sehen. Der Gute hat sich darin eingerichtet und forscht weiter an Methoden, das Heilmittel flächendeckend zu verteilen, und ich werde ihn ganz sicher nicht aufhalten. Aber naja...ich schaue lieber mal alle paar Wochen nach, ob er noch lebt, man weiß ja nie."
"..."
"Haile..."
"..."
"Ich weiß, du fühlst dich vermutlich so, als würde ich dich vergessen haben... Aber ich wusste einfach nicht, wie ich dir mitteilen soll, dass Evi und ich unser erstes Kind bekommen haben. Du bist so weit weg, und man hört von dir nur Gutes, und da..."
Sheng ließ sich an der Wand nach unten sinken und setzte sich so neben Haile auf das Flachdach des alten Bunkers. Er blickte in den Himmel, und bei dem Lächeln auf seinem Gesicht konnte sie einfach nicht böse auf ihn sein.
"...und ich meine, du bist so wild und frei, da will ich nicht, dass du denkst, dass du hier sein musst."
Haile blickte ihren Vater an, dann auf den Boden und dann wieder zu Sheng. Er war wirklich der liebste, netteste Vater, den man sich wünschen konnte. Sie rückte an ihn heran und legte einen Arm um seine Schultern. Sie spürte, wie sich ein Lächeln auf sein Gesicht stahl.
"Frohe Weihnachten, Haile."
"Frohe Weihnachten, Papa."
Geändert von Caro (21.04.2018 um 02:00 Uhr)
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