Echt? Dich überrascht sowas noch?!
Hasstiraden über "political bias" in Spiel-Reviews, Morddrohungen gegen jemanden, der im Zusammenhang mit Spielen über Feminismus redet, und dich überraschen radikale Meinungen zum Thema Zensur?
Ich bin viel mehr darüber erstaunt wie ansatzweise tragbar es hier im Forum noch zugeht.
Videospiele werden mittlerweise fast so giftig diskutiert wie Politik, und ein Großteil der vertretenen Positionen ist so dermaßen zum Fremdschämen, dass ich schon wieder Grund hätte, dieses besondere Hobby geheimzuhalten. Früher wollte ich nicht als der Supernerd gelten, der den ganzen Tag vorm Fernseher hockt und nie rauskommt und keine Freunde hat. Heute will ich nicht mit den Leuten assoziiert werden, die man im Internet über Videospiele reden hört.
Zuerst mal sollte man nicht den Fehler machen, Zensur zusammenzufassen unter "jegliche Art von Zensur". Es ist in der Sache und im Prinzip nicht das gleiche, ob Journalisten kontrolliert, bedroht, eingesperrt oder ihnen noch schlimmeres angetan wird weil sie über Sachen schreiben, die jemand nicht hören will, und ob in einem Videospiel diverse Darstellungen verboten werden. Statt über "Zensur" im Allgemeinen zu sprechen, reden wir lieber über den betreffenden Gegenstand und um welche Art von Zensur es sich handelt, bevor das Thema ausufert.Zitat von Narcissu
Im konkreten Fall kann man auch wieder konkretisieren: "Bevormundung und Verfälschung des Spielerlebnisses" sind recht gewichtig klingende Begriffe für etwas so Belangloses wie die rein optische Darstellung von Figuren.
Und nur darum geht es: Um eine aufreizende Darstellung von (minderjährigen) Figuren.
Ja, man kann sagen es sei unerfreulich, dass nicht jeder so liberal ist und dass so etwas nicht von jedem toleriert wird, aber es ist soooo abwegig auch nicht, dass solche Dinge von manchen abgelehnt werden.
"Liberalismus" (um das Wort in diesem Sinne mal zu gebrauchen) ist eine feine Sache, aber auch kein Diktat. Es bringt den gesellschaftlichen Diskursv auch überhaupt nicht weiter, auf absoluter Uneingeschränktheit zu beharren und alle mit anderer Meinung als Sonstwas zu beschimpfen. Und einen Schritt weitergedacht ist eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber allem auf jeder Ebene vielleicht auch nicht unbedingt wünschenswert.
Es soll sich jeder bitte mal ein Spiel vor Augen halten, wo das Ziel ist, möglichst viele Kinder zu misshandeln, zu vergewaltigen und anschließend auf möglichst brutale Art hinzurichten.
Ich bin mir sicher, viele sagen "klar, auch solche Inhalte müssen toleriert werden, denn was haben wir denn sonst in unserer Gesellschaft für eine Auffassung von individueller Selbstbestimmung und kultureller Vielfalt, wenn ich nichtmal in meiner Fantasie solchen Dingen nachgehen kann?", aber ich hoffe sehr, es gibt auch ein paar wenige, die angesichts dieser Vorstellung erkennen, dass es Inhalte gibt, die man aus Prinzip nicht dulden möchte, auch wenn man es sich persönlich nicht antun muss.
Klar, zwischen dem vorliegenden Fall und dem von mir skizzierten liegen Welten, und die Fälle sind auch überhaupt nicht vergleichbar. Der Punkt ist, irgendwo werden viele eine Grenze ziehen wollen zwischen dem, was sie noch dulden möchten und dem, was sie aus Prinzip nicht dulden möchten. Der Punkt ist, es gibt (zumindest für manche) eine Grenze. Die Frage ist eben, wo genau die verläuft oder verlaufen sollte.
Vor dem Hintergrund ist es vielleicht nun besser verständlich, wenn manche sagen, ihnen gehen aufreizende Darstellungen minderjähriger Figuren in einem Spiel bereits zu weit.
Man könnte es auch so deuten, dass die Entwickler die Bedenken mancher Menschen (man muss sie nicht immer gleich "Moralapostel" nennen) berücksichtigen wollen. Sei es aus Einsicht oder aus Sorge, an Umsatz zu verlieren. Was genau soll daran falsch sein? Wenn Entwickler ein Interesse daran haben, bestimmte Dinge in ihrem Spiel zu zeigen, können sie das immer noch tun, vorausgesetzt die Länder, in die sie exportieren wollen, erlauben es. Wenn Entwickler aber Gewinn mit ihrem Produkt machen möchten, dann ist nichts verkehrt daran, sich an den Wünschen der Konsumenten zu orientieren.Zitat von Enkidu
Und wenn jemand in seiner Kreativität dadurch nachhaltig beeinträchtigt wird, dass er nicht ALLES in einem Spiel unterbringen kann, was immer er will, würde ich meinen, dass dessen Kreativität auch nicht besonders weit reicht. Manche spezialisieren sich vielleicht gerade auf dieses eine spezielle Gebiet, aber auch dann kann man wenigstens die Frage stellen, warum sie das für besonders reizvoll halten, dass sie es in einem Spiel unbedingt unterbringen wollen. Die Antwort kann ja überraschend erhellend sein, aber dann möge bitte auch jemand sich die Mühe machen, mal damit anzufangen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
Ich höre nämlich immer nur "Warum nicht?" statt ein einziges, halbwegs überzeugendes Argument dafür vorgelegt zu bekommen, warum überhaupt. Und es ist ziemlich unfair, die Beweislast komplett auf die Gegenseite abzuwälzen und sich hinter dem Wort "Toleranz" zu verstecken. Wer Teenies in Bikinis sehen will oder zumindest für komplett unbedenklich hält, darf ja auch mal Stellung dazu beziehen. Es hat auch nichts mit Perversion und Coming Out zu tun. Aber nur plakativ zu vertreten, dass man das doch nicht zensieren sollte, weil Zensur voll blöd ist und so, ist ein bisschen zu einfach.
Dieses "zum Kotzen sein" ist Autonomie. Sieh es mal so rum: Es ist der Gesellschaft noch möglich (wahrscheinlich eh nicht mehr lange), diverse Inhalte aus ihrem kulturellen Raum zu halten, die sie nicht für wertvoll hält, was auch immer dann damit gemeint ist. Den Jugendschutz will ich an der Stelle mal außen vor lassen, weil das für sich schon etwas problematisch ist (brauchts das überhaupt? Verantwortung der Eltern? Kann man überhaupt gewährleisten, dass 18+ Inhalte auch nur Erwachsene erreichen? usw. usw.).Zitat
Ob man auf diesem Recht beharren muss, ist dann wieder eine andere Frage, und ich will nicht sagen, dass dieser Apparat allzu clever aufgebaut ist. Am Ende ist es wirklich eine recht kleine Zahl an Leuten, die nicht immer konsistent und gut begründet darüber entscheidet, was "gesellschaftlich" toleriert wird, und was nicht. Aber ich finde es nicht prinzipiell "zum Kotzen" dass wir immerhin noch das Recht haben, wenigstens theoretisch, noch darüber mitentscheiden zu dürfen was wir für gut und richtig halten, und was nicht. Dazu gehört z.B. auch, dass Kennzeichen und Symbole verfassungsfeindlicher Organisationen verboten sind. Die werden nicht verboten weil es "Meinungszensur" gibt, sondern weil sich die Leute denken, dass wir ein Recht haben sollten, nicht jeden Scheiß für recht und billig halten zu müssen.