"Sag Gute Nacht, Schwester."
"..."
"...Gute Nacht, Schwester."

Mit einem gurgelnden Geräusch schnappte Georgina nach Luft, Blut lief aus ihrem Mund, der immer noch in ein hasserfülltes Grinsen verzogen war. Haile öffnete die Augen und sah, wie sich Georginas eigener Dolch durch ihre Brust bohrte.

"...!"

Georgina fing an wild zu kichern, wie ein kleines Mädchen.

"...Denkst du wirklich, dass es so einfach ist?"

Mit einer fließenden Bewegungen drehte sich Georgina um und riss mit ihren langen Krallen Raoul um, der plötzlich so nah war. Haile, unfähig sich zu bewegen, blickte verwirrt auf das kämpfende Paar. Georgina war wie eine kreischende Furie, und warum greift sie jetzt Raoul an? Es dauerte einige Sekunden, bis das Mädchen realisierte, was passiert war.

"..."
"Fick dich, dann bringe ich eben euch BEIDE um!"

Oh nein. Das wirst du nicht. Haile sprang auf die Beine und sprintete zu Raoul und Georgina, die sich waffenlos auf dem Boden prügelten. Mit ihren langen Nägeln hatte ihre Schwester einen klaren Vorteil und hatte bereits Raouls Blut an den Händen. Seine Arme wurden von Georgina zerfetzt, seine Narbe im Gesicht blutete stärker als je zuvor. Er wehrte sich allerdings verbissen, hielt sie immer wieder an den Handgelenken fest, bis sie sich losriss und wieder ausholte.

"...!"

Mit einem Satz sprang Haile auf Georginas Rücken und trieb ihre Zähne in ihren Hals. Die helle, makellose Haut brach unter der Gewalt und Haile schmeckte das Blut ihrer Schwester. Ein markerschütterndes Kreischen erfüllte den Kampfring, als Georgina vom Schwung des Sprungs umgerissen wurde und sich ihr Opferdolch noch tiefer in den Körper bohrte. Mit einer unglaublichen Kraft schüttelte Georgina Haile ab und warf sie förmlich von sich. Das Kultistenmädchen rollte zur Seite und blieb wenige Meter entfernt von ihrer Schwester liegen, die irre lachend aufgestanden war und sich die Wunde an ihrem Hals hielt.

"...!"

Georgina hatte noch nicht aufgegeben, sie stürzte sich mit neuem Hass auf Raoul, der schon bewegungslos am Boden lag. Mit einem Schrei trieb sie ihre Nägel in seinen Körper, noch bevor Haile sie erneut wegtackeln konnte. Der Körper des Mädchens krachte mit aller Kraft gegen Georgina, sodass beide Schwestern auf dem Boden landeten. Schnell erkämpfte sich aber Georgina die Obermacht, und hielt ihre Schwester mit ihren Klauen im Gesicht fest. Ihre Fingernägel trieben sich in Hailes Wange, vier tiefe Kratzer, die fürchterliche Narben hinterlassen würden.

Hailes Blick flog zur Seite, zu Raoul, der blutüberströmt und regungslos auf dem Boden lag. Seine Augen offen, aber nichts sehend. Nein. Wenn das sein Plan war...sich zu opfern, damit Haile leben konnte...

Haile rollte herum, sodass sie nun auf Georginas Brust saß und bearbeitete das böse grinsende Gesicht unter ihr mit ihren Fäusten. Voller Wut und Hass schlug sie auf ihre Schwester ein, die sich anscheinend böse lachend ergeben hatte.

"Oh....Schwester...verraten...einsam...willst du wirklich...dein letztes Fleisch und Blut...?"
"...!"
"Schau, dein Geliebter liegt tot hinter dir, und deine Freunde werden bald schon tot sein...Sheng, Evi, Eryn...sie alle werden zu meiner Armee gehören. Alle. Und sie werden dich zerfetzen. Hättest du nur auf deine Familie gehört, kleine Schwester..."
"Ach, halt doch die Fresse."

Raoul hatte sich hinter den Schwestern hochgerappelt, blutüberströmt, waffenlos, aber mit dem alten Grinsen im Gesicht.

"Familie ist so viel mehr als Fleisch und Blut."
"Wag es nicht!"
"Die einzige, die hier verraten wurde, bist du."
"..."
"...und du wirst mich niemals brechen."

Mit einem letzten Schrei stürzte sich der Dieb auf Georgina und trieb seine Faust in ihr Gesicht. Knochen krachten, das Blut spritzte auf die Gesichter von Haile und Raoul.

Haile spürte, wie das Leben aus ihrer Schwester wich. Wie das Licht in ihren Augen erstarb, sich der feste Griff um Hailes Arme lockerte, das bösartige Grinsen verflog. Es war vorbei.

Langsam erhob Haile sich, hielt sich die Wunde am Arm und blickte ihren Geliebten tonlos an. Er keuchte, holte tief Luft und stemmte die Hände in die Seiten. Dann wandte er seinen Kopf zu Haile um und grinste sie an.



Das bubenhafte Grinsen war zurückgekehrt, auch wenn sein Anblick ein wenig von all dem Blut auf seinem Gesicht getrübt wurde. Mit wenigen Schritten überwand Raoul die Distanz zu Haile und schloss das verwirrte Mädchen in seine Arme. Er lachte, komplett übermütig und streichelte ihr entschuldigend über den Arm, der von allen Wunden an Hailes Körper noch am wenigsten blutete. Dort, wo seine Machete einen kleinen, feinen Schnitt hinterlassen hatte. Er holte tief Luft und legte seine Hand an ihre Wange, dort, wo Georginas Nägel tiefe Wunden gerissen hatten.

"Ich liebe dich."
"..."
"...Ich wollte es nicht sagen. ich meine, wie scheisse wäre das denn gewesen, sowas zu sagen, und dich dann zu betrügen? Also...so zu tun...du weißt schon."
"..."
"...Ich liebe dich, Haile."
"Ich liebe dich auch."

Hand in Hand standen sie über der Leiche von Georgina. Sie blickten sich an. Blutige Gesichter, die Arme völlig zerkratzt und mit klaffenden Wunden versehen. Aber lebendig. So unendlich lebendig.

"T...Tötet sie! Worauf wartet ihr! Sie hat die Großmeisterin..."
"..."
"..."

Der Blick, den Haile und Raoul einer versprengten Kultistin der Familie LaValette zuwarfen, war weniger ängstlich als viel mehr genervt. Was wollte sie machen? Die meisten von Georginas treuen Truppen waren unten in der Schlacht, die Untoten machten keine Anstalten Haile und Raoul anzugreifen und die junge Frau in der schweren schwarzen Robe war im Zweifel auch kein Problem für Haile. Das Paar, immernoch Hand in Hand, drehte sich einfach um und verließ den Ring. Unbehelligt. Siegreich.

"Ich...wir...WIR WERDEN DEN MESSIAS TROTZDEM FINDEN!"
"..."
"WIR WERDEN IHN FINDEN!"

Die Schreie der LaValette verklangen ungehört.

Der Weg durch das leere Kultistenlager war einfach. Kurz, bevor Raoul und Haile Kerosa erreicht hatten, die ein wenig abseits der Schlacht am Jeep auf sie wartete, drehte sich das blonde Mädchen noch einmal um.

"Raoul?"
"Ja?"
"Das war ein beschissener Plan."
"Ich weiß."