Die Erde in der fernen Zukunft: Immer mehr Menschen fallen einer unheilvollen Krankheit zum Opfer und seltsame Kreaturen, die 'Schatten' genannt werden, versetzen die Überlebenden in Angst und Schrecken. In diesen schweren Zeiten versucht ein Mann namens Nier verzweifelt ein Heilmittel für seine infizierte Tochter zu finden.
Daran ändert sich auch nichts, als - zur Verwirrung des Spielers - die eigentliche Handlung diverse Jahrhunderte später einsetzt und das Setting zu einer mittelalterlichen Epoche wechselt. Bei seiner unbeirrten Suche wird Nier im Laufe der Zeit von drei sehr unterschiedlichen Gefährten unterstützt, doch keiner von ihnen ahnt auch nur ansatzweise, was sich ihnen am Ende ihrer Reise offenbaren wird...


Nier hat beinahe in jeglicher Hinsicht einen düsteren Eindruck bei mir hinterlassen:

Die Haupthandlung und die kleineren Nebenstränge, die sich in den zugänglichen Orten entspannen, waren interessant, aber durchweg von Verlust und diversen negativen Emotionen geprägt und Tode jeglicher Art (vom Sidequest-Auftraggeber über storyrelevante NPCs bis hin zu Hauptcharakteren) waren an der Tagesordnung.
Auch graphisch dominierten eher gedämpfte und matte Farben - die einzige Ausnahme von der Regel waren die Momente, wenn in bestimmten Gegenden das Wetter mitspielte und die Sonne schien. Davon abgesehen lag ein permanenter Grauschleier über sämtlichen Personen, Tieren, Pflanzen und Ortschaften, der die allgegenwärtige Trostlosigkeit und Düsternis noch unterstrich.

Passend dazu wurde bei der Ausgestaltung der meisten Charaktere nicht wirklich Wert auf Ansehnlichkeit gelegt.
Während das Design der vier weiblichen 'Hauptcharaktere' völlig in Ordnung war, stieß mich Niers Optik eher ab. Ja, er ist ein vom Leben und seinen Sorgen gezeichneter Mann in den Vierzigern (denke ich zumindest) und kein blutjunger Schönling. Ja, für die Handhabung der Waffen, die er zwecks Schattentöten trägt, braucht man Kraft. Musste er trotzdem wie'n muskelbepackter Barbar mit 'nem Gesicht zum Davonlaufen rumrennen?
Und Emil, die arme Socke, kriegte vom Schicksal so richtig eine geknallt: Knapp fünf Minuten, nachdem ich meinte, dass mir sein Aussehen trotz Augenbinde gefallen würde, mutierte er zum gruseligen Grinsekopp. Hätte ich mal die Klappe gehalten!
Da wunderte es mich schon gar nicht mehr, dass der Großteil der NPCs, die man hier und da traf, a) stark realistisch gestaltet wurden und b) mal wieder Mehrlinge aus ein- und derselben Familie zu sein schienen.

Apropos Design: Mich würde ja schon interessieren, welchem (Männer-)Hirn Kaines... äh... Kleidung (?!) entsprungen ist. Entgegen Weiß' Kommentar eignete sich der Stofffetzen ja nicht mal als Nachthemd - das war bestenfalls 'n größeres Taschentuch. Die Einblicke, die sie dem geneigten Spieler lieferte, wenn sie sich hinkniete und dabei von hinten zu sehen war, waren auch sehr... nett. Wozu braucht man eine dramatische Handlung, wenn man quasi einen nackten Popo frei Haus bekommt? Und natürlich kann man in Stilettos derartig kämpfen! Wirklich! *facepalm*

Davon abgesehen mochte ich Weiß, Kaine und Emil überraschend gern. Weiß' Zynismus, Kaines Kodderschnauze und Emils sanftes Wesen waren eine z. T. seltsame, aber erstaunlich gut funktionierende Mischung und sorgten das ganze Spiel über für den nötigen Pep bzw. den ein oder anderen Schmunzler. Mit Nier dagegen wurde ich nicht so richtig warm, auch wenn einige Kommentare gerade in Kombination mit Weiß nicht übel waren.

Probleme hatte ich besonders in der Anfangsphase mit der Kampfsteuerung - speziell in Verbindung mit der Kamera. Gerade bei den ersten Bossen zickte diese dermaßen herum, dass ich zigmal getroffen wurde, ehe ich sie auch nur annäherungsweise ideal justiert hatte. Der Quartoxuma-Verschnitt im Müllberg war dann der Ober-GAU: Wechsel zur Ansicht aus der Vogel-Perspektive; schlechte Kameraführung; Zauber, die trotz Blickrichtung zum Boss nach hinten, links oder rechts zielten etc., etc. Dass ich bei dem Kampf nur ein einziges Game Over erlebte, ist eigentlich schon verwunderlich.
In dieser Hinsicht war das Spiel aber erstaunlich fair: Wenn ich irgendwo das Zeitliche segnete, musste ich meist nicht allzuviel aufholen, um einen neuen Versuch starten zu können.
Im Gegenzug dazu grenzte es allerdings schon an pure Schikane, dass ich - von einem Treffer zu Boden geworfen - oft nur schwerlich wieder auf die Beine kam, weil jeder Aufstehversuch von weiteren Angriffen unterbrochen wurde und mich erneut auf die Matte schickte. Es gab ein paar - zugegeben seltene - Momente, da hätte ich mich auf der Erde häuslich einrichten können, weil man mich gar nicht mehr in die Senkrechte lassen wollte.

Stichwort Perspektivwechsel: Warum man in nahezu jedem Gebäude in den Orten und zusätzlich dazu in einigen Dungeonabschnitten mal eben in die Seitenansicht oder Vogelperspektive rutschte, ist mir immer noch schleierhaft. Ich fand's einfach nur verwirrend (zumal das Wechseln zwischen den einzelnen Wohnräumen völlig unlogisch vonstatten ging) und speziell in den Dungeons auch vom Kämpfen her schwierig.

Ein interessanter, erzähltechnischer Kniff war die Tatsache, dass man ab dem zweiten Spieldurchlauf dank zusätzlicher Szenen quasi die Sichtweise der Hauptgegner erlebte, was einem hier und da dummerweise ein schlechtes Gewissen bescherte (s. der kleine Schatten und der Roboter im Müllberg).
Im Zuge dessen hätte ich es trotzdem besser gefunden, wenn man die zweite Hälfte des Spiels maximal zwei Mal hätte absolvieren müssen, da ich trotz der relativ kurzen (Wieder-)Spielzeit gewisse Orte irgendwann nicht mehr sehen konnte und keinen Bock mehr auf die immer gleichen Aktionen hatte. Erzähltechnisch hätte sich nichts geändert, wenn man z. B. folgendermaßen vorgegangen wäre:
Spiel 1x durch = Ende A
Spiel 2x durch = Ende B -> Möglichkeit zum Speichern -> Szenen abspielen, die Ende C und D nach sich ziehen -> erst C wählen -> Konsole ausmachen und Spielstand laden -> D wählen
Mal davon abgesehen, dass sich für mich irgendwie alle Enden unvollständig anfühlten. Und was zum Henker ist jetzt mit Emil?

Die größte Stärke von Nier war jedoch eindeutig der Soundtrack. Zwar dominierten hier ebenfalls düstere, traurige Stücke, die mir in den meisten Fällen ZU trübsinnig und langsam waren, aber ein guter Teil der Musik schaffte es durch orchestrale Gesänge und Bombast meinen Nerv zu treffen. Meine persönlichen Empfehlungen (ohne Rangfolge) sind Hills of Radiant Winds , Cold Steel Coffin , Deep Crimson Foe , The Dark Colossus Destroys All , Kaine ~ Escape , Shadowlord's Castle ~ Roar und Emil ~ Karma .

Für Kurzweil sorgte das Sammeln von Materialien, die man später in die Höherstufung der Waffen investieren konnte oder für Sidequests brauchte. Letztere waren an und für sich recht unterhaltsam, auch wenn es leider viel zu viele Fetch-Quests gab und es extrem nervte, dass man die meisten erst kleckerweise bei Devola freischalten konnte, wozu man mehrmals hintereinander zwischen den Orten pendeln musste.

Weitere Dinge, die mir negativ auffielen:

- Die Stimmen der NPCs passten oft nicht zu ihrem Aussehen. Sorry, aber eine stämmige Frau in den besten Jahren klingt garantiert nicht wie eine 14-Jährige, es sei denn sie hätte vorher Helium eingeatmet. Gleiches gilt für muskulöse Herren der Schöpfung.
- Im Spiel setzte die Handlung an einem Punkt nach fünf Jahren wieder ein. Schön und gut, aber warum hab ich dann in den Orten immer noch die gleichen Kinder-NPCs gesehen? Wachstum war nicht so deren Ding, oder? (Denselben Gedanken hatte ich bei Emil auch, aber das wurde ja zwischen den Zeilen mehr oder weniger aufgelöst.)
- Die Textpassagen im 'Märchenwald' und in Kaines Erinnerungen hätten an und für sich eine nette Idee sein können, wenn sie nicht so grauenvoll umgesetzt gewesen wären. Meine Kritik richtet sich jetzt eher an die Übersetzung, aber wer auch immer diese Texte verbrochen hat, war mit der deutschen Sprache nicht wirklich per Du: z. T. sehr platte Formulierungen, ein Mix verschiedener Zeitformen und Fehler wie 'Augenlieder'... *brrrrrrrrr*


Alles in allem hab ich von Nier nicht besonders viel erwartet und wurde von daher auch nicht allzu sehr enttäuscht. Es ist ein solides Spiel mit Hack'n'Slay-Charakter, das Wert auf eine düstere Story und einen - in vielerlei Hinsicht - fantastischen Soundtrack legt. Ich werde es dennoch definitiv nicht nochmal in die Konsole legen, weil es im Großen und Ganzen nicht wirklich meinen Geschmack getroffen hat.
Dass ich mir je den Nachfolger zu Gemüte ziehen werde, ist eher unwahrscheinlich, denn was ich bis jetzt darüber gelesen habe, klang für mich nicht interessant genug, sondern eher abschreckend. (WIE VIELE Enden hat das Ding?! )


Kleine Kuriosität am Rande: Wozu hatte ich im Menü den Punkt 'Tier rufen'?

Zweite Kuriosität am Rande:
Einen ungewollten Lacher gab es dann noch - bei jedem Ende aufs Neue - kurz vorm letzten Boss: In der dramatischen Szene, in der der schicksalhafte Satz "Ich kann das Blut nicht stoppen!" fiel, hätte ich beinahe angefangen loszuprusten. Mal ehrlich, da spritzte das ganze Spiel über das Blut in großen, badewannenfüllenden Fontänen aus jeglicher Art von Lebewesen - und beim einzigen sichtbaren Tod OHNE den kleinsten Tropfen wird losgejammert? War jetzt nicht euer Ernst, oder?

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Da mir Google gleich mehrfach ausspuckt, dass es sich bei Nier um ein Action-RPG handeln würde, kann ich folgendes vermelden:

Stand:
- 1 von 8 Spiele durchgespielt
- 1 von mind. 4 RPGs durchgespielt
- mind. 1 Titel meiner "Kaum hohe Erwartungen"-Liste durchgespielt