Auf der (fiktiven) japanischen Insel Utsuho befindet sich die Hourai High, ein riesiger Schulkomplex, der eine Million Schüler und Lehrer beherbergt. Genau dorthin ist zu Beginn des neuen Schuljahres ein Flugzeug unterwegs, um einen Schwung Erstpennäler abzuliefern. Da der Pilot allerdings aufgrund einer durchgemachten Nacht ‚ein wenig’ vom Kurs abgekommen ist, drohen sämtliche Schüler zu spät zu kommen. Als der (wahlweise männliche oder weibliche) Protagonist deswegen bei der Stewardess Beschwerde einlegt, ist sie irgendwann so genervt, dass sie ihm einen Fallschirm auf den Rücken schnallt und ihn mit einem beherzten „Bon Voyage!“ auf den Lippen aus dem Flugzeug schubst. Auf diese Weise hinterlässt der Hauptcharakter gleich am ersten Tag einen bleibenden Eindruck, denn er kracht nicht nur bei der Eröffnungsrede der Direktorin durch das Dach der Aula, sondern setzt noch gleich einen Schüler namens Roku, der ihm unfreiwilligerweise als Landeplatz diente, für mehrere Wochen außer Gefecht.
Kurze Zeit später wird er von den Mitgliedern der Schülerzeitung ‚Hourai Sports’ (aka Hospo) quasi zwangsrekrutiert, da es sich bei Roku um ihr viertes Mitglied handelt und sie nunmehr unterbesetzt sind.
Und damit beginnt ein sehr ereignisreiches Jahr: Nicht nur, dass sich schon bald seltsame Vorkommnisse (wie die Einführung immer irrwitzigerer Schulregeln) häufen und gleich zwei Untergrundorganisationen nach der Macht über die Schule streben. Auch der zutiefst in seiner Ehre gekränkte Roku sinnt auf Rache an dem Emporkömmling, der ihn von seinem ihm zustehenden Platz verstoßen hat...



Hourai Gakuen no Bouken – oder auch kurz Hourai High – ist ein absurdes SNES-RPG aus dem Jahre 1996, das mich mit seinem durchgeknallten Schul-Comedy-Flair stellenweise stark an Serien wie Ranma ½ oder Futaba-kun Change erinnert hat – nur ohne Geschlechterwechsel und andere Verwandlungskapriolen.

Der Humor ist definitiv eine Klasse für sich und hier und da dermaßen an den Haaren herbeigezogen, dass man sich unwillkürlich fragt, was die Entwickler damals wohl für komisches Zeug geraucht haben. Dennoch oder gerade deswegen ist dies die größte Stärke des Spiels, denn die vielen abgedrehten Ideen, die einem entgegengeworfen werden, und die hanebüchene Handlung bilden die Quintessenz von Hourai High und heben es so ein Stück weit über das übliche 0815-Niveau diverser (unbekannter) RPGs.

Was man so alles an geballtem Blödsinn bekommt:

- die bereits erwähnte Anfangsszene
- rosafarbene Waschräume für die Mädels und hellblaue für die Jungs
- eine Untergrundorganisation, deren Mitglieder in Pinguinkostümen herumrennen
- Laserfallen im Mädchen-Wohnheim (das - nebenbei gesagt – ein rosafarbener Wolkenkratzer ist), was eine Schülerin zu dem Ausspruch verleitet, man könne sie ja mal besuchen kommen – vorausgesetzt man käme lebend bei ihr an
- kuriose Gegner (verschiedenes Aufsichtspersonal – darunter Musketiere und Samurai; weibliche Androiden; verfluchte Bücherregale; Geisterzüge; Okkultisten; Dämonen aus der Unterwelt, die Klopömpel in den Händen halten; mannsgroße Hühner; Fische, die wie rosafarbene Bananen aussehen; falsche Weihnachtsmänner und, und, und…)
- einfallsreiche Attacken und Fähigkeiten (das Lesen aus Philosophiebüchern = Gruppenangriff; das Aufzählen von Pi verursacht Schlaf; wenn man den Videospiel-Club gemeistert hat, ist man immun gegen Schlaf – Stichwort Nacht durchmachen ; beim Kendo-Club erhält man die ‚License to kill’...)
- einen amoklaufenden Mecha
- irre lachende Mitglieder des ‚Mad Scientist Club’
- Toiletten und / oder Telefone an den unmöglichsten Stellen (wobei letztere wirklich eine Daseinsberechtigung haben)
- die Aussage einer Schülerin, dass das Mädchen-Wohnheim zwar aussehe wie ein 60-stöckiger Wolkenkratzer, man den Entwicklern [des Spiels???] aber unmöglich so viele Etagen hätte zumuten können (Der Witz an der Sache: Das Gebäude hat 59 Stockwerke. )
- Gegner, die einer Attacke ausweichen wollen und es versauen, was folgende Texteinblendung nach sich zieht: „[Name] dodged swiftly! [Chara]’s attack missed! … or so it should have been. Reality sucks.“




Darüber hinaus wird man an manchen Stellen von geradezu liebevollen Details überrascht.
So nennt sich der Fluchtbefehl im Kampf ‚Apologise’ und die gesamte Party neigt schuldbewusst die Köpfe, bevor sie sich vom Acker macht.
In dem Monat, den man zu Beginn als Geburtsdatum für seinen Hauptcharakter festgelegt hat, erhält man von den drei Mitgliedern des Hospo-Teams Hinako, Daichi und Haru eine Geburtstagstorte sowie ein paar permanente Statusboni.
Bestimmte Kampfhintergründe warten mit gewissen Kleinigkeiten auf: So zeigt sich im Lagerhaus ein gruseliges Gesicht im Fenster, im Mädchen-Wohnheim läuft eine Schülerin gerade die Treppen hoch, in den verlassenen Jungs-Unterkünften hängt ein Poster mit einem Pin-Up-Girl an der Wand, in Newtown kann man eine sich stetig wiederholende Neonreklame lesen, in den Minen liegt Dynamit mit brennenden Lunten herum, im Fueno Forest hockt ein Waschbär vor den Büschen und vorm Labor plätschert ein Springbrunnen fröhlich vor sich hin.



Das Spiel ist in dreizehn Kapitel unterteilt, die – wie bereits erwähnt – ein komplettes Schuljahr umfassen. Je weiter man in der Handlung fortschreitet, desto mehr Gebiete kann man erkunden (wie man das aus den meisten RPGs so kennt). Die ‚Weltkarte’ ist dabei die Karte der Insel Utsuho und während man dabei viele Orte direkt betritt, gibt es mit den ‚Blöcken’ noch eine Besonderheit: Manche Areale sind nämlich noch einmal in Untergebiete aufgesplittet – darunter fallen der Östliche Block mit den eigentlichen Schulgebäuden und Büros der verschiedenen Gremien; der Nördliche Block, in dem unter anderem das Krankenhaus, die Unterkünfte der Jungen und eine ‚Fressmeile’ mit lauter Restaurants zu finden sind, und der Südliche Block, wo die Mädchen untergebracht sind und sich auch das Clubhaus befindet.
Alle diese Ortschaften sind durch Bahngleise verbunden und wenn man immer mal wieder ein wenig Geld in anfallende Reparaturen investiert, hat man im Laufe der Zeit eine probate Art schnell von A nach B zu kommen.



Obwohl der Protagonist und die drei von Hospo den Kern der Party bilden, gesellen sich innerhalb der Kapitel dann und wann Neuzugänge dazu – teils automatisch, teils optional. Während man höchstens sieben Mitstreiter auf einmal bei sich haben kann, die sich auch in Kämpfen flott einwechseln lassen, verbleibt der Rest der Bagage an seinem angestammten Platz (oft der jeweilige Wohnort). Mit Hilfe der überall verstreuten Telefone kann man die Leute auf der Ersatzbank anrufen und sie gegen ein aktives Mitglied austauschen. (Kam mir doch aus Wozz sehr bekannt vor. Wer hat da von wem geklaut? ) Die meisten potenziellen ‚Helden’ sind relativ ‚normale’ Leute, aber es finden sich darunter auch schräge Gestalten wie ein Roboter, ein Geistermädchen, eine gigantische Katze und ein Alien, das aussieht wie ein großer Seestern. (Und Gott, ist das Viech hässlich! )



Um Fähigkeiten zu erlernen und Statusboni wie mehr HP oder ähnliches zu erhalten, müssen die Charaktere in die verschiedenen Clubs eintreten. Davon gibt es im kompletten Spiel insgesamt 34, auch wenn einige nur für bestimmte Partymitglieder zugänglich sind (Hinako und Haru haben zum Beispiel keinen Zugriff auf die Sport-Clubs, die die Stärke und Häufigkeit der Attacken erhöhen können, dafür bleiben Daichi die kulturellen Aktivitäten verwehrt).
Jeder der acht momentanen Kämpfer kann gleichzeitig in drei Clubs angemeldet sein. Die einzelnen Clubs sind jeweils in drei Ränge unterteilt und man benötigt wie für einen normalen Stufenwechsel EXP, um in diesen aufzusteigen und den Club schlussendlich zu meistern.
Zusätzlich dazu schaltet man durch den simultanen Aufenthalt in bestimmten Clubs Kombo-Techniken frei, die sich häufig in Gruppenangriffen äußern.

Doch leider macht nicht alles an Hourai High Spaß. Der unbestritten größte Kritikpunkt ist die abartig hohe Frequenz der Zufallskämpfe, die direkt aus der Hölle zu kommen scheint! Man kann in der Regel keine zehn Schritte laufen, ohne gleich wieder im nächsten Gefecht zu landen – bisweilen reicht sogar schon ein einziger! Dadurch werden die Aufenthalte in den Dungeons entsetzlich in die Länge gezogen: Orte, die man - gemessen an ihrem reinen Umfang - theoretisch in knapp fünfzehn bis dreißig Minuten abarbeiten könnte, benötigen nicht selten deutlich mehr als eine oder zwei Stunde(n), um von einem Ende zum anderen zu gelangen. Zwar kassiert man auf diese Weise viel Bares und eine Menge EXP, so dass man meistens mehrere Level pro Kapitel schafft, aber insgesamt betrachtet verlangsamen die häufigen Kämpfe den Spielfluss extrem und nicht selten muss man sich nach einer Weile erst mal wieder ins Gedächtnis rufen, warum man sich aktuell durch diese oder jene Gänge quält. (Wenigstens ist man nach einem Level Up – und nebenbei erwähnt auch beim Kapitelwechsel – wieder komplett geheilt.)

Besonders ärgerlich gestaltet sich dies, wenn man einen Dungeon erneut durchqueren muss, weil am Ausgang ein spezieller Club sein Hauptquartier hat oder man dort eine Person findet, die man für den weiteren Verlauf der Handlung aufspüren muss oder der einzige Laden, in denen man Minispiele spielen kann, seine Pforten am A*** der Welt geöffnet hat. (Fragt mich bloß nicht, wie oft ich durch diese *zensiert* Kanalisation gelatscht bin! )



Dazu kommt, dass Hourai High leider nicht von diversen Unstimmigkeiten und Bugs verschont wird, die – meiner laienhaften Meinung nach – zum Großteil vermutlich nicht im Original enthalten waren, sondern erst durchs Hacken und Übersetzen entstanden sind. Während manche davon eher unter die Kategorie Schönheitsfehler fallen (Text, der den Rahmen sprengt; Sonder- und andere kryptische Zeichen mitten in Kampfanzeigen…), entpuppen sich andere dagegen als derart gravierend, dass sie zum Absturz des Spiels führen! Als da wären:

- Im siebten Kapitel kann man im Dschungel eine ‚Slingshot’ finden. Als ich sie anlegen wollte, hatte ich sie plötzlich zweimal im Menü, so dass sowohl Emi (Protagonistin) als auch Haru eine abbekamen. Trotz, dass das zweite Exemplar eigentlich nicht existieren durfte, leistete es mir gute Dienste. Als ich später in den Dschungelruinen beim dortigen Händler einkaufen und Haru eine ‚Pitching Machine’ kaufen wollte, erschien diese und auch andere Waffen für ein paar der übrigen Partymitglieder unzählige Mal im Menü. Beim Anlegen einer der vielen ‚PMs’ hing sich das Spiel auf.
Beim zweiten Versuch legte ich Harus quasi nicht existente ‚Slingshot’ ein Stockwerk vor dem Händler ab und gab ihm eine schwächere Waffe, bevor ich es noch einmal wagte ihm eine ‚PM’ zu kaufen. Dieses Mal funktionierte alles reibungslos und keine der Waffen – auch nicht bei den anderen Charas – tauchte ungewöhnlich oft auf. (Die zwei ‚Slingshots’ hab ich nie verkauft, weil ich mir nicht sicher war, ob ich dadurch nicht wieder etwas Schlimmes auslöse.)
- Eigentlich erhält man bei gleichzeitigem Eintritt in den Cheerleader-Club und den Tennis-Club eine niedrige Gruppenheilung als Kombo-Technik. In der Praxis funktioniert das allerdings nicht, denn egal wie man es anstellt: Sobald eines der acht derzeitigen Partymitglieder (aktiv oder Reservebank) in einen der Clubs eintritt, während es schon Mitglied im jeweils anderen ist, wird der Bildschirm schwarz und man hört nur noch die Hintergrundmusik.
- Nach dem Bosskampf im vorletzten Kapitel muss man einen Raum zurückgehen, wo nach wenigen Sekunden eine Szene abgespielt wird, in der die Party nach Süden zur dortigen Tür läuft. In diesen paar Sekunden kann man sich allerdings noch bewegen und ich war beim ersten Mal gerade auf Höhe zweier Kisten angelangt, als meine Charaktere ihren vorgeschriebenen Weg gehen wollten und prompt an einer der Kisten hängenblieben und nicht mehr weiterkamen. (Hat mich stark an ähnliche Erfahrungen in RPG-Maker-Spielen erinnert. )
- Im finalen Endkampf sollte man es tunlichst unterlassen, eines der Wiederbelebungsitems zu benutzen, denn auch dies führt zum prompten Spielabbruch. Was besonders perfide ist, denn der Obermacker hat einen Gruppenangriff auf Lager, der einen Sofort-Tod-Effekt haben kann! (Dazu muss ich allerdings sagen, dass zwei verschiedene Items zur Reanimation existieren und ich nur die schwächere Variante ausprobiert habe. Ob der Absturz auch beim zweiten Item passiert, weiß ich nicht. Ach ja, und es gibt nur einen einzigen Charakter, der Wiederbelebung als Fähigkeit erlernen kann… )

Weitere (Übersetzungs-)Fehler, die mir aufgefallen sind:

- Eine Zeitlang konnten die Angriffe meiner Hauptfigur die Gegner in Schlaf versetzen. Jedoch erklärten weder die angelegte Waffe noch ihre damaligen Fähigkeiten diesen Nebeneffekt. Ich hab keine Ahnung, woher das kam…
- Neben der ‚Slingshot’ gibt es noch zwei Waffen, die nach dem Anlegen ein weiteres Mal im Menü auftauchen (‚Lion’s Claw’ und ‚Iron Knuckle’). Ich hab mich auch hier nicht getraut, die Doppelexemplare zu verkaufen...
- Die Bezeichnung ‚Pitching Machine’ wurde zweimal vergeben: Einmal handelt es sich um eine Schuss-/Wurf-Waffe, was durchaus Sinn macht. Irgendwann später findet man allerdings ein Item, das die Agilität erhöht – auch dieses hört auf den Namen ‚Pitching Machine’, was mir ehrlich gesagt seltsam vorkommt.
- Zwei Clubs heißen ‚Mad Scientist Club’, bieten aber unterschiedliche Leistungen an.
- Ein bestimmtes Accessoires heißt mal ‚Lucky Horseshoe’ und dann wieder ‚Anklet’.
- Einer der vielen Weihnachtsmänner, die man im zehnten Kapitel ansprechen muss, ist als ‚Satan’ statt ‚Santa’ benannt.
- Im Abspann wird die Organisation, die man vorrangig bekämpft hat, an einer Stelle unter ihrem japanischen Namen aufgeführt. (Danach wird wieder die englische Bezeichnung benutzt...)


Hourai High ist ein Spiel, dass ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachte: Einerseits hat es aufgrund seines Klamauks am laufenden Band wahnsinnig Spaß gemacht und ich bin beim Daddeln oft in lautes Lachen ausgebrochen, weil eine Szene, ein Gegner oder ein Ausspruch absolut absurd daherkam. Andererseits hätte ich angesichts der drölfzig Millionen Kämpfe mehrmals meinen Laptop auseinandernehmen können, weil ich so frustriert war, dass ich schon wieder aufgehalten wurde. Als dann noch die Bugs dazu kamen, machte das die Gesamtsituation nicht gerade besser.
Wer aberwitzigem Quatsch durchaus nicht abgeneigt ist, sollte es eventuell in Erwägung ziehen Hourai High eine Chance zu geben. Derjenige soll nur nicht sagen, ich hätte ihn nicht gewarnt, wenn er stundenlang in der Kanalisation festhängt…



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Stand:

min. 8 Spiele 6/8
min. 4 (J)RPGs 4/4
min. 2 ROMs 4/2
min. 1 RPG-Maker-Spiel 0/1
Fantasy Life & Dragon Quest XI beenden 1/2

Abseits der Challenge ???/???