Der finale Endkampf gegen den Dämonenkönig hat soeben begonnen, da ereilt den jungen Helden Flash Back ein kapitaler Blackout: Plötzlich kann er sich nicht mehr daran erinnern, wer er ist, wer seine Begleiter sind, wie es sie hierher verschlagen hat, wo ‚hier’ überhaupt ist und warum zum Geier er sich einem monströsen Gegner gegenübersieht.
Seinen nicht minder schockierten Freunden bleibt keine andere Wahl, als seinem Gedächtnis mit Zurufen und Taten auf die Sprünge zu helfen, während es gleichzeitig den Dämonenkönig anzugreifen und abzuwehren gilt.
Und in den folgenden hart erarbeiteten fünf Minuten muss Flash lernen, dass auch auf zurückkehrende Erinnerungen nicht unbedingt einwandfrei Verlass ist...
The Longest Five Minutes für die Switch ist ein JRPG mit einer sehr interessanten und originellen Grundidee: Denn anders als in den meisten Rollenspielen üblich zäumt man hier gewissermaßen das Pferd von hinten auf, indem man sozusagen von der Endphase des Spiels zurückspult und gegenläufig erkundet, wie es überhaupt zur endgültigen Konfrontation mit dem großen Bösen gekommen ist.
Allerdings laufen die Rückblenden – anders als man es vielleicht erwarten würde – nicht linear ab, sondern werden scheinbar willkürlich durcheinander gewürfelt, was am deutlichsten an den erhaltenen Waffen, Klamotten und Items, den erreichten Erfahrungsstufen sowie den erlernten Fähigkeiten ersichtlich wird, die je nach Handlungsstand variieren. Dies wiederum macht das für RPGs oft typische Grinden für Level und Geld obsolet, da man nie weiß, ob man in der nächsten Erinnerung weiter vor- oder zurückgeworfen wird. Hamsterkäufe bei den ortsansässigen Händlern kann man sich von daher sparen.
Davon abgesehen (um minimal zu spoilern) sollte man nicht den Fehler machen zu glauben die Szenen rund um den Aufbruch der Gefährten wären der Auftakt des Abenteuers. Je weiter man im Spiel fortschreitet, desto mehr wird die Vorgeschichte der Party aufgedeckt, die noch für einige Wendungen und Erklärungen sorgt.
Grundsätzlich teilt sich das Spiel in zwei sich ständig abwechselnde Phasen:
Zum einen in das aktuelle Geschehen, bei dem man mit dem Dämonenkönig konfrontiert wird und immer mal wieder Entscheidungen treffen muss, die Auswirkungen auf die weitere Handlung haben (Wehrt man ab? Greift man an? Kann man ihn mit Worten ablenken? Wer von den Gefährten springt in die Bresche? etc.) Dabei läuft fortwährend ein fester Timer in der oberen Ecke mit, der es dem Spieler ermöglicht an bestimmte Zeiten der Auseinandersetzung zurückzuspringen, um andere Optionen auszuprobieren und damit vielleicht neue Rückblenden auszulösen.
Diese wiederum bilden den zweiten Teil des Gerüsts, das The Longest Five Minutes darstellt, und spielen sich im Großen und Ganzen wie jedes beliebige (alte) RPG, in dem man Städte und Dungeons erkundet, Monster plättet und Schätze einsammelt. Viele dieser Abschnitte warten noch mit kleinen Bonusbedingungen auf, die bei erfolgreicher Erfüllung Extra-EXP und Trophäen einbringen.
Damit man nicht den Überblick über all das verliert, dienen im Menü eine grobe Auflistung der Minuten und ein Album mit den bis dato erspielten Szenen als kleiner Orientierungsleitfaden.
Das Spiel verfügt über drei Enden: ein schlechtes, in dem alles den Bach runtergeht; ein normales, das sich eher wie ein halbgarer Kompromiss anfühlt und das beste, in dem beinahe alles wieder ins Lot gebracht wird. (Was mich nur bei den letzten beiden irritiert, ist eine Szene mit dem König, in der er von einer Waffe redet, die er nicht einsetzen will. Wenn in der Welt quasi wieder Friede, Freude, Eierkuchen herrscht, wieso sollte dafür eine Notwendigkeit bestehen? Ist das ein verklausulierter Hinweis auf einen möglichen Nachfolger?)
Lustigerweise hatte ich beim ersten Mal das mittlere Ende erwischt, weil ich nicht für voll genommen habe, das die auftauchende Kampfeinblendung bedeutete, ich müsste etwas Bestimmtes als Item verwenden und normal weiterangegriffen habe. Beim Abspann dachte ich dann auch prompt, dass das ein ziemlich lasches Ende wäre und probierte etwas anderes aus, was jedoch schnurstracks auf Abschluss Nummer eins hinsteuerte.
Da mir zudem die letzte Szene im Album fehlte, recherchierte ich ein wenig im Netz und stieß auf mehrere Einträge, deren Verfasser ebenfalls einen Albumabschnitt vermissten – allerdings den, den ich schon hatte. Als Antwort, wie man diesen freischalten konnte, kam die Aussage, man müsse XYZ im Endkampf eben nicht benutzen – kombiniert mit der Bemerkung, wer das denn von sich aus machen würde. Tja, wer wohl?![]()
Die Graphik versprüht einen liebevollen Retrocharme und kann besonders mit den ausgefeilten Darstellungen verschiedener Emotionen punkten, wenn die Charaktere etwa sich vor Lachen nicht mehr einkriegen, schüchtern erröten, in sturzbachartige Tränen ausbrechen, vor Angst in Starre verfallen und ähnliche Eskapaden zur Schau tragen. Auch die Nahaufnahmen der Partymitglieder, die im Endkampf zu sehen sind, als alle Flash mit Spezialattacken zu Hilfe eilen, zeugen von Sorgfalt und Detailtreue. (Eine Szene übrigens, die ich total mochte.)
Im krassen Gegensatz dazu stehen leider die vielen weitläufigen leeren Areale (Räume, Wiesen, Bergpfade…), in denen – je nach Lokalität – oft nur eine geringe Menge an Kisten, Fässern, Bäumen oder anderweitige ‚Schmuckelemente’ die Gegend ein wenig aufhübschen.
Musikalisch bietet The Longest Five Minutes eine gute Mischung aus getragenen und schnelleren Liedern, wobei mir persönlich letztere – die fast ausnahmslos als Battle Themes fungieren - wieder mal am ehesten zusagen. Als da wären: Battle with the Demon King, At the End of a Long Fight, Searching for a Haven und The Manly.
Weitere Dinge, die angesprochen werden wollen:
- In den Rückblenden kann man zwischen den Kämpfen im Menü eine schnelle Teamheilung auslösen. Dies geschieht zwar auf Kosten der gesamten Party-MP, ist aber stellenweise nicht zu verachten. Als ebenso nützlich empfinde ich es, dass man nahezu überall speichern kann.
- Die Arcade-Minispiele, die man hier und da ausprobieren konnte, waren mir persönlich zu hektisch. Unnötig zu sagen, dass ich den Highscore in keinem von ihnen erreicht und damit auch ein paar der Bonusbedingungen nicht erfüllt habe.
- In einigen Rückblenden wird man kurz vorm jeweiligen Ende vor die Wahl gestellt, ob man eines der alten Partymitglieder gegen einen Neuzugang austauschen möchte. Dies hat nicht nur gravierende Auswirkungen auf die Dämonenkönig-Phasen, sondern führt auch dazu, dass sich der Startbildschirm ändert – ein kleines Schmankerl, das ich sehr charmant finde.
- Weniger toll fand ich dagegen die obligatorische Onsenspanner-Szene, die auch noch mit den Worten eingeleitet wurde, dieser spezielle Onsen würde das Brustwachstum bei Frauen anregen. Liebe Entwickler, wie alt seid ihr? Pubertierende 14?
- Ein weiterer Punkt, der mich störte und mich irgendwann öfter zwischenspeichern ließ, als es vom Schwierigkeitsgrad eigentlich notwendig war, war die Tatsache, dass sich das Spiel zweimal in den Kämpfen aufhing. Ob das allerdings am Modul, meiner Switch oder einfach nur an meinen negativen Wellen lag, vermag ich nicht zu sagen. (Seit Dragon Quest XI bin ich ein wenig nervös, was Abstürze angeht…)
Generell muss ich sagen, dass ich den Ansatz von The Longest Five Minutes sehr mochte, da man eine solche Art der Handlungsaufbereitung nicht oft in Spielen hat und ich die Herangehensweise sehr erfrischend fand. Trotzdem hätte ich mir in den Dämonenkönig-Phasen mehr Anlässe für ein In-der-Zeit-zurückspringen-und-eine-andere-Option-wählen gewünscht, denn insgesamt betrachtet wurde diese Mechanik gar nicht so oft verlangt, wie ich es im Vorfeld gedacht hatte.
In Sachen Charaktergraphik hat das Spiel durch das vielfältige Gefühlsfeuerwerk absolut meinen Geschmack getroffen – schade, dass dafür die Umgebung oft so leer wirkt. Handlung und Musik können sich ebenfalls sehen bzw. hören lassen.
Insgesamt betrachtet hat mich The Longest Five Minutes ganz gut unterhalten, auch wenn ich seltsamerweise das Gefühl habe nicht ganz auf meine Kosten gekommen zu sein. Irgendwie hätte man da noch mehr rauskitzeln können...
Bingo-Kandidaten
B4 Indie-RPG C2 1 RPG von 2017, 2018 oder 2019 C3 Joker
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Stand:
min. 8 Spiele 8/8 min. 4 (J)RPGs 6/4 min. 5 Kategorien 6/5 min. 1 ROM 1/1 min. 1 Switch-Spiel durchspielen 4/1 min. 1 Spiel für PSX, PS2, PS3 oder PS4 durchspielen 2/1 min. 1 Handheld-Spiel (DS, 3DS, PSP) durchspielen 1/1 min. 1 Teil einer Reihe durchspielen 4/1 min. 1 ‚artfremdes’ Spiel durchspielen 2/1 Kingdom Hearts 0.2 Birth by Sleep - A fragmentary passage - 1/1