In einer Welt, die von einer stetig schneller voranschreitenden Wüstenbildung bedroht wird, liegen die verschiedenen Nationen im Krieg miteinander – allen voran die Länder Alistel und Granorg.
Vor seinem nächsten Einsatz erhält Stocke, Mitglied einer militärischen Spezialeinheit in Alistel, von seinem Vorgesetzten ein seltsames, leeres Buch, das er als Talisman bei sich tragen soll. Als der Auftrag auf schlimmstmögliche Weise fehlschlägt und Stocke als letzter Überlebender seiner kleinen Einheit kurz davor ist ebenfalls seinen schweren Verletzungen zum Opfer zu fallen, erscheinen plötzlich zwei geheimnisvolle ‚Kinder’ namens Lippti und Teo vor ihm. Diese betiteln ihn als Träger der Weißen Chronik und bringen ihn nach Historia, einem Ort, der zwischen den Zeiten existiert. Dort erklären sie ihm, dass er mit Hilfe des Buches vergangene Ereignisse erneut erleben und ihnen eine andere Wendung geben kann – so auch der Hinterhalt, in den er und seine Gefährten vor wenigen Augenblicken gerieten und den Stocke nun abwenden kann, was zur Folge haben wird, dass niemand sterben muss. Lippti und Teo bitten ihn diese Fähigkeit zu nutzen, um die Ursache der Wüstenbildung herauszufinden und dem ein Ende zu setzen, da sonst in nicht allzu ferner Zukunft alles Leben dem Untergang anheimfallen wird.
Doch die Weiße Chronik verfügt – wenig überraschend – über ein schwarzes Gegenstück und dessen Träger schreckt nicht im Geringsten davor zurück die unterschiedlichen Zeitlinien zu manipulieren, um Stockes Vorhaben zunichtezumachen...
Radiant Historia ist ein mit einem eher ungewöhnlichen Konzept ausgestattetes JRPG, das in seiner Urfassung für den DS erschien – dies ist auch die Variante, die ich gespielt habe und auf die sich der Großteil dieser Rezension bezieht.
Einige Jahre später wurde eine mit diversen Änderungen versehende Neufassung für den 3DS unter dem Namen Radiant Historia: Perfect Chronology auf den Markt geworfen. Neben Erweiterungen wie ein zusätzlicher Handlungsstrang und neue Schwierigkeitsgrade erhielt diese Version zudem eine andere Graphik der Porträts und Ganzkörper-Illustrationen, was meiner Meinung nach einen absoluten Rückschritt darstellt! Zwar wird in Radiant Historia nirgendwo explizit erwähnt, wie alt die Charaktere sind, aber man nimmt ihnen aufgrund der Begebenheiten im Spiel und der klaren, kräftigen Umrisslinien der Illustrationen ohne Weiteres ab, dass sie zum größten Teil erwachsen zu sein scheinen und im Verlauf der Handlung viel durchmachen werden bzw. mussten. In Perfect Chronology dagegen bekommt man generische Anime-/JRPG-Kost mit filigranen Linien und feingliedrigen Körpern, wodurch die Personen – speziell die Frauen – deutlich jünger wirken als sie vermutlich sind. (Warum Eruca optisch zu einer typischen Damsel in Distress mit Wallehaar degradiert wurde, wo doch ihr altes burschikoses Äußeres folgerichtig auf eine zupackende junge Frau hindeutet, will mir partout nicht in den Kopf. Und Gafka sieht überhaupt nicht mehr aus wie ein Gorilla, sondern nur noch wie ein sehr behaarter Mann in mittleren Jahren. Sorry, aber da fragt man sich doch unwillkürlich: Wer zum Kuckuck sind diese Leute und was ist mit denen passiert, die man kennen und lieben gelernt hat?!)
Neben den begleitenden Bildern und dem – in meinen Augen – künstlerisch sehr ansprechenden Cover überzeugt das ursprüngliche Radiant Historia auch mit der eigentlichen Spielgraphik. Diese versetzt den geneigten Spieler optisch ein wenig in die gute alte 16-Bit-Ära zurück und sorgt auf diese Weise für wohlige Nostalgie beim Betrachten der Charaktere und Hintergründe.
Das auffälligste Merkmal an Radiant Historia ist die sehr politisch erzählte Handlung, die sich nach einer kurzen, linearen Einführungsphase, an deren Ende man sich dafür entscheiden muss, welchem Pfad man zukünftig folgen will, in zwei annähernd parallele Zeitlinien teilt. Doch obwohl anfangs suggeriert wird, dass man die einmal getroffene Wahl nicht rückgängig machen kann, verlangt das Spiel im Gegenteil sogar explizit ein ständiges Wechseln zwischen den Realitäten, da es immer wieder Passagen gibt, an denen man ohne bestimmte Fähigkeiten oder bestimmtes Wissen aus der jeweils anderen Zeitlinie nicht weiterkommt. Den finalen Abschluss bildet sogar ein Ende, das aus beiden Handlungssträngen gleichzeitig resultiert.
Was stellenweise eher unlogisch anmutet – vor allen Dingen, da man nicht nur parallele, sondern auch vergangene Ereignisse mit den aktuellen Items, Level-, EXP- und Geldwerten bestreitet – funktioniert in der Praxis erstaunlich gut. Überaus hilfreich ist hierbei natürlich ohne Frage die Tatsache, dass man bereits bekannte Szenen komplett überspringen kann, wodurch das erneute Absolvieren einiger Abschnitte nicht mehr ganz so negativ ins Gewicht fällt und deutlich leichter von der Hand geht. Denn bedauerlicherweise kann man nicht zu jedem Punkt, der als erwähnenswert in der Weißen Chronik festgehalten wird, einfach zurückkehren, was die ein oder andere Wiederholung in puncto Reise durch gegnerverseuchte Gebiete nach sich zieht.
Im Großen und Ganzen sind die Zeitsprünge jedoch ein interessantes und wirklich gut umgesetztes Element, das der Handlung und den Nebenaufgaben den nötigen Pep verleiht und sie durch das gesamte Spiel trägt. Ich muss jedoch gestehen, dass ich wieder einmal mehr als nur froh darüber war, dass mir eine Lösung vorlag, da ich ohne diese speziell bei den vielen Sidequests teilweise nicht mal im Ansatz gewusst hätte, zu welcher Zeit und in welcher Realität ich sie vorantreiben bzw. abschließen muss.![]()
Was mir rückblickend besonders positiv im Gedächtnis geblieben ist, ist der Umstand, dass ich mit Radiant Historia ein Spiel erwischt habe, bei dem mir ziemlich viele Charaktere (egal ob Partymitglieder oder NPCs) sehr sympathisch waren und mir während des Spielens ans Herz gewachsen sind, wodurch ich bei bestimmten Ereignissen regelrecht mitgefiebert habe, weil sie mir so nahe gingen. Speziell bei einer Person sind mir die Tränen in die Augen gestiegen, als ich endlich gerafft habe, dass deren Ableben nicht – wie so vieles andere – verhindert werden konnte und dieser Tod tatsächlich permanent war…![]()
Umso gemischter waren meine Gefühle während des Abspanns, denn auch wenn sich in vielerlei Hinsicht so einiges zum Guten wendete (selbst Unerwartetes), blieb das eigentliche Ende streng genommen offen… (Mal ehrlich: Aufgehalten wurde die Wüstenbildung doch nicht wirklich, oder? Und das mit Stocke ist irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes.)
Das Kampfsystem ist – besonders in der Anfangsphase – nicht gerade ohne und fordert den Spieler zum taktischen Denken auf: Zwar verändern die drei aktuellen Partycharaktere ihre Position während eines Kampfes nicht, doch dafür können sich die Gegner auf einem 3x3-Raster relativ frei bewegen (wenn sie nicht gerade auf ihrer Position hocken bleiben). Da Einzelangriffe speziell zu Beginn des Spiels kaum ausreichenden Schaden verursachen, empfiehlt es sich die Attacken seiner Leute zu Kombos zu verbinden, wobei man – je nach Fähigkeit – die Feinde temporär auf einen Haufen zusammenballen und auf diese Weise mehreren gleichzeitig HP abziehen kann. Dabei handelt es sich allerdings nicht direkt um Gruppenangriffe – diese erhält man erst relativ spät – und obwohl man für die Kombinationsattacken mehr EXP als für einzelne Treffer erhält, kann es durchaus vorkommen, dass man Aktionen auf Gegner verschwendet, die vielleicht schon nach ein, zwei Hieben das Zeitliche gesegnet hätten.
Einen interessanten Aspekt liefert das Wechseln der Züge, bei dem man seine Runde mit der eines anderen Kampfteilnehmers (selbst Gegnern!) tauschen und so mehrere Aktionen gebündelt hintereinander tätigen kann. Zu beachten ist dabei jedoch, dass der betreffende Charakter bis zu dem Zeitpunkt, an dem er tatsächlich an der Reihe ist, quasi als Strafe für sein Tun doppelten Schaden kassiert.
In der aktuellen Party können bis zu drei Personen kämpfen, wobei ein Platz stets durch Stocke belegt ist. Alle anderen Charaktere, die man storybedingt sonst noch mit sich herumschleppt, erhalten nach dem Ende einer Schlacht weniger EXP. Ein wenig fies wird das Ganze, wenn sich Partymitglieder (wieder) dazugesellen, die man in einer Zeitlinie nicht nutzen kann oder die generell erst spät integriert werden – mitunter muss man dann nämlich erst deren Level durch etwas Grinden an das der übrigen anpassen.
Persönlich fand ich die Kämpfe – vor allen Dingen anfangs - stellenweise ganz schön haarig, weil man quasi mühsam einen Feind nach dem anderen erledigen musste, während alle übriggebliebenen einem Runde für Runde fröhlich die Hucke vollhauten. Je mehr Gruppenangriffe ich nutzen konnte, desto leichter wurde die ganze Sache. Die meisten Bosskämpfe waren allerdings schon wieder ein ganz anderes Kaliber und verlangten häufig explizite Strategien. Auch hier schäme ich mich nicht im Geringsten dafür, dass ich nachgeschaut habe, wie ihnen am besten beizukommen war.
Bei der musikalischen Untermalung merkt man deutlich, dass diese aus der ‚Feder’ von Yoko Shimomura stammt, da sich bei einigen Stücken der Vergleich zu Kingdom Hearts regelrecht aufdrängt. Davon abgesehen sind mir persönlich viele der Lieder zu trübsinnig und schwermütig, was zwar größtenteils zur Story passt (immerhin geht es um Krieg sowie das Sterben der Welt und der Leute), aber ich favorisiere doch eher die treibenden und actiongeladenen (Kampf-)Themes. Als da wären: Blue Radiance, The Edge of Green, The Red Locus, Rebellion, Memories of the World, An Earnest Desire of Grey und -HISTORIA-.
Des Weiteren erwähnenswert:
- Klasse finde ich, dass mit den faunähnlichen Satyros und den affenartigen Gutrals zwei eher ungewöhnliche Rassen im Spiel vertreten sind, über die man nicht in jedem zweiten RPG stolpert.
- Auch wenn man manche Dungeons mehrmals durchläuft und irgendwann deren Layout im Kopf hat, wären kleine Karten zur Orientierung wirklich hilfreich gewesen.
- Einen Pluspunkt verdienen auf jeden Fall die Extrafähigkeiten, die Stocke im Laufe der Reise erlernt und mit denen man nicht nur die Handlung vorantreibt, sondern zusätzlich noch hier und da Geld und anderen Kram abstauben kann. Als da wären: Kisten schieben, Fässer explodieren lassen, Unsichtbares sehen, Ranken abschneiden und selbst unsichtbar werden.
- Mit der ‚Sand Plague’ haben sich die Entwickler meiner Meinung nach eine ziemlich unheimliche Bedrohung ausgedacht. Dass Landstriche zu Wüsteneien werden, kennt man ja leider aus der Realität. Aber sich vorzustellen, dass das Gegenüber (oder schlimmer: man selbst) innerhalb von Sekunden zu einem Häufchen Sand zusammenschrumpelt, finde ich ehrlich gesagt ganz schön heftig.
Radiant Historia war ein Spiel, dass ich schon länger angehen wollte, weil es durch seine Zeitreisemechanik sehr interessant klang und ich mich auch vom eher ungewöhnlichen Stil absolut angesprochen fühlte. Abschließend kann ich sagen, dass ich nicht enttäuscht wurde und sogar zu dem, was ich erwartet habe, noch den einen oder anderen Bonus in Form von überaus sympathischen Charakteren und teilweise informativen Sidequests bekommen habe.
Zwar habe ich dieses Jahr bisher erst vier Spiele vorzuweisen und längst nicht alles in den Fingern gehabt, was ich eventuell austesten wollte, dennoch nominiere ich Radiant Historia schon mal vorsorglich als heißen GOTY 2022-Anwärter. Das Zeug dazu hat es definitiv!
Kuriosität am Rande:
Auf der Weltkarte sieht man Stocke, der als Bewegungsmarker fungiert, immer in der gleichen Position frontal von vorn – selbst wenn er sich rückwärts oder seitwärts zu einem bereits bekannten Ort bewegt.
Bingo-Kandidaten
Vorlage gemopst von Nayuta
C2 JRPG mit mehreren Enden (es gibt zwar nur ein einziges gutes Ende, aber je nach Entscheidung zig schlechte Enden) C3 Joker D4 JRPG zu 100% (denke ich zumindest: jedes Ende, jede Sidequest, jede erlernbare Fähigkeit bei allen Charas & jedes Item mitgenommen) E3 2 rundenbasierte JRPGs (→ 1/2)
Ich weiß allerdings jetzt schon, dass ich kein komplettes Bingo hinkriegen werde, da mir momentan einfach die Zeit zum vermehrten Daddeln fehlt und sich das in der zweiten Jahreshälfte vermutlich auch nicht großartig ändern wird. (Und in allen möglichen Bingo-Kombinationen für mich zu zeitaufwändige bzw. kaum machbare Bedingungen vertreten sind - siehe z. B. ‚2 SRPGs’. Du willst mich wohl ärgern, Kael?)
Was meine eigene Challenge angeht, bin ich jedoch recht zuversichtlich, dass ich das noch gebacken kriege. Ach ja: HALBZEIT!
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Stand:
min. 8 Spiele 4/8 min. 4 (J)RPGs 4/4 min. 2 ROMs 1/2 min. 1 Tales of... 0/1 min. 1 RPG-Maker-Spiel 1/1 min. 1 Handheld 1/1 Wild Arms 2 beenden 1/1
Abseits der Challenge 0/???