Im Jahr 2061 wird den Menschen gewahr, dass der Halleysche Komet eine ungewöhnliche Flugbahn aufweist, da er schnurstracks auf das bekannte Sonnensystem zuhält. In der Annahme das Gas des Kometen wäre die Ursache dafür, entsendet die Raumstation Jesus die zwei Raumschiffe Nebula und Corona im Abstand von zwei Wochen, um Proben zu nehmen und sie auf mögliche Zeichen von Leben zu untersuchen.
Als die Corona zu ihrem Partnerschiff aufschließt, bricht plötzlich die Kommunikation zwischen ihnen ab, woraufhin der kampferprobte Hayao ausgeschickt wird, um der Funkstille auf den Grund zu gehen. An Bord der Nebula dauert es nicht lange, bis er über die ersten Leichen stolpert und auf den dafür verantwortlichen Übeltäter trifft: Eine sich stetig weiterentwickelnde Lebensform, die vor weiteren Morden nicht zurückschreckt...
Jesus ist eine 1987 von Enix für den PC-88 herausgebrachte Horror-Visual Novel (oder - je nach Definition - ein Adventure). 1989 erschien eine Version für das NES mit dem zusätzlichen Untertitel ‚Kyoufu no Bio Monster‘ und diversen Änderungen betreffs Inhalt, Graphik und Spielmechanik. Dies ist auch die Variante von Jesus, die vor einigen Jahren eine englische Übersetzung erhielt und die ich kürzlich durchspielte.
Das Spiel gliedert sich grob in drei Abschnitte: Den (ziemlich knappen) Einstieg erlebt man auf der Raumstation Jesus, ehe man sich erst auf der Nebula und schlussendlich auf der Corona aufhält.
Kurz nach seiner Ankunft auf der Nebula schließt sich FOJY, ein kleiner Roboter, der eigentlich seiner Freundin Helene gehört, Hayao an und begleitet ihn fortan als Ratgeber und Unterstützer. FOJY hat im Vergleich zum Ur-Jesus eine radikale Veränderung durchlaufen – sieht er doch dort eher wie eine Art Hörgerät aus, dass Hayao von seinem Kommandanten gleich in den ersten Spielminuten überreicht bekommt und künftig am Ohr befestigt mit sich herumträgt.
Wie in anderen Genrevertretern üblich, beschränkt sich die Interaktion des Spielers hauptsächlich auf das Auswählen von Kommandos – zur Auswahl stehen dabei ‚Speak‘, ‚Look‘, ‚Search‘, ‚Give‘, ‚Take‘, ‚Use‘ und ‚Move‘, wobei jedoch nicht alle in jeder Situation auftauchen. Um in der Handlung voranzuschreiten, ist es manchmal unablässig nicht nur zwischen den unterschiedlichen Befehlen zu wechseln, sondern auch mal öfter hintereinander dasselbe Kommando (z. B. drei Mal ‚Speak’) zu benutzen. Dadurch lässt es sich allerdings nicht vermeiden, dass Beschreibungen oder Gespräche sich wiederholen, denn dummerweise können sie nicht abgekürzt werden, was hier und da schon ein wenig nervtötend ist.
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Die einzige Ausnahme von der Regel stellt das Herumlaufen auf der Nebula dar: Aufgrund der Tatsache, dass dieses Raumschiff größtenteils aus einem zylinderförmigen Korpus besteht, der sich über mehrere Stockwerke erstreckt, nutzt man auf allen Etagen die Pfeiltasten, um Hayao im Kreis um den jeweiligen Lift herum zu lenken. An der anderen Wand auftauchende Türen führen zu Quartieren, dem Cockpit, dem Labor und anderen wichtigen Räumen wie dem Lager oder einer Kühlkammer. Leider offenbaren die Türen in keinster Weise, was genau sich hinter ihnen verbirgt, so dass das Zurückkehren an bekannte Orte zu einem Ratespiel mutiert (falls man nicht so schlau war und sich im Vorfeld Notizen gemacht hat).
Im ursprünglichen Spiel gab es außerdem noch eine Handvoll als Minispiele getarnte kleine Aufgaben, die vermutlich eine Abwechslung zur Textklickerei bieten sollten, für diese Version jedoch gestrichen respektive als reine ‚Klick-hier-und-du-kommst-weiter‘-Befehle integriert wurden.
Gespeichert wird per Passwortabfrage: Drückt man an einem beliebigen Ort ‚Select’, erhält man einen aus zwanzig Stellen bestehenden Code (inklusive drei zusätzlicher und automatisch gesetzter Leerzeichen), den man sich separat aufschreiben muss. Möchte man nun im Startbildschirm das Spiel fortsetzen, gibt man einfach das Passwort Zeichen für Zeichen ein, um vom letzten Punkt aus weiterzumachen.
Allem Anschein nach merkt sich das Spiel sogar alte Passwörter, wodurch man eventuell noch einmal zu früheren Ereignissen zurückspringen könnte, wenn man denn wollen würde.
Notwendig ist dies jedoch keineswegs, denn Jesus ist nicht nur ein recht lineares Spiel ohne überflüssige Abzweigungen, sondern auch völlig frei von ungewollten Fehlentscheidungen, die man aus Versehen treffen könnte. Es folgt strikt dem Credo ‚Irgendwie geht‘s immer weiter.‘ - man muss nur herausfinden an welchem Punkt und durch welche Handlungen.
War es in der ersten Version des Spiels durchaus möglich sich (an mindestens einer Stelle) in eine Sackgasse zu manövrieren und damit ein Game Over auszulösen, besteht diese Gefahr in der vorliegenden Edition nicht mehr. Selbst wenn Hayao sich von Angesicht zu Angesicht mit dem Monster konfrontiert sieht, besteht weder ein Zeitdruck noch der Zwang auf alle Fälle die richtige Entscheidung treffen zu müssen: Klappt Option Nummer eins nicht, probiert man eben Option Nummer zwei und dazwischen kann man sich als Spieler locker noch eine Kanne Tee kochen – das Viech (oder wer gerade vermeintlich drängelt) wartet solange geduldig ab.![]()
Auch die Fragen, die FOJY in der Endphase Hayao stellt und im Grunde genommen nur ein an den Spieler gerichteter Aufmerksamkeitstest ist, ob man kapiert hat, worum es geht, ziehen keine negativen Konsequenzen nach sich. Sogar die finale Begegnung, die - spoilerfrei ausgedrückt - schlicht aus ‚Drück-die-richtigen-Knöpfe-und-du-hast-gewonnen.‘ besteht, ist in Sachen Fehlversuchen absolut kulant, da FOJY zwar darauf hinweist, wenn man sich vertan hat, aber ansonsten nichts Schlimmes passiert.
Von daher ist die Einordnung ins Horrorgenre mit Vorsicht zu genießen: Ja, es gehen Leute drauf und ab und an erschrickt man sich schon, wenn das Monster plötzlich auftaucht, aber ehrlich gesagt finde ich es zusammengenommen eher lasch. Und das behaupte ich als jemand, der mit derartigen Spielen eigentlich so gar nichts anfangen kann.
Doch obwohl die Story in gewisser Weise ziemlich vorhersehbar ist, weiß sie dennoch gut zu unterhalten. Vor Klischees ist sie trotzdem nicht ganz gefeit: Als etwa Hayao beim Verlassen der Nebula von einem der Charaktere gebeten wurde etwas Bestimmtes zu tun, rutschte mir ein „Ganz miese Idee!“ raus. Und et voila, ich hatte recht!
Das Ende fand ich dahingehend nicht schlecht gemacht, dass sich die Getöteten quasi noch einmal verabschieden konnten, da das Monster sozusagen ihre Persönlichkeiten in sich aufgenommen hatte, wodurch eine letzte ‚Kommunikation‘ möglich wurde.
Zudem liefert Jesus auch einen Hauch Gesellschaftskritik, denn es wird in den abschließenden Dialogen recht deutlich darauf hingewiesen, dass die Lebensform sich durch das Assimilieren gar nicht anders als feindlich gesinnt weiterentwickeln KONNTE, da die Menschen (als Ganzes betrachtet) evolutionsbedingt immer eine dunkle Seite in sich tragen würden, egal wie gutherzig einzelne von ihnen sind.
Darüber hinaus gefällt mir die (schaurige) Möglichkeit, dass es sich beim Schluss eventuell nur um einen Aufschub der Situation handelt.
Das Spiel endet nämlich mit dem Wegblenden der beiden Protagonisten Hayao und Helene, die sich gegenseitig ‚im Arm halten‘ (Jede Wette, dass die während des Abspanns mehr als nur das gemacht haben…), bevor sich FOJY erneut zu Wort meldet. In einer letzten Aufzeichnung weist er darauf hin, dass ihm jeden Moment die Energie ausgehen und er dadurch einen Teil seines Erinnerungsspeichers verlieren wird. Umso mehr hofft er, dass Hayao die finale Botschaft seines Captains im Hinterkopf behält: NOCH hatte das Wesen einen Schwachpunkt, der ausgenutzt werden konnte. Doch sie hatten selbst erlebt, wie schnell es in der Evolution voranzuschreiten vermochte...
Tatsächlich existiert ein (nicht übersetztes) Sequel namens Jesus II, das vier Jahre nach dem ersten Teil spielt und mit einem anderen Protagonisten aufwartet (obwohl Hayao und FOJY als Nebencharaktere auftauchen). Scheinbar geht der ganze Horror dort von vorne los, wobei mich schon interessiert hätte, ob es sich wieder um DAS Vieh handelt oder um ein anderes.
Graphisch bietet Jesus für ein NES-Spiel solide Kost, auch wenn naturgemäß die Nahaufnahmen der Personen detaillierter ausfallen als die weiter entfernten Ganzkörper-Posen, die gerne mal zum weniger ansehnlichen Pixelbrei mutieren.
Schaut man sich allerdings Bilder der PC-88-Version an, sind diese teilweise sogar noch filigraner. Und das trotz der ‚älteren‘ Hardware!
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Für die atmosphärische Musik zeichnet sich kein Geringerer als Koichi Sugiyama aus, was ich anders als bei E.V.O. – The Theory of Evolution gar nicht gemerkt habe. Beim zweiten Mal Hinhören und mit diesem Wissen im Hinterkopf würde ich aber schon sagen, dass mir der Stil vage vertraut vorkommt.
Andererseits irritiert mich ein Kommentar aus dem Internet, in dem es wortwörtlich heißt, dass „RPG-Fans vermutlich die Weltkartenmusik aus Dragon Quest erkennen, die gespielt wird, wenn sie [zu Beginn] an Bord der Jesus sind“. Ich hab mir mal beide Musikstücke in verschiedenen Versionen zu Gemüte geführt und verglichen. Und ganz ehrlich: Häh? Das sind doch zwei völlig unterschiedliche Themes…
„Jesus“ (ab Minute 2:05) (die veränderten Namen der Charaktere und Schiffe sind einer anderen Übersetzung geschuldet)
„Overworld“ aus Dragon Quest (NES)
Mit insgesamt 7 Stunden und 35 Minuten ist Jesus das zweite Spiel, das mir auf den letzten Metern des Jahres 2024 noch 5 Punkte verschaffte (vor Weihnachten gezockt, aber keine Zeit für eine Rezi gefunden).
Jesus - Kyoufu no Bio Monster erzählt im Grunde genommen eine ähnliche Geschichte wie Metal Slader Glory - ein anderes NES-Spiel, das im Laufe des Jahres von mir (an-)getestet wurde, aber schlussendlich auf meiner Nö!-Liste gelandet ist. Doch trotz gewisser Gemeinsamkeiten und Klischees gefiel mir Jesus definitiv besser, da mir zum einen im vorliegenden Fall die Charaktere bedeutend sympathischer waren als die infantile Bande in MSG und mich zum anderen die Story doch irgendwo berührt hat.
Falls jemand nur in einen der beiden Titel reinschauen möchte, würde ich ganz klar Jesus empfehlen.
Fun Fact:
Wie man auf den seltsamen Namen FOJY kommt? Indem man die Buchstaben E, N, I und X um eine Stelle im Alphabet verschiebt.
Kuriosität am Rande:
Okay, man muss bedenken, in welchem Jahr das Spiel erstmalig erschien. Trotzdem finde ich es witzig, wie selbstverständlich vorausgesetzt wird in der fernen Zukunft würde es noch Kassetten geben.![]()
Bingo-Kandidaten
C3 Joker
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Stand:
Gesamtanzahl der Spiele 11/??? Anzahl der (J)RPGs 6/??? Anzahl der Nicht-(J)RPGs 5/??? Erreichte Punkte 36 oder 37/???