Jede Faser, jede Zelle in Léos Körper schien in Schockstarre zu verfallen, als Seeker ihr Anliegen vorgetragen und sie, wie auch Voodoo, ansahen.
Was würde sie darum geben, einen riesigen Anschiss kassiert zu haben.
Weil Jackal nicht mehr da war.
Weil sie Pray irgendwie auf den Schlips getreten war.
Von ihr aus auch einfach so, ohne jeden Grund.
Darauf wäre sie klar gekommen. Das war sie gewohnt.
Worauf sie nicht klar kommen konnte, war, vor die Wahl gestellt zu werden, ihre bisherige Schiene weiterzufahren oder den zu Hause gebliebenen Rest der Vultures zu übernehmen.
Dass ihre Clanschwester nicht mehr von ihrem eigenen Entschluss abzubringen, hatte sich Léo schon im Zelt eingestehen müssen. Es war wie ein Knoten in ihrer Brust, der sich fester und fester zog, weil sie wusste, dass sie absolut nichts mehr dagegen tun konnte.
Zugegebenermaßen hatte sie der Gedanke schon gereizt, den Clan zu übernehmen oder zu führen, aber bei der Idee war es ja immer der komplette Clan gewesen, stark, stolz, uneinnehmbar. Hier nun sollte sie...ja,...im Prinzip die Anhängsel, das Sheng’s Hope der Vulture anführen.
Kinder, Verletzte, Frauen und Männer ohne Kampferfahrung...
Bereits wie Ballast zurückgelassen, warten sie auf Nachricht oder die Gewissheit, ihren Leben gemeinsam ein Ende zu setzen.
Und sie, Léo, sollte ihre Lösung, gar Rettung sein? Sie, die sie sich selbst noch nicht sicher war, ob sie sich überhaupt zurechtfinden könnte in dem, was sie gerade im Begriff war zu schaffen?
Die sich dadurch anbahnende Verantwortung schien auf krasseste Weise mit ihren Prinzipien zu kollidieren.
Wenn sich Hju in seinem Anführerposten auch nur halb so beschissen fühlte, wie sie sich in diesem Moment, müsste sie so einige der Sachen, die sie ihm an den Kopf geworfen hatte, zurücknehmen.
Wollte sie, dass dieses Gefühl von jetzt an ihr treuer Begleiter wurde? Die paar Stunden, in denen sie sich für Jackal verantwortlich gefühlt hatte, waren die Hölle gewesen, vor allem, da er ihr deswegen danach weiterhin auf die Eierstöcke gegangen war.
Sie betrachtete Seeker und Voodoo, der selbst noch immer geschockt schien, eingehend. Er würde ihr den Weg zeigen, alle Wege der Vulture zu begreifen. Im Prinzip wusste sie so wenig von ihnen, auch wenn sie glaubte, den Geist des Clans begriffen zu haben.
Doch auf der anderen Seite hätte sie dann auch nach morgen ein wirkliches Ziel vor Augen. Eine Möglichkeit, sich zurechtzufinden. Und wenn dann auch noch Guapo an ihrer Seite stünde...
Sollte sie die neue Welt zum Anlass nehmen, auch etwas komplett Neues zu wagen? Den Schritt in die Zukunft zu gehen?
Oder sich an ihre bestehende Vorstellung halten, die sie durch dieses Leben gebracht hatte; der Vergangenheit treu bleibend?
Nachmittags auf der Villenterrasse. Ein vergleichsweiser milder Augusttag in Tijuana., Insekten und ein merkwürdiges Stöhnen erfüllten die warme Luft mit ihrem Schwirren; während Léo mit ihrer Abuela mächtig einen durchzog. Die faltige Frau mochte vielleicht schon an die 90 sein, aber durchs Familiengeschäft war der Graskonsum für sie so natürlich wie das Tequila-trinken. Die dazu notwendige Pflanze kultivierte sie schon vor dem großen Zehren im Garten. Zufrieden beobachtete sie aus ihren weisen aber noch immer wachen tiefschwarzen Augen, wie ihre Maultiere das saftige Grün der Umgebung abgrasten. „Es gibt wenig bessere Unternehmen heutzutage, nieta (Enkelin).“ "Oh, Abuela, nicht schon wieder... ich sage Dir jeden Tag, dass ich keinen Bock habe, verkackte Maultiere zu züchten...“ „Und doch willst Du eines meiner verkackten Maultiere, um abzuhauen, sobald ich diese Welt verlassen habe.“ Abuela nahm einen kräftigen Zug und bließ den Rauch in kleinen Ringen aus. "Bitte, wie oft muss ich Dir denn noch erklären, da-„ „Nein, nein, es ist schon gut, dass Du Dich um la Familia kümmerst und für mich ordentlich bestatten wirst. Wenn Du das mal nur auch für Fransisco getan hättest...“ Léo grunzte etwas Unverständliches. Geistesabwesend tätschelte die Alte die Quelle des Stöhnens; den abgehackten Kopf ihres Lieblingssohnes, den ihre Lieblingsenkelin bei ihrer heißersehnten Heimkehr im Gepäck hatte. Jeden Tag hatte die Greisin dafür gebetet, dass ihr Javier und seine kleine Léo wiederkommen würden und nach 19 langen Jahren hatte der Padre sie erhört, wenn auch nicht vollständig. Die nächsten Monate widmete sie voll und ganz damit, den Stolz der Familie Arellano-Felix auf eine gute Bahn zu führen- mehr oder weniger erfolgreich. „Nieta, Maultiere sind unglaublich nützlich. Sie transportieren Dich oder andere Sachen, halten den Garten knapp, düngen, geben Dir Fleisch und Milch... damit kannst Du Dir dann auch jeden Mann aussuchen..“ "ABUELA!“ „Sí claro, Du kannst nicht ewig diesem Negro hinterhertrauern. Du bist 27, ohne Irgendjemanden und bald die letzte Arellano-Felix. Ich erwarte Urenkel!“ "Weißt Du was: Klar, ich mach das wie Papa...“ „Ahh, madre mía, bloß nicht...“ Boshaft grinste die junge Latina. "Oh doch, ich suche mir nen oberscharfen Australier, der mich regelmäßig zur Weißglut treibt, aber wahnsinnig gut im Bett ist ...klingt suuuuper, oder Abuela? Dein Alptraum wiederholt sich...“ „Der Padre nimmt sowas sehr wörtlich und bald bin ich bei ihm, dann sorge ich dafür, dass Du genau so einen bekommst.“ Ein kehliges Lachen entfuhr Léo, bei dem sie schubweise den eben eingeatmeten Rauch ausstieß. „Aber wenn er im Gegensatz zu Deiner Mutter wenigstens 2 Gehirnzellen hat, bin ich schon glücklich. Hauptsache Du kommst endlich mal in trockene Tücher.“ "Bin ich doch schon längst, Abuela. Ich komm wunderbar allein zurecht, ohne Maultiere, ohne Mann oder Kinder und das darf sehr gerne so bleiben. Und ich geh auf jeden Fall weg, ich muss das aus der Vergangenheit endlich regeln.“ Geistesabwesend nickte ihre Großmutter, starrte auf keinen bestimmten Punkt. Nach einigen Minuten des gemeinsamen Schweigens sprang die Faltige auf einmal auf und verschwand im Haus, nur um nach einigem Fluchen mit einem Teleskop wiederzukommen, dass sie Léo in die Hand drückte. Mit erhobener Augenbraue sah diese ihre Abuela an, die nur an den Horizont deutete. Schulterzuckend setzte sie das Teleskop ans Auge und blickte in die Ferne. „Siehst Du den Berg mit den Mulas da drüben? Alles erscheint so nah- das ist die Zukunft.“ Die Alte nahm das Teleskop und drehte es um, so dass nun die große Linse an Léos Auge lag. Sacht drehte sie das Gerät, sodass es auf den verfaulenden Kopf gerichtet war, durch die ungewöhnliche Betrachtungsart winzig. „Und jetzt.... ist alles so weit weg- das ist die Vergangenheit. Du musst Dich entscheiden, wie weit Dein Weg sein soll, doch es lohnt sich fast nie, den langen Weg zurück in die Vergangenheit zu nehmen. Vor allem, wenn eine so tolle Zukunft direkt vor Dir liegt...“
Merkwürdig, dass ihr das gerade jetzt einfiel. Damals hatte sie Nichts auf diese Worte gegeben und sich auf den Weg zur Ostküste gemacht. Für ihre Vergangenheit.
Und war nun hier, nach einem schier endlosen, langen, mühsamen Weg.
Doch jetzt stand Léo vor der einer der schwersten Entscheidungen ihres Lebens. Die Frage, ob sie sich für die Menschheit opfern würde, war dagegen ein Klacks für sie gewesen.
Es gab kein Vertun, sich das einzugestehen: Sie hatte Angst. Angst zu versagen, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein, Seeker zu enttäuschen und ihren Clan ins Verdeben zu reißen.
Da war dieser Widerstand, so viel in wahrscheinlich nicht fürs Überleben nützliche Personen zu investieren, die sie selbst und andere runterziehen könnten.
Der eigentlich springende Punkt war: Im Gegensatz zu den Leuten, die die Anderen im Dome gerettet hatten, gingen ihr dieses Schicksal irgendwie nahe. Da war diese natürliche Verbundenheit mit den dem Clan, die Léo schon damals empfunden hatte und jetzt einfach nicht abschütteln konnte. Da war dieses unermesslich tiefe Band mit ihrer Schwester Seeker, für die die Vulture eindeutig ihre Familie waren.
Und sie wollte ihre Familie, ihr Wertvollstes, das, was sie aufgebaut hatte, in die Hände und Obhut der Latina geben. So sehr vertraute sie ihr, so hoch schätzte sie sie ein.
La Familia es todo.
Ihr schlug das Herz bis an den Kehlkopf.
Ihre Augen schimmerten, als sie ihre Hände auf die Schultern Voodoos und Seekers legte und fest griff.
Tief blickte sie beiden in die Augen, ehe sie die ihrer Schwester fixierte.
Langsam atmete sie aus, um ihre Stimme ruhig zu halten, als sie entgegnete:
"Es ist das Mindeste, was ich für Dich und den Clan tun kann, nach allem, was Du für mich und meinen getan hast. Wenn ich aufrecht aus der Schlacht gehe, werde ich die neue Seeker.“
Léo schluckte. Sie fühlte, dass die vielleicht die letzte Gelegenheit war, mit dieser beeindruckenden Frau zu reden.
"Das....Das größte Geschenk und die größte Ehre, ist Dich als Schwester zu haben....“
Sie zog Seeker zu sich, und raunte leise in ihr Ohr.
"D-Du wirst mir so fehlen...“
Dann biss sie ihr sacht in den Nacken.
Meine wunderschöne Tochter.
Nur zu oft vergaß Evi, dass Seeker wirklich Prays Tochter war. Sie wirkten einfach so grundverschieden und auch jetzt, vor der letzten Schlacht hätten ihre Gedanken und Wünsche nicht unterschiedlicher sein können. Trotzdem akzeptierte der alte Mann vollkommen, was Seeker empfand und die Taucherin kam nicht umhin, ihn zu bewundern. Obwohl er seine Tochter verlieren würde - sie würde es regelrecht darauf anlegen, ehrenvoll in diesem Kampf zu sterben, das war Evi jetzt auch klar - lächelte er der Zukunft entgegen. Wehmütig und etwas traurig, aber gleichzeitig ruhig und stolz.
Genau das wollte sie auch. Sie musste akzeptieren, wie die anderen in diese Schlacht ziehen wollten und einfach ihr Bestes geben, sie in diesen Entscheidungen zu unterstützen und zu verstehen.
"Ich kann dir doch keinen Gefallen abschlagen.", sagte Evi schließlich und klopfte Pray, dessen Tränen zum Glück wieder getrocknet waren, etwas unbeholfen auf die Schulter.
"Mit deinen Worten hilfst du auch mir, die ganze Sache vielleicht mit anderen Augen zu sehen. Alleine deshalb werde ich deine, äh, schwarze Garde sein." Der alte Mann schmunzelte und gemeinsam gingen sie los. Evi hatte Blades die ganze Zeit über nicht gesehen und eigentlich auch irgendwie völlig vergessen gehabt, aber irgendwie hatte Pray seinen Weg zu ihr gefunden. Verrückt, wie das Leben manchmal spielte.
"Und deine Tochter wird niemals in Vergessenheit geraten." Ihr war klar, dass Pray dies auch wusste, aber vielleicht war es trotzdem gut, es laut auszusprechen. Vor allem für die Taucherin selbst war es etwas, das sie erst jetzt zu erfassen schien. Sie alle würden niemals in Vergessenheit geraten, ganz egal was passieren würde. In der Geschichte der Welt würden sie ewig leben.
Voodoo, der sonst nie um ein breites Lächeln verlegen war, presste die Lippen zusammen und musterte Seeker mit derselben Intensität, mit der auch Leo ihre Schwester ansah.
Dann sprach er mit rauer und belegter Stimme: „Ich wäre mit dir in den Tod geritten, Sucherin. Bis unsere Leiber zerschmettert am Boden liegen und nurmehr unsere Seelen nun ihr Gefieder spreizen um zu fliegen.“
„Das weiß ich, Herr der Rituale. Nur ein Feind der Vulture mit dem Wunsch auf Krieg, wäre so dumm etwas Anderes zu behaupten. Aber dein Platz ist bei den Lebenden und der Zukunft. Nicht bei den Toten und der Vergangenheit.“
Seeker lächelte nun und es war deutlich, dass sie die Berührung genoss, die beiden Hände auf ihren Schultern. Doch dann nahm sie sich aus dem Reigen, so dass alleine die Hände von Voodoo und Leo noch auf den Schultern des jeweils Anderen lagen.
„Ich verschwinde in der Erinnerung und führe die Truppen der gefiederten Schlange im Totenreich an. Von dort aus töte ich unsere Feinde, so dass ihr die Vulture in die neue Welt führen könnt. Achtet auf den Regen wenn ich nicht mehr bin. Mit ihm wasche ich meinen blutbedeckten Leib nach der Schlacht. Wollt ihr mir nahe sein, steht im Regen.“
Dann schwieg sie eine feierliche, fast zeremonielle Stille legte sich über die Drei.
Voodoo führte seinen Kopf nahe an Leos heran und legte seine Stirn auf die von Leo.
„Ich werde alles tun um dir ein guter Berater und noch besserer Freund zu sein, Monkey Vulture. Jetzt und dann, wenn du die Seeker Vulture bist. Und ich werde den Riten von Geier und Schlange mit Freuden und Blut die Riten des Affen hinzufügen. Lassen die Geier uns fliegen und tötet die Schlange unsere Feinde, so wird der Affe uns klug und listig werden lassen. Und uns den Weg zeigen, den Clan Vulture braucht, um einen neuen Ort zu leben zu finden. Fernab von den Schlachtfeldern, von denen Geier und Schlange sich lange ernährt haben.“
Dann legte er beide Hände auf die Seiten von Leos Hals und senkte den Blick.
„Kein Geist wird uns entzweien können, ich schwöre für dich zu kämpfen, zu leben und zu sterben. Was auch immer die Seeker befiehlt.“
Dann ging er einen Schritt zurück und grinste breit. „Ich bin sehr gespannt, was die Affengeister mir zu sagen haben.“
Er verschränkte die massigen Arme und sah Leo an, sie erwiderte kurz den Blick und dann stellten sie fest, dass Seeker verschwunden war. Vielleicht, um sich auf die Schlacht vorzubereiten, vielleicht, um ein letztes Mal mit ihren Kriegern zu feiern. Doch dort, wo sie gestanden war, fand sich nur noch die Schwärze der Nacht, die sich anstemmte gegen das Licht des Tages und diesen Kampf zu verlieren schien, denn schon bald würde die Sonne aufgehen. Und damit die Schlacht beginnen.
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Pray blickte sie aus den Augenwinkeln an und lächelte sanft.
„Und meine Tochter wird alles in ihrer Macht stehende tun, um sich dieses Geschenk ewiger Erinnerung als würdig zu erweisen.“, sagte er leise und führte Evi zu einem der kleinen Seen, die sich hier durch Regenfall gebildet hatten. Der Mann, der die Vulture als Idee erschaffen hatte, hieß Evi kurz zu warten und nahm ein Bündel von seinem Rücken, während er hinter einigen Büschen verschwand. Als er wieder hervor trat, glaubte Evi ihren Augen nicht zu trauen. Er wirkte nun ganz anders auf sie. Ein langes, schwarzes Gewand trug er nun am Leid und eine ihr seltsam vertraut vorkommenden weiße Halsbinde, als würde sie sich aus ihren frühesten Kindheitserinnerungen an solche Gewänder entsinnen können. Man sah dem liturgischen Gewand sein Alter und seine häufigen, wahrscheinlich heimlich durchgeführten, Flickarbeiten an, doch trotzdem wirkte er erhaben und feierlich. Und das spiegelte sich im unglaublichen Glück in seinen Augen und dem Lächeln wider.
Die Bibel, die er in der Hand hielt, gab er der Taucherin in die Hand und blickte auf den See hinaus.
Die ersten, beginnenden, noch müden Strahlen der Sonne schoben sich hier durch das Geäst und ließen den See geheimnisvoll und mystisch wirken und genau dort, wo sich erste hellrote Strahlen zeigten und im See spiegelten, ging Pray bis zur Hüfte hinein.
Evi fuhr herum, als sie ein Rascheln im Gebüsch hörte und sie sah ein schmutziges und unglaublich verloren wirkendes Mädchen, das sich dort versteckt gehalten haben musste, heraus treten und erstarren, als sie die Taucherin sah. Sie erbleichte, doch der Priester rief sie leise und beruhigend winkend zu sich.
„Nun liegt es an dir, Teeth Vulture.“, sagte er leise zu Evi. „Lass uns hoffen und beten, dass es nicht Seeker ist, die uns hier findet, denn dann sterben wir, da ihrer Meinung nach dieser Tag der nach Blut dürstenden gefiederten Schlange gehört. Der Tag mag der Schlange gehören, doch nicht dieses Mädchen, das alles verloren hat und mehr Licht denn Blut braucht. Wir sind einander begegnet, um uns gegenseitig aus der Dunkelheit zu helfen, in die uns diese Zeit gestoßen hat. Ab heute bin ich wieder der Mann der ich einst war.“
Und bei diesen Worten hatte Evi verstehend genickt und war vom Ufer des Sees weg in Richtung Wald geschlichen, um sich dort auf die Lauer zu legen.
Denn die Befürchtung des Priesters sollte sich als wahr heraus stellen – kaum war die Taucherin einige Meter in den kleinen Wald verschwunden, hörte sie leises Rascheln und Stimmen.
„Glaub‘ mir, Snare, ich habe etwas gesehen. Die Schlange will uns jagen sehen und hier war ein blondes Mädchen in den Büschen. Du sollt mein Pferd morgen für die Schlacht bekommen, wenn ich mich geirrt habe, aber jetzt folge mir und halte dein Messer bereit, es wird Zeit, jagen zu gehen.“
Nachdem Frank alles für die große Schlacht mit Wingman besprochen hatte was es zu besprechen gab, nach der aktuellen Planung würde Ellen noch mit ihnen zusammen beim Panzer sein und mit ihrem Handwerklichen Geschickt dafür sorgen, dass der Panzer noch lange genug hielt und alles Reibungslos lief, machte er sich auf den Weg um sich von seiner Familie zu verabschieden und noch ein paar Stunden mit ihnen zu verbringen. Er hoffte, dass es nur ein Abschied auf Zeit war und nicht für immer.
Da bin ich wieder Schatz. sagte er, und gab seiner Frau einen Kuss als er wieder vor ihr Stand und setzte sich dann mit ihr zusammen auf eine Decke, die sie auf dem Gras ausgebreitet hatten. Entschuldige dass ich nochmal so lange weg war aber die Besprechung ist eben nicht unwichtig, wie es eben so ist. Ausserdem hat Wingman die taktische Seite des ganzen übernommen und, du weißt ja wie er da ist. dann erklärte er Silvia noch etwas genauer, was sie besprochen hatten und wie der Plan aussehen sollte.
Wir haben ja doch noch einige Kinder bei uns, mehr als ich befürchtet hatte als wir in Shengs Hope waren... begann Frank ein Thema einzukreisen, dass ihm schon seit der Besprechung um Kopf umher ging. Was würde während der Schlacht mit Silvia und Thomas geschehen? Er war froh gewesen, dass sie sich nicht gemeldet hatte. Er würde sich auch freuen wenn sie sich meldete und an ihrer Seite kämpfen, keine Frage aber so wusste er sie zumindest in relativer Sicherheit. Nun hieß es noch für Sicherheit zu sorgen und das nicht nur für seine eigene Familie. Wir werden während der Schlacht etwas mit ihnen machen müssen und selbst die Supportzone wäre für sie zu gefährlich. Könntest du vielleicht noch jemand anderes der nicht direkt kampftauglich ist nehmen und weiter hinten, ungefähr bei den Skypeople, wo es halbwegs sicher ist, die Kinder irgendwie beschäftigen und von dem ablenken was vorsich geht? Ich weiß das du das kannst und im Notfall auch weißt wie du dich verteidigen kannst. sagte er und die Sorge war ihm mit Sicherheit anzusehen.
Evi kauerte hinter irgendeinem Gebüsch, dessen fast würziger Duft ihr in die Nase stieg. Sie hatte es nie besonders gemocht, sich irgendwo in den Wäldern versteckt zu halten, es gab einfach viel zu viele Spuren, die man hinterlassen konnte und überall raschelte und knackte es. Und es gab nichts, womit man sich vernünftig tarnen konnte, wenn man nicht im Vorhinein Vorbereitungen ergriff.
Wenn Seeker wirklich ihren Weg hierher finden würde, dann saßen sie ziemlich tief in der Scheiße. Verstecken würde sie sich vor ihr sicher nicht können, und die Wortgewandtheit, um ausgerechnet die Anführerin der Vultures tatsächlich von irgendetwas abzuhalten, besaß sie nun wirklich nicht.
"Glaub‘ mir, Snare, ich habe etwas gesehen“
Der Taucherin setzte fast der Herzschlag aus, als sie tatsächlich eine Stimme hörte. Sie klang nach einem eher jungen Krieger, allerdings nicht nach einem Kind. Wahrscheinlich und bei ihrem Glück war es ein muskulöser Kämpfer in seinem besten Alter. Und er war nicht alleine.
"...aber jetzt folge mir und halte dein Messer bereit, es wird Zeit, jagen zu gehen."
Fabelhaft, absolut fabelhaft.
Hektisch brach die Taucherin ein paar Zweige ab und versuchte, offensichtliche Fußspuren in die weiche Erde zu treten. Es war nicht sonderlich schlimm, wenn sie Geräusche machte, sie wollte diese Typen ja zu sich locken. Trotzdem bemühte sie sich um ein bisschen Vorsicht, wenn sie zu früh bei ihr waren, hatte sie schneller ein Messer im Rücken als sie realisieren konnte.
Evi wusste, wie offensichtliche Spuren aussahen und hoffte inständig, dass ihre konstruierten auffälliger waren als die, die Pray oder Blades vorhin hinterlassen hatten.
"Hey, hörst du-", sagte nun die zweite Stimme, die von einem leisen "Shhhh." unterbrochen wurde. Evi hielt die Luft an. Hatten sie sich in ihre Richtung gewandt? Sie hoffte es inständig.
Kurzerhand streifte Evi noch einmal mit voller Absicht einen dichten Strauch und fasste dann den Ast eines Baumes ins Auge, der nicht allzu schwierig zu erklimmen schien. Trotzdem, gerade bei etwas Unebenem und Rutschigem wie einem Baumtamm tat sie sich etwas schwerer, aber sie hatte genug Kraft in den Armen, um damit ein bisschen etwas wett zu machen.
Sie musste sich zusammenreißen, nicht laut zu keuchen, als sie sich auf den Ast zog. Aber es war nicht nur jetzt praktisch, sondern eventuell auch für weitere Störenfriede, die man von da oben sicher schneller erspähen konnte.
Von dort konnte Evi nun jedenfalls sehen, wie sich etwas in die Richtung zu schleichen schien, wo sie gerade noch auf festem Boden gestanden hatte. Gut. Jetzt musste sie diese beiden nur noch überzeugen, dass sie auf jeden Fall weit weg vom See ihre Beute finden würden.
Sie brauchte jetzt etwas Glück. Also war es wohl wirklich an der Zeit, das Ding endgültig loszuwerden.
Evi hielt den Korkenzieher in ihrer Hand und legte den Kopf schief. Wenn sie mit viel Kraft werfen würde, würde das Ding vielleicht gleich mehrere, aufeinanderfolgende Geräusche machen, während es durch Laub und Äste flog. Hoffentlich klang das nicht zu auffällig nach etwas, das geworfen wurde.
Ohne weiteres Zögern - die beiden Vultures waren anscheinend schon gefährlich nahe an ihrem Baum - schleuderte sie den Gegenstand, den sie irgendwann als ihren offiziellen Glücksbringer auserkoren hatte, in die Finsternis. Er musste ihr nur dieses eine Mal noch Glück bringen. Für Pray. Und eine verlorene Seele.
Und wenn das Teil sich als so nutzlos herausstellen würde, wie es im tatsächlichen Gebrauch meist gewesen war, konnte sie immer noch mit einem Kampfschrei von diesem Ast springen und
vorgeben, dass sie ebenfalls auf der Jagd nach etwas war. Irgendwie würde das schon klappen.
„Wo ich sein werde, Liebster?“, sagte Slyvia sanft und legte ihm eine Hand auf den Arm.
„Dort, wo ich gebraucht werde. Und das wird nicht nur weit hinter den feindlichen Linien sein.“ Frank starrte sie an, das hatte er befürchtet.
„Die Welt ist zu dunkel und die Aufgabe zu wichtig, um mich heraus und in Sicherheit zu halten. Ich weiß, Jemand MUSS auf die Kinder aufpassen, aber das sollte nicht die Ehefrau des Mannes sein, der für Schutz und Sicherheit zuständig und im Grunde der Stellvertreter von Wingman ist. Die Menschen werden tratschen und das wird dir nach hängen. Das Lazarett kann überrannt werden, wenn die Stellungen nicht halten, die Kinder sollten also weit hinter den Skypeople liegen, noch ferner von der Schlacht. Ich würde Talia mit der Aufgabe der Kinder betrauen und mich entweder beim Lazarett der Skypeople einfinden oder zusammen mit den anderen Bewohnern den Schutzgürtel um das Forschungszentrum verstärken. Doch in beiden Fällen brauche ich eine Waffe. Und darum bitte ich dich nun.“, sagte sie noch immer sanft, doch bestimmt und man sah ihr an, dass sie natürlich furchtbare Angst hatte, doch ihm zuliebe Stärke mimte.
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Zischend verschwand der Korkenzieher in den Büschen und ließ diese rascheln, ehe er mit einem deutlich hörbaren Laut gegen einen Baum prallte.
Sofort verschwanden die Geräusche aus ihrer Richtung und man konnte hören, wie die beiden Jungkrieger sich rennend durch das Unterholz bewegten, dabei selbst recht laut und auffällig waren, so dass sie sicher sein konnte, dass sie sich entfernten.
Und dann hörte sie wieder Stimmen: „Ooooho, ein Augenstecher!“, sagte eine bewundernde Stimme fröhlich und sie konnte sich vorstellen, dass ihr Korkenzieher einen neuen Besitzer gefunden hatte. „Wärst du nur bei den Kindern geblieben…“, sagte die andere Stimme spöttisch „…das ist keine Waffe, das wird benutzt, um alte Flaschen zu öffnen, jedes Küken weiß das. Und jetzt denk nach – wenn so ein Teil hier liegt, dann ist das Mädchen, das du gesehen hast, wahrscheinlich einfach nur eine kleine schwache Siedlerin und keine Kultistin. Selbst die Fußspuren passen perfekt dazu. Wie kannst du mit so wenig Auge nur im Sumpf so lange überlebt haben? Als ob die große Schlange dich hat leben lassen, damit du uns erheiterst.“
Beide lachten und wandten sich dann zum Gehen um, darüber fabulierend, wie viele der Siedler wahrscheinlich noch niemals sich in der Umarmung eines Kriegers befunden hatten…
Evi lauschte noch einen Augenblick in den erwachenden Morgen hinein und konnte in der Umgebung keine Geräusche mehr ausmachen, die Gefahr war gebannt.
Und als sie dann zurück schlich und wieder bei Pray und Blades angekommen war, sah sie Beide einträchtig dort sitzen. Blades war vollkommen durchnässt, Pray nur bis zur Hüfte, sie mussten dieses Ritual der Taufe also durchgeführt haben und nun las er ihr aus der Bibel vor.
Das Mädchen, das nun im Schneidersitz vor dem Priester saß, sah noch immer schwach aus, doch die alles vernichtende Verzweiflung in ihren Augen war einem hoffnungsvollem Schimmern gewichen.
Blades hatte Hoffnung geschöpft. Besser konnte die Moral nur noch sein, wenn die Beiden sich nicht trennen würden, so zumindest ein Gedanke von Evi.
Frank nickte. Mit diesen Worten hatte er gerechnet. Er konnte ihre Angst sehen, wusste aber auch, dass sie ihren Teil leisten wollte und nicht nur untätig herum sitzen während er sich in die Schlacht stürzte. Mit seiner noch freien Hand fuhr er ihr sanft über die linke Wange. Du weißt das ich Angst habe dich und Thomas erneut zu verlieren und euch deshalb am liebsten so weit wie möglich von der Schlacht wegschicken möchte. Silvia öffnete bereits den Mund und wollte zu einer Erwiederung ansetzen, als er ihr mit einer Geste gebot, noch einen Moment mit ihrer Antwort zu warten. Doch ich schätze deine Meinung und weiß, dass ich dich nicht in Watte packen kann. Wenn du es wirklich möchtest, dann kannst du es machen. Ich bin stolz das du so denkst, ganz ehrlich. Wenn ich Wingman wäre, dann würde ich jetzt höchstwahrscheinlich vor dir salutieren. Und was die Pistole angeht... sagte er mit ehrlicher Bewunderung und begann bei den letzten Worten an seinem Gürtel herumzufummeln und löste die Pistole samt Holster schließlich und übergab ihr beides. Hier hast du. Das gute Stück hat mich in über 20 Jahren nie im Stich gelassen und da es schließlich die Waffe ist, an der ich dich ausgebildet habe, dürftest du ja sehr gut damit klar kommen. Sie haben hier auch noch andere Pistolen, also werde ich sicher ohne größere Probleme an eine heran kommen, für dich hier jedoch nur das beste. sagte er dann mit einem ernsten Gesichtsausdruck, der keinen Wiederspruch duldete, auch wenn er sich zugegebenermaßen seltsam nackt ohne seine Pistole fühlte. Er hatte bis jetzt jeden Kampf mit ihr ausgefochten. Auch in dieser Schlacht würde sie wieder gute Dienste leisten und Menschen für den Zombies und Kultisten schützen, wenn auch nicht in seiner Hand. Nur damit du es weißt, du musst es nicht mir zuliebe machen. Ich gebe nichts auf das Gerede der anderen.
Noch immer starrte Léo auf die Stelle, von der Seeker von der Nacht verschluckt worden war.
Es würde kein nächstes Mal, kein Wiedersehen mit ihr geben. Diese Gewissheit legte sich bleiern schwer zusammen mit der zukünftigen Verantwortung ihre Schultern. Der Punkt ohne Rückkehr war nun endgültig überschritten.
Léo sah wieder Voodoo an, der sehr schnell mit seinen Empfindungen schalten konnte, wie ihr schien.
"Wenn wir schon nicht unser Leben opfern können, dann werden wir morgen der gefiederten Schlange so viel von unserem Blut und dem unseres Feindes opfern wie möglich. Außerdem Seeker und den tapferen Kriegern des Clans zu Ehren, damit wir ihres Erbes würdig sind...“
Ihr Rucksack wurde fester über die Schulter gezogen.
"Wir sehen uns morgen Abend...“
Sie versuchte, alles an Entschlossenheit und Zuversicht in diesen Satz zu legen. Noch wartete sie die Reaktion seinerseits ab, dann lenkte sie ihre Schritte langsam zurück zum Bunker.
Es galt, sich für die Schlacht fertig zu machen.
Die Nacht hatte ihren schwärzesten Punkt erreicht.
Also würde die Morgendämmerung nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Léo musste sich beeilen. Die Müdigkeit ihres Körpers ignorierte sie einfach, es gab viel zu viel, was sie noch tun wollte und es war viel zu wenig Zeit selbst dafür. An Schlaf war nicht zu denken.
Der Bunker kam immer näher, als sie drei Personen ausmachte, die sich gerade von diesem fortbewegten.
An ihren Kleidern konnte sie sie nicht erkennen, so gemahnte sie sich zur Vorsicht.
Im Näherkommen vernahm sie das unverwechselbar „zarte“ Stimmchen ihrer allerbesten Freundin Kerosin.
Die absolut fürchterlich aussah. In jeder Definition. Aber sie sah aus wie eine Flameriderin, das musste man ihr lassen.
Der Typ neben ihr in einer neuen Lederjacke schien Hailes Macker zu sein, nebst Haile selbst, die...
...
Léo blieb stehen. Selbst aus der Entfernung war ihre Hermana eine beeindruckende Erscheinung, weißer Stoff, goldene Akzente aus Metall, sie schien wie aus einer anderen Welt.
In ihr haderte es, ob sie sich einer Konfrontation mit den dreien überhaupt ausliefern sollte. Auf zwei der dreien war sie überhaupt nicht gut zu sprechen, doch gleichzeitig hatte sie sich wahrscheinlich bei allen dreien verschissen. Gerade bei Haile aber ging ihr das nicht komplett am Arsch vorbei.
Na wunderbar.
Normalerweise würde sie auf Zeit spielen, irgendwann renkte sich sowas wieder ein, doch genau das war das eine, was sie nun nicht mehr hatte.
Sich wappnend stieß sie ihren Atem kraftvoll aus, dann stapfte sie ihnen entgegen.
"Haile! Kerosin! Ravioli!“
Ihr lag eine ehrliche Bemerkung über die Aufmachung des Trios auf den Lippen, doch sie verkniff sich diese zur Abwechslung mal. Sie drehten sich um, sahen sie an. Nicht gerade begeistert.
"Ich möchte eigentlich nur...naja, im Prinzip ein Vier-Augen-Gesprächs....dingens mit Haile...“
Sylvia nahm die Pistole mit zitternden Fingern entgegen und atmete leise au. „Das ist eine wirklich große Geste, Liebster, es ist quasi deine Glückspistole, dein bleispeiendes Maskottchen.“
Und dann entlud und sicherte sie die Pistole mit geübtem Griff unter dem wachsamen Auge von Frank, der sie mit Stolz dabei betrachtete.
„Ich kann dich da nicht alleine lassen.“, sagte sie lächelnd und stand dann auf. „Und nun melde ich mich bei Mister Lancaster zur Aufgabenverteilung.“
Sylvia ist als "versteckter" Bonus-Char freigeschalten worden.
Frank fühlte eine merkwürdige Mischung aus Angst und Stolz in sich aufsteigen. Er hatte auf der einen Seite zwar wirklich Angst um sie, aber gleichzeitig konnte er kaum stolzer sein. Genau darum liebte er sie. Auch wenn man es ihr nicht sofort ansah, war sie doch furchtlos und sich der Kultistenarmee zu stellen, dazu gehörte schon eine ordentliche Menge Schneid. Mach das. Und sag Lancaster, der übrigens mit vollem Namen Hugh Jackman heißt, ja der Schauspieler, dass du zum Panzer willst wenn du möchtest. Da werden auf jeden Fall Wingman und ich sein, wahrscheinlich auch Ellen, die Anführerin der Skypeople, die 'Red Witch'. Gemeinsam dürften wir denen Zeigen wo der Hammer hängt. sagte Frank schließlich, als er wieder in der Lage war zu grinsen.
Als sie schließlich von dannen schritt, schaute er ihr noch einen Moment nach, bevor er sich ebenfalls erhob und auch noch einer wichtigen Aufgabe nachging, die sich soeben ergeben hatte. Er näherte sich Sara, die sich gerade mit ein paar der anderen aus Shengs Hope unterhielt und anscheinend die nahende Schlacht besprach. Kann ich dich einen Moment sprechen Sarah? Es ist wichtig? fragte Frank mit einer Stimme in der anscheinend etwas lag, an dem zu erkennen war, das es etwas für ihn persönlich bewegendes war, denn Sarah sah ihm nur einen Moment in die Augen, entschuldigte sich bei den anderen und ging mit ihm dann ein paar Meter abseits, sodass niemand sie sofort hören konnte. Silvia hat soeben beschlossen, dass sie mit mir zusammen in der Schlacht gegen sie kämpfen wird. Thomas ist zwar für die Schlacht selbst versorgt, nur... es kann durchaus sein das wir beide nicht zurück kommen, was ich nicht hoffe und ich wollte dich fragen, ob du dich in diesem Fall um Thomas kümmern würdest. fragte er sie. Es war natürlich eine große Frage aber irgendwie musste er ja für den Fall der Fälle vorsorgen.
"Ich möchte eigentlich nur...naja, im Prinzip ein Vier-Augen-Gesprächs....dingens mit Haile...“
Raoul warf Haile einen misstrauischen Seitenblick zu, eine unausgesprochene Frage, ob wirklich alles in Ordnung mit dieser Bitte ist. Haile selbst nickte knapp, immernoch mit deutlich sichtbarer Wut in den Augen.
"Hey, wenn Gorilleo wieder zuschlägt, sollten wir das Weite suchen, oder, Reifenlutscher? Ich wollt Thorn eh noch ein....Andenken an mich verpassen."
"Wir gehen schonmal vor und suchen Eryn, ja?"
"..."
Nachdem Kerosa mit Raoul abgezogen war wandte sich Haile mit verschränkten Armen Leo zu, die anscheinend einmal tief durchatmen musste.
"Es...es tut mir Leid, Hermana."
"..."
"Ich...will doch nur das Beste für dich. Ich hätte mir gewünscht, dass mir jemand diese Sachen sagt."
"..."
Sicherlich. Sicherlich hätte Leo sich gewünscht, dass man ihrer Liebe androht, sie zu essen. Das ist anscheinend guter Ton bei diesen Mexikanern. Oder was auch immer.
"...Aber...was meinte Ravioli mit "zu Eryn". Die will doch diese vollkommen behämmerte Selbstmordmis...NEIN. Nein, Haile, NEIN!.
"Raoul. Und Ja."
"...Haile...Du bringst dich um...und...und..."
"...und?"
"...ich kann dich nicht aufhalten, oder?"
"Nein."
Leo stürzte vor und schloss Haile in ihre Arme. Das Kultistenmädchen war ein wenig verwirrt ob des komplett Leo-untypischen Gefühlsausbruchs.
"Versprich mir, nicht zu sterben, okay?"
"..."
"Versprich es mir."
"...Versprochen."
Huh, ich werfe ja gerade wie eine Wahnsinnige mit nicht einhaltbaren Versprechen um mich.Haile schüttelte den Kopf über diesen Gedanken. Leo drückte sie noch einmal und hielt sie dann auf einer Armlänge Abstand.
"Naja, wenn du schon so eine bescheuerte Scheisse machst, siehst du dabei wenigstens gut aus."
"...Danke."
Haile bückte sich nach ihrem neuen Speer, der bei der Umarmung auf den Boden gefallen war und wandte sich dann um, um zu gehen. Nach ein paar Schritten wandte sie sich noch einmal um.
"Leo?"
"...?"
"Du auch nicht, klar?"
"Klar."
Die letzten Schritte waren die schwersten. Sheng hatte die Siedler in ihre Aufgaben eingewiesen und stand jetzt mit Wingman auf der Veranda des Golfclubs, und starrte in die Ferne, wo die Sonne unendlich langsam aufging.
"...Papa?"
"...Ich weiß, was du vorhast. Und ich halte nichts davon."
"..."
"...Aber ich kann dich eh nicht aufhalten. Evi hat Recht. Du bist stark. Wenn das jemand schafft, dann du."
"..."
Langsam ging Haile zu ihrem Ziehvater, legte einen Arm um seine Hüfte und schaute sich mit ihm den Sonnenaufgang an. Den letzten.
Er war erstaunt wie viel er aus Enigma rausbekommen konnte. Jackman hätte seine rechte Hand darauf verwettet, dass hinter der "Ich-Bin-Ein-Roboter-Protokoll-50-B-Ausführen" Nummer ein echt dufter Kerl steckte.
Vielleicht würde er ja nochmal die Gelegenheit bekommen mit ihm einen zu heben wenn diese ganze Scheiße vorbei war... und er dann noch lebte.
Hugh beugte sich wieder über die Pläne die ihnen vorgelegt wurden.
Vor allem der Lageplan des Forschungszentrums interessierte ihn enorm. Das ganze scheiß Teil war vermutlich halb in sich zusammengefallen und der einzige Weg führte ernsthaft durch eine Schleuse voller Zombies.
Ganz großes Kino, das schreite förmlich danach, dass sich jemand heldenhaft in der Schleuse einschließen muss damit die anderen weiterkommen können.
Irgendwie hasste er Hollywood ja dafür, dass ihm immer wieder solche Bilder in den Sinn kamen.
Gedankenverloren strich der Schauspieler mit seinen Fingern über den Gang entlang, den sie nehmen mussten um zum Ziel zu kommen.
Sie waren so dermaßen auf den Erfolg der anderen angewiesen. Er vertraute jedem aus der Gruppe, kein einziger war mehr da den er komisch beäugte. Das machte ihm zumindest Mut, dass sie durchkommen würden... fragte sich nur noch, ob sie das auch an einem Stück schaffen würden.
Jackman fasste sich erneut an die Seite, fühlte unter seinem Hemd die Ausbeulung. Wozu brauchte er eigentlich noch sein Gewehr?
Langsam bahnte er sich einen Weg aus dem Bunker heraus. Sonnenstrahlen fielen wieder über den Horizont und tauchten die Golfanlage in sanftes, rötliches Licht.
Schnell hielt er sich die Hand wie einen Schirm über die Augen und schaute angestrengt, mit zusammengekniffenen Augen über das Lager welches hier alle aufgeschlagen hatten.
Es hatte tatsächlich etwas von einem Hollywood Film. Ein Feldlager, voller ausgemergelter Soldaten. Doch sie alle hatten Mut, Hoffnung und den tiefsitzenden Wunsch den ganzen Mist ein für alle Mal zu beenden.
Am Fuße des Weges sah er wie ein Mädchen, gekleidet in Weiß sich aus der Umarmung einer anderen Person befreite und einen glänzenden Stab aufhob.
Das wallende, blonde Haar...
"Meine Güte, sind wir hier bei Disney oder was?"
Jackman ging den Pfad langsam hinab und erkannte die Frau bereits von hinten, welche zuvor so von Sonnenstrahlen überlichtet wurde, dass man sie kaum sehen konnte.
Léo.
Er schluckte, denn seine Angst stieg ihm wieder vom Magen hinauf in den Hals.
So wie er sie kannte, würde sie entweder blindlings an der Front kämpfen oder das machen, was sie schon die ganze Zeit wollte. Rein ins Forschungszentrum und den Scheiß beenden.
Was auch immer sie letztlich tat, er hatte Angst um ihre Sicherheit.
Langsam ließ Jackman seinen Rucksack vom Rücken gleiten und zog den Reißverschluss auf. Das gute Panzertape lag immer noch darin. Zusammen mit den Reifenklingen von Kerosa die echt keinen Nutzen mehr finden wollten.
In seinem Kopf formte sich eine Idee...
"Léo..."
Jackman trat an die Frau heran, die das Feuer in seinem Herzen schürte und ihm einen unvergleichlichen Antrieb gab.
"...hör mal. Bevor die ganze Scheiße hier anfängt uns in den Arsch zu beißen wollte ich dir noch etwas geben. Einfach, damit du etwas mehr Sicherheit hast. Ja, ich weiss... ich bin ein alter Sack, du ne junge Frau. Kannst dich selbst beschützen, yadda yadda..."
Ohne weiteres Zögern hielt Jackman Léo sein geplündertes Gewehr und das Panzertape hin.
"Hier... keine Ahnung, nimms einfach. Ich fühl mich besser wenn du es hast. Ich komm auch ohne klar. Kleb deine Machete vorne dran, weiß der Geier... 'n Bajonett oder so, wär doch klasse. Hauptsache... du bist nicht Ellbogen tief in einer Zombiehorde."
Glücklich wie ein Trüffelschwein stürzte sich Kerosa in die unzähligen Regale mit verschiedenen Stoffen, einfachen Oberteilen und Hosen und metallisch aussehenden Gürteln und Bändern.
"Wusstest du, dass sie so ein Ding für...Klamotten hat?"
"..."
"Huh. Stille Wasser sind tief, Kerosa ist tiefer."
"..."
Haile gab ein kurzes Schnaufen von sich, welches tiefen Unglauben ausdrücken sollte und warf Raoul einen amüsierten Seitenblick zu. Der grinste und hob die Schultern.
"Ey, weniger lästern, mehr Spaß haben, bevor wir von dieser verdammten Welt fahren!"
"...!"
"Shenga, dein Stecher kann auch mal neue Klamotten vertragen. Lederjacke, ein Oberteil aus EINEM Stück, und wir können schon fast über einen Dreier reden!"
"...Nein."
"Nein."
"Naaaah, ihr seid SOLCHE Parkverbotsschildbeachter."
Ellen schmunzelte und deutete auf eine hintere Ecke des Raumes. Haile zog Raoul in die Richtung, wo tatsächlich eine weitestgehend gut erhaltene Lederjacke hing, sowie einige ganz normale Männershirts. Auch hier war alles penibel sauber und ordentlich. Haile hüpfte auf einen der Schreibtische und blickte den jungen Dieb erwartungsvoll an. Der drehte sich um, zögerte kurz und zog sich dann sein wirklich zerstörtes Oberteil über den Kopf, den Rücken zu Haile gedreht.
"...!"
"...Wie gesagt, Georgina ist echt eine Bitch."
"...!"
"Die anderen "wichtigen" Familienmitglieder von euch wurden immer verschont, aber ich kann ja meine Klappe nicht halten"
Er warf Haile einen schüchternen Blick über die vollkommen vernarbte Schulter zu, ihre Reaktion abwarten.
Sie hatte so etwas noch nie gesehen. Sie kannte Folterungen. Sie kannte die La Valettes. Sie kannte Georgina.
"...Sie hat mich nichtmal den Helden spielen lassen. Immer, wenn ich meine Ration mit einem der anderen geteilt habe und erwischt wurde, hat sie mich ganz allein eingesperrt. Und so lange mit dieser Gerte bearbeitet, bis ich nicht mehr konnte."
Sein Rücken war über und über mit langen, gerade Narben übersäht, Striemen von Peitschen, Schnitte, Gertenschläge. Hailes Hand ballte sich zur Faust.
"..."
"...Lass nachher was von ihr übrig. Für mich."
"...Versprochen."
"Und, was sagt ihr?"
Ellen schaute die Puppe mit großen Augen an, Haile strahlte über das ganze Gesicht und Raoul hatte in seiner brandneuen Lederjacke die Arme verschränkt und starrte Kerosa mit einem ungläubigen Ausdruck an.
"Wie hast du das gemacht? So schnell?"
"Betriebsgeheimnis!"
"Das ist...wirklich beeindruckend."
Haile, keine Frau großer Worte, hatte die Distanz von wenigen Schritten überwunden und die Arme um Kerosa geworfen und drückte sie eng an sich.
"Jetzt probier erstmal an, husch!"
Es passte. Es war unfassbar. Haile drehte eine kleine Pirouette im Raum und breitete grinsend die Arme aus. Aus einem schwarzen Tanktop, einer einfachen schwarzen Hose, goldenen Metallteilen und meterweise weißem Stoff hatte die Flameriderin ein kleines Kunstwerk geschaffen.
"Und du kannst darin kämpfen?"
"Du hättest sehen soll, wie sie so einen fetten Oschi zerlegt hat in dem alten Fetzen, und da ist viel mehr Stoff durch die Gegen geflogen."
"...!"
"Mh, Kerosa, was mir einfällt, du wolltest Gesichtsfarbe? Und...ich denke, ich habe da etwas für dich."
Die ehemalige Domina lächelte geheimnisvoll und barg dann ein rot-orangenes Kleid aus einer Schublade.
"Du bist eine Flamerider, oder? Das ist einer meiner...ähm...Prototypen. Aber die Farbe passt du dir viel besser."
Kerosa quietschte kurz auf und sprang Ellen dann ganz und gar unzeremoniell an
"So, noch hier ein bisschen, und deine Schwester wird sich EINPISSEN."
"...Sicher, dass das gesund ist?"
"EINPISSEN WIRD SIE SICH!"
Mit einer Mischung aus schwarzem Staub und ein wenig Öl pinselte Kerosa Haile neue Zeichnungen aufs Gesicht. Ellen hatte irgendwo noch goldenen Staub und einen Pinsel aufgetrieben, und vervollständigte ihr Kunstwerk auf dem Gesicht der Tochter des Tages mit filigranen Linien. Beide Frauen standen wieder auf und betrachteten die Kriegsbemalung von Haile.
"Perfekt."
"Perfekt!"
Kerosa gönnte sich ebenfalls die volle Dröhnung. Sie bemalte ihre komplette obere Kopfhälfte mit der schwarzen Mischung, betonte ihre Brandnarben noch etwas stärker und grinste sich dann selbst in Ellens Spiegel an.