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Thema: [ZOOOOOmmxBIES! Staffel 3] Zwischenspiel/Vorbereitung: Nearer to thee, Mother Earth

Hybrid-Darstellung

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  1. #1
    Ihre Knochen knackten bedenklich, als Léo mühsam aufstand und sich streckte.
    Jeder Muskel in ihr schmerzte, kaum eine Stelle ihrer Haut war frei von Kratzern, Bissen oder sich langsam dunkel färbenden Flecken. Sie triefte vor Körpersäften aller Art. Selbst die kleinste Bewegung tat weh. Es war unsagbar heiß, stickig und roch nach Sex.
    Ihr war, als ob sie die Schlacht von morgen bereits geschlagen hätte.
    Es war der Hammer gewesen. Sie war unglaublich glücklich.
    Völlig ausgelaugt lehnte sie sich gegen den Zeltpfosten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Schob schwach das Stück Stoff beiseite, dass als Eingang fungierte.
    Ein Schwall aus frische Nachtluft, angereichert mit den Geräuschen der Feierlichkeiten schwappte ihr entgegen und ließ sie dankbar aufseufzen.
    Ein Blick über die Schulter bescherte ihr das Bild von Hju und Seeker, die aneinandergeschmiegt dalagen, genauso fertig wie sie selbst, augenscheinlich gerade dabei, wegzudämmern. Unwillkürlich musste die Latina grinsen. Die letzten Stunden mit den beiden erfüllten sie schon mit Stolz, wenn sie so daran zurückdachte.
    Es würde garantiert eine tolle Geschichte zum Weitererzählen abgeben. Sie konnte nun mit Fug und Recht behaupten, den besten Dreier der Welt gehabt zu haben. Sollte sie den morgigen Tag überleben.
    Unter weiterem Knacken rollte sie ihren Kopf um die Gelenkachse, dehnte ihre Schultern.
    Ging in die Knie, um ihre Sachen zusammenzusuchen.
    Ihr Körper sehnte sich nach Schlaf, doch ihre Gedanken rasten. Die Worte ihrer Stammesschwester hatten eine Saite in ihr anklingen lassen.
    Und morgen dann werden wir für euren Traum einer anderen Welt sterben.
    Niemand von uns will in dieser Welt leben.“
    Noch nie zuvor hatte sie darüber nachgedacht, ob es für sie persönlich überhaupt erstrebenswert war, die Menschheit von diesem untoten Fluch zu befreien. Klar, es war das Richtige und sie rechnete nicht damit, den übernächsten Sonnenaufgang zu sehen, vielleicht nicht mal den nächsten.
    Aber was, wenn doch?
    Würde es überhaupt einen Platz für sie in der Welt geben, die sie mit allen Mitteln erschaffen wollte?
    Es hatte einen Punkt gegeben, als sie sich um der alten Welt willen darum bemüht hatte, diese wiederherzustellen, den ganzen Mist zu beenden. Doch dieser Punkt war lange überschritten. Inzwischen trieb sie eigentlich nur noch Wiedergutmachung für den Fehler aus ewig vergangenen Zeiten an. Die alte Welt war nur noch eine blasse Erinnerung, ein ferner Traum, den sie schon lange nicht mehr träumte.
    Léo hatte sich verändert. Durch und für die neuen Verhältnisse. Hier und Jetzt kam sie bestens zurecht- normale Siedlungen, letzte kümmerliche Überbleibsel und ein verzweifeltes Klammern an die alten Regeln gingen ihr gegen den Strich. Wie sie nicht in Sheng’s Hope leben konnte, weil das einfach nicht ihr Ding war.

    Die ganze alte Welt, die die neue ... neue Welt werden würde, war nicht ihr Ding.

    Vielleicht war es am besten, sie würde auch mit den Kultisten und Zombies untergehen. War eh nicht so, als würde sie Jemand wirklich vermissen. Die Leute mochten sie ungefähr so sehr wie Fußpilz, sicher selbst die, die ihr irgendwie nahe waren.
    Haile, Evi und Hju respektierten sie vielleicht, weil sie für die Gruppe einen wichtigen Beitrag leistete, aber ob sie sie wirklich mochten...das konnte sich Léo nur sehr schwer vorstellen. Wenn schon Álvaro sie aufgrund ihrer Art verlassen hatte nach all der Zeit...
    Die Halbmexikanerin schüttelte sich, als ob dies ihre Gedanken vertreiben könnte. Über die weitere Zukunft sollte sie am besten erst nachdenken, wenn hier alles geschaukelt war, nicht eher.
    Im Moment waren die Nachwirkungen der kürzlichen Lust noch zu frisch, um sie gleich wieder zu ruinieren.
    Gerade packte sie ihre Hose, als aus deren Tasche das kleine Büchlein purzelte, für das sie ihr bester Freund im Stich gelassen hatte. Schnell fing sie es auf, bevor es auf den dreckigen Boden fallen würde und führte es sich vor die Nase.
    Sie wusste, wie sie sich ablenken konnte.
    Eifrig klappte sie die Bibel auf und blätterte zum Hohelied Salomons. Sie wusste genau, nach welchen Abschnitten sie suchen musste, sie waren so verteilt, aber dennoch so eingebrannt in ihre Seele...

    ...wie sich vor Jahren die südafrikanische Sonne in ihre Haut eingebrannt hatte.
    Das Kap der guten Hoffnung hatte sie sich damals eigentlich nur des Namens wegen als Zwischenstation nach Sidney ausgesucht. Dass dieser Name einen sehr ironischen Hintergrund hatte, konnte sie nicht ahnen, doch hatte sich der Trip ausgezahlt.
    Afrikaner waren mit Abstand die gastfreundlichsten Menschen neben Mexikanern. Mit ihren 16 Jahren kam Leocadia an und wurde sofort aufgenommen, als ob sie nie woanders gewesen wäre.
    Die Anderen plapperten den ganzen Tag mit ihr und miteinander- doch das konnte die Jugendliche damals noch sehr gut ab. Bacari allerdings sah sie nur an, meistens aus einiger Entfernung, lächelte sanft und schwieg.
    Volle vier Tage lang.
    Am fünften Tag trat er das erste Mal näher als 5 Meter an sie heran und sagte nur:
    „Du bist es.“, nahm ihre Hand und küsste sie.
    Von da an bestritten sie ihren Weg gemeinsam.
    Am Anfang hatte es Léo noch erstaunt, wie einfach sie sich hatte fallen lassen. Doch Bacari gab ihr nie einen Grund, es zu bereuen. Er baute ihr ein Haus, wie es in seiner Kultur Sitte war und brachte ihr bei, ihre mitgebrachte Machete ordentlich einzusetzen. Er machte sie zu einer wirklichen Kämpferin.
    Sie lernte alles über den Glauben an die Geister und Dschinns, die in allem leben, die guten und bösen Energien; sie erklärte ihm, wieso sie einen so unbeschwerten Umgang mit Toten hatte. Der christliche Glaube war einer der wenigen Übereinstimmungen von vornherein, und selbst dieser war für Léo eher unwichtig, für Bacari allerdings entscheidend. Er wollte nichtmal mit ihr schlafen, bevor sie nicht verheiratet wären.
    Als sie ihm eröffnete, dass sie nicht ewig hierbleiben würde, sondern auf der Suche nach ihrem Vater nach Australien wolle, war es für absolut klar, dass er sie begleiten würde. Schließlich waren ihre Leben verwoben, wo sie hinging, ging auch er und umgekehrt. Außerdem wollte er ihren Vater um seinen Segen bitten.
    Oft saßen die beiden einfach am Strand, wie am Abend, bevor eines der inzwischen raren
    Transportschiffe sie mit sich und hoffentlich näher an ihren Vater brachte.
    Er zog seine Bibel hervor, und las ihr einzelne Stellen aus dem Hohelied Salomons vor, die er für sie ausgesucht hatte und so tief unter die Haut gingen, wie kaum andere Worte zuvor.
    „Das nächste Mal lese ich sie Dir nach unserer Hochzeitsnacht vor, wenn sie zutreffen...“, hauchte er ihr entgegen, sein dunkles Gesicht von der untergehenden Sonne beschienen, sodass er wie ein Wesen aus einer anderen Welt wirkte.
    Léo liebte ihn über Alles.

    Mit schimmernden Augen und einem bittersüßen Lächeln las sie die Zeilen wieder und wieder. Ihr Blick fiel beiläufig wieder auf ihre Gespielen und blieb an Hju hängen.
    Sie fühlte wieder den Drang, wie damals im Zelt der Vultures, ihm einfach mal zu sagen, dass sie so froh war, ihn wiedergetroffen zu haben. Einen aus der ganz alten Truppe, als sie Leute noch sofort ins Herz geschlossen hatte und für immer da behielt.
    So unglaublich froh... vielleicht nicht nur deswegen.
    Doch wieder blieb es nur bei dem Gedanken.
    Schnell kramte sie einen kleinen Bleistift hervor, mit dem sie auf der letzten Seite, ähnlich all den Vorbesitzern, diese Worte endlich vereint niederschrieb. Sie übersetzte sie aus dem Spanischen in die Worte, die Er damals verwendet hatte. Zuletzt setzte sie ihren Namen darunter.
    Ehrfürchtig strich sie über die Seite, ehe sie die kleine Bibel wieder zuklappte und zurück in die Hosentasche stecken wollte. Spontan entschied sie sich aber, es auf den Klamottenhaufen der beiden anderen zu legen. Sie brauchte frische Luft und überhaupt gehörte so ein Buch nicht in die Arschtasche einer Hose, wo es ständig zerstört werden könnte. Sie würde eine kleine Runde drehen, dann zurückkommen und es in Álvaros Leichnam verstauen. Guter Plan.

    So schnell ihr ermüdeter Körper es zuließ, zog sie sich an und verließ das Zelt. Schwach stapfte sie durch die eingetretene Kühle der Nacht und sah sich um. Abermals blieb ihr Blick an dem kleinen, verhangenen Gebäude hängen.
    Stimmt, da war ja etwas gewesen.
    Wenige Minuten später stand sie vor dem...Bunker, zwischen den Bäumen und Büschen von weitem wirklich kaum auszumachen. Ein Schild betitelte dieses erbärmliche Ding als „Waffendepot 3.“
    Wow, noch kreativer ging es wohl n-
    Moment.
    Bei dem Namen klingelte etwas bei ihr. Das, was ihr schon spontan in den Sinn gekommen war. Darüber wurde kurz in San Antonio gesprochen, dass diese Dachfutzis sie zu einem idiotischen 5-Tage Trip zum Waffendepot 3 eingeladen hatten, um die RedWitch kennenzulernen.
    Na, so ein Zufall aber auch...
    Sofort machte sie sich daran, nach einem Weg hinein zu suchen. (Ermittler)

    Geändert von Mephista (10.11.2015 um 15:34 Uhr)

  2. #2


    Still und wie verlassen lag das Waffendepot da, doch Leo konnte genau erkennen, dass, kaum dass sie sich dem Gebäude genähert hatte, eine Aufzeichnungskamera ihr rotes Licht, das vormals die ganze Zeit auf das bunte Treiben ihres Lagers gerichtet war, sich nun ihr zuwandte.
    Die ein einzelnes, zyklopenhaftes Drachenauge schien es die Reisende zu fixieren, nur um dann in einer seltsam surrenden Bewegung nach unten zu blicken, fast so, als würde sich die „Kamera“ verneigen, vielleicht ein Trick oder eine bedeutsame Geste von Jenen, die in diesem Gebäude waren? Doch als sie dem Blick der Kamera folgte, erkannte sie dort, verborgen unter Efeugestrüpp, welches die Bunkerwand komplett be- und verdeckte, eine Rolltor. Darunter war ein einzelner, verwester Zombie eingespannt, der mit ächzendem Gestöhne und schwachem Griff seine Finger durch den Efeu bohrte , sie jedoch nicht erreichen konnte.
    Hinter dem halb zerstörten Rolltor waren eindeutig Geräusche von weiteren Untoten zu vernehmen und für einen kurzen Moment war Leo sich sicher, dass der Bunker überrannt und von allen Menschen verlassen worden war.
    Doch dann bewegte sich die Kamera wieder, fast so als wollte sie ihre Aufmerksamkeit fangen und abermals zeigte sie nach unten, die Latina sah nun genauer hin und erkannte eine kleine Tür im Rolltor, dazu gedacht, eine einzelne Person hindurch zu lassen ohne das ganze Tor öffnen zu müssen.

    Ein paar Mal atmete sie tief durch, dann faste sie sich ein Herz und öffnete die Tür, die vollkommen geräuschlos zur Seite schwang und die Dunkelheit dahinter preisgab, die nur ab und an von kleinen Lichtern unterbrochen wurde, die Leo als ihr vollkommen unbekannte, schwach leuchtende Elektrik wahr nahm.

    Der Bunker selbst war steril sauber, wie ihr auffiel, als sie die ersten Schritte hinein setzte, nackter, doch angenehm kühler Beton, Metallplatten und Kabel, allesamt sauber in Schächten verlegt, wer auch immer hier wohnte, er musste Ordnung und Disziplin sehr lieben. Zu ihrer Linken sah sie – geschützt durch Panzerglas – den Raum der hinter dem Tor lag und verwundert erkannte sie, dass sich dort in einer Art Käfig zahlreiche Zombies befanden, die vollkommen fixiert schienen auf einen weiteren, deutlich kleineren, Käfig vor sich, in dem sich ein Kaninchen befand, das halb wahnsinnig vor Angst hin- und her hüpfte und so die Untoten in stete Aggression und Alarmbereitschaft versetzte. Da sie in den Käfigen gefangen wahren, stöhnten und geiferten sie permanent und mussten so auf Zuhörer wie Leo, als sie noch draußen stand, wie ein an eine Horde Untoter gefallener Raum wirken.

    Ihre innere Stimme warnte sie vor dem was sie in diesem Bunker finden würde, diese Person schien an alles gedacht zu haben, auch an mehrere, sich immer wieder in den Gängen befindliche kleine Bastionen, in denen durch aufgestapelte Kisten die Verteidigung des engen Ganges deutlich erleichtert werden konnte. Dort lagen auch Handfeuerwaffen und Sturmgewehre, alle sauber gepflegt, die Munition akribisch daneben aufbewahrt, so dass ein schneller Zugriff jederzeit möglich war.

    Und dann wurde es ein wenig wohnlicher, als sie eine weitere, für sie offen stehende Stahltür durchschritt und dort ein sauber aufgeräumtes Mannschaftsquartier vorfand. Dieses war ebenfalls so steril, dass sie nicht sagen konnte, welches von den sechs Betten in Benutzung war, sie also keine Rückschlüsse auf die Personen treffen konnte, die hier lebten. Sie fand lediglich ein wenig benutztes Geschirr in der Küche dort, zusammen mit einigen Konserven die aussahen, als würden sie aus vollkommen verschiedenen Ländern stammen. Der Raum war warm und fühlte sich trotz seiner Aufgeräumtheit gemütlich an, obschon auch dieser Raum überwacht wurde, denn sie hörte wieder das Surren.
    Und dann erstarrte sie – der einzige Fleck in diesem ganzen Bunker, den sie bisher eingesehen hatte, der ein klein wenig chaotisch war, ließ ihr Herz fast stehen bleiben.
    Sie sah ein Sammelsurium aus alten… Erinnerungen. Fragmente aus ihrer frühesten Kindheit. Der Zeit, als das große Zehren begonnen hatte.


    Dort war eine Kopie des Führerscheins von Dob an eine Pinnwand getackert.
    Ein gerahmtes Bild von einer seltsamen Seite die wie ein Fotoalbum aussah, sich „Facebook“ nannte und auf dem deutlich sichtbar ein lächelndes Mädchen zu sehen war deren Anblick sie nie vergessen hatte: Clover, die mit echtem Namen wohl Barbara Williams geheißen hatte.
    Ein Ausbildungsnachweis einer Zoll-Abteilung einer gewissen Helena McAldrin...
    Zudem ein Bericht eines Polizeiofficers namens Brannon, der sich vehement gegen eine Suspendierung eines gewissen Axel Miller aussprach.

    Alle wirkten sie wie Artefakte aus einer anderen Zeit, viele von ihnen zeigten ihr Gesichter, die sie nur noch vage und verschwommen kannte, die sich jedoch sofort wieder in ihre Erinnerung bahnten.
    Und dann, in einer Ecke, sah sie ein handgemaltes Bild. Nicht groß, nicht auffällig. Doch mit viel Liebe zum Detail und großer Sorgfalt gezeichnet. Frisch gezeichnet, vielleicht keine fünf Jahre alt, so frisch wie das Papier noch wirkte…

    Das Kind in ihr, das unschuldige Kind voller Erinnerungen und Träume starrte sie direkt an…

    Und dann hörte sie hinter sich ein Geräusch, als wäre Jemand in den Raum getreten.
    Wachsam fuhr sie auf dem Absatz herum und…

    Geändert von Daen vom Clan (10.11.2015 um 17:54 Uhr)

  3. #3
    Seit Wochen schon trudelten zunehmend beunruhigendere Nachrichten von den Außenposten ein: umfangreiche Menschenjagden in den Sümpfen von Louisiana, ein enormer Anstieg der Opferungen im Großraum Dallas ... Alles "Rekruten" für die Armeen der großen Familien, natürlich. Vorhersehbar, nachdem die altersschwache Konsole im Funkraum kurz zuvor ein Signal aufgefangen hatte, auf dass sie nun schon seit Jahren wartete.
    Und nun? Ein endlos erscheinender Strom von Kultisten und Untoten wälzte sich langsam auf San Antonio zu, und diesmal, das musste sie sich eingestehen, würden ein paar Guerillatricks nicht ausreichen, der nahenden Flut Einhalt zu gebieten.

    Sie war gerade dabei gewesen, die spärlichen Personenakten, die ihr über die Skypeople zur Verfügung standen, zu sortieren, um jene zusammenzustellen die fliehen sollten, um nach dem Durchmarsch der Kultisten den Kampf weiterzuführen - jene wenigen Glücklichen, die noch eine Zukunft haben würden -, als sich unvermittelt im Funkrauschen eines Außenpostens ein Fragment ihrer eigenen Vergangenheit zu Wort meldete.
    Versucht er etwa schon wieder...?
    Hastig eilte sie zum Funkgerät: "RedWitch hier, Enigma zum Report."

    ----
    Keine vier Tage später stand nun ein weiteres vertrautes Gesicht vor ihrer Tür, und starrte mißtrauisch zur Kamera hinauf. Konnte sie das tatsächlich sein? Das Alter würde stimmen, der Name laut dem, was Enigma von der mehrtägigen Reise berichtet hatte, auch...
    Die Frau, die seit Jahren nur die RedWitch gewesen war, zögerte kurz. Rausgehen und ihnen allen die Lage erläutern wäre vielleicht sinnvoller... andererseits machte die junge Frau draußen vor dem Bunker keine Anstalten, wieder zu ihrer Gruppe zurückzukehren. Und der einzige andere Weg, unbeobachtet rauszukommen, ist die Kanalisation. Urks. Nein.
    Mit geübten Fingern ließ sie die Kamera herumschwenken und auf die Tür zeigen. Einmal, zweimal, bis ihre Besucherin den Wink verstanden hatte. Dann griff sie sich ihre Jacke von der Stuhllehne und machte sich auf den Weg nach unten.

    An der Tür, die in den Wohnbereich hineinführt, verharrte sie einen Augenblick und beobachtete - ha, Macht der Gewohnheit! - die junge Frau und ihre Reaktion. Angesichts des Hauchs von Wiedererkennen beim Anblick ihrer kleinen Sammlung nickte sie zufrieden, strich noch einmal ihre Militärjacke glatt, auf deren altem, abgewetzten Stoff nur mehr Bruchstücke eines Namens zu erahnen war, und trat dann hinter ihrer Besucherin in den Raum.

    "Hallo, Leo."


    "... Ellen?!"


  4. #4
    Haile nickte langsam und stimmte ihrem stummen Clansbruder damit unumwunden zu. Kerosa zog einen Flunsch, hielt aber dankenswerterweise die Klappe. Auch Eryn war ruhig geworden und versuchte die Geschichte einzuordnen, die Pray Blades gerade vorlas.

    Haile wollte ihr diesen Moment nicht stehlen. Jeder hat Ruhe verdient, einen Moment der Stille oder einfach ein wenig Trost. Mal davon abgesehen, dass Blades wahrscheinlich gerade jetzt nicht unbedingt scharf darauf war, sie oder Raoul zu sehen. Wie auch immer, hier herrschte keine Gefahr, alles war gut, und außerdem sehnte sich Haile nach Sheng. Er und Evi hatten jetzt hoffentlich wirklich genug Zeit für sich gehabt.

    "...!"
    "..."
    "...!"
    "Ihr könnt auch reden, wisst ihr, ihr Freaks?"

    Leise erhob sich die kleine Gruppe und Haile scheuchte sie zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Sie selbst stand als Letzte auf, und als sie sich noch einmal kurz umdrehte, konnte sie sehen, wie Pray ihr direkt in die Augen sah und ihr kurz zunickte - und das, obwohl sie perfekt im Halbdunkel der Sträucher verborgen waren.

    ________________

    Nach wenigen Minuten standen sie wieder unter dem wolkenlosen Himmel der Golfanlage. Kerosa räkelte sich herzhaft, während Eryn sich neugierig umsah und Hailes unausgesprochene Frage stellte.

    "Haile, weißt du, wo Sheng und Evi sind? Ich denke mal, dass sie zu den Vultures gegangen sind, aber sicher bin ich mir nicht."
    "...!"
    "Uh, gehen wir jetzt die Geierficker besuchen?"
    "..."
    "Ja, sorry..."
    "Ich war noch nie bei einem Vultures-Fest. Das soll der Hammer sein."

    Raoul strahlte Haile an, und damit machte sich die kleine Gruppe auf in Richtung des großen Feuers im Lager des Clans, das züngelnd den Abendhimmel erhellte. Aus den Augenwinkeln konnte Haile sehen, wie Leo vollkommen verschwitzt aus einem der großen Zelte gekrochen kam und sich ausgiebig streckte. Aber ihre Aufmerksamkeit war vollkommen eingenommen von diesem merkwürdigen Geräusch, welches vorhin noch nicht da war. Es klang...nach Trommeln? Leisem Malmen? Je näher sie dem Vulture-Camp kamen, desto mehr blendete der Lärm dieses Rauschen aus, aber wirklich verschwand es nie.

    Direkt am Feuer saßen Evi und Sheng, er hatte seinen Kopf an Evis Schulter gepresst und die beiden beobachteten, wie die jüngeren, mutigeren Vultures über das Feuer sprangen und sich gegenseitig zu kleineren Kämpfen herausforderten. Thorn grinste und schon schulterte er Kerosa wie eine Kriegsbeute, die erfreut quietschte und sich zu Thorns Kriegergruppe tragen ließ. Raoul zuckte etwas hilflos mit den Schultern Schultern und schaute Haile scheu an, während Eryn ihr Grinsen verbergen musste.

    "Deine Freunde sind wirklich, wirklich speziell, Kleine."
    "...!"

    Haile grinste stolz und funkelte Sheng an, der sich bei Eryns Worten umgedreht hatte und sie einladend anlächelte. Haile ließ sich auf der anderen Seite ihres Ziehvaters nieder, während Eryn an Evis Seite Platz nahm und das Feuer mit großen Augen anstarrte. Raoul schaute erst ein wenig hilflos und brauchte als Motivation ein strahlendes Lächeln von Haile, bis er sich auch zu der kleinen Gruppe setzte.

    Sheng legte Haile stolz eine Hand aufs Knie und sah...tatsächlich einfach glücklich aus. Glücklicher als je zuvor. Allein dafür hatte es sich gelohnt.

  5. #5
    Mit jeder Sekunde fühlte es sich mehr nach dem Ende an. Eryn hatte Schmerzen. Das Gift suchte auch die letzten Winkel ihres Körpers auf, lähmte ihre Glieder. Jede Bewegung tat weh. Es war als würde man ihr Pfähle durch die Haut bohren, an ihren Gelenken zerren und reißen. Praktiken, wie die Barfrau sie ihren Feinden zutraute.

    Mit starrem Blick sah sie in das Feuer, um das ihre wilden Verbündeten tanzten. Das Lodern der Flammen war ihr willkommen; Beschäftigung für ihre Augen, die sonst Zeit gehabt hätten, noch mehr Tränen zu vergießen. Denn sie hatte so viel Angst wie nie zuvor.



    Sie wollte nicht sterben. Fernab von der Frage, was sie verdient haben mochte, was Schicksal war und was nicht - sie wollte nicht sterben. Eryn war zu jung, um nicht alt zu werden. Welch traurige Ironie sollt es sein, in der Schlacht ihr Leben zu lassen, die anderen das Leben zurückbrachte?

    Eine, die bald Wahrheit wird.

    Sie malte sich seit Stunden aus, wie es passieren würde, was sie dabei empfand. Würde es versöhnlich werden? Würde sie es spüren? So sehr sie sich zu erinnern versuchte, konnte sie nicht ausmachen, wie der letzte Ausdruck auf Wills Gesicht gewesen war. Würde sie ihn wiedersehen, wenn es soweit war? Das allein war der versönlichste Gedanke, den sie greifen konnte. Ein alberner. Sie stellte sich ein strahlendes Weiß vor, ein Nichts,darin Fragmente der echten Welt. Möbel, wie sie die Barfrau kannte. Ein Regal mit ausgelaufenen Flaschen, vor denen ein verdutzt dreinblickender Vincent stand, als hätte es einen Unfall gegeben. Einige Meter daneben eine metallene Bahre, klinisch wirkend, trotz des Weiß im Hintergrund. Direkt vor ihr Will, der einer schemenhaften Figur eine offene Wunde versorgte, die mehr Hintergrund für seine Finger war. Er rückte sich die Brille auf der Nase zurecht und sah zu der jungen Frau neben ihm. Mary. Sie flößte der Figur des Patienten eine unbekannte Flüssigkeit ein. Es würde schon helfen.

    Und in all dieses Weiß trat nun Eryn. Doch sie kam nicht weiter. Ihre Freunde drehten sich nicht zu ihr. Sie war ein Fremdkörper, wie sie es in der echten Welt war. Die Augen öffnend blickte sie nach links, zu den zwei vereinten Paaren. Ehrlich. Es wäre besser, wenn sie starb. Andere hatten zu viel zu verlieren. Und wenigstens ein kleiner Teil von ihr glaubte an das Jenseits, daran, Mary, Vincent und Will wieder zu sehen. Vielleicht war Derreck auch da.

    Wie wenig sie ihr Leben gelebt hatte. Da waren nur die vielen Jahre ohne Sinn, ohne Gefühl. Jahre, die sich die Irin selbst genommen hatte. Und was sie hätte haben können, erkannte sie erst zu spät. In einer Zeit, in der es so schlimm war wie nie zuvor, hatte sie das Glück, den Hauch dessen zu spüren, was lebenswert war. Dass alles genau dann enden sollte, als sie gerade entdeckte, wie man lebt, war eine unglückliche Fügung. Doch vielleicht würde sie wenigstens in den Köpfen der Leute weiterleben, die sie so leichtfertig Freunde nannte, hatte sie den Begriff doch gerade erst verstanden. Sie hoffte, dass Raoul ihr wirklich verziehen hatte, dass Evi sie wirklich vermissen würde, dass die zahlreichen Bewohner nicht bloß um die schöne Hülle trauern würden, die jahrelang das einzige war, dass sie ihnen gezeigt hatte. Dass sie ein letztes Mal den Mensch in ihr sahen, bevor sie das Gefecht gegen die Feinde oder das Monster in sich verlor.

    Wieder ein Blick zu den Vultures. Sie feierten als gäbe es kein Morgen. Auf viele würde das zutreffen. Die letzte Feier hatte wie dieser einem Abschied gegolten. In Sheng's Hope erwartete sie noch das Ungewisse, nun eine tödliche Gewissheit. Damals hatte die Infizierte selbst getanzt. Trotzdem der Stil der Wilden ein gänzlich anderer war, wollte sie sich einfach dazugesellen, die letzten Stunden ausschweifend genießen. Doch die spärliche Kraft ihres geschundenen Körpers reichte kaum für die finale Schlacht, der alles gelten musste. Ihr war dieser letzte Tanz versagt. Verschoben, auf ein anderes Leben. Eines, das sie besser nutzen würde als dieses.

    Ihre zitternden und fast bleichen Finger legten sich auf Evis freie Hand. Sie war warm und strahlte Kraft aus, die die blasse Frau nicht mehr besaß.

    "Danke für alles, Evi!", murmelte sie laut genug. Und als sie in die treuen, glücklichen Augen der Kriegerin sah, die ihre Identität zwischen Vultures und Sheng's Hope gefunden hatte, verlor Eryn abermals den Kampf gegen ihre Tränen.

  6. #6
    Nachdem Sheng und Evi die Anhöhe verließen und von den immer lauter werdenden Gesängen in das Lager der Vultures geleitet wurden, wartete Voodoo bereits grinsend und mit dampfenden Bechern des Agaven-Getränkes auf sie. Offenbar hatte der Clan alles mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest an ihre Heimat gebunden war, aber Evi kam nicht in den Sinn, dass diese Krieger den nächsten Tag als ihre letzte, große Schlacht ansahen und die meisten nicht damit rechneten - ja, sich sogar die Ehre erhofften - nicht zurückzukehren.
    Noch bevor die beiden einen Schluck trinken konnten, wurden Sheng und Evi von Vultures bestürmt, die Voodoos Werk bestaunen wollten, aber auch mit ihrer Schwester Teeth und dem Großmeister der verbrüderten Hope'Ari feiern und tanzen wollten.
    Nachdem sie eine Weile in der Menge herumgehüpft waren - das war zumindest Evis Form von Tanzen - kämpften sie sich wieder an den Rand des Geschehens, wo kühle Nachtluft der sengenden Hitze Einhalt gebot. Gemeinsam setzten sie sich an einen weniger umtriebenen Platz am Feuer und Sheng strich fast beiläufig über ihren Rücken, dessen Brennen sich längst in einen willkommenen Schmerz verwandelt hatte, der sie an Leidenschaft, Sehnsucht und Verbundenheit erinnerte.
    Sie brauchte diesmal keinen Spiegel, um zu wissen, was für ein wundervolles Werk sie auf ihrer Haut trug. Sie konnte Aufregung und auch Stolz in Shengs Augen sehen, wenn er einen Blick auf die Tätowierung warf. Und die Vultures sahen ihren Rücken auf eine ähnliche Art und Weise an.

    "Die Füllung wird vermutlich irgendwann verblassen...das heißt auch, dass du irgendwann wieder kommen musst. Zum Nachstechen."
    Evi sah Needles Gesicht vor sich, wie er damals sichtlich stolz gegrinst hatte, weil er einen Grund für sie gefunden hatte, dass sie sich wiedersahen. Jetzt war das Werk vollendet und perfekt geworden. Aber schon damals hatte es ohnehin keine andere Motivation gebraucht, um die Vultures als einen Teil von sich zu bewahren und jetzt fühlte Evi dies noch viel stärker.
    "Das werde ich." Immer wieder. Aber nie mehr alleine.

    --


    Evi erzählte Sheng, der auf ihrer Schulter lehnte, gerade die Geschichte, wie sie Pray erst den Korkenzieher um die Füße geworfen hatte, nur um ihn wenig später reuevoll von ihm zurück zu verlangen, als plötzlich ein junger Krieger mit einem quietschenden Etwas über der Schulter an ihnen vorbei stürmte. War das... nicht die Flameriderin?
    "Deine Freunde sind wirklich, wirklich speziell, Kleine."
    "...!"
    Eryn und Haile setzten sich zu ihnen, und aus irgendeinem Grund war Raoul auch dabei. Wie seltsam das alles war. Aber auf gute Art und Weise. Das ehemals verpönte Kultistenmädchen brachte alle zusammen - Schöne Siedlersfrauen oder Bürgermeister, nicht zu bändigende Plünderer und kleptomanische Waisenkinder, so viele andere... und sie alle waren willkommen und bereit für eine gemeinsame, große Schlacht am Ende.
    Ob eine neue, alte Welt auch so aussehen würde? Würden die Menschen wieder mehr zueinander finden?
    Evi sah sanft zu Haile und Sheng, die erst möglich machten, dass es überhaupt eine neue Welt geben würde. Mit ihnen konnte es ja eigentlich nur supergut werden, egal was auf sie zukommen mochte. Und Eryn musste das auch wissen.
    Als die Taucherin die leichte Berührung ihrer Freundin fühlte, wollte sie sich mit ihr voller Zuversicht und mit geballter Fröhlichkeit verrückte Dinge ausmalen, die sie in so einer neuen Welt erleben würden. Doch der Schein des Feuers warf unheilvolle Schatten auf Eryns Gesicht und sie sah unnatürlich bleich aus.
    "Danke für alles, Evi!", hatte sie gerade gesagt und dann kamen die Tränen. Wie viele Stunden waren vergangen? Hatte sich ihr Zustand wirklich so schnell verschlechtert, oder lag es an ihrer Angst, dass es jetzt so viel schlimmer wirkte? Furcht konnte alles mögliche beeinflussen.

    "Das klingt wie ein Abschied.", sagte Evi leise und schlang beide Arme um Eryn, so dass sie sich an sie lehnen konnte und dabei in einer festen Umarmung, ein bisschen abgeschirmt vom Rest, geborgen war. Die Schönheit hatte die Augen weit offen und weitere Tränen kullerten heraus, aber sie ließ es geschehen. Vielleicht konnte sie sich nicht wehren, aber hoffentlich wollte sie es auch nicht.
    "Ich weiß, dass es schwierig ist, aber hab keine Angst." Sie flüsterte ganz leise und sah dabei in den Nachthimmel. Sie atmete tief durch, weil sie ebenfalls keine Angst haben durfte, wenn sie Eryn etwas davon nehmen wollte.
    "Dir ist klar, was ich sagen will, oder? Wir schaffen das schon. Wir machen dich wieder gesund. Du wirst Derreck wiedersehen. Und hey, daran glaube ich immer noch. Es gibt auch allen Grund dazu, wir haben schon so vieles geschafft, was uns umöglich erschien. Alleine dass wir hier sitzen... und hier und in unserem Lager von Menschen umgeben sind, die viele für verloren geglaubt haben, ist ein Wunder." Von Eryn war nichts als leises aber schnelles Atmen zu hören.
    "Aber ich glaube, das allein hilft nicht mehr, oder? Weil nur du weißt, wie du dich fühlst. Ich habe keine Ahnung, ob es gerade weh tut, ob dir die Sinne schwinden oder deine Beine dich bald nicht mehr tragen. Ich kann noch so voller Hoffnung sein, du wirst ganz von selbst spüren, wie sehr du mir da noch zustimmen kannst oder nicht."
    Evis Arme hielten die Bardame immer noch fest, als könne sie einzig durch die Berührung jegliches Fortschreiten der Infektion einfach aufhalten. Als würde so die Zeit in Eryns Körper einfach stehen bleiben und nichts und niemand konnte ihr etwas anhaben, so lange sie sie nur nicht losließ.
    "Wir teilen uns das einfach auf. Ich übernehme den Part, der immer noch daran glaubt, dass alles gut wird. Keine Sorge, da habe ich genug Optimismus für uns beide. Und du übernimmst den Teil, wo du dich voller Stolz allem entgegen stellst, was auf dich zukommt. Das kannst nur du machen, und du hast auch jedes Recht dazu. Was auch immer du irgendwann mal getan oder nicht getan hast hat dich genau an diesen Punkt gebracht. Es hat dich zu dem Menschen hier gemacht, der es Wert ist, ihn in einer unterschütterlichen Umarmung gefangen zu halten."
    Sie lachte kurz und drückte einen Augenblick lang etwas fester zu.
    "Es hat dich zu einem Menschen gemacht, den wir schmerzlich vermissen würden. Zu einem Menschen, den wir niemals vergessen würden. Also musst du sehr viele Dinge sehr richtig gemacht haben. Du kannst stolz auf dich sein, ehrlich. Und um alles, wofür du glaubst keine Zeit mehr zu haben, werde ich mich kümmern. Ich werde in alle Ecken der Welt reisen, ich werde mir ein hübsches Kleid besorgen, das nur dir stehen würde, und dann werde ich Derreck finden und ihm sagen, was er dir bedeutet, ich werde ihm sagen was für eine tolle Frau du bist, und dass du auf ihn wartest...."
    Nun bildeten sich auch Tränen in Evis Augen, und mit einem tapferen Lächeln blinzelte sie sie weg.
    "Oder was dir auch immer recht ist. Es wird auf jeden Fall nichts unerledigt bleiben, das verspreche ich dir."
    Einen kurzen Augenblick lang hörte man nur das Knistern des Feuers und die Melodien der Vultures. Evi lächelte Sheng, Haile und Raoul beruhigend zu. Sheng wirkte besorgt, Raoul schien ihrem Blick wissend auszuweichen, und in Hailes Augen lag tiefes Verständnis, als würde sie genau wissen was in diesem Moment vor sich ging.
    "Du wirst sehen. Schon bald werden wir hierauf zurückblicken und uns nicht mehr einkriegen vor Lachen, weil ich für dich echt ein Kleid anziehen wollte."

    Geändert von Lynx (11.11.2015 um 14:10 Uhr)

  7. #7
    Das Waffendepot war grotesk.
    Schon der Panzerglasraum mutete ihr äußerst seltsam an, und doch- nicht vollkommen abartig.
    Das panische Kaninchen glich dem abgehetzten Fellknäul, das Eryn seit der Gegend mit dem Zoo und diesem Fawyerland mitgeschleppt hatte, dass sie Gott sei Dank nie betretetn hatte.
    Einen Augenblick mal.
    Léo war nicht unbedingt die beste Anlaufstelle für den Gruppentratsch, aber einige Eckpunkte schnappte sie zumindest sporadisch auf. So zum Beispiel, dass damals der Betreiber irgendwas von Z-Energie gelabert hatte. Und die hübsche Bardame irgendwas im Keller gemacht hatte und dann das Kätzchen als Souvenir von da unten mitgenommen hatte.
    In solchen Momenten bedauerte sie es fast schon, dass sie sich so wenig um die Angelegenheiten von Anderen scherte. Aber dennoch...diese Konstruktion sah aus, als könnte man damit Energie gewinnen, und dafür ausgerechnet ein unschuldiges Tierchen vor Zombies zu spannen... Sie konnte es natürlich nur vermuten, aber wenn sie richtig lag, hatten hier zwei, kilometerweit voneinander entfernt, die gleiche Idee, bis in die Ausführung hinein.
    Womit sie garantiert nicht irgendwie miteinander zusammen hängen konnten.
    Im Sinne von sie mussten zusammenhängen, Zufälle gab es heutzutage nicht mehr.
    Qué demonios, wieso waren die Leute in ihrer Gruppe solche Vollpfosten, die nichts ordentlich herausgefunden bekamen? Wenn man Zeug erledigt haben will, sollte man es selber machen, das dachte sie schon damals. Der Name Fawyer hatte in ihr die dumpfe Erinnerung an ihr Diadem und enge Schächte geweckt.
    Sie zog ihre Machete, aufs Äußerste angespannt. Wenn Jemand sie an alte Zeiten erinnerte und wahrscheinlich was mit diesem Ort zu tun hatte-in welcher Form auch immer- wollte sie lieber ganz auf Nummer sicher gehen. Vieles aus ihrer Vergangenheit wollte sie nicht wiedersehen.

    Achtsam schritt die Schwarzhaarige voran, nervös und zugleich beeindruckt von den sorgfältigen Maßnahmen, die hier gegen jede Eventualität getroffen worden waren. Auch wenn sie nicht damit umgehen konnte, schulterte sie eines der Sturmgewehre und steckte sich eine der handlicheren Waffen in den Hosenbund. Ihre Leute konnten Waffen immer gebrauchen und im Fall der Fälle war es ihr lieber, wenn der potentielle Feind sie nicht in Griffweite hatte.
    Als sie im „Wohntrakt“ ankam, blickte sie sich zunehmend verwundert um. Wer wohnte bitteschön hier, dass er oder sie oder es so unglaublich pingelig waren und absolut keinen Flecken an Persönlichkei-

    Der Blick klebte sich an die kleine Ecke voller Bilder und Dokumente, die hier so völlig deplatziert wirkten.
    Ungläubig trat sie näher.
    Zuerst fiel ihr der Führerschein mit einem Gesicht auf, dass sie kannte. Entfernt, dunkel. Dob. Dieser Sunny-Typ mit seinem Händchen für alles Mechanische. Und Noahs und Joshs Mutter.
    Ihr Blick glitt weiter über einen Bericht über einen Axel Miller... der Name weckte in ihr Gedanken an unangenehmes Reinplatzen, Campanilla und heftigen Explosionen...
    Auch der Name Helena McAldrin sagte ihr etwas. Zart strich sie über ihre Klinge beim Gedanken an den wunderbaren Berg an schwarzen Hund, den sie hatte und ihre langen... wunderschönen blonden Haare...und wie sie immer im unpassenden Moment reingeplatzt ist...
    Ihre Augen weiteten sich. Es gab heutzutage keine Zufälle mehr. Sie konnte nicht fassen, dass ihr das nicht früher aufgefallen ist, dass Haile wahrscheinlich aus derselben Sippschaft kam wie Helena. Selbst die Namen klangen ähnlich. Und dieses Mädchen nun kollektiv alles zurückzahlte, was sie ihrer...Tante? Großmutter? Verwehrt hatte.
    Karma in seiner reinsten Form.
    Sie musste grinsen, doch es erstrab es, als sie das kleine Bild sah, aufwendig gezeichnet und wie ein Spiegel ihrer Vergangenheit. Ihr eigenes Gesicht als Sieben- oder Achtjährige blickte ihr entgegen. Langsam streckte sie die Hand aus, fuhr über die sorgfältig gestalteten Konturen ihres Haares. Das zarte Kinn, den Mund, der hier ganz untypisch nicht lächelte, die kleine Stupsnase. Zuletzt über die riesigen, dunklen Augen, das Einzige, was ihr noch glich, auch wenn der Glanz in ihnen schon längst verloren war.
    Ihre Sicht verschwamm hinter den sich ansammelnden Tränen.
    Wer machte so was und wieso? Was sollte das, wieso gerade diese Leute, die sie alle aus Sidney kannte, wieso ein Bild von ihr selbst?
    Fast hatte sie es übersehen, doch gerade jetzt stach ein roter Fleck in einem sonst sehr blauen Bild hervor.
    Es war mit Facebook betitelt, darunter stand Barbara Williams.
    Und darunter war sie.
    Léo löste das Bild von der Wand, um es so nah wie möglich betrachten zu können.
    Die lächelnde Frau war so in ihr eingebrannt wie wenig sonst. Die Tränen kullerten ihr ungeniert die Wange hinab, ihre Lippe begann zu beben, ihre Hand zitterte.
    Die roten Haare, die wie Feuer im Sonnenlicht gewirkt hatten.
    Die wunderschönen Augen, die ihr immer voller Liebe entgegen geblickt hatten.
    Die blasse Haut, die ihr einen engelhaften Anblick beschert hatten.
    Selbst die kleine Ukulele war zu sehen, auf der sie immer so unbeschreiblich berührende Lieder gespielt hatte und mit ihrer traumhaften Stimme zu etwas Einmaligem in der sonst so dunklen Welt werden ließ.
    Die Frau, die ihr zusammen mit Ian, Alistair und den Jungs gezeigt hatte, dass Familie nicht nur durch Blutsbande entstand.
    Mama...“
    Es war kaum mehr als ein Hauchen, mit dem ihr dieses kleine Wort entfuhr.
    Und doch steckte in ihm mehr Gefühle, mehr Glück, mehr Trauer, mehr Vermissen und mehr Schmerz als allen Worten, die sie die letzten Monate gebraucht hatte zusammen.

    "Hallo, Leo."
    Die Angesprochene fuhr zusammen und wirbelte herum. Für eine kurze Sekunde bildete sie sich beim Anblick der roten Haare ein, es sei wahrhaftig Clover, die vor ihr stand und ein Strahlen kam über ihr Gesicht.
    Es gefror, als sie eines Besseren belehrt wurde.
    Doch diese Frau war ihr ebenfalls nicht fremd....
    "... Ellen?!"
    Ihr Gegenüber hatte sich erstaunlich wenig verändert. Natürlich hatte sie völlig andere Sachen an und wirkte älter und gezeichnet durch die letzten 20 Jahre, aber dennoch...
    "Aber...aber was...woher...“
    Eine Flut an Gedanken stürmte auf sie ein. Das war alles viel zu viel auf einmal für sie.
    "Was soll das hier Alles? Bist Du diese RedWitch? Wieso pinnst Du Dir tote und wahrscheinlich tote Leute an die Wand? Wa.... Wieso...einfach wieso...“
    Ihre Knie wurden weich, das war wirklich das Letzte, was sie sich von diesem Trip ausgemalt hatte.

    Geändert von Mephista (11.11.2015 um 13:33 Uhr)

  8. #8
    Hugh lag ruhig atmend auf dem mittlerweile vollkommen durchwärmten Boden. Einzelne Tropfen Schweiß hingen noch an den kümmerlichen Grashalmen, wie Tau im Morgengrauen.
    Sein ganzer Körper bebte vor wenigen Minuten noch, doch langsam kehrte die Ruhe in ihn ein. Der Atem wurde flacher, der Herzschlag ruhiger.
    Er spürte wie Léo neben ihm aufstand, wie ihr Unterarm dabei über seinen mit Striemen überzogenen Rücken strich.
    Wenn er nicht so müde und erschöpft gewesen wäre, dann hätte er sich vermutlich noch nach ihr umgedreht und geschaut aber...

    Scheiße tat ihm alles weh.

    Es war schon schwer genug ruhig liegen zu bleiben und nicht daran zu denken, dass er wortwörtlich aussah, als hätte man ihn überfallen.
    Zudem machte Seeker es ihm schwer sich überhaupt zu bewegen. Die Stammesführerin lag eng an seiner Brust, einen Arm um seine Hüfte geschlungen, die Hand auf seinem Steiß abgelegt.

    Er hörte im Hintergrund das Rascheln von Kleidung und... das blättern von dünnen Papierseiten.
    Seine Lider waren jedoch viel zu schwer, als das er sie hätte öffnen können. Er genoss einfach die Ruhe und den Frieden den er gerade hatte.
    Ständig machte er das eine, dann das andere. Einen Fuß vor den anderen, kam er niemals zum Stillstand. Doch selbst wenn sein Körper ihm eine Pause erlaubte, dann war es sein Kopf der ihn materte. Gehetzt, getrieben und innerlich zerissen.

    Ausgerechnet diese Nacht sollte es anders sein? Er lag still, atmete still, sein Kopf war still und auch sein Bauch... still.

    Leises Kritzeln im Hintergrund. Das selbe Geräusch wenn er einen Brief schrieb, nur weicher.
    Luft entwich zwischen Seiten und schweren Buchdeckeln. Er kannte das Geräusch noch aus seinem alten Leben.
    Erneut das rascheln von Kleidung und dann war es still.



    Jackman atmete tief ein und aus. Langsam rollte er sich auf den Rücken und spürte dabei jede einzelne der feinen Linien welche ihm mit Fingernägel auf die Haut gekratzt wurden.

    "Mhh. Ein Vogel der Freiheit kennt, wird immer die Flügel ausbreiten Laangkaster."

    Im aschfahlen Licht der Nacht versuchte Jackman Seeker anzuschauen. Leicht spiegelte sich das Licht in den Augen der Kriegerin, die dadurch noch unheimlicher wirkte als sie es sonst schon tat.

    "Mhh..."

    Kehlig grummelte der Schauspieler in seinen Mund ehe er den Oberkörper aufrichtete.

    "Was meinst du?"
    "Der große Laangkaster, Führer der Krieger Hope'Aris scharte Frauen um sich als er zu uns kam und doch ist er nie von ihnen umgeben."
    "Sag doch einfach was du sagen willst."

    Grashalme knirschten leise als sich Seeker aufrichtete und ihren nackten Oberkörper an seinen Rücken presste.
    Sanft spürte er ihre Hand auf seinem Rücken und die Lippen auf seiner zerbissenen Schulter.

    "Laangkaster umgibt sich selbst mit Rauch. Doch die Krallen des Raubvogels haben Ihre Beute bereits gefunden."
    "Mhh... du denkst also, dass..."
    "Echte Vultures leben wie es Ihnen Ihr Blut befiehlt, wie die Sonne Ihren Weg erhellt und die große Schlange Ihnen die Wahrheit flüstert. Wir denken nicht Laangkaster. Wir leben."

    Da war sie wieder. Die Unruhe. Das rasende Gefühl etwas verloren und verpasst zu haben. Tief in seiner Brust.
    Tief in sich ahnte Hugh bereits, dass er dieses Gefühl niemals loswerden könnte. Es würde ihn immer verfolgen und plagen.

    Langsam zog sich Jackman von Seeker weg und richtete sich auf.
    Die bemalte Kriegerin hinter ihm legte sich wieder hin und schloss die Augen. Echte Vultures lebten wie Ihr Instinkt es Ihnen befahl.

    Hugh hingegen war kein Vulture. Er würde gerne tun was sein Instinkt ihm sagte, hatte jedoch zu viel Angst vor den Konsequenzen und ob er mit ihnen leben könnte.
    Sein Blick fiel auf seine Kleidung... und auf das in weinrote Buch mit schimmerndem Silberschnitt.
    Langsam beugte sich Jackman vor und hob das Buch auf. Ein einfaches Kreuz und das Wort "Biblia"waren in den Einband geprägt.

    "Die Bibel?"

    Das muss es gewesen sein, was er vorhin hörte. Das blättern von dünnen Seiten. So dünn, wie die Seiten einer Bibel.
    Zögerlich ließ Jackman das Buch in seiner Hand aufklappen. Oft konnte man so die zuletzt geöffnete Seite sehen.

    CANCION de canciones, la cual es de Salomón.

    Hugh sprach kaum Spanisch. Das letzte mal vielleicht, mehr oder weniger, aktiv vor 20 Jahren... und das eine Mal auf der Farm. Doch selbst mit wirklicher Anstrengung hätte es niemals zu mehr gereicht als sich eine Cerveza und Tapas zu bestellen.

    Dann sah er die feinen grauen Linien, seitlich neben dem Text. Gezogen mit einem weichen Bleistift.



    Mit Küssen seines Mundes bedeckte er mich;
    Süßer als Wein ist deine Liebe.
    Wie Süß schmeckt seine Frucht meinem Gaumen.
    Seine Linke liegt unter meinem Kopf und seine Rechte umfängt mich.



    Alles an dir ist schön, meine Freundin.
    Alles ist schön.
    Rote Bänder sind deine Lippen.
    Hinter dem Schleier Deiner Augen, wie Tauben;
    und lieblich ist Dein Mund.
    Deine Brüste sind wie Kitzlein, die in den Lilien weiden
    Dein Schoß ist ein runder Kelch;

    Würzwein mangele ihm nicht.
    Dein Leib ist ein Weizenhilde mit Lilien umstellt
    Trauben am Weinstock seien mir deine Brüste
    Dein Mund köstlicher Wein.
    Öffne dich mir, meine Taube!
    Auf meinem Kopf die Tautropfen der Nacht.



    Komm mein Geliebter - lass uns schauen, ob der Weinstock schon treibt,
    Ob die Rebenblüte sich öffnet,
    Ob die Granatbäume blühen...

    Leocadia Arellano-Felix




    Seine Finger fuhren langsam über das Blatt Papier und die darauf geschriebenen Zeilen.
    Das Gefühl in seiner Brust wurde zunehmend unangenehmer.
    Jackman setzte sich auf den Boden, die Bibel in seinen Schoß gelegt. Seine Hand griff in seinen Haufen aus Kleidung, tief hinein zum Rucksack aus dem er die Ledermappe hervorzog.
    All die Briefe die er aufhob. Die Fotos. Die Erinnerungen...
    Das kratzige, alte, unbeschriftete Papier welches er noch hatte und jetzt füllen musste.
    Die Marken auf denen sein Name und seine Pseudonyme standen.

    Der alte Kugelschreiber kratzte über das ebenso alte Papier. Es kostete ihn so viel Kraft die Hand still zu halten, nicht zu zittern und zu ruinieren was er dort schrieb.

    Ein Messer, geborgt von der ahnungslosen Seeker, welches immer wieder über die Rückseite von Blech kratzte.

    Jackman faltete das beschriftete Stück Papier um die Erkennungsmarken herum und legte es zwischen die beiden Seiten der Bibel.
    Langsam klappte er das heilige Buch zu, ließ die Kettenanhänger dabei wie ein Lesezeichen zwischen den Seiten hervorblicken, ehe er das Buch wieder zurück auf den Kleidungshaufen legte.

    Seine Kehle schnürte sich zu. Seine Brust fühlte sich an wie eingequetscht. Er hatte das Gefühl zu ersticken. Er musste hier raus.

    Nur mit seiner Hose am Leib flüchtete er aus dem Zelt und lief durch das Gestrüpp und Geäst der Golfanlage und kam erst zum stehen, als er an einem der Wasserlöcher angelangt war.

    Geändert von Gendrek (11.11.2015 um 17:31 Uhr)

  9. #9

    Gast-Benutzer Gast
    Was wir brauchen würden, wären vielleicht Material der Streitkräfte, die diesen Minengürtel gelegt haben. Dieser Plan dürfte doch nicht so unlesbar sein, immerhin musste man damals davon ausgehen, dass der Feind, sollte er ihm in die untoten Hände fallen, diese eh nicht hätte lesen oder benutzen können. Aber das ist alles Wunschdenken. Im Moment stehen wir richtig beschissen da was den Plan betrifft. ES gibt nämlich noch Keinen, der nicht tausende Variablen offen lässt.“

    Wingman hatte recht, ohne einen vernünftigen Plan würden Sie Morgen einen wenig ehrenvollen, und was viel wichtiger war, einen sinnlosen Tod sterben und all die Mühen wären umsonst gewesen. Da er und Wingman so in keinster Weise vorwärts kamen und alle anderen mit anderen Dingen beschäftigt waren, verabschiedete sich Ranger von Wingman und begab sich dorthin wo es am lautesten war. Vielleicht würde er unter den dortigen Personen ja einige der Gruppe finden die im idealsten Fall momentan auch die Nerven dazu hatten sich mit dem Plan für den morgigen Tag zu beschäftigen.

    Auf dem Platz an dem ein Lagerfeuer entzündet worden war tanzten viele der Vultures und es herrschte im Allgemeinen eine gelockerte freudige Atmosphäre. An einer Stelle konnte er unter anderem Raoul, Haile, Sheng, Evy und Eryn erblicken. Die Art und Weise wie diese dort saßen, teils in den Armen liegend, teils der angespannte Versuch unaufmerksam / abgelenkt zu wirken vermittelte ihm, dass es momentan kein guter Zeitpunkt war diese Situation zu stören und nach Ideen für den morgigen Tag zu fragen. Er suchte sich einen Platz unter den Leuten im Blickfeld der Anderen, so konnte er immer noch zu ihnen gehen wenn sich die Situation augenscheinlich entspannt hatte oder vielleicht würde ja auch einer von ihnen auf ihn zukommen.

  10. #10
    Evi hatte Eryn in den Arm genommen und redete leise und behutsam auf sie ein. Sheng wollte diesen privaten Moment unter Freundinnen - Schwestern - offensichtlich nicht zu sehr stören und drehte sich deswegen zu Haile und Raoul.

    "Ich habe gehört, du hast dir endlich ein Hobby gesucht, wie ich es immer vorgeschlagen habe."
    "...?"
    "Naja, Zeichnen oder Muscheln sammeln hätten mir zwar besser gefallen, aber Menschenleben retten ist auch in Ordnung, schätze ich."

    Er lächelte voller väterlichem Stolz und drückte Haile an seine Schulter. Über Hailes Kopf hinweg warf er Raoul einen musternden Blick zu, der ihm so gut es eben ging standhielt.

    "Und ich verstehe richtig, dass...?"
    "...!"
    "Ich...verstehe. Es hat mich gewundert, warum Georgina so ein Auge auf den Jungen geworfen hatte. Wingman, mich, ja, wir haben die Folterungen auf uns genommen, für dich, aber was er damit zu tun hatte..."
    "..."
    "Sir, ich habe die Folterungen auch auf mich genommen. Für Haile."

    Sheng nickte stumm.

    "Für Haile."

    Jetzt ist aber mal wieder gut. Niemand soll sich für mich foltern lassen. Haile starrte ins Feuer und griff mit der Hand nach dem Amulett von Raoul, welches immernoch um ihren Hals hing. Niemals wieder.



    Von hinten konnte sie Schritte hören. Es waren langsame, bestimmte Schritte eines Mannes, der mehr Wissen hatte, als sie alle zusammen. Als Pray Vulture den Festplatz betrat, verstummten kurz die hitzigen Schreie der jungen Krieger und alle verneigten sich vor ihrem spirituellen Führer. Auch Evi nickte ihm respektvoll zu. Blades stand hinter dem alten Mann, deutlich gefasster als noch wenige Stunden zuvor. Pray schritt erhobenen Hauptes zu der kleinen Gruppe am Feuer, legte Evi väterlich eine Hand auf die Schulter und blickte dann Haile direkt in die Augen.

    "Throatseeker, was du suchst, war schon all die Zeit in deinem Besitz. Es sind kleine Dinge, selbstverständliche Dinge, die von Hoffnung künden."

    Wissend wandte er sich ab und nahm dankbar einen Becher mit einer dampfenden Flüssigkeit von Voodoo an und reichte ihn direkt an Blades weiter, die sich nun auch am Feuer niederließ. Evi drehte ihren Kopf zu dem blonden Mädchen und flüsterte ihr leise ihre Frage zu:

    "Haile, was meint Pray damit?"
    "...!"

    Stundenlang hatte sich Haile den Kopf zermatert, was sie Raoul schenken konnte. Es war so einfach und doch so schwer. Sie hatte wirklich diesen einen Anstoß gebraucht. Einen Gegenstand, den sie mit keinem teilen würde. Ihr war nichts eingefallen - schließlich besaß sie außer dem Dolch nichts. Sie hatte nichts, was nur ihr gehörte.

    Dabei hatte sie eine Sache vergessen, die einfach schon immer da war.

    Haile stand unter den neugierigen Blicken der Vultures auf und zog Raoul mit Schwung mit nach oben. Pray nickte anerkennend, als sie ihren Dolch zückte und eine kleine, silberne Kette vom Griff der Waffe löste.

    Es war ein kleines Kreuz aus Silber. Jack war massiv betrunken, als er es ihr gab. Er sagte, dass er es damals für seine Tochter anfertigen ließ, dieses undankbare Miststück. Sie sollte es bekommen, wenn sie ihre Ausbildung beendet hatte. Stattdessen lag das Schmuckstück damals in Hailes Hand, nur wenige Stunden, bevor er das Mädchen an den Kult verkaufte. In das Metall waren 6 Buchstaben eingraviert, die für Haile keine Bedeutung hatten, ihrem leiblichen Vater aber die Welt bedeutet hatten.


    Unter den Blicken ihres Vaters, Evi, den Vultures, Kerosa, den wachsamen Augen von Ranger und dem müden Blick von Eryn legte sie Raoul die Kette um den Hals. Sie befestigte die Kette in seinem Nacken und ließ ihre Hände auf seinen Schultern ruhen. Hailes Lippen berühren Raoul sanft an der Wange.

    Sie trug seine Kette.
    Und er ihre.

    Das wertvollste, was sie jeweils besaßen.

    "Ihr seid jetzt aber nicht verheiratet oder so ein Scheiss, oder?"
    "..."

    Thorn knuffte Kerosa in die Seite, damit sie einmal in ihrem Leben die Klappe hielt.

    Geändert von Caro (11.11.2015 um 16:25 Uhr)

  11. #11
    "Aber...aber was...woher...“

    Mit einem Gefühl irgendwo zwischen Mitgefühl und Faszination betrachtete Ellen die junge Frau vor sich. Wo sie sich zuvor trotz aller Indizien nicht wirklich sicher gewesen war, ob es sich bei ihr wirklich um das kleine Mädchen von damals handelte, war sie sich jetzt, von Angesicht zu Angesicht, sicher dass sie richtig gelegen hatte. Sie war älter, natürlich, und wo ihre Augen damals noch vor Unschuld glänzten, trotz des ganzen Chaos am Flughafen und danach, meinte Ellen nun ein anderes, härteres Glitzern zu sehen. Was sie wohl durchgemacht hat, nachdem ich sie aus den Augen verloren hatte? Was es auch war, sie hatte überlebt, und hatte es als Kämpferin wieder heraus geschafft - nicht als gebrochene Hülle wie so viele nach dem Zusammenbruch.

    "Was soll das hier Alles? Bist Du diese RedWitch? Wieso pinnst Du Dir tote und wahrscheinlich tote Leute an die Wand? Wa.... Wieso...einfach wieso...“

    Aber Kämpfernatur hin oder her - nach so einer Enthüllung verwunderte es nicht, dass sie etwas aus dem Gleichgewicht gebracht wirkte. Beruhigend und langsam hob Ellen die Hände, versuchte deutlich zu machen dass die Geste nicht aggressiv sein sollte.

    "Das... das ist eine längere Geschichte. Nachdem ich hier gelandet war - es waren ein paar Jahre, ich wusste am Anfang ja nicht dass... Also, nachdem ich endlich Zugriff auf alles hatte, hab ich versucht die Leute von damals wiederzufinden. Aber das war vier, fünf Jahre nach Sidney, und da war schon soviel zusammengebrochen.... es gab einfach keine zuverlässigen neuen Informationen mehr, und..."

    Frustriert ließ Ellen die Hände wieder sinken und schüttelte leicht den Kopf. Eine kleine Begegnung mit der Vergangenheit, und schon fing sie an wie ein Depp loszuplappern und über ihre eigenen Worte zu stolpern? Herrje... So entgeistert sie Leo sie immer noch anschaute, war sie sich nicht ganz sicher ob ihre Worte wirklich bei ihr ankamen, aber dennoch strömten die Worte weiter aus ihr heraus.

    "Alles was ich noch finden konnte waren ein paar Fragmente von .... vorher."
    Ellens Blick schweifte von Leo weg hinüber zu der Pinnwand. "Der Rest ist oben, aber ich wollte, naja..." Sie deutete mit einem Kopfnicken in Richtung ihrer Sammlung. "Ich wollte eure Gesichter nicht vergessen." Unvermittelt schloß sie die Augen und blinzelte dann einige Male heftig. Sie würde jetzt NICHT losheulen! Das hatte sie nicht als sie hier gestrandet war, nicht als die Station überrannt wurde, nicht als ihr Team draufgegangen war - und sie würde jetzt NICHT damit anfangen, nur weil diese faktisch Fremde mit den nicht mehr so unschuldigen Augen hier aufgetaucht war.

    Als Ellen die Augen wieder auf Leo richtete, wurde ihr bewusst dass diese immer noch den Facebook-Ausdruck von Clover in der Hand hielt. "Also, wenn du das behalten möchtest... "

    Geändert von Shinshrii (11.11.2015 um 22:42 Uhr)

  12. #12
    Ein essentieller Teil von Léos Überlebensstrategie lag darin, die Quellen für mögliche aufwühlende tiefgreifende Gefühle möglichst zu vermeiden.
    Die letzten 24 Stunden waren in der Hinsicht kein Paradebeispiel gewesen und sie fühlte sich dadurch langsam aber sicher emotional wirklich erschöpft.
    Den ganzen Tag im Kampf bis aufs Äußerste zu gehen war eine Sache.
    Aber sich einen ganzen Tag lag von einem emotionalen Extrem ins nächste zu rutschen war etwas ganz Anderes und es machte die Latina fertig.
    Sie musste atmen, versuchen, den Kopf von all den Gedanken zu befreien und sich auf eine Sache zu fokussieren. Zum Beispiel die Worte, die Ellen ihr nun entgegnete.
    "Das... das ist eine längere Geschichte. Nachdem ich hier gelandet war - es waren ein paar Jahre, ich wusste am Anfang ja nicht dass... Also, nachdem ich endlich Zugriff auf alles hatte, hab ich versucht die Leute von damals wiederzufinden. Aber das war vier, fünf Jahre nach Sidney, und da war schon soviel zusammengebrochen.... es gab einfach keine zuverlässigen neuen Informationen mehr, und..."
    Die ältere Frau schien auch durch den Wind zu sein, lag das an ihrem Besuch? Léo konnte sich nicht recht beruhigen, es war einfach zu viel, aber die Bemühungen zahlten sich durchaus etwas aus. Zumindest konnte sie den Worten ihres Gegenübers einigermaßen folgen.
    "Alles was ich noch finden konnte waren ein paar Fragmente von .... vorher."
    Ellens Blick schweifte von Leo weg hinüber zu der Pinnwand. "Der Rest ist oben, aber ich wollte, naja..."
    Moment, oben?
    Ellen deutete mit einem Kopfnicken in Richtung ihrer Sammlung. "Ich wollte eure Gesichter nicht vergessen."
    ...was?
    Die Rothaarige neigte ihr Haupt und schloss die Augen. Sie musste verdammt einsam gewesen sein, wenn sie gerade ihre Gesichter nicht vergessen wollte. Léo konnte sich nicht entsinnen, dass die beiden sich besonders nah gestanden hatten, als sie in Sidney gewesen waren. Dennoch berührte sie diese Offenbarung auf eine merkwürdige Weise...
    Sie wurde wirklich zu einem Weichfurz, wenn das so weiter ging. Langsam musste sie sich wieder zusammenreißen.
    . "Also, wenn du das behalten möchtest... "
    Offenbar hatte Ellen ihren schwachen Moment überstanden und wies auf das Bild in Léos Händen.
    "Oh...ja das...würde mir viel bedeuten, wenn das für Dich in Ordnung geht...“, meinte sie nach einer kleinen Sekunde des mentalen Sortierens.
    Ihr kamen wieder die mitgenommenen Waffen in den Sinn.
    "Die hier muss ich aber nicht behalten...“, sie nahm das Sturmgewehr von den Schultern und zog die Pistole aus der Hose, "... war ´ne Vorsichtsmaßnahme, Du hättest sonstwer oder –was sein können...“
    Schnell legte sie Beides zur Seite, ehe sie durchatmete.
    "Also... ich bin nicht gut mit Smalltalk und solchem Zeugs, ähm... also was genau machst Du nochmal hier? Du meintest, der Rest wäre oben, was ist da? Und...naja, ich weiß nicht...“
    Sie dachte angestrengt nach. Das ist nicht ihr Metier. Vielleicht sollte sie ja mal mit der grundlegenden Situation anfangen?
    „Ich bin oben mit meinen ...“Leuten“, weil wir Adam zum Forschungszentrum bringen wollen, wo nun wahrscheinlich schon die Kultisten hocken und auf uns warten, weil wir noch Balla- ähm, Anhang von einigen retten mussten...Aber wenn Du die Red Witch bist, weißt Du das wahrscheinlich schon...
    Jedenfalls machen wir uns grad bereit für den Kampf, die Vultures werden uns unterstützen, aber wir haben da noch dieses Minenfeld und allgemein noch nicht soooo viel darüber diskutiert, wie wir das angehen...“
    Weil sie die Anführer lieber erstmal ordentlich durchgenommen hatte. Es überraschte sie selbst, wie gut ihre Selbstablenkung immer funktionierte.
    "... wenn Du also irgendwas weißt und/oder uns helfen willst...nur zu...“
    Léo öffnete die Arme in einer Art einladender Geste, weil sie nicht wusste, wie sie sonst zeigen sollte, dass sie Ellen nicht verarschte. Aber noch etwas anderes brannte ihr auf dem Herzen. Sie rang um Worte, wie immer...
    ".Es.....es ist echt....schön Dich wiederzusehen....“

  13. #13


    Das Lagerfeuer brannte nun hoch und seine Flammen züngelten gierig und grell in den Nachthimmel hinein.
    Hätte Georgina gewusst, dass Niemand hier ihre inszenierte Schlachtmusik hören konnte, das schrill Fiepen der Flöten und die Trommeln und auch die Hörner, dann hätte sie wahrscheinlich fauchend den Angriff eingeleitet, doch das Lager der Vulture war zum einen gut gelegen und zum Anderen waren Gesänge und die eigenen Trommeln der Plünderer viel zu laut, um das grausige Orchester der Feindarmee auch nur wahr zu nehmen.

    Gierig schlangen die Krieger das fast schwarz und dunkel gegrillte Fleisch hinunter und spülten mit dem vergorenen Agarvensaft herunter, was durch die pure Gier im Hals stecken zu bleiben drohte.
    Sie feierten wild und ausgelassen, wissend, dass jeder getötete Feind in der kommenden Schlacht einhundert Lieder und ganze Arme voller Tattoos wert war, denn Seeker hatten ihnen berichtet, was sie sich zusammengereimt hatte und sie darauf eingeschworen, im Kommenden nicht zu vergessen, dass die Geschichte des Clans nun für immer in Blut geschrieben werden konnte.
    Kein Dahinsiechen in der neuen Welt neuer weißer Götter mit ihren Mikroskopen und Reagenzgläsern, kein Erstarken einer neuen Zivilisation sollte über sie einst entscheiden, dass sie keinen Platz mehr in der Welt hatten.
    Sie waren stolze Krieger und würden ihren Abgang in die eigenen Hände nehmen.
    Sie würden kämpfen und bluten, auch für die vielen Frauen und Kinder und Verletzten, die weit im Süden zurück geblieben waren und ohne ihre Kämpfer und Jäger bald schon von anderen Feinden verschlungen werden würden. Und so fanden sie sich im Tode vereint wieder alle zusammen, am Himmel als geisterhafte Vögel, vom Wind getragen und wissend, dass man anstatt sie zu vertreiben, nun Lieder über sie singen würde. Warme Stimmen, wohltönende Choräle, gesummter Windhauch in der Luft, der ihre geisterhaften Schwingen tragen und am Himmel halten würde.

    Sie balgten und prügelten sich, die Krieger sie tranken und sangen und gaben sich für alle sichtbar der Lust hin.
    Und zwischen ihnen, wie eine Festkönigin eines alten Hexengeschlechtes streunte Seeker herum die nun seltsam gelöst wirkte und von nichts Anderem als Zuversicht und Vorfreude auf die Schlacht erfüllt.
    Sie trat ab und an nach links oder rechts aus, um zwei zu sehr im Kampf verstrickte Jungkrieger zu trennen, stahl sich Küsse und Tonbecher mit dem scharfen, warmen Alkohol gleichermaßen und stimmte oftmals als Erste den Ton neuer Heldenlieder der Vulture an, die zumeist von Tod und Vernichtung handelten.
    Sheng wusste nicht, wo die Anführerin gewesen war, doch was immer sie erlebt hatte, sie wirkte nun „komplett“, gefestigter, vollständiger, sofern eine Steigerung noch möglich war.
    Und dann war sie an ihm heran. Sah Evi eindringlich an, drang unangenehm nah an ihn heran, als würde sie die vielgerühmte persönliche Distanz nicht kennen, nur um dann wölfisch zu grinsen und sich wieder zurück zu ziehen, fast so, als hätte sie ein letztes Mal den Duft von Evi wie eine Fährte aufnehmen wollen und Sheng zum ersten Mal richtig wahrgenommen, nun, wo er zwischen den Vulture saß und neben ihm seine erste Kriegerin.

    Das riesige Feuer machte einfach keine Anstalten, auszugehen und machte für die Krieger und Todgeweihten die Nacht zum Tage.
    Und Sheng besah sich die Gesichter jener, die bei ihm waren und plötzlich wusste er, dass sie morgen eine Chance haben würden.
    Dort war seine Ziehtochter, die das Wort Angst nur dann kannte, wenn es um den Kontakt mit anderen Menschen ging, und wie eine schwerelose Feder im Wind von Lachen und Worten schwebte sie nun zwischen Denen umher, die ihre Freunde zu sein schienen. Eine bunte Truppe, die unterschiedlicher nicht sein konnte. Neben der blonden Kultistin war da diese unverschämt großmäulige Flamerider, die permanent mit dem Unterleib irgendwelche Bewegungen ausführte und deren helle Stimme fast alle anderen übertönte, neben ihr der schweigsame junge Krieger der Vulture, dann noch Eryn, die arg blass wirkte und sich lange mit Evi unterhalten hatte, eine enge Freundschaft zweier so ungleicher Frauen.

    Evi… Teeth… die Frau, die er stets absichtlich übersehen hatte, damit er sich einreden konnte, es „morgen“ zu versuchen.
    Die Frau, die so oft an seiner Seite gewesen war, dass es schlichtweg an Absicht und ein Wunder grenzte, dass sie kaum ein Wort miteinander gewechselt hatten.
    Sie war die Eine, die ihn mehr beschäftigte als alles Andere, die, die nun sein Leben und dann seine Seele gerettet hatte.
    Sie, die die Wildheit und Stärke zu seinen Worten der Hoffnung war. Und er stellte in sich hineinlachend fest, wie schwer es war, die Lust, das Begehren, die Verliebtheit und das Gefühl nach Nähe gleichzeitig zu ertragen, wenn sie in seiner Nähe war und ihm diesen Blick zuwarf, der, wie gerade eben, der seine Lenden kochen ließ.

    An einem Baum gelehnt sah er Ranger, der alleine Unglaubliches geleistet hatte, indem er ihnen die wertvollsten Verbündeten gebracht hatte, die diese Welt für sie noch bereithalten konnte. Er wirkte, als wollte er alleine sein, ein Umstand, so kurz vor dem Ende so vieler Leben, den er ihm nicht verdenken konnte und wollte.
    Das Mädchen aus dem Schiff – Blades – und dieser Pray Vulture saßen zusammen neben ihnen, leise und doch mit einer sichtlichen Verbindung, die er jedoch nicht durchschauen konnte.
    Und dann kam immer wieder Voodoo zu ihnen, der ihnen weiter Getränke brachte und noch mehr Fleisch und der die Taucherin mit solcher Zufriedenheit und schieren Freude musterte, als würde er sich als Künstler an seinem Kunstwerk nicht satt sehen können. Es hätte den Bürgermeister nicht gewundert, hätte er sofort weitermachen wollen. Aber so schien die „Magie“ der Vulture nicht zu funktionieren.

    Und dann war da dieser Dieb aus dem Schiff, der eine innige Feindschaft mit seinem besten Mann pflegte. Die beiden waren häufiger aneinandergeraten als alle Vulture und Bucaneers zusammen.
    „Das werden ja lustige Weihnachten werden.“, lachte er leise und erntete einen verständnislosen Blick einer betrunkenen , vorbeistreifenden Vulture, der er zunickte, dann zuprostete und die ihm dann grinsend berauscht fast vor die Füße kotzte, ehe sie trillernd nach hinten umfiel.

    ---

    „Bahahaha, nicht deeeein Ernst!“, prustete Liz Graham los und verschluckte sich vor Lachen fast an ihren Dosenravioli, während sie mühsam darum kämpfte, nicht von dem umgefallenen Baumstamm zu fallen, auf dem sie Platz genommen hatte.
    Auch die anderen Siedler grinsten mehr dämlich und peinlich berührt, denn in ihrer Mitte stand der Scavenger Ben, mittlerweile voll ausgeheilt und nicht mehr zum Dienst in der Wäscherei verpflichtet, in etwas, was er ganz stolz Wappenrock genannt hatte, den er mehr schlecht als recht bemalt hatte.
    „Och Leute…“, maulte er grinsend, „wenn Eryn in einer Flagge als Kleid herum rennt, dann jubelt ihr der Frau alle zu.“, beschwerte er sich und drehte sich nochmals überzeugt im Kreis.

    Er hatte vorhin in einem der Zelte riesige Mengen grüner Decken gefunden und mit seinem ganzen Wissen aus dem langen Dienst in der Wäscherei einige Wappenröcke angefertigt, die man sich um den Kopf legen konnte, sie waren ärmelfrei und wurden dann durch einen Gürtel zusammengehalten. Er war unglaublich stolz auf sein Werk und seine Idee gewesen, immerhin zogen sie in eine Schlacht.
    Wie eindrucksvoll wäre es da gewesen, wenn sie ähnlich wie die Vulture im einigermaßen gleichen Gewand in die Schlacht gezogen wären.
    Doch ohne einen Fürsprecher waren seine Kameraden wahrscheinlich kaum zu begeistern.
    Sara schien die Einzige, die sich für den Gedanken halbwegs erwärmen konnte und stand zumindest auf, um sein „Kleidchen“ zurecht zu rücken und grade zu ziehen, augenscheinlich hatte es an seinem Rücken zu viele Falten geworfen und hatte mehr wie ein langer Kuhschwanz gewirkt. Er bereute es nun, sich nicht freiwillig gemeldet zu haben bei dieser Mission mit dem Sarg. Er war ein Gefangener gewesen, sie waren nun Helden.
    Wäre er ein Held, sie hätten seinen Vorschlag sicherlich ganz toll gefunden…
    Seufzend – und definitiv ohne seinen tollen Wappenrock abzulegen – setzte er sich neben Liz auf den umgestürzten Baumstamm und versuchte das leise Trommeln zu ignorieren. Das ihrer Feinde und das aus dem Vulturelager. Vor allem weil er keine Ahnung hatte, warum der Krieger, der ihm vorhin sozusagen „seinen Arm angeboten“ hatte, so glücklich gegrinst hatte, als er ihn mit "Ja, ja, auf jeden Fall." abgespeist hatte.

    Geändert von Daen vom Clan (11.11.2015 um 23:59 Uhr)

  14. #14
    Erleichtert registrierte Ellen, dass auch Leo sich wieder gefangen hatte. Und als sie dann anfing, Fragen zu stellen, wandte Ellen sich dankbar wieder der Gegenwart und ihren Problemen zu - besser das, als weiter in der Vergangenheit zu stochern.

    "Die hier muss ich aber nicht behalten...war ´ne Vorsichtsmaßnahme, Du hättest sonstwer oder –was sein können..." Waren das die von Punkt 3? Musste wohl so sein, der geflickten Stelle am Gurt des Sturmgewehrs nach.

    "Also... ich bin nicht gut mit Smalltalk und solchem Zeugs, ähm... also was genau machst Du nochmal hier? Du meintest, der Rest wäre oben, was ist da? Und...naja, ich weiß nicht..." Angesichts von Leos Fragen wollte Ellen gerade ansetzen, ihrerseits wieder mental auf Arbeitsmodus umzuschalten, stockte dann aber - zum zweiten Mal heute beinahe emotional aus der Bahn geworfen -, als Leo die Arme ausbreitete.

    ".Es.....es ist echt....schön Dich wiederzusehen...."


    Wo Ellens Lächeln vorher zweifellos freundlich, aber doch leicht distanziert gewirkt hatte, stahl sich jetzt ein richtiges Strahlen auf ihre Züge. Ein kurzer Augenblick des Zögerns, Abwägens, Analysierens - geboren aus über einem Jahrzehnt Gewohnheit -, dann schob sie zu ewiger Vorsicht mahnende Stimme für den Moment zur Seite, überwand die kurze Distanz zu ihrem Gegenüber, und drückte Leo mit einer regelrechten Bärenumarmung einen kurzen Moment fest an sich.
    "Und es ist wunderbar, dich wiederzusehen!"
    Falls sie beim sich wieder lösen ganz leicht schniefte, dann lag das mit Sicherheit nur diesem rührseligen Moment - und nicht etwa daran dass Leo doch recht... nun... streng roch.

    Und dann stolperte sie geistig, mit einiger Verspätung, über einen neuen Informationsbrocken, den Leo ihr gerade geliefert hatte - oder besser, bestätigt hatte. Adam. Sie haben ihn tatsächlich gefunden. Und er ist HIER.

    Ellen blinzelte als ihr die Tragweite dieses Umstands bewusst wurde. Zu wissen dass es ihn irgendwo gab, war eine Sache - aber direkt vor ihrer Haustür? Unvermittelt ergriff sie Leos Schultern. "Ihr habt den Tank also tatsächlich?! Wie geht es ihm, laufen die Systeme noch? Gabs Probleme mit der Kalibrierung? Doktor Ericson dachte, dass..." Sie unterbrach sich, als sie Leos verständnislosen Blick bemerkte. "Ach, egal - okay, fangen wir von vorne an. Komm mit!"

    Sie drehte sich um und ging schnurstracks auf eine unauffällige Tür an der Seite des Wohnbereichs zu - von dort war sie kurz zuvor auch herein gekommen. Während sie vorausging, sprach sie halb über ihre Schulter weiter zu Leo. "Was ich hier mache ist wie gesagt eine längere Geschichte - aber ja, ich bin die RedWitch der Skypeople."

    Als Leo durch die Tür trat, sah sie eine enge Metalltreppe nach oben führen, wo Ellen gerade durch einen weiteren Durchgang verschwand - anscheinend in einen direkt über dem Wohnbereich gelegenen Raum. Die Treppe endete hier allerdings nicht, sondern führte noch weiter - zum Dach womöglich?

    "Die Kurzfassung jedenfalls ist: ich bin nach Sidney beim Militär gelandet, dann bei der Einheit die die Forschungsstation bewachen sollte. Letzte Hoffnung der Menschheit - oh, wie sie uns mit Parolen eingepeitscht haben! Und die hatten ein NSA-Team vor Ort, um die Stadt zu überwachen - Perimetersicherung für die Forscher." Wieder Begriffe, der Sinn sich Leo nur aus dem Zusammenhang halbwegs erschloß. Sie folgte Ellens Stimme über die leise knarzende Treppe nach oben, und trat dann in einem Raum, gegen den ihr der ungemütlich sterile Bunker unten regelreicht heimelig und vertraut erschien.

    "Nachdem die ganze Sache dann zum Teufel ging, brauchten die Frischlinge von der NSA , die in den Außenteams, jemanden zu dem sie aufschauen konnten. Und da ich im Gegensatz zu den meisten von denen eh schon eine Einweisung hierfür erhalten hatte, hab ich diese Rolle übernommen."

    'Hierfür', das musste der monströse Aufbau aus Plastik, Metall und blinkenden Lichern sein, der die linke Hälfte dieses Raumes in Beschlag nahm. Jemand der mit der alten Welt besser vertraut war, würde in dem ordentlichen Setup technischer Geräte auf den Tischen dort neben einem leise rauschenden Funkgerät auch einen Computer mit mehreren Monitoren - die meisten derzeit abgeschaltet - erkennen, sowie einige kleinere Bildschirme die zu den Sicherheitskameras rings um den Bunker gehören mussten. Kisten aus mattem Metall, gefüllt mit verschiedensten Ersatzteilen und unter den Tischen verstaut, und dicke Kabelstränge die sich an der hinteren Wand nach oben durch die Decke schoben, erschienen für ein Kind der neuen Welt wie ein Teil der Aufbauen und verstärkten nur den Eindruck, dass sich hinter dem einen, einsamen Drehstuhl eine einzige riesige, monströse Maschine drängte, anstatt mehrerer kleiner.

    Auf besagtem Stuhl schwang sich just in diesem Moment Ellen in Richtung der Computermonitore, einen flüchtigen Blick hinüber zu den Kameras werfend. "Vultures, sagst du? Na, das erklärt wieso sich eure Zahl seit Sonnenuntergang fast verdoppelt hat - immerhin alles relativ ruhig da draußen." Während Ellen mit den Fingern auf einem kleinen knopfbewehrten Brett herumhackte ("Tastatur", erinnerte sich Leo), konnte die jüngere Frau ihren Blick über den Rest des Raumes wandern lassen. Ein großer Tisch mit mehreren Stühlen, wie geschaffen für eine Versammlung, und Wände, die - in krassem Kontrast zu der unpersönlichen Leere unten - über und über mit angepinnten Karten, Ausdrucken und Notizzetteln bedeckt waren. Informationskampagnen, Listen der größeren Plündererbanden im Umland, CDC-Informationsbroschüren, Volkszählungsliste der Skypeople, bekannte Mitglieder des Cult of Vision,... kein Flecken Wand war von der Informationsflut verschont geblieben.

    "Ah, hier - ich wusste der Plan ist hier drin." Zufrieden lehnte sich Ellen zurück, während an anderer Stelle im Raum einer der vielen Metallkästen schnarrend zum Leben erwachte. "Irgendwann würde ich zu gerne hören, wie ihr den verdammten Tank eigentlich finden konntet - und wie ihr euch mit einem von den Wilden Stämmen anfreunden konntet." Hier oben, in ihrem ureigensten Refugium, wirkte sie gleich wesentlich ... zielgerichteter, konzentrierter. "Also: schlechte Nachricht - die Kultisten sind nur noch ein paar Meilen entfernt , und ihre Armeen sind verdammt groß. Gute Nachricht - mit der Menge an Kämpfern da draußen haben wir vielleicht tatsächlich eine Chance, diese Sache hier zu einem guten Ende zu bringen." Sie stand auf, ging zu der nun nicht mehr schnarrenden Kiste hinüber, und zog einen großen Bogen Papier heraus. "Plan von der Forschungsstation." So langsam wurde nachvollziehbar, woher die Skypeople ihren abgehackten Sprechstil hatten. "Würde vorschlagen, eure Anführer treffen sich hier mit mir, damit ich nicht alles rausschleppen muss - oder mehrfach erzählen. Bis dahin bring ich die Pläne auf aktuellen Stand. Einverstanden?"

    Geändert von Shinshrii (12.11.2015 um 00:55 Uhr)

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