Weder Raoul noch Haile zuckten zurück, als Eryn ihnen von ihrem grausamen Schicksal erzählte, im Gegenteil, das Geständnis schien sie nur noch mehr und näher zusammen zu schweißen.
„Wir heilen dich, Eryn, schon morgen früh ist alles wieder im Lot und dann verschwinden wir alle Drei aus den Sünden unserer Vergangenheit.“, sagte Raoul mit Nachdruck und legte der Älteren die Hand auf die Schulter.
„Ich mag aber meine Sünden der Vergangenheit.“, kam es fröhlich von hinten und Haile spürte einen Tritt in ihren Hintern.
Kerosa und Thorn kamen beide verschwitzt und dümmlich grinsend wieder um die Ecke gebogen. „Sein Vergaser ist jedenfalls kein Versager.“, sagte Kerosa und deutete irgendetwas Seltsames mit ihren Händen an, es schien wie eine Entfernungsmessung von großzügig bemessener Reichweite.
„Also, wie sieht der Plan aus?“, grinste die Flamerider und sprang Thorn auf den Rücken, so dass sie nun huckepack alle Anderen überragten, dann legte sie Thorn die Hände auf die Augen, da dieser wohl schon seit geraumer Zeit die Irin mit Blicken auszog.
„Wir müssen Wingman oder Sheng dazu bringen, dass wir uns zu den Feinden schleichen und Georgina töten dürfen.“, sagte Raoul noch einmal und blickte erst Haile und dann Eryn an.
„Oder hat Jemand einen besseren Plan?“
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„Eine Revanche für die Grube?“, lächelte Seeker und zeigte ihre Zähne. „Das Affenmädchen teilt mit mir ihre Lieblingsbanane?“ fragte sie mit der Art von Spott, die man unter normalen Menschen als grobe Herausforderung und Provokation verstanden hätte, die bei Seeker jedoch eindeutig ihre Art war, sich in Stimmung zu bringen.
Dann gefror ihr Lächeln, während sie Beiden jeweils die Hand auf die Brust legte. „Die gefiederte Schlange. Ich habe sie schon gesehen und ich weiß was zu tun ist. Hört mir zu.“, sagte sie und kam einen kleinen Schritt näher, noch immer beide Hände auf ihnen liegen lassend. „Wenn deine Reise, Laangkaster morgen zu Ende ist und wir einen großen Sieg errungen haben, dann wird mit dem Licht der neuen Sonne im Nest des Vogels eine neue Welt geboren. Siegen wir morgen, dann sterben in zwei Tagen die Kultisten und in drei Tagen wir.“
Beide starrten sie nun an, wussten, dass das, was sie sagen würde, sie mehr bewegte als alles andere sie je berührt hatte.
„Wenn die neue Welt lebt, die Ära der Siedler beginnt, die gelobte Zeit von Bauern und Erbauern, dann stirbt, was nicht dazugehört. Wir Vulture sind der Licht zum Schatten, den die Kultisten darstellen. Geboren in die Welt, die uns die Teufel in Weiß hinterließen. Doch mit dem Sieg morgen muss Licht und Schatten die Welt verlassen und eure Welt erwacht von Neuem.“
Der Druck ihrer Hand war sanft, mit der sie Hugh und Leo wieder in Richtung ihrer Bettstatt schob und bugsierte.
„Wir hatten ein gutes Leben, voller Schlachten, voller Blut, voller Leidenschaft und Zorn.“ Sie lächelte grimmig.
„Doch heute Nacht will ich ein letztes Mal meine Flügel spreizen und fliegen, bis ich keinen Boden mehr unter den Zehen spüre. Und morgen dann werden wir für euren Traum einer anderen Welt sterben. Also nehmt morgen keine Rücksicht auf die Vulture, die ein letztes Mal und als einziger Clan in die Schlacht ziehen, die von allen Chronisten kommender Kinder besungen werden wird. Alle Clans werden sterben in der neuen Welt. Aber Clan Vulture wird unsterblich sein dadurch. Niemand von uns will in dieser Welt leben.“
Und damit kam sie neben den Beiden zu sitzen, sie waren sich alle Drei so nah, dass sie einander die Hitze der Leiber spüren konnten.
„Seeker, du…“, flüsterte Hugh ergriffen, „…kannst die neue Welt verhindern, würdest du uns nicht in die Schlacht begleiten. Warum bist du trotzdem hier?“
Seeker Stimme war rau, voller Vorfreude und unverhohlener Lust. „DAS finden wir jetzt gemeinsam raus...“, sagte sie und drückte die Beiden mit einer kräftigen Bewegung auf das warme Gras.
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Sheng und Evi saßen sich gegenüber und blickten sich lange an.
Was die Beiden in diesem Moment verband, war mehr als nur reine Lust, ihre Herzen hatten einander so stark berührt, waren während der schmerzvollen Prozedur verschmolzen und hatte der Taucherin etwas geschenkt, was in diesem Moment vielleicht schöner war und lustvoller als Sex.
Sie waren sich so nah, als sie einander ansahen und spürten, wie die Welt um sie herum leiser und langsamer wurde, wie sie sich entschlossen zunickten, die Hände des Anderen fest umklammernd, wissend, dass sie morgen zusammen in einer Schlacht kämpfen würden und sie nichts würde trennen können.
Sachter Wind kam auf in den Abenstunden, die langsam in die Nacht übergingen, in der Ferne war kaum vernehmbar Donnergrollen auszumachen, begleitet von ein paar wenigen Tropfen warmen Regens.
Der Wind, der die plötzliche, wohltuende Abkühlung brachte, zauberte ein Schaudern über die Beiden und fachte trotzdem das Feuer in ihren Herzen und die wilde Leidenschaft in ihnen nur noch weiter an.
„Du solltest dich zeigen, Teeth.“, sagte Sheng und benutzte wie selbstverständlich ihren Vulturenamen, der aus seinem Mund wie ein Leuchtfeuer aus Aufregung und Abenteuer klang.
Und mit diesen Worten ging er um sie herum und ließ sich hinter ihr nieder. Er legte seine Hände auf ihren mit Gänsehaut überzogenen Rücken, jeden Finger einzeln und wo er sie berührte, fühlte sie Wärme und als ob Funken der Erregung zwischen ihnen tanzen würden.
Dann griff Sheng nach etwas was im Gras lag, es war ein Stück Stoff seines Hemdes, das er so faltete, dass sich mehr ein Tuch denn ein Kleidungsstück ergab und Dieses legte er ihr um die Brust.
Inmitten dessen hielt er inne, richtete den Stoff, so dass er ihre Brust fast berührte, doch dann nur mit Fingerkuppen unter ihnen entlangstrich, als er das Kleidungsstück so richtete, dass bis auf ihre Brüste Bauch und Rücken und damit die Hautzeichnung sichtbar blieb. Als er dann den Stoff, der ehemals die Ärmel darstellte, hinter ihrem Rücken zusammenbinden wollte, flüsterte er kehlig: „Ich begehre dich mehr als alles Andere, das weißt du…“ Er hauchte ihr einen Kuss zwischen die Schulterblätter, gefolgt von einem sanften Biss in den Nacken. „Ich habe zwanzig Jahre auf Adam gewartet, doch die wenigen Wochen des Wartens auf dich haben mich fast umgebracht vor Sehnsucht.“
Und dann zog der den Stoff fest, seine Hände auf ihren Schultern und mit Lippen auf Rücken und Schultern sie küssend, warme Lippen auf vom Wind gekühlter Haut.
„Lass dich von den Vulture feiern, Teeth.“, sagte er. „Zusammen. Als meine erste Kriegerin.“, flüsterte er ihr dann ins Ohr und gemeinsam lauschten sie den beginnenden wilden Melodien und Gesängen der Vulture, die mittlerweile das Fleisch brieten und sich gegenseitig zum Tanz und Sprung über die vielen Feuer anstachelten.
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Stapfend wie eine schwarze Welle aus hungrigen Käfern wand sich der Heerwurm des Feindes durch die Täler und heruntergebrannten Häuserschluchten, die einstmals San Antonio gewesen waren.
Nur das Stampfen schwerer Füße war zu hören, gefolgt vom Klirren der vielen metallenen, riesenhaften Waffen, die ihre Kultistenbrecher auf den Schultern ruhend trugen, bereit, sie gegen ihre Feinde einzusetzen.
Vor ihnen, so langsam, so unendlich langsam kündete eine Welle von Zombies ihr Kommen an, die wie Heuschreckenschwärme in loser Formation vor ihnen schlurften und Mensch und Tier aus ihren Verstecken scheuchte, wo zumindest Erstere der endlosen Armee hinzugefügt wurden, erst schreiend, strampelnd, dann einträchtig mit ihnen marschierend…
Georginas Maske war reich verziert. Nachdem sie ihren Vater getötet und das Massaker am Tempel überlebt hatte war sie in der Achtung der Familien weit gestiegen.
Doch als sie versichern konnte, dass sie den Großmeister Stane ob seines Versagens im Tempel enthauptet hatte, schworen ihr die anderen Familien Gehorsam bis auf den Tod.
Unter dem Holz lächelte das blonde Mädchen boshaft und ließ ihren Blick schweifen, während sie huldvoll und so herrschaftlich, wie sie sich stets gesehen hatte, im Kreise der Repräsentanten und Erstgeborenen der anderen Familien in der Mitte der Armee ritt.
Da waren die La Valettes aus New Orleans, die allesamt tiefschwarz waren und ihre Masken Totenschädeln nachempfunden hatten und für ihre Folterungen bekannt waren, dann die Leelands aus der Gegend um Dallas, die mehr weite Roben trugen und verhasst waren ob ihrer Dekadenz. Doch sie waren alle gekommen und hatten große Teile ihrer jeweiligen Streitmacht mitgebracht.
Für die paar versprengten Siedler, die ihre Schwester aufbringen konnte, würde es problemlos reichen, frohlockte sie und spürte eine unglaubliche Vorfreude auf die Schlacht.
Der Messias hatte in seinem Blut Alpha und Omega. Das Ende einer Welt und der Anfang einer neuen Welt. Für die Siedler oder für den Kult, die Vernichtung einer Seite würde morgen eingeleitet werden.
Und dann sah sie in weiter Entfernung das Forschungszentrum stehen, der Ort, an dem es geschehen würde, die Erfüllung der Prophezeiung und der Tod einer Zukunft für eine der beiden Seiten, die gegeneinander kämpfen würden.
Gegen die letzten Strahlen der Sonne konnte sie das riesige Gebäude mit den Ruinen vornedran gerade noch so erkennen.
Sie hob die Hand und deutete auf einen der neben ihr marschierenden Kultisten, einen ihr unbekannten Krieger, der eine seltsame grün verzierte Maske trug. Sie nickte ihm zu und sagte leise: „Kündigen wir uns an.“
Und dann brach ein ohrenbetäubendes Crescendo los.
Der dumpfe Klan von Kriegstrommeln mischte sich mit dem schrillen Fiepen der Flöten der La Valettes und den Hörnern der Leelands.
Alles schwoll an zu einer lärmenden Melodie die den Totentanz einläuten sollte. Jack McAldrin hätte diesen Auftritt geliebt, doch ihr, Georgina, ging es nur darum, ihre Feinde wissen zu lassen, dass sie da waren und sollte nur einer der feigen Siedler fliehen, würde es ihr den Kampf morgen erleichtern.
Wo auch immer sie sich versteckt hielten, sie wusste, dass sie irgendwo in der Nähe waren und irgendwann waren sie nah genug, als dass die Siedler um Lancaster und Haile sie hören würden.
Und als die Nacht über sie herein brach, kam der Zug zum Stehen, denn sie hatten das Minenfeld erreicht.
Und sie gab die Order zum Anhalten. Soweit sie wusste und es erkennen konnte, reichte das Feld weit.
Sie beschloss, dass sie nicht die ersten sein würden, die das Minenfeld betreten würden.
Sie würden warten, denn Zeit hatten sie im Überfluss.
Erst wenn ihre Feinde das Minenfeld betreten würden, würden sie angreifen und das, was die Fallen von ihnen übrig gelassen hatten, zur Strecke bringen.
Das lange Warten auf die Schlacht hatte begonnen.
Geändert von Daen vom Clan (09.11.2015 um 19:36 Uhr)