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[Eure Daenigkeit]
Nach und nach waren schließlich alle Befreiten und Verschleppten in kleinen Gruppen zu ihnen gestoßen und hatten sich auf der Wiese des Clubs versammelt, Atem schöpfend und sich gegenseitig tröstend, helfend oder einfach nur leise, doch fröhlich, unterhalten. Geschichten wurden ausgetauscht und wer sich an der Rettung beteiligt hatte, mit ehrlichen Dankesworten bedacht.
Mit zu den Letzten, die sich dazu gesellten, gehörten Sara und Wingman, Letzter fluchend mit einer blutigen Wunde an der Hand, die Sara grinsend zu verbinden versuchte, sich jedoch dabei umsehend, als würde sie eine Person suchen, die ihr dabei helfen könnte. Und dann sah sie Howard und sie winkte ihn herbei.
„Verfluchte Plünderer. Die Welt geht unter und diese Plage tanzt auf unseren Gräbern…“, fluchte der ehemalige Pilot leise und biss die Zähne zusammen.
Sara schüttelte nur den Kopf und lachte wieder. „Unser guter Wingman hier hat eine Plünderin aufgescheucht, die sich an unseren Sachen zu schaffen gemacht hatte. Sie behauptete steif und fest, zu euch zu gehören, genaugenommen zu Haile.“
Und Wingman schnaubte ergänzend: „Als ich sie erwischt und gepackt hatte, hat sie mich verletzt. Sie hat sich aus ein paar Stücken Holz, einem Gummischlauch und den Resten einiger Dosen eine Art Metalldiskusschleudernde Armbrust gebaut… so ein verrücktes, verdammte Biest. Und mich voll an der Hand erwischt. Und dann ist sie natürlich entkommen. Ich wette, sie schleicht hier noch irgendwo rum. Ich würde sagen, so rein vom Aussehen her, eine Flame-Rider.“
Bittend blickte er Howard an und hielt ihm seine Hand hin, die einen ansehnlichen Schnitt aufwies...
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Raoul grinste frech als sich ihre Finger berührten und er wirkte glücklich, doch fast ein wenig eingeschüchtert, als sie ihm direkt in die Augen sah, doch dann schmunzelte er wieder und abermals verflocht er seine Finger mit denen des Kultistenmädchens.
„Ich komme mir unglaublich dumm vor, wenn ich an die diese paar wenigen Stunden zurück denke. Ich habe das Gefühl, als wäre ich unendlich viele Jahre gealtert.“
Er zuckte mit den Schultern. „Aber dann sehe ich dich hier wieder mit mir sitzen und fast glaube ich das Rauschen des Meeres zu hören. Wir sitzen ja im Grunde genau hier wo wir eigentlich schon vor hundert Toten hätten sitzen sollen.“
Der Schalk glitzerte in seinen Augen. „Was damals passiert ist… George hat mich erwischt, als ich in seinen Garten eingestiegen bin. Natürlich nicht, als ich da war.“
Es war ihm deutlich anzusehen, dass er möglichst wenig darüber erzählen wollte und schnell darüber hinweg ging, sich lediglich bei einem Thema deutlich mehr Zeit nahm, nämlich, als er auf die Nacht zu sprechen kam.
„Ich hatte alles so wunderschön geplant. Ich wollte dir meinen größten Schatz zeigen. Jeder von uns… Kindern… hatte eine besondere Sache bei sich. Jeder von uns besitzt ein Kleinod, einen Schatz, der einfach unersetzlich ist. Ihn zu zeigen, ihn zu teilen… bedeutet unglaublich viel. Und ich hatte diesen Anhänger, ich wollte ihn dir zeigen.“
Er spielte damit herum, mit flinken Fingern und ließ ihn kreisen, lächelte versonnen.
„Und ich wollte ihn dir schenken. In der Hoffnung, dann deinen größten Schatz zu bekommen.“
Haile sah ihn mit großen Augen an und Raoul winkte schnell ab. „Aber nun, da ich weiß, dass es dein Dolch ist, weiß ich, dass ich an dem Abend wohl einfach nur richtig verkackt hätte. Ich wollte dich überzeugen, dass du an meiner Seite bist und bleibst.“, kam es dann überraschend von ihm. „Ich wusste, Nein, ich weiß nicht einmal was ich an deiner Seite machen möchte. Aber irgendwie war es mir wichtig, dass du bei mir bist. Und warst.“
Er grinste wieder. „Und Georgina wusste das auch. Es machte sie rasend und schrill schreien, dass wir Beide uns unterhalten hatten und sie nicht wusste, warum und worüber. Es machte sie verrückt, nicht zu wissen, warum ich bei ihrem Vater eingesperrt war.“
Der Dieb lächelte traurig. „Was habe ich dafür Schläge kassiert und was hat sie mir gedroht, dabei konnte sie sich einfach nur nicht vorstellen, dass sich die Welt von George tatsächlich mehr um sein Gemüse drehte als um sie selbst.“
Er blickte unbehaglich in Richtung Eryn, immer wieder, das war Haile schon aufgefallen und die Kultistin war sehr überrascht, als er plötzlich davon anfing, von der irischen Schönheit zu sprechen: „Sie wirkt bei Weitem nicht mehr so arrogant wie früher, finde ich.“
Sie konnte ja nicht wissen, wie eng Eryns Geschichte und ihre Taten mit seinem eigenen Leidensweg verbunden gewesen waren.
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Sheng nickte ernst.
Er wollte diese Frau in die Arme schließen.
Sie wissen lassen, dass der Gedanke an sie ihm so unglaublich viel Kraft gegeben hatte.
Als sie aufgebrochen waren, hatte er noch romantisch davon geträumt, sich ein Pferd zu schnappen und ihnen in dieses Abenteuer zu folgen, doch er wusste, dass er kein Krieger war, kein Soldat und keine Hilfe.
Also tat er, was er am besten immer gekonnt hatte. Er fütterte die Flamme der Hoffnung der Menschen, die ihre Geliebten hatten gehen lassen.
Und als er sich eingestanden hatte, dass er auch zu den Menschen gehörte, die einen geliebten Menschen hatten ziehen lassen, da war es schon zu spät und sie Beide schon viel zu weit entfernt.
Er konnte nur hoffen, dass sie die Bilder, die er von ihr gezeichnet hatte, nicht in seiner Koje gefunden hatte, obschon sie ausnehmend gut gelungen waren und nur ihr Gesicht zeigten, wäre es ihm peinlich gewesen, als ein solch träumender Narr da zu stehen.
Das Anschweigen und Anstarren zwischen Ihnen wurde beinahe schon unerträglich peinlich.
„Ich wäre für sie gestorben. Sie ist meine Tochter.“, sagte er nach einem kurzen Räuspern und ein Lächeln stahl sich in seine Gesichtszüge. Und doch war da eine Bitterkeit tief in ihm, die vorher nicht dagewesen war. Was er sagte, klang so schal, so leer. Etwas in ihm fühlte sich an, als wäre es ihm lieber gewesen, gestorben zu sein.
Der Stachel des Versagens saß so tief in ihm und machte ihm jede Sekunde das Atmen schwerer.
Die Scham hatte ihn fast erstickt und er kämpfte sichtlich damit. Was Raoul mühelos gelang, war für Sheng ein schwerer Mühlstein, der ihn nach unten zog.
Es würde noch ein wenig brauchen, bis Sheng wieder er selbst war, noch saß sein Versagen zu tief, er sah sich unbehaglich um.
Wieder dieses Schweigen, das bange Warten, das Gefühl, dass eine unsichtbare Waage ausschwang und eine göttliche Macht irgendwo einen Würfel warf, ob sie sich gleich haltsuchend aneinander schmiegen und küssen würden oder sich still und leise wie geschlagene Hunde, wie Menschen, die sich nichts mehr zu sagen hatten, auseinander bewegen würden.
Es war, als würde er Furcht verspüren, als würde er auf einen Funken warten, der ihn wärmen würde.
Geändert von Daen vom Clan (06.11.2015 um 01:06 Uhr)
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