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Thema: [ZOOOOOmmxBIES! Staffel 3] Zwischenspiel/Vorbereitung: Nearer to thee, Mother Earth

Baum-Darstellung

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  1. #29


    Einen Schritt vor den anderen, nicht stehen bleiben, nicht zurück blicken.
    Nicht denken, einfach nur vorwärts.
    Immer schneller bewegten sich ihre Beine, sie wusste nicht, wohin.
    Klimper, klimper.
    Das war wohl einfach ihr Schicksal.
    Allein durch die Kante ziehen, ihr Ding machen, sich nicht mit Anderen einlassen.
    Niemand verdammt nochmal ins Herz schließen.
    Klimper, klimper.
    Es hatte bisher immer in einem Fiasko geendet. Kein Einziges Mal konnte sie von einem wirklichen Happy End im sozialen Bereich berichten, seit das große Zehren begonnen hatte. Abgesehen von dem einen auf dem wundervollen Wanderschiff vor 20 Jahren, aus dem sie sich ja rausstehlen musste wie die feige Sau, die sie war.
    Klimper, klimper.
    Auch jetzt rannte sie wieder weg. Sie hätte zu gerne einmal die Reihen derer gelichtet, die ihre Aufgabe, ihre Familie durch ihre Inkompetenz in Gefahr brachten, aber irgendwo sagte ihr etwas, dass sie damit weit größeren Schaden als Nutzen angerichtet hätte.
    Klimper, klimper.
    Doch jetzt war sie wirklich vollkommen allein, sonst hatte sie ja immer noch ihren besten Affenkumpel bei sich gehabt. Doch alles, was noch von ihm da war, waren ihre Erinnerungen oder wippte hinter hier höhnisch im Takt ihres sich immer weiter erhöhenden Schritttempos.
    Klimper, klimper.
    Sie begann zu rennen. Sie hatte keine Ahnung, wohin, nur weg. Bäume und Sträucher zogen an ihr vorbei.
    Sie wollte die Zeit zurückdrehen.
    Eine halbe Stunde, um Raoul und Sheng nicht angepflaumt zu haben, auch wenn sie es verdient hatten. Evis und Hailes wütende Gesichter ließen sie einfach nicht mehr los.
    Eine Stunde, um einfach liegen zu bleiben und nicht den Bunker aufzusuchen, der sie so aufgewühlt hatte.
    Einen Tag, um nicht die Bibel an sich zu nehmen und Álvaro dadurch zu verlieren und dadurch unter einen Drogentrip zu geraten, der ihre letzten Worte zu Mary so absolut widerwärtig hat werden lassen.
    Einen Monat, um nicht bei der ganzen Scheiße mitzumachen.
    Ein Jahr, sich nicht von Tijuana zur anderen Kontinentküste aufzumachen, sondern die Maultierzucht ihrer gerade verstorbenen Abuela fortzuführen und inneren Frieden zu führen.
    10 Jahre, nicht auf Bacari zu hören und gemeinsam mit ihm auf diesem Scheißschiff verhungern.
    20 Jahre, die Anderen davon abzuhalten, egoistische Mistsäcke zu sein.
    Sich ordentlich von Alice verabschieden.
    Nicht von ihrer neuen, wunderbaren Familie aus Alistair, Ian, Clover und den Jungs abhauen.
    Angst bekommen, alleine im Flughafen zu warten und stattdessen mit ihrem Papa mitzugehen, sodass die ganze Scheiße völlig anders abgelaufen wäre.
    Ihr ganzes Leben war eine einzige Aneinanderreihung von Fehlern.
    Fehlern, die sie wiedergutmachen wollte.
    Wiedergutmachen musste.
    Klimper, klimper.
    Das stete Gegeneinanderschlagen der Kettenglieder zog endlich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich.
    Langsam verfiel die Latina wieder in einen normalen Lauf.
    Sie nahm das edle Buch in beide Hände und klappte es auf.
    Stirnrunzelnd versuchte sie im fahlen Mondlicht zu erkennen, an welche Stelle Hju seine Botschaft gesteckt hatte.
    Die Erkenntnis, am Rand auf ihre eigene Handschrift zu stoßen, kam ihr einem Schlag in die Magengrube gleich.
    Er hatte die Worte gelesen, die für sie so unglaublich kostbar waren. Für sie der Inbegriff eines so starken, wunderbaren und zugleich zerstörerischen Gefühls waren.
    Und Guapo entschied sich nach deren Lektüre, abzuhauen.
    Sie im Stich zu lassen, allein.
    Diese Leere, die sich anbahnende Hoffnungslosigkeit und Panik, die sich in ihr ausgebreitet hatte, als sie diese ersten Zeilen gelesen hatte. Als wäre sie wieder verschollen auf hoher See, völlig allein...
    Ihre Brust schien auf einmal in ein viel zu enges Korsett geschnürt zu sein.
    Léo wollte wenigstens den Grund wissen. Was sie ihm angetan, dass sie ihn vertrieben hatte.
    Und wenn auch nur ein Wort davon stand, dass sie schlecht im Bett sei, dann würde sie jeden Mann, den sie von nun an traf, kastrieren.
    Sacht entfaltete sie den Zettel. Die Schrift war nicht ebenmäßig, als ob Hju es in großer Eile und unter Anstrengung hatte schreiben müssen.
    Diesmal würde sie bis zum bitteren Ende durchhalten, egal, was er ihr an den Kopf werfen würde...



    Hallo Léo,

    ich weiss nicht wann du das hier liest. Vielleicht bin ich schon weg, vielleicht bin ich noch da.
    Etwas muss ich dir allerdings noch sagen, bevor ich draufgehe.

    Du gibst mir ein Gefühl zurück, welches ich vor Jahren verloren habe.
    Ich würde für alle hier durch die Hölle gehen, aber nur bei dir würde ich dabei auch noch lächeln.

    Wenn ich mich umschaue, dann sehe ich eine mir unbekannte Welt.
    Dann sehe ich dich an und bekomme Angst. Eine gute Form von Angst.

    Du bist in dieser Welt groß geworden, ähnlich wie Seeker, die so viel Angst vor Veränderung hat.
    Ich habe so lange nichts in dieser Welt gesehen, für das es sich zu leben gelohnt hatte.
    Gerade das hat sich natürlich geändert.

    Ich habe die Hoffnung, dass das, was wir hier machen, eine neue, alte Welt erschafft. Eine Welt, in der man auch einen ungeahnten Frieden finden kann.

    Was ich sagen möchte, Léo, ist...
    Wenn ich sage, dass ich Angst habe. Dann habe ich Angst um dich.
    Wenn ich sage, dass ich Hoffnung habe. Dann habe ich Hoffnung für dich.

    Bevor ich draufgehe, will ich dir ein letztes Geschenk machen.
    Ich will eine Welt hinterlassen die nicht darauf hinausläuft, dass am Ende alle sterben.
    Ich will eine Welt hinterlassen, in der alle leben können.
    Diese Welt will ich dir zum Geschenk machen.

    Anfangs dachte ich, dass ich einfach nur das Richtige mache.
    Jetzt weiss ich es. Denn ich mache es für dich.
    Und wer weiss, vielleicht gehe ich dabei nicht einmal drauf. Dann traue ich mich hoffentlich auch, dir das alles persönlich zu sagen.

    Dein Hju.




    Längst war sie zum Stehen gekommen. Las die krakeligen Worte wieder und wieder.
    Ihr wurde heiß und kalt zugleich, das Atmen fiel ihr schwer.
    Sie war so dumm.
    In einem Moment war der Latina, als könnte sie schweben, dann wieder fühlte sie sich im freien Fall und kurz vor dem Aufschlag.
    Sie war so unendlich dumm.
    Einen verdammten Satz hätte sie länger lesen müssen, einen. verdammten. Satz.
    Er wollte ihr die verdammte Welt schenken.
    Kämpfte für sie, machte sich Sorgen um sie... sie war ihm wichtig, wirklich wichtig.
    Gerade ihm, der für sie so viel war, so viel in ihr auszulösen vermochte.
    Hjus Botschaft war lange nicht so poetisch oder klangvoll wie die Zusammenstellung Bacaris, aber es war so unverkennbar er selbst, so ehrlich, völlig ungefiltert. Ließ ihn so verletzlich wirken. Es stammte direkt aus seinem Herzen. Voller...
    Es war das Schönste, was ihr jemals Jemand mitgeteilt hatte.
    Ihre rechte legte sich vor ihren Mund, um das Geräusch des lauten Schluchzen abzudämpfen, dass sie erfüllte.
    Léo war wirklich die dümmste Person des Planeten.

    Schwach lehnte sie sich gegen einen schiefen Baum, das Buch glitt aus ihren zitternden Händen. Mit einem teils dumpfen, durch die Ketten aber auch teils klirrenden Aufprall traf es auf den dunklen Grasboden. Mühsam griff sie danach. Dabei stachen ihr die Anhänger ins Auge.
    „Lancaster“, „Sidney“, „Jackman, Hugh“
    Letzteres hob sie auf, betrachtete es leicht verwundert durch den wässrigen Schleier. Wieso war sein Vorname hier falsch geschrieben? Zärtlich fuhr sie die Buchstaben entlang, rieb leicht an den letzten beiden, als ob sie dadurch verschwinden würden. Vergeblich. Doch etwas Anderes fiel ihr auf.
    Die Rückseite schien nicht eben, wo sie es hätte sein sollen. Also drehte Léo den Anhänger um.
    Es war nicht die schönste Arbeit, die Jemand je eingeritzt hatte, aber das war ihr im Moment so völlig unwichtig.

    „Leocadia Arellano-Felix“

    Er hatte ihren Namen eingeritzt, verewigt in Metall, für alle Zeiten mit seinem Namen verbunden. Ihr Rücken schrammte gegen die spröde Rinde, als sie sich nach unten gleiten ließ.
    Das war nicht fair. Cabrón.
    Ihr so viel zu geben und dabei nicht mal anwesend zu sein.
    Der wunderbarste Cabrón in ihrem Leben.
    Sacht hob sie die Marke an, führte sie an ihre Lippen und hauchte einen Kuss auf seinen Namen, ehe sie sich die Kette über den Hals streifte.
    Ein Gefühl eroberte endlich wieder seinen rechtmäßigen Platz, dass sie so lange niedergerungen hatte. Aus ihrem Katalog gestrichen. Für zu schmerzhaft erkannt, als dass sie es je wieder empfinden wollte. Und doch war es da, brach alle noch vorhandenen Dämme in ihr.
    Die Bibel samt Inhalt holte sie wieder vom Boden hoch. Die Ketten klimperten wieder durch den Wind, verstärkt durch die Beben, die sie durchfuhren.
    Sichergehend, dass Hjus Name an ihrer Haut lag, kramte sie den Gorillazahn hervor, und drückte ihn gegen ihr Tattoo, unter dass ihr Herz noch immer raste.
    Im Endeffekt machte es hier keinen Sinn, sich zurückzuhalten, Niemand war da, um den Moment ihrer Schwäche mitzuerleben.
    So hielt Léo sich nicht mehr zurück, die Tränen flossen in Massen. Wenn sie es recht bedachte, war sie in den letzten 2-3 Tagen zu einer echten Heulsuse geworden.
    Doch das spielte nun keine Rolle, seit langem ließ die Latina sich einfach übermannen von der Welle aus Traurigkeit und Glück, die über sie hereinbrach, hinein in den Abgrund...

    Die Zeit verlor jegliche Bedeutung für die junge Frau und so konnte sie nicht sagen, wie lange sie schon dagesessen hatte, als die Stimme sie abrupt zurück in die Realität holte.
    "L... Léo. Endlich hab ich dich gefunden..."
    Ihr Kopf schnellte so ruckartig herum, dass sie ihre Halswirbel knacken hörte.
    Hju hatte sie gesucht. Natürlich, wieso wunderte sie das eigentlich noch nach allem, was er ihr geschrieben hatte. Doch nie gesagt.
    Sein Anblick war erbärmlich. Sorge und Erleichterung standen ihm ins Gesicht geschrieben. Barfuß, noch immer nur in seiner Hose, völlig verschwitzt und nach wie vor durch Seekers und ihr zutun wie durch den Fleischwolf gedreht.
    Er sah einfach umwerfend aus. Selbst nach größten Verbrennungen oder als angehender Zombie wie Eryn würde er für sie umwerfend aussehen.
    Sie war einfach so froh, ihn zu sehen. Und doch gleichzeitig wütend. Und traurig, vielleicht auch etwas übel.
    Warum mussten Emotionen auch so scheiße kompliziert sein?
    Als wäre sie achtzig, rappelte sie sich hoch, jeden Muskel spürend. Ihr Körper war sowas von am Ende.
    Langsam ging sie auf ihn zu, den Blick starr auf ihn gerichtet. Sie hob die Biblia an und drehte sie langsam hin und her, als eine Art Wink mit dem Zaunpfahl.
    Ein erstarkender Teil in ihr wollte sie davon abhalten, doch hier ging es ums Prinzip.
    Keinen halben Meter von ihm entfernt holte sie unvermittelt aus und verpasste ihm mit dem Buch eine gepfefferte Ohrfeige.
    „Fandest Du das etwa witzig, mir so einen Scheißschrecken einzujagen?“
    Sie zog den Zettel heraus und hielt ihn Hju direkt vor die Nase.
    „Man beginnt sowas nicht damit, dass man sich verpisst! Stell Dir vor, vielleicht bekommt die Empfängerin dann Scheißpanik und liest nicht weiter, um mitzubekommen, dass Du ihr vielleicht einfach mal das Tollste in ihrem verfickten Kackleben zu sagen hast!?“
    Und jetzt sagst Du ihm, was Du über ihn denkst, hätte Álvaro ihr an dieser Stelle wohl geraten.
    Aber der war ja nicht mehr da.
    „Ich... bi---- es...“
    Wieso hatte sie sich diesen verkackten inneren Blocker eigentlich nochmal zugelegt?

    Geändert von Mephista (13.11.2015 um 17:57 Uhr)

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