Voodoo, der sonst nie um ein breites Lächeln verlegen war, presste die Lippen zusammen und musterte Seeker mit derselben Intensität, mit der auch Leo ihre Schwester ansah.
Dann sprach er mit rauer und belegter Stimme: „Ich wäre mit dir in den Tod geritten, Sucherin. Bis unsere Leiber zerschmettert am Boden liegen und nurmehr unsere Seelen nun ihr Gefieder spreizen um zu fliegen.“
„Das weiß ich, Herr der Rituale. Nur ein Feind der Vulture mit dem Wunsch auf Krieg, wäre so dumm etwas Anderes zu behaupten. Aber dein Platz ist bei den Lebenden und der Zukunft. Nicht bei den Toten und der Vergangenheit.“
Seeker lächelte nun und es war deutlich, dass sie die Berührung genoss, die beiden Hände auf ihren Schultern. Doch dann nahm sie sich aus dem Reigen, so dass alleine die Hände von Voodoo und Leo noch auf den Schultern des jeweils Anderen lagen.
„Ich verschwinde in der Erinnerung und führe die Truppen der gefiederten Schlange im Totenreich an. Von dort aus töte ich unsere Feinde, so dass ihr die Vulture in die neue Welt führen könnt. Achtet auf den Regen wenn ich nicht mehr bin. Mit ihm wasche ich meinen blutbedeckten Leib nach der Schlacht. Wollt ihr mir nahe sein, steht im Regen.“
Dann schwieg sie eine feierliche, fast zeremonielle Stille legte sich über die Drei.
Voodoo führte seinen Kopf nahe an Leos heran und legte seine Stirn auf die von Leo.
„Ich werde alles tun um dir ein guter Berater und noch besserer Freund zu sein, Monkey Vulture. Jetzt und dann, wenn du die Seeker Vulture bist. Und ich werde den Riten von Geier und Schlange mit Freuden und Blut die Riten des Affen hinzufügen. Lassen die Geier uns fliegen und tötet die Schlange unsere Feinde, so wird der Affe uns klug und listig werden lassen. Und uns den Weg zeigen, den Clan Vulture braucht, um einen neuen Ort zu leben zu finden. Fernab von den Schlachtfeldern, von denen Geier und Schlange sich lange ernährt haben.“
Dann legte er beide Hände auf die Seiten von Leos Hals und senkte den Blick.
„Kein Geist wird uns entzweien können, ich schwöre für dich zu kämpfen, zu leben und zu sterben. Was auch immer die Seeker befiehlt.“
Dann ging er einen Schritt zurück und grinste breit. „Ich bin sehr gespannt, was die Affengeister mir zu sagen haben.“
Er verschränkte die massigen Arme und sah Leo an, sie erwiderte kurz den Blick und dann stellten sie fest, dass Seeker verschwunden war. Vielleicht, um sich auf die Schlacht vorzubereiten, vielleicht, um ein letztes Mal mit ihren Kriegern zu feiern. Doch dort, wo sie gestanden war, fand sich nur noch die Schwärze der Nacht, die sich anstemmte gegen das Licht des Tages und diesen Kampf zu verlieren schien, denn schon bald würde die Sonne aufgehen. Und damit die Schlacht beginnen.
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Pray blickte sie aus den Augenwinkeln an und lächelte sanft.
„Und meine Tochter wird alles in ihrer Macht stehende tun, um sich dieses Geschenk ewiger Erinnerung als würdig zu erweisen.“, sagte er leise und führte Evi zu einem der kleinen Seen, die sich hier durch Regenfall gebildet hatten. Der Mann, der die Vulture als Idee erschaffen hatte, hieß Evi kurz zu warten und nahm ein Bündel von seinem Rücken, während er hinter einigen Büschen verschwand. Als er wieder hervor trat, glaubte Evi ihren Augen nicht zu trauen. Er wirkte nun ganz anders auf sie. Ein langes, schwarzes Gewand trug er nun am Leid und eine ihr seltsam vertraut vorkommenden weiße Halsbinde, als würde sie sich aus ihren frühesten Kindheitserinnerungen an solche Gewänder entsinnen können. Man sah dem liturgischen Gewand sein Alter und seine häufigen, wahrscheinlich heimlich durchgeführten, Flickarbeiten an, doch trotzdem wirkte er erhaben und feierlich. Und das spiegelte sich im unglaublichen Glück in seinen Augen und dem Lächeln wider.
Die Bibel, die er in der Hand hielt, gab er der Taucherin in die Hand und blickte auf den See hinaus.
Die ersten, beginnenden, noch müden Strahlen der Sonne schoben sich hier durch das Geäst und ließen den See geheimnisvoll und mystisch wirken und genau dort, wo sich erste hellrote Strahlen zeigten und im See spiegelten, ging Pray bis zur Hüfte hinein.
Evi fuhr herum, als sie ein Rascheln im Gebüsch hörte und sie sah ein schmutziges und unglaublich verloren wirkendes Mädchen, das sich dort versteckt gehalten haben musste, heraus treten und erstarren, als sie die Taucherin sah. Sie erbleichte, doch der Priester rief sie leise und beruhigend winkend zu sich.
„Nun liegt es an dir, Teeth Vulture.“, sagte er leise zu Evi. „Lass uns hoffen und beten, dass es nicht Seeker ist, die uns hier findet, denn dann sterben wir, da ihrer Meinung nach dieser Tag der nach Blut dürstenden gefiederten Schlange gehört. Der Tag mag der Schlange gehören, doch nicht dieses Mädchen, das alles verloren hat und mehr Licht denn Blut braucht. Wir sind einander begegnet, um uns gegenseitig aus der Dunkelheit zu helfen, in die uns diese Zeit gestoßen hat. Ab heute bin ich wieder der Mann der ich einst war.“
Und bei diesen Worten hatte Evi verstehend genickt und war vom Ufer des Sees weg in Richtung Wald geschlichen, um sich dort auf die Lauer zu legen.
Denn die Befürchtung des Priesters sollte sich als wahr heraus stellen – kaum war die Taucherin einige Meter in den kleinen Wald verschwunden, hörte sie leises Rascheln und Stimmen.
„Glaub‘ mir, Snare, ich habe etwas gesehen. Die Schlange will uns jagen sehen und hier war ein blondes Mädchen in den Büschen. Du sollt mein Pferd morgen für die Schlacht bekommen, wenn ich mich geirrt habe, aber jetzt folge mir und halte dein Messer bereit, es wird Zeit, jagen zu gehen.“