Howard spürte, wie sich aus dem Dunkel neben ihm eine Gestalt schälte, da die großen Feuer der Vulture nur unzulänglich die große Fläche beleuchten konnten, doch er erschrak nicht, es war bekannt, dass Wingman die Leute von Shengs Hope, die glimpflich davon gekommen waren, zur Wache eingeteilt hatte. Er hörte ein leises Ächzen, als sich Morris neben ihm an den Baum plumpsen ließ, in der Hand hielt er ein improvisiertes Tablett das früher einmal ein Deckel eines Komposters aus Plastik gewesen sein musste, darauf befand sich etwas Fleisch, arg kross gebraten und damit wahrscheinlich aus dem Bestand der Vulture. Dazu eine aufgeschnittene und an den Rändern abgerundete Dose in der sich Wasser befand, daneben ein Tonbecher mit dem Agarvensaft, den die Wilden so gerne tranken.
„Ich wusste ja nicht, wonach es dir gelüstet, Doc.“, grinste der Lebemann und hielt ihm das Tablett hin, wobei Howard durchaus erkennen konnte, dass jemand zumindest aus dem Tonbecher gerade getrunken hatte, augenscheinlich hatte sich Morris gerade an dem Getränk, dass er dem alten Arzt zugedacht hatte, selbst bedient. Er war einfach unverbesserlich.
„Jedenfalls Danke, Howard, dass du dich um die Leute gekümmert hast.“, sagte er dann in die stille Dunkelheit hinein. „Den meisten scheint es nach einem Bad schon wieder deutlich besser zu gehen und einige Wenige haben die Hosen nicht komplett voll.“
Er grinste, das war mehr zu hören als zu sehen.
„Jedenfalls Danke, dass ihr den Umweg gemacht habt. Ich weiß mittlerweile, dass ihr das tatsächlich diskutiert habt, Hölle, das verstehe ich absolut, aber Danke, dass ihr zurück gekommen seid. Das war nicht unbedingt selbstverständlich.“
---
„Wir warten.“, sagte Sheng entschlossen und nickte Hugh, der offensichtlich auf seine Antwort gewartet hatte, zu, da er es eilig hatte, Leo hinterher zu kommen.
„Wenn wir es nicht schaffen, auf den Mann zu warten, der so Vieles für die Leute getan hat, dann haben wir morgen sowieso keine Chance auf einen Sieg. Und wahrscheinlich sollten wir uns so oder so ausruhen und die letzten Wunden ausheilen lassen…“, sagte er dann und klang zudem unglaublich müde. Er ließ sich neben Evi fallen und eine gewaltige Last fiel ihm von den Schultern, so schien es. Er senkte den Kopf auf ihre Schulter und gönnte sich einen Augenblick der Ruhe.
Als er dann Hailes Blick fing, nickte er ihr aufmunternd zu, als wolle er damit sagen, dass auch er Hughs Idee für einen guten Ratschlag hielt.
Geändert von Daen vom Clan (12.11.2015 um 22:58 Uhr)
"Nah, er wird sich schon beruhigen. Ich musste da auch durch. Hat meine Maschine damals ganz schön gekübelt, aber die Gorillafrau ist halt so."
"..."
Kerosa und Haile starrten in die Richtung, in die Raoul verschwunden war. Leo hatte sich verpisst, und vorerst schien es wieder ruhiger zu werden am Feuer. Schwestern sind scheisse.Kerosa klopfte ihr auf die Schultern, was in ihrer Flamerider-Kommunikation schon das Maximum an Empathie darstellen dürfte. Auch Haile strich ihren Arm von der Schulter, was die Flameriderin achselzuckend registrierte und sich wieder an Thorn wand.
Hinterherrennen oder nicht? Oder einen Umweg über Leo machen, ihr eine runterhauen, und dann hinterherrennen?
"Und kann einer Haile bitte sagen, dass sie mal Arschbacken zusammen kneifen soll und sich den Bengel da hinten unterm Arm klemmen soll, als wäre er 'ne Pizzaschachtel? Mir lässt sie ja nur Baukräne auf den Kopf fallen, anstatt zu reden."
Ja, danke, alter Mann. Aber auch Sheng schien diese Idee für nicht die allerschlechteste zu halten. Er nickte ihr aus der Ferne zu. Plötzlich stand Thorn neben ihr, eine weiche, gewebte Decke in der Hand und so viel Freundschaft und Kameradschaft in den Augen. Auch er nickte ihr zu und legte dem Kultistenmädchen den Stoff um die Schultern.
Das war so schwer.
So fucking schwer.
Die ganze Reise über hatte Haile immer etwas zu tun, was sie konnte.
Kräne. Zombies. Brennende Ölfelder. Irgendwas.
Aber das war kein Kampf gegen einen Zombrilla oder gegen Zombiehorden im Alamodome. Auch wenn sie das gerade tausendmal gegen diese Scheisse eintauschen würde.
Okay.
Einatmen.
Ausatmen.
Morgen ist alles vorbei.
Dieses mal war es Haile, die einige Meter von ihm entfernt stehen blieb. Unsicher. Verletzlich. Toll. Von allen Leuten, die für sowas nicht gerüstet sind, musste ausgerechnet sie hier stehen. Raoul sah sie nicht an, als er leise anfing zu reden.
"Es wird langsam zur Angewohnheit, dass du mich retten willst."
"..."
"Aber das isses nicht wert. Wenn selbst diese Frau ... Leo ... in mir nur das Schlechteste sieht, dann ist da wohl auch nicht so viel mehr."
"..."
Niemand lässt mich meine gottverdammten eigenen Entscheidungen treffen.
Er hatte sich direkt an einem der kleinen Seen niedergelassen, hatte die Zehen ins Wasser getaucht und war fast nicht zu sehen, weil er sich selbst so klein machte.
Hailes Stolz war angekratzt. Nein, falsch, er war nicht angekratzt, er war in Stücke getreten. Sie schwankte zwischen "Hingehen-und-umarmen-und-abgewiesen-werden" und "Weggehen-und-für-immer-und-ewig-allein-sein.". Momentan schien selbst der Gang zu Georgina eine attraktive Alternative. Sie hatte keine Ahnung, wie Raoul - der erste Mensch, mit dem das Sprechen so EINFACH schien - reagieren würde. Was er wollte. Was er brauchte.
"..."
"Es ist egal, was ich tue. Es ist falsch."
"..."
Er ließ den Kopf auf seine Knie sinken und Haile konnte nur hören, wie er schwer atmete...schluchzte? Okay. Langsam, vorsichtig, fast schwebend näherte sie sich seiner zusammengesunkenen Form. Mit der Decke über den Schultern kniete sie sich hinter ihn und schlang ihre Arme um seinen Körper, drückte ihren Kopf an seine Schulterblätter und bedeckte so sie beide mit der Vulture-Decke.
Evi focht in ihrem Kopf einen ganz eigenen Kampf aus. Sie bebte innerlich und führte ein Gespräch, das es nicht gab. Sie ging durch, was sie zu Léo gesagt hätte, wenn Sheng sie nicht ruhig gehalten hätte und Eryn nicht im ersten Moment aufgesprungen gewesen wäre. Und sie malte sich aus, was sie Jackman entgegen gebrüllt hätte, als er ihre Freundin, die sämtliche Kräfte mit ihrer Ansage aufgebraucht hatte, so blöd anging.
Aber nichts davon war wirklich geschehen. "Setz dich, Eryn.", zischte Evi stattdessen und unterdrückte mit aller Kraft ihre aufgeflammte Wut. Sie war dankbar, dass jemand sich sofort berufen gefühlt hatte, Léo entgegen zu treten, weil sie so einen Streit nach wie vor selbst nur schlecht verkraftete. Aber nun bereute sie es, nicht selbst aufgestanden zu sein. Eryn wirkte, als als wollte sie immer noch etwas sagen und ein feuriges Wortgefecht führen wollen - vielleicht sogar jemandem die Augen auskratzen, aber sie konnte einfach nicht mehr.
Als schließlich Raoul wegrannte, sah Evi in Hailes Augen einen Ausdruck, den sie noch nie bei ihr gesehen hatte, und der in ihr alles zusammenzog. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, sie wirkte hilflos. Ausgerechnet sie.
Daraufhin verstummten Evis Gedanken völlig und sie wusste augenblicklich, dass sie kein Wort herausbringen würde. Sie fühlte sich wie damals, als entschieden werden sollte, ob es zum Alamodome gehen sollte oder nicht. Irgendetwas zerbrach gerade.
Aber es war nicht die Gruppe, die fast mit geballter Einigkeit Unverständnis für die Situation zeigte, es war Léo selbst.
Shengs Worte beruhigten die Taucherin und sie stellte beeindruckt fest, dass sie niemals die Stärke besessen hätte, der Latina so gegenüberzutreten. Gefasst, freundlich, mit unerschütterlichem Glauben. Der Mann, den sie liebte, in seiner reinsten Form.
Aber Léo war völlig anders, für sie war offenbar alles Gift, was er sagte. Es war so unverschämt, so unfair, dass sie hier durchdrehte und dann die Frechheit besaß, ihnen vorzuwerfen, sie würde ihnen nichts bedeuten. Sie hatte ja keine Ahnung.
...Sie hatte keine Ahnung...
...Sie hatte wirklich keine Ahnung.
Wann hatte ihr jemand zuletzt gesagt, dass sie ihm etwas bedeutete?
Evi hörte gar nicht genau, was Jackman genau sagte, aber jede Geste seines Körpers drückte aus, dass Léo ihm etwas bedeutete. Und er war nicht der einzige. Die Taucherin griff wie selbstverständlich an ihre Brusttasche, wo sie den Gorillazahn aufbewahrte, aber sie hatte die Jacke gar nicht an. Sie lag irgendwo auf dieser Anhöhe, gemeinsam mit Voodoos Decke. Irgendwann musste sie sie holen.
"Wir warten. Wenn wir es nicht schaffen, auf den Mann zu warten, der so Vieles für die Leute getan hat, dann haben wir morgen sowieso keine Chance auf einen Sieg. Und wahrscheinlich sollten wir uns so oder so ausruhen und die letzten Wunden ausheilen lassen."
Sheng lehnte sich an ihre Schulter und schien tief durchzuatmen. Er wirkte müde.
"Du hast nichts falsch gemacht.", sagte Evi, obwohl sie spürte, dass er das wusste. "Sie ist einfach... anders. Ich persönlich habe mich bei denen Worten ja gleich nochmal in dich verliebt, also kann ich wohl froh sein, dass sie anders ist." Sie brachte ein Lachen zu Stande.
"Das wird schon wieder." Dies sagte sie mehr zu sich selbst, als zu irgendjemand anderem und dabei starrte sie nervös in die Richtung, in die Jackman verschwunden war.
Es durfte nicht sein, dass dies das Letzte war, was sie vor der Schlacht von Léo gehört hatte. Und das Schweigen und der wütende Blick durften nicht das Letzte sein, was Léo vor der Schlacht von ihr gesehen hatte.
Hoffentlich konnte Hugh sie zurückholen. Vielleicht würde es dann immer noch Streit geben, vielleicht würden die Latina und Evi sich anfauchen und anbrüllen, aber das war in Ordnung. Sie würde ihrer Stammesschwester schon irgendwie zu verstehen geben, dass sie sie mochten. Dass sie dazugehörte.
Denn so war es mit großen Geschwistern doch, oder nicht? Sie waren gemein, nervten und man wünschte ihnen die Pest an den Hals. Aber am Ende des Tages waren sie immer noch Familie.
Howard nahm das Tablet dankend an. Nach der harten Arbeit schmeckte das Essen immer doppelt so gut, und auch, dass am Becher bereits jemand getrunken hatte machte ihm wenig aus. Niemand der seit Jahrzehnten in dieser Welt lebte konnte sich erlauben so hohe Ansprüche zu haben. Howard beäugte aber den Saft vorsichtig. Er hatte bisher nichts davon probiert, und bei den Vultures konnte man nie wissen was die da alles hinenschütten würden. Er nahm einen kleinen Schluck. Der Saft hatte einen eigenartigen Geschmack, sauer mit einem leicht süßlichen Nachgeschmack. Howard gefiel es nicht.
„Jedenfalls Danke, Howard, dass du dich um die Leute gekümmert hast.“, sagte er dann in die stille Dunkelheit hinein. „Den meisten scheint es nach einem Bad schon wieder deutlich besser zu gehen und einige Wenige haben die Hosen nicht komplett voll.“
Er grinste, das war mehr zu hören als zu sehen.
„Jedenfalls Danke, dass ihr den Umweg gemacht habt. Ich weiß mittlerweile, dass ihr das tatsächlich diskutiert habt, Hölle, das verstehe ich absolut, aber Danke, dass ihr zurück gekommen seid. Das war nicht unbedingt selbstverständlich.“
Howard konnte ein Lächeln nicht unterdrücken als er Morris sich bedanken hörte.
"Je fitter wir alle morgen sind, desto einfacher wird es. Nach der Aktion gestern wär es doch eine Schande wenn wir irgendwenn zurücklassen müssten, ob lebend oder nicht.", erklärte er zu Morris nach seinem ersten Schluck.
"Und es war ja nicht nur ein Umweg. Gemeinsam sind wir stärker, und wir haben den Kultisten einen schweren Schlag hinzugefügt. Denn selbst wenn wir morgen ein Heilmittel finden, diese Monster werden sicher nicht friedlich ihre Waffen niederlegen." Bei dem Gedanken an ihre Armee aus Untoten, und was er vor dem Alamodome erlebt hatte musste er schaudern. Er nahm einen erneuten Schluck, diesmal das Wasser, und versuchte dieses Bild von seinem Geist zu verbannen, zumindest während des Essens.
Als Morris sich wieder von ihm wandte, fragte er ihn.
"Weißt du was du machen willst? Wenn das alles vorbei ist, mein ich."
Er reichte ihm den Tonbecher, und nickte ihm zu als dieser kurz zögerte.
Müde lehnte sich Sheng an Evi, genoss sichtlich ihre Nähe, die Wärme, die sie ausstrahlte, von ihrem Herzen kommend, schütze ihn vor dem Wind der Konflikte, die sie alle immer wieder umwehte.
„In einem Streit, gibt es kein richtig und kein falsch, glaube ich. Wenn Menschen sich entzweien, dann wird auch der, der "Recht" hat, zum Verlierer.“, sagte er dann leise und nachdenklich, so leise, dass es wahrscheinlich nur Evi hören konnte und Eryn, die neben Evi nun auf ihrer gemeinsamen Decke Platz genommen hatte, nun, da sich ihre kleine Gemeinschaft ein wenig verstreut hatte. „Es gibt nur einen manchmal notwendigen Anfang und dann ein erstrebenswertes Ende. Man kann in einem Streit nicht wirklich „Recht haben“, denn dieser Erfolg kann an Ende auch einsam machen.“
Er griff nach der Hand von Evi und streichelte sie sanft.
Das war, was ihre entfachte Liebe wohl ausmachte, nicht die Lust, sondern wie sie einander ergänzten, begierig voneinander lernten, sich gegenseitig komplettierten. Das Gefühl von unaufgeregter Ruhe und gleichzeitigem Sturm der Gefühle, dass ihn in ihrer Nähe immer wieder überfiel.
„Leo spricht zwar von Familie, aber ich glaube, sie übersieht dabei etwas Wesentliches“, sagte er so sanft er es vermochte zu den Beiden. „Familie ist nicht nur das Band das ihr als Schwestern zwischen euch geknüpft habt, sondern auch die Liebe und Freude, zu akzeptieren, wenn ihr etwas gefunden habt, das euch glücklich macht und euch erfüllt. Alles Andere wäre Eifersucht oder Furcht.“
Er trank einen kleinen Schluck vom Gebräu der Vulture und stellte fest, wie schal es schmeckte, wenn das Herz eigentlich woanders sein wollte.
„Leo lässt ein Muster erkennen, sie greift mich an und sie greift Raoul an und in beiden Fällen ist es recht klar, warum. Sie hält uns für eine Gefahr und für schwach. Sie glaubt, wir wären nicht gut genug für ihre Schwestern. Und wer kann es ihr verdenken? Wir haben die Schlacht um Shengs Hope verloren und uns gefangen nehmen lassen. Wir haben durch unsere Schwäche eure Mission gefährdet und vielleicht einen Vorteil aufgegeben, da ihr hättet durchstoßen können zum Forschungszentrum. Aber sie übersieht dabei, dass Stärke eben nicht alles ist. Da denkt sie vielleicht noch starrer als eine Vulture.“
Er lächelte wissend.
„Dabei wissen selbst einige Vulture, dass es manchmal einfach auch von Vorteil ist, den Mund zu benutzen.“
In diesem Moment torkelte ein wild knutschendes, eng umschlungenes Pärchen der Vulture an ihnen vorbei und Evi grinste. „Das in etwa hast du gemeint, oder?“, lachte sie und Sheng drückte sie spielerisch nach hinten, so dass sie nun neben der pfeifend atmenden Eryn auf dem Rücken zu liegen kamen und den fast perfekten Sternenhimmel betrachten konnten, dessen Außenbereiche vom Licht der flackernden Lagerfeuer kaum seiner Pracht beraubt wird.
Atemlos und wie zum ersten Mal gefangen von der Pracht des ihm bietenden Anblicks sagte Sheng leise. „Wenn wir morgen zusammen gekämpft haben und wenn wir dann noch leben, dann wird Leo anders über uns alle denken. Und wenn nicht, haben wir noch ein ganzes Leben Zeit, ihr zu beweisen, dass wir ihre „Schwestern“ verdient haben. Leo hält uns für eine Schwäche, die den Menschen, die sie liebt, also euch, den Tod bringen wird. Alles was sie tut, alles was sie sagte, sagte sie wohl aus Liebe zu euch. Weil sie euch braucht. Morgen mehr denn je und auch heute Abend. Morgen heilen wir die Wunden dieser Welt und wir beginnen mit dir, Eryn.“
---
Morris wirkte überrascht, als Howard ihm diese Frage stellte und es war offensichtlich, dass er recht umständlich und langatmig aus dem freundlicherweise dargereichten Becher trank, damit er Zeit sparen konnte.
„Also, wenn ich die Welt mit gerettet habe, dann kann die Welt auch ruhig mal was für mich tun.“, sagte er grinsend. „Also, die kurze Antwort ist entsprechend: Möglichst viel Kapital daraus schlagen. Der langfristige Plan sieht vor, dass ich mir einen von Bens dämlichen Wappenröcken oder wie die Dinger heißen, schnappe und dafür Sorge trage, dass jeder diese Teile als Erkennungszeichen für die Retter der Welt erkennt. Und dann, dann eröffne ich ein Museum. Für Dinge aus der alten und der neuen Welt und jede Nacht, wenn mir langweilig ist und die vielen Frauen, die sich dann für mich interessieren, gerade nicht greifbar bin, ziehe ich mich in den Teil des Museums zurück, auf dessen Epoche ich gerade Lust habe. Es bringt mich fast um, zu wissen, welche Schätze in den Ruinen von Shengs Hope liegen und nun wahrscheinlich geklaut wurden, nur weil ich mich ja habe gefangennehmen lassen müssen...“
Er schmunzelte. „Nein, ehrlich, keine Ahnung. Aber was auch passiert, ich will wieder reich werden – zum dritten Mal dann übrigens, fange ich von vorne an – und einfach nur in Sicherheit und Frieden leben. Dafür würde ich so ziemlich alles tun. Also für Letzteres. Wie sieht es mit dir aus, Doc? Menschenleben retten bis ins hohe Alter? Oder lieber die verdienten Früchte des Sieges einfahren? Oder willst du mit mir kommen und wir werden gemeinsam reich?“
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Raoul hatte rasende Kopfschmerzen, sicherlich nicht nur, weil er zu viel getrunken hatte.
„Ich…“, fing er an zu sprechen und Haile spürte, so nah und warm an seinem Rücken ihn geborgen schützend, dass er wirklich mit den Tränen kämpfte und schluchzte.
„Ich weiß, warum Menschen so häufig das Schlechteste von mir denken und sie haben vollkommen Recht.“, er schniefte unwillig und versuchte sich trotzig aufzurichten, als würde ihm jetzt erst klar werden, wie lächerlich seine Tränen auf Haile wirken könnten, wollte er diesem furchtlosen Mädchen doch eigentlich genau das Gegenteil beweisen.
„Ich habe jedes Schimpfwort verdient und mehr Schlimmes im Leben gemacht als Gutes, krasser Scheiss war dabei und wirkliche Dummheiten. Aber diesmal dachte ich, es wäre… anders.“
Er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
„Diesmal dachte ich, wir wären…“
„Familie.“
„Ja, aber das war zu voreilig.“
Haile nickte nur stumm, dann sagte sie: „Familie ist in diesen Tagen Fluch und Segen. Meine alte Familie ist mein Fluch, meine neue Familie ein Segen. Familie ist mittlerweile zu einem Wort geworden, das mächtiger ist als Freundschaft.“
Raoul nickte, langsam verstehend. „Und ich bin natürlich noch kein Teil davon, es wäre ja auch Bullshit, wenn es so leicht wäre.“
Haile schloss die Arme enger um ihn.
„Erzählst du mir von deinen Reisen mit Leo?“, fragte der junge Dieb dann in die Dunkelheit hinein.
Geändert von Daen vom Clan (13.11.2015 um 12:13 Uhr)
"Ich bin eigentlich kein Arzt.", sagte Howard in ruhigem Ton und erntete einen Ungläubigen Blick von Morris. Er hatte das Tablet neben sich gelegt und nahm gelegentlich einen Biss vom Fleisch und trank das erfrischende Nass. Seine Hände wurden dabei schnell schmutzig, aber ohne Besteck ließ sich das kaum verhindern und die nächste Gelegenheit sich die Hände zu waschen war ja praktisch vor ihm.
"Ich mein, ich hatte vor Jahren mal darüber nachgedacht das zu studieren, aber ich fand, dass mein Faszination in der Biologie lag. Es war vielleicht nicht der einfachste Weg, und rein finanziell wohl auch nicht das vernünftigste, aber die wissenschaftliche Arbeit ist ... war einfach erfüllender für mich. Ich wollte durch meine Arbeit anderen Helfen, Erforschen und Verstehen wie die kleinsten Teile des Lebens arbeiten. Wenn ich dabei anderen helfen konnte, umso besser. Seit jenen Tag, hieß das für mich zu verstehen woher diese ... Zombies kamen und nach einem Heilmittel suchen. Ich denke, also, ich werde hier bleiben. Es dürfte nicht mehr alzu viele von der alten Welt geben, die davon etwas verstehen. Es wird ja schließlich nicht reichen, wenn wir nur für uns eine Impfung herstellen, wir brauchen genug für den Rest der Menschheit. Da dürften sie alle Hände brauchen, die sie kriegen konnten. Und danach ... nun Sheng's Hope ist ja immer noch da."
So vorsichtig sie konnte, wühlte sie den Gorillazahn hervor, den sie um ihr Bein gebunden hatte. Die drei Linien waren leicht zu fühlen, und sie spürte mit dem Daumen noch einmal darüber, bevor sie den Zahn nach vorne reichte.
"Was...ist das?"
"Ein Gorillazahn. Weißt du was ein Gorilla ist?"
"Leo?"
"..."
Haile kicherte leise, fing sich aber schnell wieder.
"Ein riesiger Affe. Bestimmt doppelt so groß wie wir. Ganz schwarz. Müssen früher toll gewesen sein, hat Leo erzählt. Unserer...war es nicht. Er war ein Gereinigter. Und wütend. Wir haben ihn besiegt, Evi, Leo und ich.
"...Wie?"
"Weil wir Schwestern sind. Ich bin ihm auf den Rücken gesprungen und habe ihn abgelenkt, Evi und Leo haben die ganze Arbeit gemacht. Jede von uns hat so einen Zahn."
Mit ihrer Hand fuhr sie vorsichtig von hinten über seine Brust. Sie spürte feine Linien unter seinem Oberteil, besonders auf dem Rücken, wo ihre Wange lag. Narben. Zahllose, schnurgerade Narben.
"Sie wollte euch nicht retten. Wir haben darüber gestritten. Sie will...sie will die Welt retten, sie will ihre Fehler wieder gut machen, so wie wir alle. Sie ist kein schlechter Mensch. Sie hat Angst."
"Ich weiß."
"..."
Sie beiden fielen wieder in eine sanfte Stille, während Haile über Raouls Brust streichelte.
"Muss ich dir also dein Leben retten, um Familie zu sein?"
"...Das hast du doch schon, im Dome. Ohne dich wäre ich gefallen. Ohne dich wäre ich nichtmal hier."
"Du wärst hier für Sheng."
Einen Schritt vor den anderen, nicht stehen bleiben, nicht zurück blicken.
Nicht denken, einfach nur vorwärts.
Immer schneller bewegten sich ihre Beine, sie wusste nicht, wohin. Klimper, klimper.
Das war wohl einfach ihr Schicksal.
Allein durch die Kante ziehen, ihr Ding machen, sich nicht mit Anderen einlassen.
Niemand verdammt nochmal ins Herz schließen. Klimper, klimper.
Es hatte bisher immer in einem Fiasko geendet. Kein Einziges Mal konnte sie von einem wirklichen Happy End im sozialen Bereich berichten, seit das große Zehren begonnen hatte. Abgesehen von dem einen auf dem wundervollen Wanderschiff vor 20 Jahren, aus dem sie sich ja rausstehlen musste wie die feige Sau, die sie war. Klimper, klimper.
Auch jetzt rannte sie wieder weg. Sie hätte zu gerne einmal die Reihen derer gelichtet, die ihre Aufgabe, ihre Familie durch ihre Inkompetenz in Gefahr brachten, aber irgendwo sagte ihr etwas, dass sie damit weit größeren Schaden als Nutzen angerichtet hätte. Klimper, klimper.
Doch jetzt war sie wirklich vollkommen allein, sonst hatte sie ja immer noch ihren besten Affenkumpel bei sich gehabt. Doch alles, was noch von ihm da war, waren ihre Erinnerungen oder wippte hinter hier höhnisch im Takt ihres sich immer weiter erhöhenden Schritttempos. Klimper, klimper.
Sie begann zu rennen. Sie hatte keine Ahnung, wohin, nur weg. Bäume und Sträucher zogen an ihr vorbei.
Sie wollte die Zeit zurückdrehen.
Eine halbe Stunde, um Raoul und Sheng nicht angepflaumt zu haben, auch wenn sie es verdient hatten. Evis und Hailes wütende Gesichter ließen sie einfach nicht mehr los.
Eine Stunde, um einfach liegen zu bleiben und nicht den Bunker aufzusuchen, der sie so aufgewühlt hatte.
Einen Tag, um nicht die Bibel an sich zu nehmen und Álvaro dadurch zu verlieren und dadurch unter einen Drogentrip zu geraten, der ihre letzten Worte zu Mary so absolut widerwärtig hat werden lassen.
Einen Monat, um nicht bei der ganzen Scheiße mitzumachen.
Ein Jahr, sich nicht von Tijuana zur anderen Kontinentküste aufzumachen, sondern die Maultierzucht ihrer gerade verstorbenen Abuela fortzuführen und inneren Frieden zu führen.
10 Jahre, nicht auf Bacari zu hören und gemeinsam mit ihm auf diesem Scheißschiff verhungern.
20 Jahre, die Anderen davon abzuhalten, egoistische Mistsäcke zu sein.
Sich ordentlich von Alice verabschieden.
Nicht von ihrer neuen, wunderbaren Familie aus Alistair, Ian, Clover und den Jungs abhauen.
Angst bekommen, alleine im Flughafen zu warten und stattdessen mit ihrem Papa mitzugehen, sodass die ganze Scheiße völlig anders abgelaufen wäre.
Ihr ganzes Leben war eine einzige Aneinanderreihung von Fehlern.
Fehlern, die sie wiedergutmachen wollte.
Wiedergutmachen musste. Klimper, klimper.
Das stete Gegeneinanderschlagen der Kettenglieder zog endlich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich.
Langsam verfiel die Latina wieder in einen normalen Lauf.
Sie nahm das edle Buch in beide Hände und klappte es auf.
Stirnrunzelnd versuchte sie im fahlen Mondlicht zu erkennen, an welche Stelle Hju seine Botschaft gesteckt hatte.
Die Erkenntnis, am Rand auf ihre eigene Handschrift zu stoßen, kam ihr einem Schlag in die Magengrube gleich.
Er hatte die Worte gelesen, die für sie so unglaublich kostbar waren. Für sie der Inbegriff eines so starken, wunderbaren und zugleich zerstörerischen Gefühls waren.
Und Guapo entschied sich nach deren Lektüre, abzuhauen.
Sie im Stich zu lassen, allein.
Diese Leere, die sich anbahnende Hoffnungslosigkeit und Panik, die sich in ihr ausgebreitet hatte, als sie diese ersten Zeilen gelesen hatte. Als wäre sie wieder verschollen auf hoher See, völlig allein...
Ihre Brust schien auf einmal in ein viel zu enges Korsett geschnürt zu sein.
Léo wollte wenigstens den Grund wissen. Was sie ihm angetan, dass sie ihn vertrieben hatte.
Und wenn auch nur ein Wort davon stand, dass sie schlecht im Bett sei, dann würde sie jeden Mann, den sie von nun an traf, kastrieren.
Sacht entfaltete sie den Zettel. Die Schrift war nicht ebenmäßig, als ob Hju es in großer Eile und unter Anstrengung hatte schreiben müssen.
Diesmal würde sie bis zum bitteren Ende durchhalten, egal, was er ihr an den Kopf werfen würde...
Hallo Léo,
ich weiss nicht wann du das hier liest. Vielleicht bin ich schon weg, vielleicht bin ich noch da. Etwas muss ich dir allerdings noch sagen, bevor ich draufgehe.
Du gibst mir ein Gefühl zurück, welches ich vor Jahren verloren habe. Ich würde für alle hier durch die Hölle gehen, aber nur bei dir würde ich dabei auch noch lächeln.
Wenn ich mich umschaue, dann sehe ich eine mir unbekannte Welt. Dann sehe ich dich an und bekomme Angst. Eine gute Form von Angst.
Du bist in dieser Welt groß geworden, ähnlich wie Seeker, die so viel Angst vor Veränderung hat. Ich habe so lange nichts in dieser Welt gesehen, für das es sich zu leben gelohnt hatte. Gerade das hat sich natürlich geändert.
Ich habe die Hoffnung, dass das, was wir hier machen, eine neue, alte Welt erschafft. Eine Welt, in der man auch einen ungeahnten Frieden finden kann.
Was ich sagen möchte, Léo, ist... Wenn ich sage, dass ich Angst habe. Dann habe ich Angst um dich. Wenn ich sage, dass ich Hoffnung habe. Dann habe ich Hoffnung für dich.
Bevor ich draufgehe, will ich dir ein letztes Geschenk machen. Ich will eine Welt hinterlassen die nicht darauf hinausläuft, dass am Ende alle sterben. Ich will eine Welt hinterlassen, in der alle leben können. Diese Welt will ich dir zum Geschenk machen.
Anfangs dachte ich, dass ich einfach nur das Richtige mache. Jetzt weiss ich es. Denn ich mache es für dich. Und wer weiss, vielleicht gehe ich dabei nicht einmal drauf. Dann traue ich mich hoffentlich auch, dir das alles persönlich zu sagen.
Dein Hju.
Längst war sie zum Stehen gekommen. Las die krakeligen Worte wieder und wieder.
Ihr wurde heiß und kalt zugleich, das Atmen fiel ihr schwer.
Sie war so dumm.
In einem Moment war der Latina, als könnte sie schweben, dann wieder fühlte sie sich im freien Fall und kurz vor dem Aufschlag.
Sie war so unendlich dumm.
Einen verdammten Satz hätte sie länger lesen müssen, einen. verdammten. Satz.
Er wollte ihr die verdammte Welt schenken.
Kämpfte für sie, machte sich Sorgen um sie... sie war ihm wichtig, wirklich wichtig.
Gerade ihm, der für sie so viel war, so viel in ihr auszulösen vermochte.
Hjus Botschaft war lange nicht so poetisch oder klangvoll wie die Zusammenstellung Bacaris, aber es war so unverkennbar er selbst, so ehrlich, völlig ungefiltert. Ließ ihn so verletzlich wirken. Es stammte direkt aus seinem Herzen. Voller...
Es war das Schönste, was ihr jemals Jemand mitgeteilt hatte.
Ihre rechte legte sich vor ihren Mund, um das Geräusch des lauten Schluchzen abzudämpfen, dass sie erfüllte.
Léo war wirklich die dümmste Person des Planeten.
Schwach lehnte sie sich gegen einen schiefen Baum, das Buch glitt aus ihren zitternden Händen. Mit einem teils dumpfen, durch die Ketten aber auch teils klirrenden Aufprall traf es auf den dunklen Grasboden. Mühsam griff sie danach. Dabei stachen ihr die Anhänger ins Auge. „Lancaster“, „Sidney“, „Jackman, Hugh“
Letzteres hob sie auf, betrachtete es leicht verwundert durch den wässrigen Schleier. Wieso war sein Vorname hier falsch geschrieben? Zärtlich fuhr sie die Buchstaben entlang, rieb leicht an den letzten beiden, als ob sie dadurch verschwinden würden. Vergeblich. Doch etwas Anderes fiel ihr auf.
Die Rückseite schien nicht eben, wo sie es hätte sein sollen. Also drehte Léo den Anhänger um.
Es war nicht die schönste Arbeit, die Jemand je eingeritzt hatte, aber das war ihr im Moment so völlig unwichtig.
„Leocadia Arellano-Felix“
Er hatte ihren Namen eingeritzt, verewigt in Metall, für alle Zeiten mit seinem Namen verbunden. Ihr Rücken schrammte gegen die spröde Rinde, als sie sich nach unten gleiten ließ.
Das war nicht fair. Cabrón.
Ihr so viel zu geben und dabei nicht mal anwesend zu sein.
Der wunderbarste Cabrón in ihrem Leben.
Sacht hob sie die Marke an, führte sie an ihre Lippen und hauchte einen Kuss auf seinen Namen, ehe sie sich die Kette über den Hals streifte.
Ein Gefühl eroberte endlich wieder seinen rechtmäßigen Platz, dass sie so lange niedergerungen hatte. Aus ihrem Katalog gestrichen. Für zu schmerzhaft erkannt, als dass sie es je wieder empfinden wollte. Und doch war es da, brach alle noch vorhandenen Dämme in ihr.
Die Bibel samt Inhalt holte sie wieder vom Boden hoch. Die Ketten klimperten wieder durch den Wind, verstärkt durch die Beben, die sie durchfuhren.
Sichergehend, dass Hjus Name an ihrer Haut lag, kramte sie den Gorillazahn hervor, und drückte ihn gegen ihr Tattoo, unter dass ihr Herz noch immer raste.
Im Endeffekt machte es hier keinen Sinn, sich zurückzuhalten, Niemand war da, um den Moment ihrer Schwäche mitzuerleben.
So hielt Léo sich nicht mehr zurück, die Tränen flossen in Massen. Wenn sie es recht bedachte, war sie in den letzten 2-3 Tagen zu einer echten Heulsuse geworden.
Doch das spielte nun keine Rolle, seit langem ließ die Latina sich einfach übermannen von der Welle aus Traurigkeit und Glück, die über sie hereinbrach, hinein in den Abgrund...
Die Zeit verlor jegliche Bedeutung für die junge Frau und so konnte sie nicht sagen, wie lange sie schon dagesessen hatte, als die Stimme sie abrupt zurück in die Realität holte.
"L... Léo. Endlich hab ich dich gefunden..."
Ihr Kopf schnellte so ruckartig herum, dass sie ihre Halswirbel knacken hörte.
Hju hatte sie gesucht. Natürlich, wieso wunderte sie das eigentlich noch nach allem, was er ihr geschrieben hatte. Doch nie gesagt.
Sein Anblick war erbärmlich. Sorge und Erleichterung standen ihm ins Gesicht geschrieben. Barfuß, noch immer nur in seiner Hose, völlig verschwitzt und nach wie vor durch Seekers und ihr zutun wie durch den Fleischwolf gedreht.
Er sah einfach umwerfend aus. Selbst nach größten Verbrennungen oder als angehender Zombie wie Eryn würde er für sie umwerfend aussehen.
Sie war einfach so froh, ihn zu sehen. Und doch gleichzeitig wütend. Und traurig, vielleicht auch etwas übel.
Warum mussten Emotionen auch so scheiße kompliziert sein?
Als wäre sie achtzig, rappelte sie sich hoch, jeden Muskel spürend. Ihr Körper war sowas von am Ende.
Langsam ging sie auf ihn zu, den Blick starr auf ihn gerichtet. Sie hob die Biblia an und drehte sie langsam hin und her, als eine Art Wink mit dem Zaunpfahl.
Ein erstarkender Teil in ihr wollte sie davon abhalten, doch hier ging es ums Prinzip.
Keinen halben Meter von ihm entfernt holte sie unvermittelt aus und verpasste ihm mit dem Buch eine gepfefferte Ohrfeige.
„Fandest Du das etwa witzig, mir so einen Scheißschrecken einzujagen?“
Sie zog den Zettel heraus und hielt ihn Hju direkt vor die Nase.
„Man beginnt sowas nicht damit, dass man sich verpisst! Stell Dir vor, vielleicht bekommt die Empfängerin dann Scheißpanik und liest nicht weiter, um mitzubekommen, dass Du ihr vielleicht einfach mal das Tollste in ihrem verfickten Kackleben zu sagen hast!?“
Und jetzt sagst Du ihm, was Du über ihn denkst, hätte Álvaro ihr an dieser Stelle wohl geraten.
Aber der war ja nicht mehr da.
„Ich... bi---- es...“
Wieso hatte sie sich diesen verkackten inneren Blocker eigentlich nochmal zugelegt?
Besorgt sah er der Latina ins Gesicht. Dicke Tränen rollten an Ihren Wangen hinab und es schmerzte ihn sehr, sie so zu sehen.
Langsam stand sie auf, zittrig am ganzen Leib und wirkte fast wie ausgetauscht.
Mit bedachten Schritten kam sie auf ihn zu, präsentierte dabei die Bibel in die er seine Botschaft gelegt hatte als wäre sie ein wertvoller Schatz.
Jackman sah gerade in diesem Moment keine Spur mehr von der wilden Kriegerin die ihn so sehr fasz...
Und dann erwischte ihn mit voller Wucht das heilige Buch. Der Buchdeckel knallte mit einem latschen Klatschen gegen seine Wange und vor lauter Überraschung taumelte der Schauspieler zur Seite und ging in die Knie.
"GOTT. SCHEIßE."
„Fandest Du das etwa witzig, mir so einen Scheißschrecken einzujagen?“
Er hörte wie das starre Blatt Papier auf dem er schrieb sich durch den Wind schnitt. Léo hielt es ihm direkt vors Gesicht.
„Man beginnt sowas nicht damit, dass man sich verpisst! Stell Dir vor, vielleicht bekommt die Empfängerin dann Scheißpanik und liest nicht weiter, um mitzubekommen, dass Du ihr vielleicht einfach mal das Tollste in ihrem verfickten Kackleben zu sagen hast!?“
Im Anbetracht der Tatsache, dass sein Wangenknochen wegen des Aufpralls immer noch förmlich zu vibrieren und glühen schien... fühlte er sich echt super.
„Ich... bi---- es...“
Sie fing an über Ihre eigenen Worte zu stolpern, aber es war egal. Jackman wusste vielleicht nicht genau was sie sagen wollte, aber er wusste wie er es sagen würde und das reichte ihm.
Langsam rappelte er sich wieder auf und sah der jungen Frau in die geröteten Augen. Stocksteif stand sie immer noch vor ihm und bekam den Mund nicht mehr auf.
"Wenn ich genau drüber nachdenke... waren die ersten Worte vielleicht echt Scheiße gewählt."
"Pendejo, du hast keine Ahnung."
"Ja... möglicherweise."
Jackman blickte Léo direkt in die Augen und merkte wie sich unbewusst ein Lächeln in seine Züge stahl. Für einige Sekunden schien die Zeit still zu stehen, sie den kurzen Moment genießen zu lassen in denen so vieles gesagt und doch nicht ausgesprochen wurde.
"Ich will das hier nicht ohne dich machen. Ich... will nichts mehr ohne dich machen. Ich hab lange genug gebraucht um das zu erkennen und jetzt wo ich es weiss... fällt mir so ein gewaltiger Stein vom Herzen."
Ohne irgendeinen weiteren Gedanken zu verschwenden streckte er die Arme aus und griff nach Léos Hüften. Bestimmend zog er sie an sich heran und strich ihr dabei sanft über die Taille.
"Aber bevor wir den ganzen Mist mit Adam fertig bringen will ich dir noch das eine sagen, was unausgesprochen ist."
Mit diesen Worten umschlangen seine Arme die junge Frau nun völlig. Wie schon vor einigen Stunden drückte er ihren Leib an seine nackte Brust. Presste seine Lippen auf ihren Hals, ihren Nacken und flüsterte ihr leise ins Ohr.
"Ich liebe dich, Léo."
Er würde sich so viel Zeit nehmen wie sie bräuchten. Sheng, Seeker und wer sonst noch immer mitkommen wollte, könnten garantiert noch warten. Denn jetzt wollte er nur Léo umarmen und ihr die Gelegenheit geben sich zu fangen, die Worte zu Ende zu bringen die sie ins Stolpern brachten.
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Einige Zeit später
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Jackman sah der Frau an der sein Herz so sehr hing in die Augen.
Aufgeregt strich seine Zunge über die rechte Seite seiner Unterlippe eher er mit den Zähnen darüber fuhr und den Blick in die Richtung gleiten lies in der dieser Bunker liegen musste.
"Es wird Zeit das zu Ende zu bringen, was wir angefangen haben. Ich hab dir etwas versprochen, das will ich einhalten."
Jackman würde sich auf den Weg zum Bunker machen. Die Zeit aus Scheiße Gold zu machen, hatte begonnen.
Nach dem Zwischenspiel am Lagerfeuer, das dort für eine kurze Weile eine etwas ruhigere, wenn nicht gar gedrücktere Atmosphäre erzeugt hatte, schwappte die gute Laune der ringsum Feiernden rasch wieder zurück auf den Platz ums Feuer - nicht zuletzt in Gestalt von Voodoo, der sich gerade mit einigen der anderen Vultures einen Trinkwettstreit mit für Außenstehende unergründlichen Regeln lieferte, bei dem es vor allem ums Schneiden möglichst furchteinflößender Grimassen zu gehen schien. Die Stimmung hob sich merklich wieder, doch wirkliche Ausgelassenheit stellte sich nicht wieder ein. Nach Leos Ankündigung, dass sie im Bunker erwartet wurden, lag - auch wenn man nach Shengs Worten beschlossen hatte zu warten - eine nervöse Unruhe in der Luft.
Nach und nach kamen hier viele der noch wachen Hope'Ari und Vultures vorbei, um sich am Feuer aufzuwärmen, oder auf der Suche nach etwas zu trinken - und wer auf ein paar Worte mit den Anwesenden da blieb und Interesse am Besuch des Bunkers zeigte, der ließ sich ebenfalls Nähe nieder, um mit den anderen zusammen zu warten.
Eine der ersten die dazustieß, war Seeker Vulture, die steifbeinig - als hätte sie gerade einen langen Ritt hinter sich - auf die Lichtung stakste, damit beschäftigt ihren Waffengurt festzuzurren und hintersinnig lächelnd wie eine satte Katze. Wenig später gestellte sich, aus dem Lager der Skypeople kommend, auch Enigma hinzu - merklich ungeduldig als er erfuhr dass noch gewartet wurde, aber doch zu nervös, um alleine vorzugehen.
Als dann schließlich als Letzte Leo und Jackman unter den Bäumen hervortraten, erhob sich Sheng zusammen mit Evi, die Eryn eine Hand zum Aufstehen reichte. Mit dieser Geste schien es als wäre ein unhörbares Startsignal gegeben worden, und gemeinsam setzte sich die wild zusammengewürfelte Truppe in Bewegung.
In der nächtlichen Dunkelheit wirkte bei Tageslicht so unscheinbare Waffendepot 3 wesentlich größer, bedrohlicher. Geleitet von dem roten Auge der Sicherheitskamera, trat Leo zielstrebig auf die versteckte Tür zu, Hugh hinter sich herziehend, als wäre sie unwillens ihn jemals wieder loszulassen. Wie schon zuvor, schwang die Tür bereitwillig unter ihrem Griff auf - lautlos bis auf das leise Wehklagen des eingeklemmten Zombies einige Schritte weiter.
Wo der Bunker bei Leos Besuch noch überwiegend in Dunkelheit getaucht gewesen war, wies den Eintretenden jetzt ein von den grellweißen Deckenleuchten hell beschienener Pfad den Weg durch Lagerräume und Regalgänge. Deutlich waren zu erkennen, dass ein Großteil der Lagerbestände wohl schon vor längerer Zeit ausgeräumt worden war. Dennoch, die verbleibenden Kisten und Container - der Beschriftung nach aus den Beständen eines halben Dutzend versschiedener Armeen - mussten immer noch genug Material beinhalten, um eine kleine Truppe wie die ihre mehr als ausreichend auszurüsten.
Die Tür, durch die Leo vor einigen Stunden das Mannschaftsquartier betreten hatte, war geschlossen. Unweit davon hatte sich dafür eine andere Stahltür geöffnet, durch die man ebenfalls das enge Treppenhaus hinauf zur Abhörstation betreten konnte.
Nacheinander drängte sich die Gruppe oben in den großen Raum, und hier und da war in der kleinen Menschenmenge ein erstauntes Luftholen zu hören.
Der rechte Teil des Raumes, mit den über und über papierbedeckten Wänden war hellerleuchtet - ein helles, kaltes Licht, das so manchen blinzeln ließ, und gerade den jüngeren Anwesenden, die soetwas wie Halogenlampen kaum noch kannten, unangenehm und falsch erschien. Noch befremdlicher musste auf sie der Konferenztisch wirken - nicht nur war er makellos sauber, so wie der Rest des Bunkers, nein - wie Relikte aus grauer Vorzeit waren in der Mitte des Tisches Gläser und Flaschen aufgereiht worden, als würde hier gleich ein Vorstandsmeeting stattfinden.
Wobei - irgendwie war das ja schon der Fall, nicht wahr?
Kaum dass der Letzte sich in den Raum geschoben hatte, erhob sich drüben in der linken Häfte des Raums - diesmal im Schatten liegend, und nur von dem Blinzen der verschiedenen Geräte spärlich erhellt - eine Gestalt aus ihrem Sessel und trat auf die Gruppe zu ins Licht.
"Willkommen im Außenposten 1Alpha der Forschungsstation San Antonio. Ich bin Colonel Ellen Boyd, Codename RedWitch." Sie ließ den Blick über die ungleichen Verbündeten vor ihr schweifen - mit einem kurzen, aber ehrlichen Lächeln als sie Leo und Hugh erkannte -, und deutete dann auf den Konferenztisch. "Bitte - setzen Sie sich. Wir haben einiges zu besprechen, und ich nehme an, Sie haben einige Fragen."
Zusammen, geschlossen als Gruppe betraten sie den Bunker. Jackman war froh, dass sie ihm noch die Gelegenheit gaben sich seine Socken, Schuhe und sein Hemd wieder anzuziehen. Das wichtigste Treffen und die wichtigste Besprechung der Welt, wollte er nicht halbnackt bestreiten. Er schulterte seinen Rucksack, sein Gewehr und klopfte sich kurz an die Seite.
"Sie gehörte dem wichtigsten Mann in meinem Leben, dass soll auch weiterhin so bleiben..."
Als er sich sicher war, dass er alles bei sich hatte konnte es nun also endlich losgehen.
Léo führte sie. Sie als einzige, die bereits hier drin war und wusste was sie erwarten würde. Von den warmen Fingern an die Hand genommen ließ er sich von ihr führen während die anderen ihnen hinterstapften.
Das Innere der Anlage war beeindruckend und beunruhigend zugleich.
Die nackten Betonwände die vom kalten Licht der Lampen fast schon kränklich blass wirkten. Die schweren Stahltüren in den Gängen. Die Stille die nur davon gebrochen wurde, dass Ihre Schritte widerhallten.
Als sie den Konferenzraum betraten und auf die leergeräumte Wand blickten die förmlich mit Plänen, Fotos und Dokumenten tapeziert war, kamen sie aus dem Staunen nicht mehr heraus.
So viel Energie und so viel Arbeit wie hier reingeflossen sein muss... jedem wurde immer bewusster wie ernst es wurde.
Dann hörte er die Stimme aus dem Radio hinter sich. Weniger blechern, weniger mit statischem Rauschen belegt.
"Willkommen im Außenposten 1Alpha der Forschungsstation San Antonio. Ich bin Colonel Ellen Boyd, Codename RedWitch."
Hugh drehte sich um und schaute die Rothaarige fassungslos an.
Ellen Boyd. 20 Jahre war das nun her, als er zusammen mit ihr und ein paar weiteren Freiwilligen ein Kunstück sondergleichen durchzog. Verkleidet, mitten durch die Nationalgarde.
"Bitte - setzen Sie sich. Wir haben einiges zu besprechen, und ich nehme an, Sie haben einige Fragen."
"Verdammt das kann man laut sagen."
Jackman zog zwei Stühle vom Tisch hervor und platzierte sich auf einem der beiden. Er machte es sich gleich bequem.
"Das wird ne wilde Fahrt, ich hoffe ihr seid hier oben gut vorbereitet."
"Das wird ne wilde Fahrt, ich hoffe ihr seid hier oben gut vorbereitet." - "Oh yeah, wilde Fahrt klingt guuuut!" tönte es als Antwort aus Kerosas Richtung, prompt gefolgt von Grinsern und einem unterdrückten Prusten weiter hinten aus der Gruppe.
Während Jackman sich bequem in seinem Stuhl zurücklehnte, hörte er hinter sich ein empörtes Schnauben aus Richtung Enigma angesichts dieses saloppen Unterbrechung. "Unangemess..." - "Sergeant." Mit einer knappen Geste brachte die RedWitch ihren Untergebenen zum Innehalten. "Angesichts der Leistungen, die diese Herrschaften erbracht haben, sollten wir uns nicht über Protokollfehler aufregen. Bitte, setzen Sie sich." Sie deutete einladend auf den Tisch. "Ich würde später gern mehr erfahren über das, was Sie auf ihrem Weg hierher erlebt haben - zunächst aber ein Blick auf den Teil des Weges, der noch vor uns allen liegt." Ellen ließ den Blick über die wild gemischte Gruppe vor ihr schweifen - einschätzend, taxierend, als würde sie im Geiste die Tauglichkeit jedes einzelnen für die kommende Schlacht bewerten.
"Spähern zufolge hat der Cult of Vision die Stadtgrenzen San Antonios bereits überschritten. Sie kommen dankenswerterweise nur relativ langsam voran, dennoch ist mit ihrer Ankunft an der Forschungsstation im Laufe des Vormittags zu rechnen." Und das in einer Masse, wie ich sie seit den Horden der ersten Jahre nicht mehr gesehen habe... ein Gedanke, den sie für sich behielt - die Leute vor ihr, gerade diejenigen die in die Station vordringen würden, würden dann ganz andere Sorgen haben.
"Angesichts unserer Zahl bin ich zuversichtlich, dass die Zeit für uns morgen dennoch ausreichen sollte, um unser Ziel zu erreichen: den Tank mit Patient Null ins Labor zu schaffen, und es lange genug zu halten, um die Formel für das Heilmittel gegen den Zombievirus zu erhalten. Mir wurde seitens des Laborleiters versichert, dass der Prozess nur kurze Zeit in Anspruch nehmen sollte, und die Herstellung des Mittels dann auch mit einfachsten Mitteln zu schaffen sein wird - im schlimmsten Falle würde es also ausreichen, wenn es einem kleinen Trupp gelingt mit der Formel zu fliehen, und die Arbeit andernorts weiterzuführen."
Ellen atmete tief durch. Jetzt kam der unangenehme Teil. "Die Situation in der Einrichtung selbst ist allerdings... schwierig. Ein kurzer Abriss der Lage: vor knapp fünfzehn Jahren gab es einen schwerwiegenden Zwischenfall. Ich selbst war zu dem Zeitpunkt im Außendienst unterwegs - moralbildende Maßnahmen für die Restbevölkerung der Stadt." Sie nickte in Richtung Enigma "Anhand der Überwachungsaufnahmen kann ich soviel sagen: eine Zombiehorde gelang ins Innere der Anlage und überrannte das Sicherheitspersonal. Unsere Forscher konnten sich im Labortrakt verbarrikadieren, eine Flucht war durch die schiere Masse an Zeds aber nicht möglich. Sie hatten da drin einiges an Vorräten, und arbeiteten so lange es ging weiter an ihrem letzten Projekt, während ich mit meinem Team versuchte, die Horde zu dezimieren." Ihr Blick senkte sich einen Moment zu Boden, und lächelte dann freudlos. "Den meines Teams, der es nicht geschafft hat, haben Sie beim Betreten des Bunkers ja bereits gesehen." Sie straffte sich. "Wie dem auch sei, letztendlich wagten unsere Forscher einen Durchbruchsversuch - leider erfolglos. Dr. Ericson hat es noch geschafft, die Notfallverriegelung zu aktivieren. Damit hat er sich und seine Kollegen mit einem Teil der Horde zwischen zwei Sicherheitstüren eingesperrt, und so verhindert dass die Zeds ins Labor kommen."
Betroffene Stille senkte sich über den Raum. Wenn dort niemand mehr war, wie sollte ihnen dann die Herstellung des Heilmittels gelingen? War die ganze Reise, mit all ihren Anstrengungen, Entbehrungen und Opfern am Ende etwa vollkommen umsonst gewesen?
Angesichts der geschockten und zweifelnden Gesicher sprach Ellen rasch weiter, als erstes Gemurmel im Raum aufkam - bemüht darum, den heftigen Schlag, den sie gerade ausgeteilt hatte, schnell wieder etwas abzuschwächen. "Nicht dass wir sie noch zwingend brauchen würden, zum Glück - so makaber das auch klingt. Das Team bestand nicht gerade aus den Jüngsten, und nachdem nicht absehbar war wann und ob Patient Null wieder auftaucht, haben sie eine Art automatischer Diagnoseeinheit geschaffen, die, mit Virusproben von Patient Null gefüttert, sich autonom an die Analyse und Herstellung des Heilmittels machen sollte. Sozusagen als Versicherung für den Fall, dass sie nicht mehr da sein würden wenn die Virusproben ankommen."
Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und trat rasch um den Tisch herum, zu einer der vielen Pinnwände, an der sie die vorhin ausgedruckten Pläne befestigt hatte.
"Das ist also der aktuelle Stand. Die Reste der Zombiehorde haben sich seitdem natürlich zerstreut, das Gebäude selbst hat allerdings seitdem unter den Naturgewalten gelitten - wir hatten hier einige Überschwemmungsjahre. Das Einbringen des Tanks wird daher nicht ganz einfach."
Ellen stellte sich so neben die Pläne, dass alle Anwesenden einen guten Blick darauf hatten, und deutete zunächst auf den unteren.
"Die gute Nachricht - und ja, ich bin mir bewusst dass 'gut' in unserer Situation ein sehr relativer Begriff ist -: trotz der durch Unterspülungen eingestürzten Teilbereiche scheint der Labortrakt weiterhin intakt zu sein, und es gibt noch einen Zugang über die Hauptkorridore, der breit genug für den Tank ist. Durch Dr. Ericsons Eingreifen wurde aber wie gesagt die Notfallverriegelung aktiviert - das heißt massive Feuerschutztüren, die einzelne Gebäudeteile voneinander abriegeln. Von Hand sind die Türen kaum zu bewegen, wenn die Energieversorgung aber wiederhergestellt würde, wäre es möglich zumindest die Außentüren mit Keycards zu öffnen."
Sie deutete auf den oberen rechten Teil der Karte. "Die Energieversorgung erfolgte über Solarzellen - nach der langen Zeit wahrscheinlich staubbedeckt und leicht beschädigt. Jemand muss sich also hier aufs Dach begeben und die Stromversorgung reparieren. Durch den hier dagegengeprallten Truck ist das möglich, aber nicht gerade eine leichte Kletterpartie." Ihr Zeigefinger wanderte über ein Treppensymbol zu dem mit "Observation" bezeichneten Raum. "Anschließend wäre es für das Team möglich, über den Dachzugang in den Forschungstrakt zu gelangen. Mit einem Glasschneider sollte man durch die Sichtscheibe zwischen Obversationsraum und Hauptlabor durchkommen."
"Nächstes Problem: die Tür zum Labor lässt sich nicht mit den Keycards öffnen, sondern aus Sicherheitsgründen nur aus dem Kontrollraum nebenan. Durch die Einstürze hier und hier ist ein oberirdischer Zugang nicht mehr möglich - am ehesten kommt man dort noch über die Kellerräume hinein. Die wiederum erreicht man nur über die Tiefgarage - die seit Jahren schon überschwemmt ist." Ellen zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Mir ist bewusst wie verworren und unlogisch das erscheinen muss - bedenken Sie bitte, das Gebäude war ursprünglich nicht als Hochsicherheitslabor ausgelegt. Die Umbauarbeiten und die Einstürze haben alles nicht unbedingt einfacher gemacht."
"Also, zusammengefasst - ein Team muss aufs Dach und die Stromversorgung zum Laufen bringen. Ein weiteres muss über die überschwemmte Tiefgarage zur Türsteuerung vordringen. Und ein weiteres muss den Tank ins Gebäudeinnere bringen, und die ehemaligen Forscher neutralisieren, die hier ..." Ein Tippen auf das Warnsymbol in der Kartenmitte "... zwischen den Türen eingesperrt sind. Sie waren zum Todeszeitpunkt bereits stark geschwächt, also sollte das Durchdringen aber verhältnismäßig leicht fallen. Bitte keine Schußwaffen im Gebäudeinneren - die Umbauten waren sehr provisorisch, und an den Decken hängen teilweise offen Leitungen und Kabelstränge, die nicht beschädigt werden sollten."
"Oh, und ... " Ellen wies auf das kleine Rechteck ganz unten auf der Karte. ".... es wäre sicher eine Erleichterung für das Tank-Team, wenn jemand das Rudel wilder Hunde beschäftigen könnte, das sich im ehemaligen Pförtnerhaus eingerichtet hat - sie reagieren ziemlich empfindlich, wenn jemand sich ihrem Bau nähert."
Ellen zeigte auf den Raum "Labor". "Sobald das alles geschafft ist, muss nur der Tank mit Patient Null nur noch mit dieser Maschine verbunden werden. Alles weitere sollte dann selbständig geschehen. Natürlich braucht das alles Zeit - wir sollten daher versuchen, die Feindkräfte so lange wie möglich aufzuhalten.
Sheng meldete sich zu Wort: "Sollte uns nicht allein schon das Minenfeld einiges an Zeit verschaffen? Es wird sie zwar nicht auf Dauer aufhalten, aber wenigsten die ersten paar Wellen verlangsamen." Ellen runzelte kurz die Stirn und lächelte dann. "Ah, ein berechtigter Einwurf, schätze ich - aber nein, das 'Minenfeld' wird sie nicht aufhalten. Es... nun, es besteht im Grunde nur aus ein paar mit Handgranaten gesprengten Kratern, und jeder Menge offiziell aussehender Schilder. Minen hat es da draußen nie gegeben." Sie zuckte mit den Schultern und ließ ein kurzes, stolzes Grinsen aufblitzen. "Irgendwie musste ich das Gebäude ja vor Plünderern sichern, und niemand lässt sich gerne die Beine wegsprengen."
Oh. Angesichts dieser Enthüllung kam abermals Gemurmel in der Gruppe auf - sicher war es gut zu wissen, dass sie selbst sich nicht beim Transport des Tanks in die Luft jagen würden, aber wie sollten sie nur mit ein paar Mann bitte diese riesige Armee aufhalten? Das Minenfeld hatte wenigstens einen kleinen Vorteil für sie versprochen.
Ellen wandte sich nun der oberen Karte zu. "Nun, was die Verteidigung angeht - von den bisherigen Bewegungen der Kultisten ausgehend ist ein Angriff aus Nordosten am wahrscheinlichsten.Glücklicherweise gibt es dort noch Reste einer Verteidigungsstellung aus den Anfangstagen." Sie deutete von oben nach unten auf die drei Stellungen.
"Dieser Panzer hat eine gerissene Kette, kann aber noch schießen. Das Rohr neigte damals zur Überhitzung - um ihn dauerhaft einzusetzen werden es daher kühlen müssen. Es gibt einen Gully in der Nähe - das Wasser daraus sollte zur Kühlung ausreichen, wir benötigen nur einige Läufer, die Wasser herübertragen."
"Das MG-Nest hier kann mit drei Mann besetzt werden - der Aufgangsbereich ist sehr offen, daher wäre es sinnvoll hier einige Wachen für das MG-Nest abzustellen, die den Schützen den Rücken freihalten."
"Und zuletzt gibt es hier noch eine Mörserstellung. Der Munitionsnachschub ist hier allerdings problematisch - der Truck mit den Mörsergranaten ist unweit davon im Schlamm steckengeblieben, also muss jemand die Munition zu Fuß zum Mörser tragen."
"Vorteilhaft für uns ist, dass die Zed-Horden gewöhnlich zu dumm für Flankenmanöver sind - je länger diese Verteidigungslinie also standhält, desto größer die Chance auf Erfolg in der Forschungsstation. Falls ihre Anführer aber auf die Idee kommen, die Horde um unsere Linien herumzuführen... nun... es gibt noch einen einsatzfähigen Jeep da draußen - man könnte versuchen damit direkt zur feindlichen Führung durchzubrechen, aber das wäre ein absolutes Himmelfahrtskommando."
"Was es jetzt noch zu klären gilt, ist die Frage, wer wo zum Einsatz kommen soll - und das müssen Sie entscheiden, die kennen Ihre Leute am besten." Erwartungsvoll blickte Ellen in die Runde.