Er war auf der Suche.
In seiner Hand hielt er ein zerfleddertes Stück Papier. Es war wohl achtlos aus einem Buch herausgerissen und dann bekritzelt worden. Viele Wörter waren durchgestrichen und neu geschrieben, als hätte es jemand schnell auf Papier bringen wollen.
Henry ballte seine Faust um das knittrige Stück und dachte an die Worte die er vor so langer Zeit schon hatte anständig auf Papier bringen wollen.Zitat
Er umrundete das Gebäude einmal, sah bei ihren Vorräten und Adam nach. Nichts. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in Henrys Magengegend aus und ließ ihn unruhig werden. Etwas war nicht in Ordnung.
Henry machte in der Mitte des Vorplatzes, auf dem sich ein Großteil der ehemaligen Bewohner von Shengs Hope versammelt hatten, halt.
Warum sehen mich alle an?
Die Gesichter der Umstehenden drückten Unbehagen aus. Doch da war noch etwas anderes in ihrer Mimik versteckt. Sie versuchten ihn nicht auffällig anzusehen oder seine Aufmerksamkeit auf sie zu lenken.
Henrys Atem ging schwer. Er sah sich suchend um. Vielleicht war er nicht der Grund ihrer Blicke. Es musste jemand anderes sein.
Oder?
Nein.
Das alte Stück Papier glitt ihm aus der Hand auf den staubigen Boden.
Mitleid. Es war Mitleid was er in den Augen jedes Einzelnen sah. Seine Stimme begann zu beben und die zerzausten Haare fielen ihm ins Gesicht.
"Wo."
Er ging einige wackelige Schritte auf den in der Nähe stehenden Frank zu. Er vertraute dem Vater. Immerhin hatte Henry Sylvia und ihn schon lange begleitet.
"Wo...."
Als der Polizist seinen Blick senkte und seinen Arm noch fester um den kleinen Jungen schloss, wandte sich Henry Howard zu, welcher nur wenige Schritte entfernt saß. Sein Sohn hatte sich immer gut mit dem anderen Arzt verstanden. Zu gut, nach Henrys Geschmack.
"Was habt ihr getan."
Howard blickte ihm direkt in die Augen. Trauer? Mitleid. Auch er schien nicht Antworten zu können oder zu wollen.
Mit langsamen Schritten ging er auf die letzte, ihm bekannten, Person zu die in unmittelbarer Nähe stand. Eryn.
Henry kam ihr unangenehm nah und sie konnte noch immer den Alkohol in seiner Atemluft riechen, von dem sie ihm früher reichlich ausgeschenkt hatte. Er streckte seine Hände aus, griff der jungen Irin an die Schultern. Er zitterte am ganzen Körper. Ihre Augen weiteten sich und sie wollte zurückweichen, doch der Griff des alten Mannes war fest.
Sie konnte erst nicht verstehen was er sagte, sein Kopf war gesenkt und er schien zu flüstern.
"..."
"Henry ich..."
"..."
Dann erhob der Arzt seine Stimme. Eryn konnte die Wut, Trauer und Verzweiflung in den alten Augen sehen und in den Worten, die seinen Mund verließen und Eryn wie eine Kugel ins Herz trafen, hören.
"Was..."
"WAS HABT IHR GETAN?"
"WO IST ER?"
"WAS HABT IHR GETAN!"
Er begann Eryn zu schütteln. Ihre Haare flogen um ihr Gesicht herum und der Druck an ihren Armen schmerzte.
"WO IST MEIN SOHN!"