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Young Imperial Combo
Das Gefühl des Glücks, von dem Evi fast schwindelig geworden war, hatte ungefähr vier Sekunden lang angehalten. Ihnen war etwas Großartiges gelungen - mehr als jeder von ihnen wahrscheinlich insgeheim gehofft hatte. Doch jeder aufkeimende Freudenschrei war sofort erloschen, als Georgina aufgetaucht war. Die verdammte, waschlappige Georgina. Und das war längst nicht alles gewesen.
Evi fühlte sich als hätte ihr jemand bei jedem Versuch zu Atem und damit zur Ruhe zu kommen, ein Kissen ins Gesicht gedrückt, immer und immer wieder. Georgina war eine Verräterin - Kissen ins Gesicht. Frank hatte die leblose Mary mitgebracht - Kissen ins Gesicht. Haile war verschwunden - Kissen.
Hatten sie es ehrlich nicht verdient, einfach einmal glücklich zu sein?
Sie hatte bis hierhin kein Wort mit Sheng gewechselt. Da war dieser Drang ihn zu berühren und bei ihm zu sein - regelrecht an ihm zu kleben - aber sie traute sich nicht. Oder fand es nicht "passend". Er schien in Gedanken und Evi konnte sich nur allzu deutlich ausmalen, wie er sich fühlen musste. Er hatte Georginas Machenschaften nicht durchschaut, seine Ziehtochter auf eine Reise geschickt, die dieser •••••••• nur recht sein hatte können und hatte sterben wollen, was sich im Nachhinein als ziemlich schlechte Entscheidung herausgestellt hätte. Und Sheng nahm sich immer alles so zu Herzen, das alles musste ihn fast verrückt machen.
Am liebsten hätte Evi ihn tausend Mal darauf angesprochen, ihm gesagt, dass es nicht seine Schuld war, aber vermutlich hatte sie kein Recht dazu. Sie hatte keine Ahnung von alledem, nicht wahr? Sie gehörte hier gar nicht dazu, oder?
Alles was Eryn ihr damals gesagt hatte, alles was die Rothaarige selbst verkündet hatte - kein Schritt mehr ohne dich - und alles was sie jemals mit Sheng gesprochen hatte kam der Taucherin gar nicht in den Sinn. Sie fühlte sich fehl am Platz und sie hätte am liebsten geheult. Es war merkwürdig, von einer heftigen Hochstimmung nach der Rettung in so eine gefühlte Einsamkeit abzurutschen.
"Haile steckt bestimmt hier irgendwo.", sagte die Taucherin schließlich, um dem Ziehvater des Mädchens wenigstens irgendetwas Aufmunterndes zu sagen.
"Es ist so viel passiert... vielleicht sollte jemand mit ihr reden, der ihr viel bedeutet. Ich werde mal nachsehen. Falls ich sie finde, hole ich dich, okay?"
Evi lächelte Sheng aufmunternd zu und für einen Moment wirkte es, als wäre es doch richtig, jetzt zu sprechen. Sie blickten sich kurz in die Augen, und in beiden Gesichtern lag die Gewissheit, dass es so viel Ungesagtes gab, das nicht einfach verschwiegen bleiben durfte. Aber der Augenblick verstrich, und der Bürgermeister brachte ein "Okay." hervor.
"Ich komme gleich wieder."
Am liebsten wäre sie sofort wieder gekommen, also gleich nach dem ersten Schritt umgedreht. Es fühlte sich falsch an, sich von Sheng wegzubewegen. Sie wollte so dringend bei ihm sein, aber es machte sie auch völlig verrückt, in seiner Nähe zu sein und nicht fähig zu sein, etwas zu tun.
Als Evi an den anderen vorbeistreifte fiel ihr auf, wie jeder irgendwie völlig zerstört wirkte. Selbst Lisa, die glücklich mit ihrer Mutter vereint worden war, wirkte geschafft und ein wenig besorgt.
Und Eryn schien überhaupt eher am Rande von allem zu stehen und einfach zu beobachten. Irgendwie wirkte sie... grimmig? Oder war sie wütend? Entschlossen? Vielleicht auch einfach nur in Gedanken.
"Hey, ich hab gehört du bist eine richtige Actionbraut geworden.", sprach Evi sie mit einem Lächeln an. Aber auch das fühlte sich falsch an. Die Taucherin seufzte.
"Alles okay bei dir?" War denn überhaupt bei irgendjemandem irgendetwas okay?
Geändert von Lynx (05.11.2015 um 17:11 Uhr)
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