Es erleichterte Eryn, dass das tapfere Kultistenmädchen, ihr Anführer, der verbliebene Mediziner und ihre engste noch lebende Vertraute der selben Meinung waren wie sie. Doch zumindest für den Moment war die Wut auf die anderen größer.
Selbstgerechte Arschlöcher.
Eryn blickte in Richtung von Jäger und Leo. Die Mexikanerin log nicht. Sie hatte sich - wie Evi, Haile und Eryn selbst auch - jedes Mal für die Gruppe in Gefahr gebracht. Doch ihren Punkt verstand die Barfrau nicht. Gab ihr das zweimalige Retten anderer im dritten Fall das Recht, still zu sitzen und die ihrem Schicksal zu überlassen, die ihnen nah waren? Ihre Freundin, die Taucherin, war eindeutig verletzt von - vor allem - den Worten des Russen. Nachvollziehbar. Besäße Eryn mehr Empathie, ginge es ihr womöglich genau so.
"Ich nicht!", schloss sie sich einem Teil von Evis Ausführungen an, ohne dass irgendjemand die Chance hatte, nachzuvollziehen, was sie meinte. Sie machte es deutlicher. "Ich respektiere eure Meinungen nicht, ich verstehe sie nicht!" Sie schüttelte den Kopf. "Ich wollte euch nur wissen lassen, dass Evi in dieser einen Sache nicht für mich spricht." Sie war in Rage. "Versucht eure egoistische Scheiße nicht als rationale Überlegungen zu tarnen, ihr..." - ein tiefer Atemzug und sie vergaß die Beleidigung, die folgen sollte. "Kein Kind mehr soll mit eigenen Augen ansehen, wie die Familie vergewaltigt und zerfleischt wird? Achso, und wir lösen das Problem, indem wir uns das nicht ansehen, sondern weggucken und es einfach geschehen lassen. Clever!", fasste sie zusammen und packte so viel Sarkasmus in die Worte, wie sie in ihrem Inneren finden konnte.
"Sprich nicht von Verstand!", fuhr sie fort und blickte dabei Jäger "Du willst Freunde sterben lassen, die uns prima dabei helfen könnten, unsere Mission zu Ende zu bringen. Was, wenn wir da stehen und nicht weiter wissen? Brauchen wir nicht einen Sheng, der mehr Ahnung von all dem hat als jeder von uns? Wenn wir einer Übermacht an Feinden gegenüberstehen... brauchen wir dann nicht erfahrene Scavenger, die uns helfen, die Armee der Untoten zu bewältigen? Also bitte - du willst den einfachen Ausweg, nicht die logische oder sogar richtige Wahl. Arschloch!"
Und dann entfernte sie sich das kleine Stück und ging zu Adams Wagen, an dem auch Evi saß. Anstatt der Kämpferin jedoch die Ruhe zu stehlen, die sie sich offenbar hat nehmen wollen, waren ihr Ziel die Vorräte. "Der Scheiß liegt hier schon so lange unberührt!", meinte sie lautstark und griff nach dem Jagdgewehr. "Wenn erfahrene Soldaten nicht kämpfen wollen, macht man es eben selber!", warf sie fast anklagend hinterher. "Frank, kannst du mir beibringen, wie man das Ding benutzt?"