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Krieger
Damit hatte er gerechnet. Jäger ging immer davon aus, dass es in dieser Welt keine Zivilisten mehr gab. Jeder ist ein Soldat, ob er es will oder nicht. Ob er Angst vor dem Tod hat oder nicht, ob er den Willen hat, das Unmögliche zu vollbringen oder nicht. Wir alle sind Armeen, deren Reihen sich während des nie enden wollenden Ausnahmezustandes lichten. Nach und nach fressen uns die Menschen, die wir einst liebten. Und diese Leute hier ... ja, sie waren Soldaten. Bis zu Letzt folgten sie den militärischen Tugenden. Taktisches Planen, Schwächen des Feindes ausnutzen, situationsgemäß überlebenswichtige Entscheidungen treffen im Angesicht einer Übermacht. Der Hunger, die Kälte, der Schmerz. Diese Reise hatte aus einer handvoll Siedlern Krieger gemacht. Sie haben ihre Talente erweitert und die eigenen Bedürfnisse an letzte Stelle gestellt. Wenn jemand diese Reise zu Ende bringen konnte, dann dieser ungleiche Haufen gleichgesinnter Individuen.
So dachte er bis zu diesem Augenblick. Jägers Schultern sanken nach unten, je mehr er den Worten von Lancaster und Evi lauschte. Je mehr sie von Hoffnung redeten, umso mehr schwand die Seinige. Als sie fertig waren, trat Stille ein. In seinem Kopf hatten sich bereits Worte gebildet, die er ihnen entgegen schleudern wollte. Mit denen er sie wachrütteln wollte. Aber sie kamen nicht über seine Lippen. Er fühlte nicht die Kraft, das zu sagen was gesagt werden musste. In den Augen seiner Mitstreiter loderte es leidenschaftlich, sie gingen völlig in ihren Gefühlen auf. In ihrer Nächstenliebe, ihrer Sentimentalität, der kindlichen Hoffnung, dass man doch alles erreichen konnte, wenn man nur fest genug daran glaubt. Wenn ihr eine Sternschnuppe seht, dann Macht eure Äuglein ganz fest zu und wünscht euch etwas und seht wie der Wunsch in Erfüllung geht. Nein. Diese Welt bestand nicht aus Regenbögen und Einhörnern. Sie bestand aus nacktem Beton und dem Gestank verfaulter Leichen. Sie bestand aus der harten Entscheidung das Leben der Wenigen für das Überleben aller zu opfern.
Dann hörte er Léos Stimme und nahm ihre Nähe neben sich wahr, als sie sich sich neben ihn stellte. Sie hatte also auch eine Entscheidung getroffen und sie ist ihr bis zu Letzt treu geblieben. Er nickte, mehr zu sich selbst als zu jemand anderem.
"Man braucht ... chahones, ja? ... um nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das Leben Anderer für Mission zu opfern.", sage er langsam, jedes Wort musste einzeln aus dem Mund gedrängt werden, sonst weigerten sie sich von alleine herauszukommen.
"Ihr macht große Fehler, wenn ihr eure Emotionen euer Handeln beeinflussen lasst." Er wandte sich zu Evi. "Ich sage: wenn jemand wertet seine eigene Bedürfnis, seine Liebste wieder zu sehen, höher als seine Pflicht zu tun, so kurz vor Ziel, dann das ist kein Mut. Das ist kein Held. Das ist Wahnsinn. Es widerspricht jeder taktischen Überlegung."
Ihm war nicht aufgefallen, wie sich seine Nägel in die Handflächen bohrten. Kleine weiße Halbmonde blieben zurück, als er seine Hände wieder entspannte.
"Meine eigene Familie ist tot. Sie tot und nichts sie wird zurückbringen. Und trotzdem stehe ich hier. Trotzdem werfe ich mich auf scharfe Klinge wenn das uns dem Ziel näher bringt. Denn ihr Tod macht mich nicht schwächer, er macht mich stärker. Ich will das allen anderen ersparen, versteht doch! Kein Kind mehr soll mit eigene Augen ansehen, wie seine Familie vergewaltigt oder zerfleischt oder in Zombie verwandelt wird. Wir haben eine Verantwortung, blyat, weil wir Einzige sind, die dem können ein Ende machen! Wir uns nicht leisten können, Chancen in Wind zu schießen, denn der Feind wird es nicht auch tun. Er wird alles war er hat nutzen um uns aufzuhalten, alles! Denkt an Shengs Hope. Er machte weder vor Frauen noch Kinder halt um uns zu stoppen! Und nun hat er endlich das, was er damit erreichen wollte. Mit Zerstörung unserer Siedlung und der Entführung machte er uns unkonzentriert, drängte uns von unserem Weg ab. Auch mich! Doch ich tanze nicht mehr nach seine Pfeife. Befreit euch von Emotion, das euch zurückhält das Richtige zu tun. Hört auf Verstand, nicht auf Herz. Das nicht Grimms Märchen! Wenn Horde sich zwischen uns und Adam stellt, wenn ihre Basis zu hohe Verluste für uns bringt, dann wird der Weg nicht der Selbe sein. Die Chance das Richtige zu tun sind geringer, der Letzte von uns wird fallen ehe Adam seine Aufgabe erfüllen kann. Wir das nicht zulassen können! Wir das doch nicht verantworten können!"
Seine Brust hob und senkte sich, die Luft strömte wild durch seine Nasenlöcher. Gab es denn sonst niemanden, der die schwere Entscheidung tragen wollte, weil man solch große Angst vor dem eigenen schlechten Gewissen hatte? Weil man vergaß, dass nicht immer alle gerettet werden konnten, selbst wenn das Herz vor Eifer aus der Brust sprang? Er kannte bereits die Antwort. Es war aussichtslos.
Geändert von truecarver (17.10.2015 um 15:57 Uhr)
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