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Deus
Ellie hat mir auch gefallen, wobei es etwas schade ist, dass das Thema nur in einer optionalen Nebenhandlung zur Sprache kommt, aber in der Fortsetzung wird sich das wohl ändern. Und dann gibt es neben Ellie ja auch noch Bill.
Dann haben wir darüber gesprochen, wie die sexuelle Ausrichtung der Figuren dargestellt wird und ob das auch ganz en passant geht. Mir fallen zwei Beispiele ein. In Horizon und Divinity 2 gibt es Statisten, die über ihren gleichgeschlechtlichen Partner bzw. über ihre gleichgeschlechtliche Partnerin sprechen, so wie es auch heterosexuelle Figuren tun würden.
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Held
So, in Antwort auf Sabbis und csgs Aufruf, mal ein paar Videospiel-Beispiele zu liefern, was wir denn für gelungene und weniger gelungene Formen der Diversität halten, habe ich hier mal drei Spiele aufgelistet, die mir eingefallen sind in Hinblick auf queere Charaktere. Dazu möchte ich aber sagen, dass ich echt überlegen musste, bis ich alleine drei Titel zusammen hatte.
Ellie finde ich btw auch sehr interessant, kann da aber leider nichts zu schreiben - ich habe den DLC nicht gespielt und auch, wenn der Trailer zu TLoU2 gut aussah, warte ich da lieber mit meinem Urteil, bis das Spiel auch draußen ist.
Night in the Woods: Gregg
Ein Beispiel für einen sehr gelungenen Charakter, der dabei eine große Rolle spielt, ist für mich Greggs aus Night in the Woods. Gregg ist schwul und lebt mit seinem Freund Angus zusammen in der Kleinstadt, in dem das Spiel spielt, und die beiden sparen mit ihren jeweiligen Kassiererjobs darauf, bald in die Großstadt ziehen zu können - einerseits, weil sie das Kleinstadtleben satt haben, aber auch, weil sie sich dort größere Akzeptanz erhoffen. Dem Gegenüber steht dummerweise, dass Gregg einfach emotional noch nicht ganz aus der Pubertät raus ist und sich zusammen mit Mae, der Hauptcharakterin, zu allerlei jugendlichem Unfug (und mehr) verleiten lässt, was bei seinen heeren Spar- und Umzugsplänen eher ungelegen kommt.
Nun ist Night in the Woods durch die Bank weg ein etwas... ungewöhnliches Spiel. Gregg Geschichte ist absolut irrelevant für die Hauptstory, gleichzeitig ist die Hauptstory so weit im Hintergrund, dass man sie meist vergisst und sie sich,w enn sie dann kommt, seltsam deplatziert anfühlt. Night in the Woods lebt viel mehr gerade von den Geschichten einer Bewohner und der ganzen Atmosphäre der Kleinstadt - und, allen voran, dem oft sehr gut getroffenen Ton, wenn es um die Probleme und Ängste der Charaktere geht. Daher würde ich Gregg nicht gerade als Beispiel anführen für "Siehste, macht doch gar keinen Unterschied im Entwicklungs-Aufwand!". Allerdings ist das schöne an Gregg eben, dass er Tiefe hat: Die Tatsache, dass er schwul ist, ist halt nur ein Aspekt, der zwar durchaus nicht unwichtig im Spiel ist, aber wunderbar organisch miteingebaut ist. Sie wird fast nie unnötig extra hervorgehoben - außer in Szenen, die sie eben explizit thematisieren -, ist aber immer irgendwie da, da sie in Form von Angus halt Teil seiner Darstellung ist. Das heißt aber nicht, dass Gregg deswegen automatisch Klischeeboxen Nr.3-10 muss, in jeder Szene mindestens ein dummer Klamotten- und Makeup-Witz vorkommen oder er alles angraben muss, was nicht bei drei auf den Bäumen ist (hier spricht meine anhaltende Hassliebe zur Netflix-Serie Orphan Black aus mir). Gregg ist halt letztlich ein ganz normaler Charakter mit Tiefe und Entwicklung, der halt auch - ganz ohne Holzhammer oder dem Rowling'schen "also wenn man zwischen den Zeilen liest" - ein LGBT-Char ist.
Dragon Age Inquisition: Dorian & Krem
Um mal Sabbi das Thema Dragon Age abzunehmen: Tatsächlich finde ich Dragon Age kein sehr gutes Beispiel für LGBT-Repräsentation, wenn auch eher für Diversität. Letzteres schneidet so ein bisschen an, was hier schon mehrfach angesprochen wurde: Es ist eine Fantasy-Welt. Es gibt keinen Grund, warum man nicht kurzerhand andere Hautfarben als weiß einbauen und das für total selbstverständlich erklären kann, Mittelalter-Anlehnung hin oder her. Was LGBT-angeht... Ja puh. Wird halt quasi nie thematisiert, wenn es nicht darum geht, dass der Spieler einen gleichgeschlechtlichen Char anflirtet um mit ihm anzubandeln. Theoretisch könnte man Lelliana, Anders, Fenris und Co auch komplett hetero- oder asexuell machen, es würde 0 Unterschied machen, von einer Hand voll Einzeiler-Dialogboxen (und Sexszenen, die aber eh nichts mit dem Rest des Spiels zu tun haben) abgesehen. Was völlig okay ist - Dragon Age macht seine Sache hierbei nicht [i]schlecht*, es ist aber eben auch kein leuchtendes Vorbild. Das Spiel ist ein halber Dating Simulator, es macht, was es soll - bloß wo es mehr zu machen versucht, erleidet es dann gerne mal Schiffbruch. Dorian etwa als persönlichen Charakter-Arc etwa völlig aus dem Nichts eine Familie anzuflicken, die ihn umpolen wollte, nachdem er vorher mit keiner Silbe erwähnt hat, dass sowas überhaupt existiert (oder Queerness in diesem Maße problematisch ist) lässt das ganze weniger wie eine tiefgründige Hintergrundgeschichte wirken und mehr wie einen Versuch, etwas verkrampft gesellschaftskritisch zu sein (was DA ja generell gerne vorgeworfen wird, ob gänzlich zu Recht oder zu Unrecht soll jeder für sich entscheiden). Das ist auch der Nachteil bei reinen Fantasywelten: Man muss sowas dann schon auch etablieren.
Sehr positiv fand ich allerdings Krem, den transgender-Söldner aus Iron Bulls Truppe. Er ist ein reiner Nebencharakter, hat aber gerade, wenn man sich mit Bulls Geschichte befasst, durchaus Präsenz. Im Zuge mehrerer Gespräche mit ihm erzählt er einem davon, wie er aufgewachsen ist, was seine Probleme mit seiner Identität in seiner Heimat waren und wie das wiederum damit zusammenhängt, wo er heute ist (i.e., in der Taverne deiner Festung). Auch hier ist nichts davon mit dem Holzhammer, aber alles sauber etabliert. Wer sich für den Charakter interessiert erfährt was über ihn, man muss nicht groß zwischen den Zeilen lesen (ja, ich habe Rowling in der Hinsicht gefressen), er ist prominent genug, dass man ihn dabei nicht einfach übersieht oder vergisst (siehe ein gewisser, aktueller Kinofilm).
Persona 4: Kanji
Und um mal ein Negativbeispiel auszupacken: Persona 4. Vorab, ich mag Persona 4 unheimlich gerne, noch lieber als 3 und 5. Aber Kanji - und damit leider zwangsläufig Naoto - stößt mir bis heute übel auf. Kanji ist nach außen hin ein Klischee-Rowdy: Lederklamotten, gefärbte Haare (gut, Rowdy-haft eher für japanische Verhältnisse), Piercings, dreckiges Mundwerk, im Zweifel erstmal pöbeln und draufhauen und dann (vielleicht) denken. Gleichzeitig liebt Kanji es zu nähen, zu sticken, zu schneidern und genrell alles, was mit Handarbeit zu tun hat, je niedlicher, desto besser. Nun haben wir hier zwei dicke Klischees, aber sei's drum - ist ja total valide soweit, ebenso wie vorstellbar ist, dass er Angst um sein hypermaskulines Image bei seinen Kumpels hat. Dass er sich dann in Naoto verguckt, die er zu dem Zeitpunkt für einen Jungen hält, hilft dem ohnehin etwas wackeligem Ego nicht.
Kanjis persönlicher Dungeon dreht den Klischee-Pegel dann auf 180: Eine Sauna, mit lauter halbnackten, hypermaskulinen Bodybuilder-Monstern und einem Schatten-Kanji im Fundoshi, der mit nasaler Stimme die männlichen Partymitglieder anmacht. Und, Achtung, auch das finde ich soweit noch okay. Es ist problematisch, aber genau das ist der Punkt: Wenn das das Bild ist, was Kanji von Queerness hat, dann ist es völlig klar, dass das seine Ängste sind; dass er merkt "ouh, ich bin nicht so 0815-maskulin wie mein Idealbildund stehe womöglich auf Männer" und Panik bekommt, da seine traditionell als feminin verstandenen Aspekte dermaßen negativ popkulturell dargestellt werden. Was aber problematisch ist und ich dabei nicht mehr gut finde: Yosuke befeuert genau diese Ablehnung das ganze Spiel durchweg permanent indem er bei jeder Gelegenheit betont, wie ihn das alles unangenehm berührt, sei es im Dungeon selbst (ok, bis zu einem gewissen Grad auch da noch verständlich angesichts des ganzen Settings) oder auch später: Kanji schläft mit den Jungs bei der Klassenfahrt in einem Zelt. "Ih, du könntest auf Jungs stehen, du schläfst gefälligst da in der Ecke und wehe du bewegst dich in meine Richtung". Ja super. Das kommt wohlgemerkt nachdem Kanji angeblich seine inneren Dämonen akzeptiert hat und die Charaktere sich nun eigentlich darauf konzentrieren sollen, sich nicht mehr zu verstecken und wird leider auch absolut nicht angesprochen.
Dass Kanjis "oh, ich könnte queer sein" mit sichtlichem Aufatmen seinerseits dadurch entschärft wird, dass Naoto sich als Frau entpuppt, ist auch so eine Sache, die das Ganze fast auf Rowling'sches Level hebt: Guck mal, wir sprechen kontroverse, progressive Themen an, und machen dann in letzter Minute nen Rückzieher.
Ist man nun maximal wohlwollend könnte man sagen, dass das Spiel all das vielleicht bewusst tut um selbst die Widersprüchlichkeit und Doppelmoral hier aufzuzeigen - aber schauen wir uns mal kurz den Track-Record von Atlus an. Persona 3? Die Jungs veranstalten ein Pickup-Artist-Wettrennen am Strand, nur um dann von der bösen, lasziven Trans-Frau reingelegt zu werden, vor der die Herren dann reißaus nehmen. Persona 5? Hat Comic-Reliefs in Form von zwei schwulen Männern die so feminisiert sind, dass es schon fast erste Anflüge von Drag hat, und Ryoji jedes Mal so sehr bedrängen, dass es fast in Übergriffigkeit ausartet. Catherine? Erika ist solange ein super Love Interest für einen Char, bis dieser erfährt, dass sie Trans ist und ihr dann vorwirft, sie habe ihn getäuscht und in einem Ende in was wohl ebenfalls Comic Relief sein soll sichtlich unangenehm berührt vor ihr zurückschreckt (vom höheren Kontext des Spiel mal abgesehen, den ich hier aber nicht näher ausbreiten will - große Spoiler und es würde die Diskussion evtl. wieder zu weit führen). Also ja, pardon me, aber Atlus kaufe ich da keine plötzliche Meta-Selbstironie ab.
Zu alledem muss man sagen, dass LGBT-Rechte und-Akzeptanz in Japan noch in den Kinderschuhen stecken und es daher nicht weiter verwunderlich ist, dass man dies auch in der Popkultur und damit in japanischen Videospielen merkt. Da Japan aber zunehmend auf einen globalen (oder zumindest westlichen) Markt angewiesen ist, halte ich es für umso gerechtfertigte, diese kulturellen Diskrepanzen klar anzusprechen. Ich verstehe total, wenn jemand entnervt aufstöhnt und sich wünscht, man würde doch bitte sein Videospiel da in Ruhe lassen mit all der Kritik, aber gerade Videospiele sprechen auch ganz stark jüngere an, die wiederum sich durchaus da beeinflussen lassen. Der Westen hatte seine große Hochzeit der Flamboyant-Gay-Comedy als Notlösung für so gar keine Repräsentation im Fernsehen und kommt bis heute nicht davon los, wir müssen uns jetzt nicht noch mehr pejorative Klischees importieren ohne die wenigstens dann zu hinterfragen und zu kritisieren.
Geändert von BDraw (23.06.2019 um 12:43 Uhr)
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