@maniglo93
Für mich ist die Handlung das, was die POV-Figuren tun, sagen und denken. Alles andere ist Hintergrund, "Lore", Ausschmückung - narrativ wichtig, aber keine Handlung.
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Wir Diskutieren jedoch nicht um das Wort <Handlung>, sondern <Handlungsrelevant>. Mit deiner Definition von <Handlung> stimme ich überein.
Zitat von Kelven
Hinter allem stecken egoistische Motive. Ohne Ego würde gar keiner auf die Idee kommen, eine Geschichte zu erzählen. Die Unterteilung müsste also eher so aussehen: Autor mag die Figur, findet sie interessant, befürwortet Diversität vs. Autor interessiert sich nicht für Diversität, es geht nur ums Geld oder es steckt gesellschaftlicher Zwang dahinter. Im Zweifel würde ich immer annehmen, dass die Figur aus ehrlichem Interesse eingebaut wurde.
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Ich teile dein Weltanschauung des reinen Egoismus nicht. Für mich sind Taten der Ethik, Aufopferung und Fürsorge ein klares Zeichen von nicht egoistischen Motiven.
Ich denke meine Aufteilung ist ziemlich genau. Wirtschaftliche Gründe können das Ego enthalten, sowie gesellschaftliche, doch muss das Ego nicht ausschlaggebend sein. Das Wort <Zwang> zeigt dies doch ziemlich gut. Wenn die Gesellschaft mich zwingt, einen diversen Cast zu haben, dann tue ich dies nicht aus egoistischen Gründen, sondern aus Gründen der Gesellschaft. Natürlich kann hier wieder argumentiert werden "... Letztendlich hat das beugen dee Gesellschaft Vorteile für das Ego", doch verwechseln wir hier Ego mit Vortbestehen des Menschen. Ich denke es ist nichts ungewöhnliches, dass sich etliche Menschen stressen, Überstunden leisten, Sachen mache, die sie nicht wollen, weil es die Gesellschaft oder Wirtschaft verlangt. Ein dämliche Beispiel ist, dass ich keine X€ für meinen geiles Auto ausgeben möchte, doch verlangt es die Wirtschaft von mir.
Zitat von Kelven
Beim Statisten wäre das Spiel natürlich nicht signifikant anders (wenn man mal außer Acht lässt, dass "ungewöhnliche" Figuren auffallen), The Last of Us wäre es aber schon.
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Ich habe leider keines dieser Spiele gespielt. Wenn du mir sagst welche Figuren du genau bei The Last of Us meinst, informiere ich mich darüber und schildere dir gerne meine Ansicht
Zitat von Kelven
Ich kann jedenfalls verstehen, dass marginalisierte Gruppen in Medien repräsentiert werden wollen. Sie wurden sicher nicht aus narrativen Gründen lange Zeit übergangen.
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Ich kann das auch vollkommen verstehen, dass sie es wollen. Doch geht es meiner Ansicht nach nicht um das "wollen", sondern um das "sollen". Analog kann ich ebenfalls verstehen, wenn ein 6 Jähriger den Sandkuchen zum Mittagessen essen möchte (vielleicht ist 6 Jahre schon zu alt...), doch ob er das soll, ist eine andere Frage. Erwartungen haben mit dem "sollen" zu tun. Ich will auch mehr Krimis als Superhelden-Filme, dennoch erwarte ich es nicht. Würde nun jemand in Superhelden-Filmen einen Krimi Teil erwarten, also die Meinung vertreten in einen Superhelden-Film soll ein Krimi Teil vorkommen, bloß weil er es will, dann Kritisiere ich es.
Zitat von Kelven
Also was ist dann nach deiner Definition nicht handlungsrelevant? Ich hab noch kein Unterhaltungsmedium gesehen, das nicht ständig ausschmückt. Ausschmückung ist narrativ notwendig, weil jede Geschichte ohne "Informationen, die für die eigentliche Handlung nicht relevant sind" langweilig wäre. Wenn du einen grünbewachsenen Berg, den der Autor in seinem Buch beschreibt, für handlungsrelevant hältst, dann müsstest du eigentlich auch die bloße Information, dass eine Figur homosexuell ist, für handlungsrelevant halten.
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Also etwas Formaler:
Handlungsrelevant (in diesem Zusammenhang) ist, wenn eine Eigenschaft X durch die Eigenschaft Y ausgetauscht wird, und dadurch die Handlung in mind. einem Teil unschlüssig / schlechter /... wird, dabei muss im optimalen Fall X das "Gegenteil" von Y sein.
Nehmen wir an, in einem Buch ist Paul schwul und küsst in Kapitel 5 einen Kerl. Nun wechsel ich die Eigenschaft schwul mit heterosexuell aus. Nun wird Kapitel 5 unlogisch. Also ist, dass Paul schwul ist Handlungsrelevant. Nun sei in Kapitel 3 erwähnt, dass ein Haus in der Stadt rot ist. Würde ich rot mit blau austauschen, würde jedoch nichts unlogisch werden. Also ist die Farbe des Hauses nicht Handlungsrelevant. Sie hat die Farbe aus Wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder egoistischen Gründen.
Zitat von Kelven
Das bleibt ja jedem selbst überlassen. Wenn jemand fehlende Diversität für einen großen Makel hält, dann ist es eben so. Menschen sind verschieden bzw. stellen unterschiedliche Ansprüche. Problematisch wäre es nur, wenn Diversität der Handlung schaden würde und das tut sie in der Regel nicht.
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Ich kann diese Einstellung nicht vertreten. Ich stimme dir zu, dass jeder anders ist, ich stimme dir zu, dass jeder andere Ansprüche hat, ich stimme es zu, dass es jedem eigenes Bier ist, doch bedeutet meine Zustimmung nicht eine Isolation von meinerseits. Ich akzeptiere und verstehe (zum Teil) die anderen Ansichten, dennoch kritisiere ich sie. Das eine schließt das andere nicht aus.
Zitat von Kelven
Das ist es aber nicht, weil jeder von uns Vorlieben und Abneigungen hat.
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Genau! Wir sollten bei der Ausübung von Kritik uns nicht von Neigungen leiten lassen, sondern professionell daran gehen. Sonst entstehen Kritik wie "ich habe heute morgen meine Kaffeetasse umgestoßen, deswegen bin hasse Kaffee grade, und da Kaffee im Buch erwähnt wird ist es schlecht". In Kritik gehören, außer meiner Sicht, keine Neigungen, sonder rationale Empfindungen. Wenn jeder eine Kritik nach seinem Empfinden äußert, ist eine Kritik sinnlos, denn jeder Mensch empfindet anders.
@maniglo93: Ich verstehe bei deinen ganzen Ausführungen immer noch nicht so recht, was dein eigentliches Problem an der Sache ist.
Dürfen marginalisierte Gruppen nun mehr angemessene Repräsentation in den Medien, die sie konsumieren, fordern oder nicht? Und wenn nicht, warum nicht?
Ich stimme dir ja zu, dass es nicht damit getan ist, irgendwo ein Label hinzupacken, aber gerade bei Video-/Computerspielen gibt es eine Vielzahl nuancierter Möglichkeiten, Diversität realistisch zu repräsentieren, ohne es für die Handlung und den Plot relevant zu machen. Und da bietet sich die Alltäglichkeit des ganzen schlichtweg an. So wie jeder heterosexuelle NPC z.B. über seine(n)/ihre PartnerIn in einem Nebensatz spricht, sollte das ohne großes Aufsehen auch für homosexuelle z.B. möglich sein, ohne gleich eine dramatische Questreihe über das Thema anzustoßen. Oft genug reicht schon die schlichte Normalität des ganzen völlig aus. Was halt stört, sind halbherzige Einwürfe (siehe Dumbledore) oder pure Klischees.
Und ich verstehe nicht ganz, was an dem Wunsch nach dieser Normalität so kritikwürdig ist? Ja, das Gesamtpaket muss noch in sich schlüssig sein, aber die Erzählungen in unseren Medien können weitaus flexibler sein, als man es ihnen zutraut. Aber das ist halt auch ein Lernprozess, den Autoren und Entwickler mitgehen müssen.
Btw.: Natürlich kannst du Superhelden mit Krimi oder Thriller kombinieren: Das zeigen die Netflix-Serien von Marvel eigentlich ganz gut. xD
Wir Diskutieren jedoch nicht um das Wort <Handlung>, sondern <Handlungsrelevant>. Mit deiner Definition von <Handlung> stimme ich überein.
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Aber was bedeutet denn das, was ich schrieb, im Umkehrschluss? Alles, was nicht mit den Taten und Worten der POV-Figuren zu tun hat, ist auch nicht handlungsrelevant. Und mal ganz abgesehen davon: Relevant für die Handlung ist eine Information für mich nur dann, wenn sie eine größere Bedeutung für die Handlung hat.
Selbst Altruismus ist egoistisch, denn man handelt immer seines Egos wegen. Ich weiß natürlich, wie Egoismus umgangssprachlich verwendet wird. Mir geht es nur darum, dass man "egoistische Motive" nicht von "wirtschaftlichen" oder "gesellschaftlichen" abgrenzen kann, weil auch die egoistisch sind. Aber ich rede gerade um das eigentliche Problem herum: Die Diversität und auch die Integrität der Menschen wird entwertet, wenn man ihnen unterstellt, dass es ihnen nur ums Geld geht oder dass sie von der Gesellschaft "gezwungen" wurden. Das sollte man nicht tun, wenn es dafür keine Beweise gibt.
Die Antwort zu deiner Frage wegen The Last of Us packe ich mal lieber in einen Spoiler:
Zitat
Doch geht es meiner Ansicht nach nicht um das "wollen", sondern um das "sollen".
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Ich würde eher von "können" sprechen. In sehr vielen Geschichten könnte die Hauptfigur einer marginalisierten Gruppe angehören, ohne dass es eine negative Auswirkung auf die Handlung hätte. Im Prinzip kann so gut wie jede Geschichte mit jeder Figur erzählt werden, wenn sich die Geschichte nicht gerade um ein Merkmal dreht, dass nur die Gruppe der Figur besitzt. Der Künstler kann meistens ganz nach Lust und Laune entscheiden und das ist gut so.
Zitat
In Kritik gehören, außer meiner Sicht, keine Neigungen, sonder rationale Empfindungen. Wenn jeder eine Kritik nach seinem Empfinden äußert, ist eine Kritik sinnlos, denn jeder Mensch empfindet anders.
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"Rationale Empfindungen" ist aber ein Oxymoron, quasi ein schwarzes Weiß. Wir Menschen werden von unseren Gefühlen beherrscht, egal ob professioneller Kritiker oder Amateur. Eine Kritik wird objektiv gesehen nicht schlechter, weil der Kritiker Kriterien heranzieht, denen man selbst nichts abgewinnen kann. Es ist also vollkommen in Ordnung, wenn fehlende Diversität kritisiert wird. Objektiv gesehen ist dieser Kritikpunkt nicht schlechter als die Kritik an der sprachlichen Komposition der Dialoge, an der Glaubwürdigkeit der Geschichte (ist auch von Gefühlen abhängig) etc.
Die Frage ist, warum haben wir keine Hauptcharaktere, die homosexuell sind, im Rollstuhl sitzen oder das Down-Syndrom haben? Ganz einfach: Weil sich dann die ganze Geschichte nur DARUM drehen muss und man die eigentliche Geschichte, die man erzählen wollte, nur noch schwer erzählen kann. Man muss auf die besonderen Umstände eingehen. Ansonsten werfen einem die Anhänger eben jener gesellschaftlicher Gruppen automatisch mangelndes Fingerspitzengefühl im Umgang mit der Thematik vor. Schnell geht es dann nicht mehr um das Spiel, sondern um irgendwelche Spitzfindigkeiten.
Die Frage ist, warum haben wir keine Hauptcharaktere, die homosexuell sind, im Rollstuhl sitzen oder das Down-Syndrom haben? Ganz einfach: Weil sich dann die ganze Geschichte nur DARUM drehen muss und man die eigentliche Geschichte, die man erzählen wollte, nur noch schwer erzählen kann. Man muss auf die besonderen Umstände eingehen. Ansonsten werfen einem die Anhänger eben jener gesellschaftlicher Gruppen automatisch mangelndes Fingerspitzengefühl im Umgang mit der Thematik vor. Schnell geht es dann nicht mehr um das Spiel, sondern um irgendwelche Spitzfindigkeiten.
Ken der Kot
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Und warum muss sich die Story dann nur noch darum drehen? Klar, du musst schon manches authentisch darstellen - wenn dein Held im Rollstuhl sitzt wirst du das schon ansprechen müssen, wenn du anfängst, deine Maps mit Treppen zuzupflastern. Aber darüber hinaus? Literatur und allmählich auch Filme und Videospiele zeigen doch wirklich, dass man sowas auch einbauen kann, ohne es zum Nabel der Welt machen zu müssen, und in gewisser Weise geht es ja auch genau darum.
Hast du zu dem markierten Teil irgendwelche Beispiele? Denn sonst bin ich gerade sehr geneigt das als eine dieser Pseudo-Verteidigungen abzutun, in dem ein Aufstand künstlich heraufbeschworen wird, noch ehe "die Anhängerschaft" überhaupt geblinzelt hat.
Hast du zu dem markierten Teil irgendwelche Beispiele? Denn sonst bin ich gerade sehr geneigt das als eine dieser Pseudo-Verteidigungen abzutun, in dem ein Aufstand künstlich heraufbeschworen wird, noch ehe "die Anhängerschaft" überhaupt geblinzelt hat.
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Das muss ich gar nicht, denn es liegt in der Natur des Menschen, daß er sich echauffiert, wenn er der Meinung ist, etwas entspräche nicht seiner Vorstellung dessen, was angemessen ist. Es sind sensible Thematiken, die einen Aufschrei gerade zu provozieren, wenn man sich dem Thema annähert. Man muss kein Psychologe oder Hellseher sein, um sicher beschwören zu können, daß die Gemüter da leichter hochkochen. Auch, wenn man einen Rollstuhlfahrer einbaut, ihn aber wirken lässt wie einen Superheld, der durch seine Superkräfte keine Einschränkungen hat und deshalb nicht auf seine Beine angewiesen ist, könnte auf Gegenwind stoßen, weil man dann wiederrum vorwerfen könnte, der Autor setze sich mit dem Thema nicht aueinander. Die Spielerschaft würde dann fragen "Wieso dann überhaupt einen Rollstuhlfahrer und nicht einfach einen ganz normalen Helden der laufen kann?" Man könnte dann auch vermuten, der Autor will sich darüber belustigen. Du siehst, man findet immer Gründe, etwas beschissen zu finden.
Und zu dem Treppenbeispiel: Im richtigen Leben gibt es Rollstuhlfahrer und es gibt Treppen. Insofern normal, daß man auch Treppen einbauen würde. Nur auch alternative Zugänge. Nur Treppen einzubauen und den Hauptcharakter jedes mal sagen lassen "Da kann ich nicht hoch, denn ich sitze im Rollstuhl" wäre nicht spaßig für den Spieler. Außerdem wäre es mit Verlaub ziemlich bescheuert.
Ken der Kot
Geändert von Ken der Kot (11.06.2018 um 21:28 Uhr)
Wo ist denn dort der Zusammenhang? Weshalb wird denn die Diversität und Integrität der Menschen entwertet, wenn man ihnen sowas unterstellt? Das klingt mir total aus dem Himmel gegriffen.
Dazu was meinst du genau mit dem Wort "unterstellen"?
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Es gibt Menschen, die sind gegen Diversität oder um genau zu sein sind sie gegen die marginalisierten Gruppen. Sie unterstellen - das heißt, sie behaupten, ohne dass es Beweise gibt - den Unternehmen, dass es ihnen nur ums Geld oder um Publicity geht oder dass sie vor den "SJWs" einknicken und von ihnen manipuliert werden. Letztendlich geht es diesen Menschen ja auch nicht um sachliche Kritik, sondern darum, die Unternehmen oder auch einzelne Personen zu diskreditieren. Ich geh davon aus, dass du das nicht willst, aber gerade deswegen würde ich mich von dieser "Argumentation" möglichst weit distanzieren. Ich würde wie gesagt zunächst immer annehmen, dass jemand marginalisierte Gruppen inkludiert, weil er die Figuren und Diversität gut findet.
Zitat
Weshalb sollten wir also die fehlende Diversität ohne Handlungsbezug erwarten, wenn die sein kann, wie sie möchte.
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Das Publikum darf natürlich Erwartungen haben und Forderungen stellen. Das gehört zur Unterhaltungskunst dazu. Aber wer fordert eigentlich Diversität ohne Handlungsbezug? Je größer die Rolle einer Figur, desto zufriedener sind doch die Menschen, die von ihr repräsentiert werden.
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Zum aktuellen Punkt: Kann jemand eine Liebesgeschichte erzählen, der noch nie verliebt gewesen ist? Natürlich, indem er sich an anderen Liebesgeschichten orientiert (und die nötige Empathie besitzt). Es gibt eine Menge Fiktion, die alles andere als realitätsnah ist, idealisierte Liebesgeschichten stellen Beziehungen (und Menschen) eben nicht so dar, wie sie in echt sind. Je größer der Bezug zwischen Geschichte und Realität ist, desto mehr Recherche ist auch notwendig. Wenn jemand z. B. eine glaubwürdige Geschichte über Homophobie schreiben möchte, dann sollte man schon wissen, worüber man schreibt, aber eine Geschichten mit einer homosexuellen Hauptfigur muss sich nicht mit Homophobie befassen. Der Autor könnte sich sogar eine Welt ausdenken, in der es keine gibt.