-
Krieger
Sie standen wieder draußen auf der Veranda vor Fawyerland. Das Gebäude wirkte vor dem Hintergrund des Ödlandes unreal, als wäre es aus einer Zeitschrift herausgeschnitten und mitten auf das trübe grau und braun der Landschaft geklebt worden. Liz strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, den Blick in die Ferne gerichtet. Seit sie das Casino verlassen hatten, hatte sie kein Wort gesagt, folgte stattdessen gedankenverloren Jäger hinaus als hätte sie keinen eigenen Willen mehr. Beide standen sie nun vor der geschlossenen Tür, aus der unaufhörlich Musik und Gelächter drang. Klirrende Gläser, schwere Schritte, Rufe, die man nicht genau ausmachen konnte. Sie hatten in dieser Welt nichts verloren, das spürte Jäger schon als er den ersten Schritt ins Innere setzte. Das Gefühl hatte sich nie richtig verflüchtigt. Er strich mit der Hand über die Stoppeln an seinem Kinn, wollte den Mund aufmachen um das Schweigen zu brechen, doch Liz kam ihm zuvor.
"Na dann, viel Erfolg auf der Weiterreise." Sie schaute ihn mit ihren großen Augen an. Ein leiser Schauder lief ihm über den Rücken und er wandte den Blick ab.
"Ja. Ich denk, wir brauchen mehr Glück als Erfolg." Er lächelte schwach. Immer wenn die Gruppe einer Übermacht gegenüberstand, bekam er das Gefühl, ihr aller Überleben wurde in einer Art Lottospiel vorher ausgelost. Als zähle das Training und die Determination jedes Einzelnen nur so viel, ab einem bestimmten Punkt entscheidet das reine Glück darüber, wer überlebt und wer unter die Erde kommt. Es deprimierte ihn. Erneut schwiegen sie, bis Liz die Arme vor der Brust verschränkte und ihm ins Gesicht blickte.
"Dann eben viel Glück. Werd ich auch brauchen, wenn ich Wrecker lebendig finden will. Wie eine Heunadel im Scheißhaufen ..." Ihre Stimme brach ganz leicht ein als sie es aussprach. Jäger fragte sich, ob für ihren Mitstreiter das Los bereits gezogen wurde. Stattdessen sagte er:
"Wird schon. Und wenn du nur Gewissheit über sein Schicksal findest, dafür alleine lohnt Weg."
Sie runzelte verwundert die Stirn, ihr Mund verzog sich dabei zu einem unerwarteten Lächeln. Ihr war nicht danach zumute, das konnte man sehen, aber sie lächelte trotzdem. Sie sollte es öfter tun, befand Jäger.
"Hätte dich nicht für so einen Romantiker gehalten. Wirst du mir gleich Goethe zitieren?"
"Wenn dann Puschkin. Du wohl denkst er wirklich nicht hier? Dein Kollege, mein ich."
Sie zuckte die Achseln.
"Ich weiß es nicht. Ich meine, du hast Torres mit einer scheiß Bombenweste bedroht. Wer da noch was vom Pferd erzählt muss absolut durchgeknallt sein, nicht wahr?"
Jäger nickte langsam, ohne wirklich daran zu glauben. Die Apokalypse gebärt seltsame Gestalten, wer kann schon heutzutage andere richtig einschätzen, wenn das Leben fast nur aus gehetztem Hin und Her besteht und wo fast jeder Fehltritt einen gewaltsamen Tod bedeutet. Die Leute ticken doch alle nicht mehr ganz richtig, hatte sein Kompanieführer einst gesagt. Aber verlass dich auf die Gruppe und ihren gemeinsamen Willen. Der ist immer stärker als der Wahnsinn Einzelner.
"Du Blödmann hättest dich wohl wieder mit dem Muskelberg angelegt, was?", sie boxte ihm leicht in die Schulter. Das Mädel sollte wirklich häufiger lächeln, dachte Jäger. Es entfernt zumindest für eine kurze Zeit diesen komischen Ausdruck aus ihren Augen, mit dem er sich bisher nie richtig anfreunden konnte.
"Na klar. Ich vorhin nur verloren, weil ich verlieren wollte. Dieses Mal es anders ausgegangen." Er schlug mit der Hand auf seine Kletteraxt. "Dieses Mal er wäre nicht heil davongekommen."
"Dann gut für ihn, dass er uns gehen ließ."
Wieder standen sie eine Weile da, beide in ihren eigenen Gedanken versunken. Die Dunkelheit legte sich langsam über den Ort, der lange Schatten von Fawyerland hatte sich bereits über sie geschoben.
"Also.", sagte sie dann. "Machs gut. Und, uh ... danke für die Hilfe. Richte deinem hübschen Freund auch einen Dank von mir aus."
Jäger nickte. Zögerlich gab sie ihm einen kleinen Wink und wandte sich zum Gehen.
"Warte mal."
Sie blieb stehen und sah ihn fragend an.
"Kann sein, dass wir Leute wie dich brauchen können, hm?"
"Leute wie mich?", sagte sie und neigte den Kopf zur Seite.
"Jemand der kämpfen kann, mein ich." Jäger schaute sich verschwörerisch um und kam sich sogleich lächerlich vor, da sie völlig alleine waren. Dennoch trat er näher an Liz heran, die ihn immer noch mit hochgezogenen Augenbrauen anblickte.
"Wir haben wahrscheinlich Gegenmittel für Plage. Müssen es zu Zielpunkt bringen, kann dir noch nicht sagen wohin. Aber sehr wichtige Sache das. Wenn wir es schaffen, dann wird alles wieder gut, ich denke. Keine Angst vor böse tote Mann mehr. Oder Frau."
"Moment. Redest du hier gerade von dem Zombievirus? Es gibt ein Gegenmittel? Und ihr Ulknudeln habt es in eurem Besitz?" Sie verschränkte die Arme und schüttelte den Kopf, während ihre Zunge die Wange von innen wölbte.
"Ich meine ernst. Gefährliche Mission, wir alle vielleicht dabei draufgehen. Aber überleg was wir erreichen können, Elisabeth."
"Für dich immer noch Liz."
"Okay, fein. Dann Liz. Ohne Zombies die Welt kann wieder frei atmen, verstehst du? Und es liegt an Handvoll mutiger Lebensmüder um das hinzukriegen." Er breitete grinsend die Arme aus, als wäre es der herrlichste Gedanke überhaupt. "Wenn wir Blockade durchbrechen, wir unserem Ziel sehr viel näher. Wir es schaffen können, ich überzeugt!"
Sie schüttelte wieder ungläubig den Kopf. "Das ist Wahnsinn. Du verlangst, dass ich wegen einem Märchen mein Leben für euch aufs Spiel setze? Mit dem Kopf voran gegen die Blockade renne?"
"Das doch kein Märchen, du dumme Kuh. Und du tust es nicht für uns, du tust es für alle die noch leben! Für die Welt. Für Mensch. Wenn du Ehre willst, davon es wird auch genug geben. Welches Ziel wichtiger als Wiederherst ..."
"Jetzt halt mal die Schnauze für einen Moment, ich muss nachdenken. Ach, und deine Ehre kannst du dir mitsamt deiner 'Menschen' hinten reinstecken. Was bringt mir das alles, wenn ich tot in 'ner Grube liege, hm?"
Wollte sie es nicht verstehen? Die Gelegenheit an einer Mission wie dieser teilzunehmen erfüllte sie nicht mit Ehrgeiz, mit Sinn? Die Apokalypse gebärt tatsächlich seltsame Leute, dachte er verdrossen und bereute, dass er es überhaupt vorgeschlagen hatte. Ein kalter Wind zog auf und er begann zu frieren. Er sehnte sich plötzlich nach dem Lagerfeuer in ihrem Stützpunkt. Hier gab es ohnehin nichts mehr zu holen.
"Pass auf. Wenn dir unsere Mission nicht gefällt, dann niemand zwingt dich. Bleib von mir aus hier, bei deine kleine Freunden, die dich so gut behandeln oder lauf alleine durch die Gegend rum und lass dich nicht von Untoten beißen. Ich sage nur, in Gruppe du mehr erreichen kannst. Gruppe bedeutet Sicherheit, stimmts? Vielleicht wir laufen deine Wecker über den Weg. Ja ja, schon gut - Wrrrrecker. Ich zumindest verspreche Augen offen zu halten und jeder weiß, vier Augen sehen besser als zwei. Es ist nur so, wir brauchen starke Leute. Leute, die nicht nach Mund reden, sondern wissen was sie wollen und wie sie es erreichen. Heute zu selten sowas, wenn man bedenkt, dass jeder nur auf eigene Vorteil aus ist. So kann man nicht die Welt retten." Er machte eine Pause. "Na, was du sagst?"
Geändert von truecarver (16.10.2015 um 13:24 Uhr)
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln