Genug. Das dachte sich Al, als er mit den anderen Überlebenden an den Ort zurückkehrte, der vor kurzem noch Shengs Hope genannt wurde. Von Hoffnung konnte nun freilich keine Rede mehr sein. Der Anblick von Grausamkeit, Verwüstung und Tod schockierte Al mehr als er ihn berührte. Vor allen Dingen aber vermittelte er ihm das Gefühl, dass es nun endgültig Zeit war, auszusteigen, wenn ihm sein Leben lieb war. Es waren bereits Menschen gestorben, und es würde mehr sterben. Al war kein Held, und wenn die anderen für ihre Mission einen Heldentod sterben wollten, dann war das ihre Entscheidung. An einen Erfolg hatte Al nie so recht geglaubt, und er hatte weder eine nennenswerte Bindung noch fühlte er eine sonderlich starke Verpflichtung gegenüber seinen Mitstreitern.

Allein diesem Umstand war es zu verdanken, dass Al keinen Heldentod starb. Bereits in der vergangenen Tagen hatte er sich sehr im Hintergrund gehalten, um ja nicht zu denen zu gehören, deren kalte Köroer am Wegesrand zurückgelassen mussten. Igor war in permanenter Alarmbereitschaft gewesen und Al hatte auch nachts selten ein Auge zugetan. Er wusste nicht einmal so recht warum, aber er wollte leben, und was er am allerwenigsten wollte, war für andere Menschen bei dieser „Mission“ zu sterben.

Während seine „Mitstreiter“ noch vom sich ihnen bietenden Anblick schockiert waren, fasste Al bereits den Entschluss, zu verschwinden. Jetzt sofort. Er hatte nicht viel bei sich, die Nahrungsmittel würden nicht lange halten. Aber je länger Al an diesem Ort blieb umso dunkler wurde seine Vorahnung, dass er an diesem Ort nicht lange überleben würde. Glück und Feigheit waren dafür verantwortlich, dass er zuvor gefährlichen Situationen lebend entronnen war, doch all diese Momente waren kein Vergleich zu dem, was sich ihm jetzt bot.

Leise entfernte er sich von den anderen und begab sich so schnell wie möglich außer Sichtweite. Nach ein paar Schritten verschwand er hinter einer Hauswand. Hier konnte ihn niemand sehen. Sein Herz raste. So nervös war er die ganze Zeit nicht gewesen, dabei gab es jetzt niemanden, der seine Waffe auf ihn richtete, ihm hinterherrannte ohne drohte, ihn anzuspringen. Dachte Al.

Dann ging alles sehr schnell. Irgendetwas Hartes traf ihm von hinten am Kopf. Augenblicklich wurde ihm schwarz vor Augen. Er taumelte einen Moment, verlor dann erst die Orientierung, dann das Gleichgewicht und fiel dem Kopf der Erde zugewandt zu Boden. Beinahe verlor er auch das Bewusstsein, und einen Moment lang dachte er benommen, dass es gar nicht so übel wäre, jetzt einzuschlafen. Schlaf war ihm jedoch keiner vergönnt, denn ein zweites Mal wurde er hart von irgendetwas oder irgendjemandem getroffen, diesmal an der Schulter, und diesmal wurde der Schmerz nicht durch seine Benommenheit betäubt. Bevor Al Zeit hatte, die Situation zu begreifen, spürte er, wie etwas tief in seinen Rücken eindrang. Sein Kopf explodierte vor Schmerz, seine Arme und Beine zappelten unbeholfen, doch die Kraft verließ bereits seinen Körper. Das Gefühl in seinen Fingerspitzen und Händen verließ ihn. Al spürte nicht länger den Boden unter sich. Um ihn herum war alles schwarz, und jegliches räumliches Empfindungsvermögen verschwand. Als er einen letzten Versuch unternahm, sich zu bewegen, hörte sein Körper bereits nicht mehr auf ihn.

Al erfuhr nie, wer oder was ihn erwischt hatte. Er verabschiedete sich nie von seinen Kameraden. Er traf nie seinen Vater wieder. Und er starb keinen Heldentod.