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Ehrengarde
Das Sarin einzusetzen war so verdammt ehrlos.
Es machte sie nicht besser als El Asustin und seine Sippschaft von dreckigen Feiglingen.
Léo kontrollierte, ob ihr Jutebeutel fest genug um ihre Hüfte gezurrt wurde. Álvaro konnte sie bei solch einem Kampf nicht gebrauchen, eigentlich gar keinen überflüssigen Ballast, aber hier ging es um die Familie.
Als Seeker zum Angriff trillerte, sprang Léo nicht sofort los in die Schusslinien der Waffen der Sabals wie ihre neue Schwester und viele Vulture, sondern machte sich in der Sicherheit der Büsche daran, die größten Feiglinge abzufangen und zu richten. Wenn sie zu Julio wollte, musste sie so oder so warten, bis ihm und seinen Leuten die Munition zumindest zu Neine ging.
Ihr Körper stand noch immer so in Flammen von all dem Frust, Schmerz und Zorn, der sich diesen Tag aufgestaut hatte, dass er ohne großes willentliches Lenken ihrerseits agierte. Der regelrechte Berserker-Modus.
Die Kugeln flogen überall. Schreie- sterbende, anstachelnde, warnende.
Einer unter ihnen an sie gewandt:
„Schwester! Ich hab schon 4!“
Die rasenden Latina musste grinsen und schrie Seeker zurück:
„Bei mir sinds 7!“, ein Mann kam direkt auf sie zugerannt, direkt in ihre Klinge. „Acht!“
Das wilde Knurren ihre Schwester war durch das Getümmel klar zu hören und noch motivierter stürzte sie sich zurück in die Schlacht.
Das hier war die Welt, wie sie nun war, perfekt zusammengefasst. Reiße anderen den Arsch auf, oder sie tun es mit Dir. Früher oder später lief es immer darauf hinaus, da konnte man vorher noch so lieb miteinander tun.
Ein Vorteil, wenn man komplett alleine war, war, dass man nicht so einfach verletzt werden konnte, da jeder, den man liebte, schon tot war. Die Maxime, nach der sie leben wollte. Aber sie musste sich eingestehen, dass es ein großes, wundervolles Gefühl war, sich als Teil einer wirklichen Familie zu fühlen. Ein lang vergessenes Gefühl.
Das Problem war nur, dass man dadurch verletzlich wurde. Also musste sie die Verluste so klein wie möglich halten und am besten selbst auch nicht drauf gehen.
Ein schneller Rundumblick verriet ihr, dass ihre Kumpanen soweit wohl noch alle wohlauf waren bis jetzt, also machte sie sich daran, sich auf einen besonders muskelbepackten und schwerbewaffneten Sabal zu stürzen. Ihm sein schnuckeliges Maschinengewehr abzunehmen war noch leicht, aber als er ihr mit voller Kraft gegen die linke, immernoch verletzte Schulter schlug, setzte Léos Betriebsystem für einen Moment aus und die Welt wurde ein Mischmasch aus Farben und flackernden Sternchen. Als sie wieder zurückkam, hatte der Mann ihr ihre Machete abgenommen und wollte sie damit aufschlitzen, als ein brachialer Kampfschrei ertönte und er aus Léos Blickfeld verschwand. Verblüfft sah sie sich um und erkannte Seeker, die ihm von hinten angesprungen, ihm ihre Sichel in den Nacken getrieben hatte und nun auf seinem toten Körper ein paar Meter durch die Gegend schlitterte, ehe sie in einem halsbrecherischen Salto von ihm runter sprang und grazil landete.
„Der zählt aber nur als Einer!“
„Gern geschehen!“, meinte Seeker fast schonsarkastisch, ehe sie Léo ihre Machete zuwarf.
Eine gewaltige Explosion einer Hütte zog die Aufmerksamkeit auf sich. Nicht nur der beiden amazonenhaften Frauen. Auch Julio wandte sich einen Moment ab von seinem unmittelbaren Kampfgeschehen.
Gleichzeitig stürmten sie beide auf den Jeep zu und schnetzelten auf ihrem Weg Sabal um Sabal nieder.
Gerade sprang Seeker seitlich auf das Gefährt, als El Asustin sich wieder umdrehte und instinktiv das Maschinengewehr umschwang. Schnell duckte sich die Anführerin, um dem Kugelhagel auszuweichen und versuchte näher zu kommen. Unterdessen hatten sie auch Julios engste, weil am nächste am Jeep stehenden, Männer und Frauen bemerkt. Léo versuchte so gut es ging ihrer Herrin zu werden. Zum Glück konnten sie sich aufgrund der schieren Masse an Gegnern nicht als Gruppe um eine einzige Frau kümmern.
Eine unaufmerksame Sekunde nutzend erklomm sie geschmeidig das Auto, auf welchem der Sabalboss sein Machienengewehr nun als Mischung aus Feuer- und Nahkampfwaffe gegen Seeker einzusetzen, die durch diese seine Verteidigung durchzubrechen versuchte.
Léo wollte ihm gerade die Machete in den Rücken rammen, als sie abrutschte und sich quer über den Jeep legte. Der harter Aufprall ließ Julio herumschnellen und ein Kampfmesser zücken. Er hatte verdammt gute Reflexe.
Ein harter, unerbitterlicher Kampf zwischen den dreien entbrannte, in dem er seinen beiden Kontrahentinnen Alles entgegensetzte, was er konnte, doch durch die Erschöpfungstaktik der Beiden schließlich überwältigt wurde.
Seeker warf ihn hart auf den hinteren Teils des Jeeps und war sofort über ihm, bereit, den finalen Streich zu tätigen. Doch Léo hielt sie zurück. Nach einem intensiven Blickwechsel schien ihre neue Schwester zu verstehen und machte ihr Platz.
„Du hattest keine Chance, Cabrón. Die richtige Familie wird das Revier hier endlich wieder übernehmen.“
Er wehrte sich noch immer, versuchte jeden kleinen Fehler auszunutzen, doch sie hatten ihn nun.
„Oder hatten Du und Deine Bande räudiger Parasiten geglaubt, die Arrellano-Felix würden sich nie revanchieren?“
Ungläubig starrte er ihr entgegen.
„Aber wie, das-....diese Augen...“
„Jaaah, ihr habt meinen geliebten Vater bis ins Mark gedemütigt, doch dafür bezahlst Du heute.“
Seine Pupillen weiteten sich, blanker, unverhohlener Hass stand in ihnen.
„Mein Vater hätte Fransisco damals erschießen sollen... und Dich gleich mit, Puta! Ich hoffe, er liegt irgendwo verstümmelt herum und das wäre noch zu gut für ihn!“
Er spuckte ihr ins Gesicht. Sie ignorierte das geflissentlich.
„Ohhh ja, Papa liegt verstümmelt irgendwo herum, wie Deiner. Doch im Gegensatz zu dem alten El Asustin hat meiner teilweise noch viel Leben in sich...“
In Windeseile knüpfte sie den Jutebeutel auf, eine Cámpuschil-Blüte fiel herab. Kurz wühlte sie herum, ehe sie mit einem Ruck einen abgetrennten Kopf hervorzog. Der einen Maulkorb trug. Und sich bewegte.
„Ich denke, Du solltest es Papa ruhig selbst sagen, solange Du noch kannst, Julio El Asustin.“
Routiniert löste sie den Maulkorb und es ging ein Ruck durch den Schädel Fransisco Javier Arellano-Felix’. Sein Kiefer klackerte, hungrig starrten seine milchigen Augen auf den Sohn seines alten Feindes herab.
Der Hass in Julios Augen vermischte sich mit Panik.
„Du bist doch komplett wahnsinnig!“
Sie überging seine Schreie komplett, auch entging ihr das Entsetzen, dass in Seekers Gesicht stand. Etwas fast Liebevolles huschte über Léos Gesicht und ihre Stimme nahm einen schaurig süßen Unterton an:
„Er bekommt so selten zu essen und sehnt sich doch immer danach. Sieh es als Ehre an, Cabrón. Das hier ist noch zu gut für Dich...“
Und ließ den Kopf auf Julios Brust hinabsinken, wo sich das, was einmal Léos Vater war, gierig daran machte, seine Zähne durch den Stoff ins Fleisch zu graben und zu fressen.
Julio wand sich, schrie wie noch nie zuvor in seinem Leben, während Léo ihn unerbittlich festhielt und sich der Zombiekopf weiter und weiter fraß.
Als sein Widerstand und Geschrei verstummte, der Körper erschlaffte, durchfuhr sie eine wohlige Wärme.
Sie hatte gewonnen. Ihre Familie hatte gewonnen.
Nachdem der Maulkorb wieder an seinem Platz war, wurde ihr „Papa“ wieder sicher in den Beutel verstaut.
Ihre Augen trafen die Seekers, die unschlüssig schien, was sie tun sollte.
Tief atmete Léo durch. Normalerweise war es ihr egal, was die Leute von dieser Sache hielten (falls sie es überhaupt jemals mitbekamen), aber etwas in ihr wollte, dass Seeker es verstand.
„Er ist meine ganze Familie...war, bis ich auf Dich traf. Er ist Alles, was ich auf dieser Welt noch wirklich liebe.“
Sie stand auf.
„Wir müssen unseren Brüdern uns Schwestern helfen, die Schlacht ist noch nicht vorbei.“
Geändert von Mephista (29.09.2015 um 01:46 Uhr)
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